Vorwort
Diese Geschichte war eine Aufgabe im Rahmen des Selbststudiums im Zirkel "Kreatives Schreiben"
des Institutes für Lernsysteme GmbH Hamburg.
Schreiben Sie folgende Geschichte neu in Form einer Kriminalstory:
"Welch' ein süßes Gedenken, das mir die Liebe so oft gibt!", sagte Page Guillaume de
Rabsteing aus der Provence (1196), bevor sein Herr Raymond de Roussillon ihn köpfen, ihm das Herz herausschneiden und braten ließ und es seiner Gattin Marguerite vorsetzte.
"Hat es geschmeckt?", fragte er und zeigte ihr den Kopf. "Ich möchte mir durch nichts mehr den herrlichen Geschmack verderben lassen", erwiderte sie und sprang aus dem Fenster.
A.B.S.
Liebe süss-sauer serviert
De Roussillon stand auf der Terrasse des großen Salons, ein Glas Cognac in der Hand und blickte über das Lichtermeer der nahegelegenen Stadt, als er plötzlich die Stimme seiner Frau aus der Halle hörte.
Seit Stunden schon wartete er auf sie. Marguerite war am frühen Nachmittag zu einem Treffen in die Stadt gefahren.
Oh, er wußte, mit wem sie sich treffen wollte und die Eifersucht machte ihn schier rasend. Heute! Heute sollte es so weit sein. Der richtige Zeitpunkt, seine schon so lang ersehnte Rache in die Tat umzusetzen. Er
hatte alles schon vorbereitete. Und da war sie endlich, seine Frau.
„Guillaume!"
Die junge Frau legte Hut und Mantel ab und rief erneut leicht gereizt nach dem Pagen. Aber nichts, keine Antwort. Es war merkwürdig ruhig im Haus. Nervös und voller Unbehagen ließ sie ihren Blick durch die Halle, über die breite Freitreppe und die Galerie schweifen. Diese seltsame Stille im ganzen Haus beunruhigte sie. Keine Dienstboten eilten geschäftig durch die Zimmer und auch von Guillaume de Rabsteing war nichts zu sehen. Seine Abwesenheit und nicht zu wissen, was hier vor sich ging, machten ihr große Sorgen. Irgendetwas stimmte nicht.
Hastig begab sich Marguerite de Roussillon hinauf in ihre Gemächer, immer hoffend, ihr ungutes Gefühl würde sie trügen. Doch ihre Hoffnung erfüllte sich nicht.
Kein Zeichen, keine Nachricht!
Guillaume war nicht da, genau so wenig, wie er zu ihrem geheimen Treffen in die Stadt gekommen war.
Sie hatte voller Sehnsucht auf ihn gewartet, Stunde um Stunde. Aber er kam nicht. Noch nie hatte de Rabsteing eines ihrer Treffen versäumt. Zu groß waren ihr gegenseitiges Verlangen und Zuneigung gewesen, als dass sie irgend etwas aufgehalten hätte.
Nicht so heute. Es musste etwas vorgefallen sein.
Sie schrak aus ihren Gedanken auf, als die
große Standuhr im der Halle Acht schlug, Zeit für das Dinner.
DieTradition wurde im Hause de Roussillon hoch gehalten. Sicherlich würde Raymond schon wegen ihrer Verspätung erzürnt sein. Marguerite zwang sich zur Ruhe. Sie machte sich frisch, kleidete sich zum Dinner um und begab sich in den großen Salon.
Ihr stockte fast der Atem. Das hatte sie nicht erwartet.
Der Salon war in warmes Kerzenlicht gehüllt. Der Duft eines Blumenmeers schwängerte die Luft. Auf der festlich gedeckten Tafel inmitten des Zimmers häuften sich auserlesenen Speisen und Getränke. Marguerites Gedanken wirbelten durcheinander.
Was sollte das? Was hat das alles zu bedeuten?
Sie konnte keine Erklärung für einen derartiges Arragements finden.
Raymond, der von der Terrasse ins Zimmer trat, genoss sichtlich das Erstaunen seiner Frau und ein teuflisches Grinzen huschte über sein Gesicht. Mit spöttisch, leicht zynischem Tonfall meinte er:
„Na meine Liebe, wie war dein Treffen? Du bist spät, heute Abend.“
Marguerite zuckte zusammen als er ihr seine Hand auf die Schulter legte. Sie hatte ihn nicht kommen hören.
