Ein unangenehmer Gast
Es war an einem Feiertag. Der Herr des Hauses hatte tagsüber schon einige Bierchen gezischt, während seine Frau sich anschickte, das Abendessen vorzubereiten.
Einer plötzlichen, inneren Eingebung folgend, ließ das Familienoberhaupt einen Schrei los: „ He Olle, weißt Du was? Heute tun wir uns etwas Gutes, die Küche bleibt kalt und ich lade dich zum Essen ein.“
„Oh, wie schön! Mein Schnuggelchen, wir waren ja schon so lange nicht mehr außerhalb zum Essen“, antwortete die angesprochene hocherfreut, "aber Du sollst dein bestes Stück, nicht Olle nennen",
schmollte sie.
Der Sohn fühlte sich ebenfalls angesprochen und meinte: „ Coool und ich weiß auch schon, was ich essen werde.“
„Nee, nee mein Sohn, so haben wir aber nicht gewettet! Du kleiner Rotzlöffel bleibst schön zu Hause und passt auf dein Schwesterchen auf “, meinte sein Vater bestimmt und entschieden. „Kriegst dafür auch etwas in dein Sparschwein.“
Das mit dem Sparschwein, versöhnte den Filius und er trollte sich ins Kinderzimmer, zu seiner kleinen Schwester, die er hüten sollte.
„Meinst Du wirklich, wir können es verantworten, die beiden alleine zu lassen?“, fragte seine Frau etwas skeptisch, „wenn
etwas passiert, dann haben wir das Dilemma.“
„Aber Schatzimaus, er passt doch immer auf sein Schwesterchen auf, selbst dann, wenn Du mit deiner Depression in einer Ecke hockst.“
Sie wollte entrüstet aufbegehren, aber ein Kuss ließ sie vergessen, was sie ihm sagen wollte und er lenkte sie weiter ab mit der Frage:„Hast Du denn eine Idee, wo wir Dinieren können?“
Nach kurzem Überlegen meinte sie: „Wir könnten zum See fahren, am Ufer befindet sich ein Ausflugslokal.“
„ Das wäre eine Möglichkeit“, antwortete er nachdenklich, „aber es hat nicht den besten Ruf und fahren müsstest
Du.“
„Das ist kein Problem“, meinte sie schmunzelnd. „Ich darf doch immer fahren, wenn Du fahruntüchtig bist.“ Sie wurden sich einig und bald darauf betraten sie die Gaststätte.
Einen Platz zu finden, in dem nur spärlich besetzten Speiseraum, war keine Schwierigkeit - den richtigen Tisch zu finden schon eher.
Einige Tische waren noch nicht abgeräumt und geblümte Servietten lagen in den, teilweise nicht leer gegessenen, Tellern.
Die Kellnerin, der das zögerliche Verhalten auffiel, wollte ihnen einen Tisch zuweisen, aber die neuen Gäste schienen sie nicht ernst zu nehmen.
Das war aber auch schwierig, denn sie sah zum Schießen aus.
Unter ihrer Servierschürze trug sie eine Pippi-Langstrumpf-Radlerhose und ihre gesamte Aufmachung – rote Zöpfe, Sommersprossen, etc. – erinnerten sehr stark an Pippi Langstrumpf.
Sie war als Touristenattraktion gedacht und ihr schien es auch zu gefallen.
Als sich die Eheleute Alberts – so hießen die beiden - genügend über das Outfit amüsiert hatten, folgten sie ihr zu einem Tisch und begannen mit dem Studieren der Speisekarte.
Herr Alberts zeigte nur mit dem Zeigefinger auf das Gericht, für welches er sich
entschieden hatte. Die Kellnerin notierte es und ebenfalls das der Frau.
Auf halbem Weg zur Küche erreichte sie der Ruf des Gastes: „Kommen sie bitte nochmal zurück, ich habe es mir anders überlegt.“
Unwillig machte sie kehrt, denn wenn sie etwas nicht leiden konnte, dann waren es wankelmütige Gäste, die sich nicht entscheiden konnten.
