kaiser wilhelm
1. Teil: Ein Hundeleben in Herrlichkeit
Wuff … Gestatten, dass ich mich vorstelle. Von Geburt heiße ich Ajax vom Hohen Berg.
Ein guter Freund meines Frauchens nannte mich aber von Anfang an KAISER WILHELM, wegen meiner Bartzier. Doch die gehört zu meiner Rasse, dem Schnauzer, und ich trage den Bart mit einem gewissen Stolz. Im ganzen Umkreis können meine Artgenossen nicht mithalten. Mein
Frauchen legt nämlich größten Wert auf regelmäßige Bartpflege, das heißt Kämmen, Bürsten, nach den Mahlzeiten sorgfältig Reinigen und einmal monatlich ein sauberer Schnitt müssen sein. Wenn ihr mich dann sehen könntet … Hoch erhobenen Hauptes verlassen wir, mein Frauchen und ich, den speziellen Frisiersalon. Begegnen uns dann meine Freunde, wagen sie mich kaum anzusehen vor Neid. Und bei den Damen haben die von der Straße dann sowieso keinen Stich mehr … Die Ladies bleiben stehen, zerren an ihren hübschen Halsbändern, blinzeln mir zu und machen mir eindeutige Angebote. Doch mein männlicher Stolz … ihr wisst
schon. Nun, auch das kann zu einem Hundeleben gehören. Sie nennen es Geburtenkontrolle und ohne Eingriff geht es nicht. Aber damals war ich noch sehr klein und ich kann mich an nichts erinnern. Vielleicht ist das alles auch ein Vorteil. So genieße ich Narrenfreiheit und ich brauche mich nicht um Alimente zu kümmern. Grins!
Im Augenblick liege ich auf meinem herrlich bequemen Sofa und lasse meine Seele baumeln und meine Gedanken schweifen. Mein Frauchen verströmt schon seit längerer Zeit einen für mich besonders attraktiven Duft. Nun, sie hat sich auch körperlich verändert, aber das
scheint meinen Herrn überhaupt nicht zu stören. Stattdessen umsorgt er sie mit besonders viel Hingabe. Und dass mich jetzt beide stark vernachlässigen, ist denen wohl nicht bewusst. Ich bin gespannt, was das zu bedeuten hat. Ach ja … seufz! Da werde ich erst mal ein Nickerchen machen, denn Nachdenken strengt doch sehr an.
Hach … hat das Schläfchen gut getan. Endlich konnte ich in meinen Träumen wieder einmal anstellen, was mir im wahren Leben unmöglich ist: süße Liebe, tolle Jagden, heftige Kämpfe mit diesen Straßenschnöseln und auch mal Gewinn bringende Auseinandersetzungen
mit meiner Herrschaft. Aber davon versteht ihr ja alle nichts!
Upps! Wie ich gerade sehe, haben die Herrschaften die Tür zum Garten offen gelassen. Die Gelegenheit muss ich natürlich nutzen, um einen kleinen Alleingang zu machen. Den habe ich den Herrschaften abgetrotzt. Das war gar nicht so einfach. Aber inzwischen regen sie sich nicht mehr auf. Ich treffe dann meine Kumpels aus der Nachbarschaft und gemeinsam ziehen wir um die Häuser. Mal sehen, wer heute noch unterwegs ist.
Am Ende unseres Grundstücks sehe ich
MOPS stehen. Um Himmels willen, was haben die denn aus diesem armen Kerl gemacht? „Hallo MOPS, was’n los bei euch? Wie siehst du denn aus? Warum trägst du dieses dämliche grün-weiße T-Shirt?“ „Ach weißt du, Willi, die sind doch Fans des Fußballclubs Grün-Weiß und heute ist ein wichtiges Spiel, deshalb der Fetzen hier. Erinnerst du dich, damals haben die mich auch in Schwarz-Rot-Gold gesteckt, als die WM war. Sind halt Narren, aber ich fühl mich total doof. Alle mobben mich jetzt. Reicht’s nicht schon, dass ich dieses blöde Geschirr anziehen muss? Aber es ist immerhin bequem und drückt nicht. Und es soll zu meiner Sicherheit sein,
sagen sie. Was die nur immer haben. Das Stachelhalsband, das BOBO immer tragen muss, ist dagegen eine Katastrophe. Der arme Boxer. Und als wir mal wirklich unter uns waren, hat er mir seine Wunden am Hals gezeigt.“
„Du lieber Himmel, jetzt schau bloß mal, die Autos, Fahrräder, Häuser und Gärten tragen ja ebenfalls weiß und Grün gestreiftes Zeug. Sind das alles Anhänger von diesem verrückten Fußballverein, der da um seinen Aufstieg kämpft? Grässlich, da auch noch unsereinen hineinzuziehen.“
Inzwischen ist auch SWIRL eingetroffen. Sie ist ein echter
Wirbelwind, eine Daimler-Benz-Mischung, wenn ihr versteht, was ich meine. Wenn sie dabei ist, haben die Samtpfoten nichts zu lachen. Wer nicht schnell genug auf einem Baum oder in einer Hecke verschwunden ist, bekommt ihre Zähne zu spüren. „Hi SWIRL. Wie geht’s heute? Auch unterwegs und wie immer auf Pfötchenjagd?“ „Na klar doch, ich brauch eben meinen Spaß. Aber komm mir nicht zu nahe, sonst rappelt’s wieder mal in deinem Gesicht! Du kennst doch meine Vorderpfotenwatsch’n?“ Tja, am Anfang hat sie mich auch mal verhauen. Au weia, das war schlimm. Aber ein paar Pflaster später wurden wir gute Freunde.
