Geteiltes Leid
von
Schnief
In der Wilhelmstraße in Winkelshausen gab es eine kleine Bäckerei und die Menschen kauften dort gerne ihr Brot. Der alte Bäcker stand sehr oft selbst in seinem Geschäft, verkaufte sein Brot, dabei war er stets freundlich und machte viele kleine Späße. Stets war er für einen kurzen Plausch bereit, daher kauften die Leute aus Winkelshausen gerne bei ihm ein. Manche im Ort meinten, er habe einen leichten Tick, aber es waren nur wenige. Die Meisten fanden ihn sehr weise und menschenfreundlich. Irgendwann hörte er davon und meinte nur „Unsinn“.
Der alte Bäcker wusste, dass man Brot nicht nur zum Sattessen brauchen kann
und dies gefällt den Leuten. Einige erfuhren dies erst bei dem alten Bäcker, genau wie der Klempner aus der Kanustraße, als er zufällig in die Bäckerei kam.
„Sie sehen so bedrückt aus“, sagte der alte Bäcker zum Klempner, während er ihm das gewünschte Brot über die Ladentheke reichte.
„Ich habe große Angst um meinen Sohn“, antwortete ihm der Klempner. „Er ist gestern die Treppe hinunter gefallen“. „Wie alt ist denn der Kleine“, fragte ihn der alte Bäcker. „Drei Jahre“, antwortete der Klempner.
Da nahm der alte Bäcker ein Stück vom Brot, das er auf der Ladentheke liegen
hatte, brach zwei Stücke davon ab und reichte dem Klempner ein Stück. „Essen Sie mit mir“, sprach er zu dem Klempner, „ich will an Sie und ihren kleinen Sohn denken“.
Der Klempner hatte so etwas noch nie erlebt, verstand aber sofort, was der alte Bäcker meinte, als er ihm das Brot in die Hand gab.
Ihr Brotstück aßen beide, schwiegen und dachten an den kleinen Jungen.
Zuerst waren die beiden allein in der Bäckerei, dann kam aber eine Frau herein. Sie hatte ihre Einkäufe auf dem naheliegenden Markt erledigt und wollte nun noch Brot kaufen. Bevor sie ihren Wunsch äußern konnte, brach der alte
Bäcker ein weiteres Stück Brot ab und reichte es ihr mit den Worten „Essen Sie mit uns. Der dreijährige Sohn dieses Herrn ist schwer verletzt, er ist eine Treppe hinunter gestürzt. Der Vater soll wissen, dass wir ihn nicht allein lassen.“
Die Frau nahm das Stück Brot und aß gemeinsam mit ihnen.