Drabble
Ein Beutel Limonen

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"Ein Beutel Limonen"
Veröffentlicht am 01. Mai 2015, 20 Seiten
Kategorie Drabble
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Über den Autor:

Iaut Pass bin ich 76 Jahre alt. Ich denke aber, da hat sich jemand geirrt. Ich bin verheiratet, habe zwei Adoptivtöchter und vier Enkelkinder, die leider in Südmerika leben, wo wir viele Jahre zu Hause waren. Im Bayerischen Wald genießen wir jetzt eine geruhsame Zeit, die ich zum Schreiben nutze. Aus dem Hobby ist fast schon eine Sucht geworden. Bei myStorys hoffe ich auf Anregung und Gedankenaustausch..
Ein Beutel Limonen

Ein Beutel Limonen

+                                Ein  Beutel Limonen.

Maria war fast noch ein Kind, als sie von ihrem Dorf in

Chiapas nach Mexiko City kam, um für Señor Bueno

dIe Hausarbeit zu erledigen. Es war keine fröhliche

Kinderzeit für das Mädchen, aber Not litt es nicht.

Als Señor Bueno spürte, dass er bald sterben würde,

schrieb er ein Zeugnis für Maria. „Das wird dich   eines

Tages  vor einem Dilemma bewahren“, erklärte er,

„vorerst verwahre ich es für dich.“

Kaum war Señor Bueno tot, als die  Verwandtschaft

herbeieilte. Maria machte sich bereit, das Haus zu

verlassen. Ihr erspartes Geld versteckte sie in ihrem

BH, ihr Zeugnis suchte sie im Schreibtisch des

Verstorbenen, als die Tochter des alten Mannes den

Raum betrat. Die kreischte sofort los: „Hilfe, wir werden

beklaut.“

Chaos brach los, Menschen liefen zusammen, riefen

durcheinander, Hunde kläfften. Der

Schrei: ‚Wir

werden beklaut!, gellte wieder und wieder durch die

Gasse. Ein junger Polizist trat hinzu. Er  packte Maria, führte sie

durch die gaffende Menge und schob sie in den Polizei-

Transporter zu den bereits aufgegriffenen  Händlern, die keinen

Gewerbeschein vorweisen konnten  und

mehreren kleinkriminellen Rotzlöffeln, die wortlos die neue Mitgefangene

musterten.  Langwierig war die Prozedur auf der Wache. Die nicht

angemeldeten Waren wurden den Händlern abgenommen,

die sich in langen Reihen aufstellen

mussten. Ein älterer

Beamter musterte die Aufgegriffenen. Viele der

Gesichter waren ihm vertraut. „Na, Nora ,du auch wieder

da“, er lächelte zynisch  , „du lernst es wohl nie, dir einen

Gewerbeschein zu besorgen“ .So  begann er mit der

Befragung, die klang als deklamiere er.

Maria stand wie erstarrt in der Reihe hinter dem

schmächtigen Mädchen in dem dünnen geblümten Kleid, das mit dem Namen Nora angesprochen worden  war. Es antwortete kaum hörbar auf die Fragen, die für sie

bereits Routine waren und wurde durch die Tür

abgeschoben. Als der Beamte das Wort an Maria

richtete, schrak sie zusammen. Anstatt zu antworten,

brach es aus ihr heraus: „Ich habe nichts gestohlen.“ Der

Beamte unterbrach sie . „Mädchen, das wollen

wir hier nicht wissen. Das kommt später. Also die Fragen.

Name, Adresse, Beruf, vorbestraft?“

„Was ist das?“ fragte sie schüchtern. Schallendes

Gelächter. ‚Sie weiß nicht, was ‚vorbestraft ist. Der

Beamte schüttelte missbilligend den Kopf und kritzelte:

‚Nein in diese Spalte. „Du kannst gehen“, brummte er.

„Raus?“ fragte Maria hoffnungsvoll.

„Nein, in die Zelle.“ Mit hängendem Kopf verließ

Maria den Raum. Vor ihr wurde eine Gittertür geöffnet.