Jetzt ist der Spaß immer auf unserer Seite.
Jetzt ist auch BOBO gekommen. An der nächsten Litfaßsäule lesen wir erst einmal die Hundezeitung, hinterlassen dann unsere Mitteilungen über Anwesenheit und Gesundheitszustand. „Habt ihr mitbekommen, dass da ein paar heiße Straßenfeger hier sind. Ich will doch sehen, ob ich mir die eine oder andere aufreißen kann!“ BOBO hat natürlich die größte Klappe. Er bekommt ja auch keinen Stress, wenn er mal über Nacht wegbleibt. „MOPS, was ist mit dir? Keine Lust auf ein nächtliches Abenteuer?“ „Heute nicht. Das letzte
Mal gab’s danach Leinenzwang und Ausgangssperre. Nicht noch einmal. Es war einfach nur gemein. Und sie drohten mir sogar mit Zwangssterilisation. Mein Heiligstes will ich nicht verlieren!“ Nun ja, jeder weiß selbst am besten, was ihm gut tut.
Inzwischen sind STANISLAUS, der Dackel-Schäferhund-Mischling, und CHEROKEE, der Pinscher, eingetroffen. Es gibt eine herzliche Begrüßung nach Hundeart mit Schwanzwedeln, Schnauzenstupsern und freundschaftlicher Rangelei. Da ruft CHEROKEE ganz aufgeregt: „Seht ihr dort drüben bei dem Busch die
Wühlmaus?“ Wie die Verrückten stürzen wir uns auf die Stelle und schon fliegen die ersten Grasbüschel. Los gekratzte Erde spritzt durch die Luft und heisere Jagdlaute verraten, wie wir drauf sind. Abwechselnd geht es hinter dem Vieh her, das vor uns zu flüchten versucht. Wer wird heute das Jagdglück haben? Gleich verschwindet das Vieh wieder in irgendeinem Loch. Dann ein lautes Quietschen, CHEROKEE schießt aus dem großen Loch und leckt sich ausgiebig seine blutende Nase. Ehe wir den Kleinen unterstützen können, ist die Wühlmaus über alle Berge. Vielleicht war es sogar eine Ratte, denn die sind
sonst so wehrhaft.
Betrübt ziehen wir weiter. Da duckt sich SWIRL und springt mit einem riesigen Satz vorwärts. Im Sprung wird sie gestoppt. Ein riesiger schwarz-weiß-roter Schatten baut sich vor ihr auf und ohrfeigt sie wie nie zuvor. Ehe wir eingreifen können, ist der Schatten verschwunden. Natürlich schwören wir dem Ding Rache. Ist doch selbstverständlich. Ich hoffe, ihr seht das genauso.
Nur wenig weiter erwartet uns MUCK. Sie ist eine ganz liebe, schwarze Samtpfote, die mit QUADRO
zusammenlebt. Der arme Kerl ist schon alt und halb blind. Mit seinem roten Fell sieht er aus wie ein kleiner Löwe. Wir nehmen ihn und MUCK gerne in unsere Mitte. Wenn er uns seine Abenteuer erzählt, gibt es immer viel zu lachen. Ein paar Häuser weiter befindet sich eine kleine Kneipe. Hier fallen immer ein paar Leckerbissen für uns ab. Statt in die Tonne in die Hunde- und Katzenmägen … Ihr versteht schon, nicht wahr? Satt und zufrieden kehren wir dann heim. Wenn das die Herrschaften wüssten … Die wundern sich nur, dass ich nach so einem ausgiebigen Spaziergang zwei Tage keinen rechten Hunger habe.
Fortsetzung folgt!
© HeiO 17-10-2014