Ein Auszug aus der Fachstudie "Fragmentarisches Leben" von Prof. Doktor, Doktor, Ulf Röwer
Einführung
"Was wäre wenn" ist der wohl am häufigsten benutze Satzanfang. Man sieht zurück und macht sich auf zur Flucht in die eigenen Gedanken. Ein Paralleluniversum zwischen den eigenen Neuronen. Ein Mikrokosmos, in dem Fragmente unseres Lebens ausgetauscht und durch vermeintlich bessere Episoden ersetzt werden. Nicht wenige Menschen fallen über solche Überlegungen, dauern sie nur lange genug an, in eine tiefe Depression.
Sie haben nun vor sich die Niederschrift eines solchen ausgetauschten Fragments aus dem Leben und Denken von Lisa Frank, einer 46jährigen Hausfrau und Mutter von sieben Kindern. Sie hat sich wärend mehrerer Jahre eine art second life erschaffen in dem sie eine vollkommen andere Identität sowie divergente Charaktereigenschaften aufweist. Dies hat in ihrem Fall zu einer ausgeprägten Schizophrenie geführt. Zu ihrer Veranschaulichung folgt nun eine Abschrift aus dem Tagebuch von Frau Frank, angefertigt am 24.10.2014.
Tagebuchauszug voM 24.10.2014 von Frau lisa frank
(...) Manchmal wünscht man sich vom Ackten bepackten Schreibtisch zurück an den Kaffeetisch mit der geblümten Tischdecke, der sich wegen der Scharzwälder Kirschtorte biegt. Zurück in eine Zeit in der alles einfach war, wo das größte Problem darin bestand, dass der lieblings Teddy sich nicht mit der Puppe versteht. Für eine sechsjährige ein Dilemma, heute kaum mehr der Erwähnung wert. Da stellt sich überhaupt die Frage wo Mr. Brumm und Milisande abgeblieben sind? (...) Irgendwann beginnt man wohl sich einen
Dreck um seine Kindheit zu scheren nur um dann eines Tages aufzuwachen, ohne die leiseste Idee wie man von einem Schokoladen versessenen Rotzlöffel zur PR- Beraterin wurde die jede Woche zwanzig Überstunden anhäuft. Mitte dreizig und erfolgreich. Erfolgreich? Was bedeutet das überhaupt? Der Duden sagt dazu folgendes: "Erfolg: Substantiv, maskulin - positives Ergebnis einer Bemühung; Eintreten einer beabsichtigten, erstrebten Wirkung." Aha... Wann hab ich eigentlich das letzte mal etwas nur gemacht weil ich Lust darauf hatte, nicht weil es "zum Eintreten einer beabsichtigten, erstrebten Wirkung"
führte?...
Ich kann mich nicht erinnern. Selbst der Sex letzte Woche war nur da um einen Konkurrenten ruhig zu stellen. Er hat sich an mir versündigt und damit habe ich ihn in der Hand, will er nicht seine Ehe riskieren muss er die Füße still halten. War das nicht einer der Hauptmordgründe? (...) Wer würde mich wohl finden wenn ich erstochen auf meinem Wohnzimmerteppich liegen würde? Warscheinlich die Nachbarn die sich irgendwann über den Geruch wundern und dann nach einigen Monaten würde ein spitzer Schrei meine Totenruhe stören. Zumindest hatte ich
keine Katze die mich aus lauter Verzweiflung anfrisst. Andererseits würde ihr wehklagendes Miauen vielleicht eher zu meiner Findung beitragen ... Vielleicht doch besser ein Hund, der ist lauter und könnte den vermeintlich Mörder das Vorhaben obendrein erschweren. Andererseits macht so ein Tier viel Arbeit... vielleicht doch lieber Fische. (...) Letzte Nacht habe ich von Kindern geträumt. Ich denke es waren meine. Aber ich bin mir nicht sicher. Diese Frau in meinem Traum muss ein glückliches Leben haben, mit Kindern und einem kleinen Häuschen.
Sie muss sicher nicht erfolgreich sein. (...)
Anmerkungen von Professer Doktor Doktor Ulf Röwer
Schon vor der Isolierung von ihrer Familie neigte sie zu Selbstgesprächen, ihr Mann, berichtete mir davon, dass er seine Frau eines Abends weinend vor dem Spiegel fand, auf seine Nachfrage sagte sie, sie weine um ihre ungeborenen Kinder. Daraufhin entschloss die Familie sich professionelle Hilfe zu suchen. Nach der Absonderung stellt sie das Soliloquium ein und und beschränkte sich auf das festhalten iherer Gedanken in schriftlicher Form. Der vorliegende Abschnitt aus ihrem Tagebuch ist der
letzte, der nur wenige Stunden vor ihrem Suizid angefertigt wurde.
Frau Lisa Frank zeigt auf tragische Weise wie die Flucht aus der Realität enden kann. Sie sind vielleicht der Ansicht ein jeder Mensch habe das Recht auf Flucht, doch ich möchte deklamieren, dass ein jeder Herr über sein Schicksal ist und kein "Was wäre wenn" kann etwas daran ändern. Diese Reisen in die Welt der Möglichkeiten sind folglich ebenso nutzlos wie gefährlich, was das Beispiel der Patientin deutlich zeigt. Ich plädiere daher wehement für die Einführung eines Verbotes zur Ausübung von
Fantasie in jeglicher Art. Sollten sie diesen Vorschlag nicht genügend Achtung schenken befürchte ich werden wir nur in wenigen Jahren vor einer Generation wankelmütiger Kreaturen stehen. Die gänzlich den Halt verlieren und den Weg ans rettende Ufer nicht zurückfinden.