Frauen, alte, junge, noch halbe Kinder kauerten am Boden

oder lehnten gelangweilt an der Mauer. Jede Neue wurde

gemustert, ob bei ihr etwas zu holen war. Maria tastete

sich an die nächste Person heran, setzte sich und

versuchte, ihre Augen an das düstere Licht zu gewöhnen.

Langsam gelang es ihr, die Gestalten der Frauen zu

unterscheiden. Neben ihr hockte das Mädchen Nora, das vor ihr

gestanden hatte. Es seufzte leise und veränderte die

kauernde Stellung. „Ein Abend ohne Schläge“, murmelte

es.

„Bekommt man hier Schläge?“, Maria erschrak.

„Keine Schläge, habe ich gesagt“, korrigierte das

Mädchen.

„Zu Hause bekomme ich Schläge, wenn

ich kein Geld

bringe.“

„Dann geh doch nicht heim“, schlug Maria kühn vor.

„Und, wo soll ich hin?“

„Arbeit suchen.“

„Hach, bis du naiv. Das ist leichter gesagt als getan. Und

bei den feinen Herrschaften geht es auch nicht immer

friedlich zu“, stieß das Mädchen hervor und knabbert an

ihren Haarspitzen.

„Weshalb bist du hier?“

„Ich soll gestohlen haben.“

„Kannst du das Gegenteil beweisen?“

„Nein, ich habe nur mein Zeugnis

gesucht, und dabei hat

die Alte mich erwischt.“

„Das sieht schlecht aus. Du musst mit einer

Gefängnisstrafe rechnen“, machte ihr das Mädchen ihr  Angst.

„Und du?“, wisperte Maria.

„Ich komme morgen wieder raus. Bei mir fehlt nur der

Gewerbeschein. Ich versuchte jeweils das Geld dafür zu

sparen“, erklärte sie und fuhrt mit der Hand tastend

über den warmen Wollrock von Maria,

die leise vor sich

hin weinte und murmelte:.

„Ich habe Angst, Angst, dass ich hier länger eingesperrt

werde.“

„Weißt du was“, das schmächtige Mädchen rückete etwas

näher, „ich kenne mich hier besser aus. Wir tauschen die

Rollen. Du bist Rosa Magro und ich die kleine Diebin.“

„Das willst du wirklich für mich tun?“ Maria wischte sich

die Tränen weg.

„Hast du Geld?“ raunte Rosa ihr zu.

„Nein“, schwindelt Maria.

„Na, gut, dann tauschen wir wenigstens

die Kleider, so

fällst du morgen nicht auf.“ Maria wurde wankelmütig ,

erklärte sich jedoch einverstanden.

„Aber die Beamten“, gab   sie zu bedenken, „werden die

mich nicht erkennen?“

„Kaum, wahrscheinlich sind es andere. Die rufen die

Leute nach den Listen auf. Die Händler kommen immer

zuerst dran.“

„Und wie willst du dann hier rauskommen?“ Maria  war

immer noch skeptisch. „Das mache ich schon.“ Rosa

beschrieb eine wegwerfende

Handbewegung. „Lass das

meine Sorge sein.“ Verstohlen betastete sie erneut nach

Marias Rock. Einen so schönen Rock hatte sie ihr ganzes

Leben nicht gehabt. Voller Vorfreude schlief sie ein.

Mit einem unsanften Stoß wurde Maria vor Tagesanbruch

geweckt. „Lass uns die Kleider tauschen. Jetzt ist alles

ruhig“, flüsterte Rosa. Mit langsamen Bewegungen streifte

Maria ihren Rock ab, zog die Bluse über den Kopf. Rosa

schob ihr das dünne Kleid herüber. Es  war viel zu eng.

Die Knöpfe schlossen nicht.“ Jeder kann sehen, dass es

nicht mein Kleid ist“, wisperte Maria. Sie spürte die

Depression in ihr.„Ach was“, beruhigte sie Rosa, die um

keinen Preis diese Kleidungsstücke wieder hergeben wollte

und bot ihr ihr graues, vor Dreck starrendes Umschlagtuch an.