„Was hat das alles zu bedeuten? Wo sind denn alle Angestellten? Wo ist Guillaume? Ich verstehe nicht!“
Ihre Stimme verriet ein leichtes Zittern. Panik machte sich in ihr breit. Sein Grinzen wurde breiter. Diese Situation bereitete ihm ganz ohne Zweifel Freude. Er hatte die Fäden in der Hand und die Macht sein perfides Spiel in die Tat umzusetzen.
„Wir feiern unseren Abschied.“
Dabei prostete er ihr zu.
„Hast du gedacht, ich wüßte nichts von euren heimlichen Treffen, euren Liebesstunden? Du hast mich hintergangen, mich betrogen. Ha, Guillaume! Er ist heute nicht gekommen? Ich habe ihn ...“
Raymond blickte auf das Glas in seine Hand und fuhr nach kurzer Überlegung fort: „Guillaume weilt nicht länger unter uns. Er hat uns für immer verlassen.“
Marguerite konnte einen leisen Schrei nicht unterdrücken. Sie war bei den Worten ihres Mannes kreidebleich geworden. Ihre Knie drohten nachzugeben. Sie krallte ihre Fingenägel in die Lehne des nahegelegenen Sessels um nicht den Halt zu verlieren.
De Roussillon sah dies mit Genugtuung.
„Sei doch nicht so dramatisch, Marguerite. Ihr habt euch wahrlich verdient. Er ist ganz dein, mit Herz und Kopf. Das war mir in dem Moment klar, als er bei seinem Abgang meinte: Welch' ein süßes Gedenken, das mir die Liebe so oft gibt! Wenn dieser Abend, den du mit mir verbringen wirst, zu Ende ist, kannst du ihm gern folgen. Ich werde dich nicht halten. Aber nun lass uns zu Tisch gehen.“
Seine Stimme klang kalt, seine Augen funkelten, doch sonst verriet sein Gesicht keinerlei Emotionen.
Marguerite hatte sich etwas gefasst und ließ sich von ihrem Gatten an den Tisch geleiten. Er füllte ihr Glas mit vollmundigen rubinroten Wein.
Blut, schoss es ihr durch den Kopf.
Hatte ihre Phantasie ihr soeben einen Streich gespielt?
Raymond erhob sein Glas auf diesen wunderschönen Abend und konnte nicht umhin zu bemerken, dass dieser Wein das Blut von reifen Früchten sei. Seine Frau hingegen kämpfte gegen die erneut aufsteigende Panik und zwang sich zur Ruhe und Gleichgültigkeit. Sie widmete sich
schweigend ihrem Hauptgericht, lüftetete die Tellerhaube und sah eine mit Liebe angerichtete Speise, Herz „süss-sauer“ mit Pürree von Süßkartoffeln und verschiedenen Gemüsen. Obwohl Marguerite keinen großen Appetit verspürte, verspeiste sie, wie von einer inneren Stimme getrieben, das Herz.
„Nun, hat es dir geschmeckt meine Liebe?“ Raymond saß ihr mit zusammengekniffenen Augen erwartungsvoll gegenüber und konnte kaum seine Spannung auf den nächsten Gang verbergen.
„Dann lass uns den Nachtisch geniesen!“ Triumphierend und voller Glücksgefühle eröffnete er ihr das Dessert.
Auf dem Tablett sah Marguerite den Kopf
ihres geliebten Guillaumes.
Mit einem Mal fiel jegliche innere Spannung und Unruhe von ihr ab. Große Ruhe und Kälte machten sich in ihr breit.Gelassen stand Sie auf und zischte ihren Mann kaum hörbar an.
„Du Wahnsinniger! Aber du hast Recht! Er gehört mir, mit Herz und Kopf! Ich danke dir!“ Ein irres befreiendes Lachen entrang sich ihrer Kehle. Sie griff den Kopf und auf dem Weg zur Terrasse meinte sie triumphierend an ihren Mann gewandt:
„Ich möchte mir durch nichts mehr den herrlichen Geschmack verderben lassen!“ Dann sprang sie in die Tiefe.