„Schling dir das um den Rücken!“ Gehorsam nahm Maria den Schal und rückte ihn so gut wie möglich zurecht. Ihr  war es  kalt, und die Angst, entdeckt zu wurden, wurde  immer

drohender. Nur langsam krochen die Stunden dahin.

Es schien eine Ewigkeit vergangen, als die Gittertür

geöffnet wurde. Mit lauter Stimme verlas der Beamte

die Namen: „Edith Ramon, Marina Garcia, Rosa Magro …

Rosa versetzte der Nachbarin einen Stoß, dass die

auffuhr und stotterte: „Ich, ich.“ Als letzte trottete

sie hinter den aufgerufenen Frauen aus der

Gefängniszelle. Arme und Beine schlotterten vor Angst.

Die kleine Gruppe gelangte über Gänge, treppauf, treppab,

hin zu einem düsteren Raum. Ein

Beamter thronte hinter

einem mächtigen Tisch, er nahm die Liste zur Hand.

„Sind die alle wegen Fehlens des Gewebescheins

festgenommen?“ wollte er wissen.

„Also entlassen wir zunächst die, die die Strafe zahlen

können. “ Maria tastete nach dem Ausschnitt ihres

Kleides. Der Schal rutschte von der Schulter, hastig

rückte sie ihn zurecht.“ Kann niemand zahlen?“ donnerte

die Stimme des Beamten.

„Doch, ich“, meldete sich Maria

„Dann tritt vor! Wie heißt du?“

„Rosa …“ Maria überlegte krampfhaft, fast hätte sie

Riviera gesagt. „Ja, und weiter?“

Der Name war weg, aus dem Gedächtnis ausgelöscht. Der

Mann hinter dem Schreibtisch wurde ungeduldig. Er

überflog die Liste.

„Rosa Magro?“

Maria nickte erleichtert.

„Ja, Rosa Magro“, hauchte sie, zerrte den Brustbeutel

hervor, entnahm das Geld und schob es über den Tisch.

Der Mann nickte zufrieden und kritzelte seine

Unterschrift auf den Entlassungsschein.

„Du kannst deine Ware am Ausgang abholen. Und lass

dich nicht noch einmal ohne Schein erwischen.“ Er machte

eine kurze Bewegung mit der Hand, Maria war entlassen.

Ganz leise, um nicht noch aufzufallen, schloss sie die Tür

hinter sich, dann rannte sie durch die Gänge. Am

Ausgang zeigte sie ihren Schein vor und nahm ein weißes

Bündel in Empfang. Neugierig schaute sie hinein. Limonen.

Sorgfältig verknotete sie die langen Zipfel des Tuches.

Das war nun ihre ganze Habe, ein Bündel

Limonen.

Unentschlossen blieb Maria stehen, mitten im Strom der

Passanten. Ängstlich schaute sie zum Himmel empor. Die

Dunkelheit brach an. Wie gebannt starrte sie in die

Höhe, als habe sie nie im Leben gesehen, wie rasch in

Mexiko der Tag zur Nacht wird. Sie sehnte sich nach

ihrem Heimatdorf am Ufer des Usimasinto

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Evadrossel
Iaut Pass bin ich 76 Jahre alt. Ich denke aber, da hat sich jemand geirrt. Ich bin verheiratet, habe zwei Adoptivtöchter und vier Enkelkinder, die leider in Südmerika leben, wo wir viele Jahre zu Hause waren.
Im Bayerischen Wald genießen wir jetzt eine geruhsame Zeit, die ich zum Schreiben nutze. Aus dem Hobby ist fast schon eine Sucht geworden. Bei myStorys hoffe ich auf Anregung und Gedankenaustausch..

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GertraudW 
Mit sehr viel Gefühl geschrieben - war sehr schön zu lesen.
Liebe Grüße ins Wochenende
Gertraud
Vor langer Zeit - Antworten
Tintenklecks oh, eine bittere Gescichte, die du mit Wärme und auch Distanz erzählst.
Hoffentlich sind die Limonen ein gutes Startkapital.
Danke für das Bild. sagt der Tintenklecks
Vor langer Zeit - Antworten
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