Als sie wieder an dem Tisch ankam, zeigte der Gast grinsend auf das gleiche Gericht.
Empört und deklamierend meinte sie: „Aber das habe ich doch notiert!“
„Dann ist es ja gut, worauf warten Sie denn noch, ich bin hungrig“, meinte Herr Alberts unverschämt grinsend, denn es machte ihm Spaß, Leute aufzuziehen, vor allem dann,
wenn er beschwipst war. Seine Frau kannte das schon und sah daher, großzügig, über so manche Frechheit hinweg.
Schon wieder so ein penetranter Gast, ging es der Kellnerin durch den Kopf. Das war in der letzten Zeit schon öfter vorgekommen, dass man sie verarschen wollte und so langsam hatte sie die Schnauze voll von dem Laden. Es fehlte nur noch ein Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringen würde.
Das sollte jedoch schneller geschehen, als sie ahnte.
Als sie die Gerichte an den Tisch brachte, stierte der Herr Alberts ganz entgeistert und ungläubig auf sein Essen und meinte: „Was ist
denn das?, ich habe ein Steak mit Pilzen bestellt, die im Übrigen auch nur sehr fragmentarisch zu sehen sind und ein richtiges Steak, ist das auch nicht."
„Aber Sie haben doch auf das Hacksteak gezeigt“, versuchte sich 'Pippi Langstrumpf' zu rechtfertigen.
Da war sie aber bei Herrn Alberts, an den Richtigen geraten: "Beim zweiten Mal habe ich auf das Steak gezeigt und ich habe vorausgesetzt, dass sie lesen können. Nehmen Sie den Dreck wieder mit, bevor ich mich noch daran versündige."
Mit diesen Worten schob er den Teller so ungestüm von sich weg, dass er quer über den Tisch schlitterte und der Kellnerin vor die Füße
fiel.
Genau das war der Tropfen, der das Fass zum überlaufen brachte!
Wutendbrand, mit hochrotem Kopf und fliegenden Zöpfen, begab sich die Kellnerin zum Wirt, während sie sich, auf dem Weg zu ihm, schon die Servierschürze abband, um sie ihm anschließend vor die Füße zu werfen, mit der lakonischen Bemerkung: “Mir bleibt nur noch das Recht zur Flucht und mir ist gerade danach."
Im Weggehen vernahm sie nur noch die leiser werdenden Worte des Wirtes: "Aber Pippi, Du kannst mich doch nicht ..."
Nicht gerade sehr damenhaft, drehte sie sich halb zu ihm um und zeigte ihm einen Stinkefinger. Zusätzlich streckte sie ihm auch
noch die Zunge heraus.
Das war zu viel und der Wirt musste unbedingt Dampf ablassen. Dazu begab er sich kurz in die Küche um anschließend den Tisch der Gäste anzusteuern, die die Verursacher waren.
Seine Miene versprach nichts Gutes und war angst einflößend. Als Frau Alberts das auf blitzen eines Fleischhackebeils in seiner Hand sah - welches der Wüterich, im Gleichschritt, unternehmungslustig hin und her schwang - zog sie wortlos, ihren Mann an einem Ärmel zerrend, von seinem Stuhl hoch, um aus der entgegen gelegenen Hintertür zu flüchten.
Wie recht sie mit ihrer Flucht hatten, bewies
ihnen der Wirt, der in der Tür stehen geblieben war, drohend die Fäuste und das Beil über dem Kopf schwang und ihnen die übelsten Flüche und Verwünschungen nach rief.
Ob nun die vier platten Reifen, die die Alberts am Auto vorfanden, auch mit dem Geschehenen in Verbindung gebracht werden konnte, konnte nur vermutet werden, aber beweisen ließ sich das nie und Herr Alberts meinte nur, nun ebenfalls wütend und aufgebracht: "Hier waren wir das letzte Mal! Es wäre nur schön, wenn wir endgültig weg kämen von diesem Sch ..laden", dabei sah er bekümmert auf die 'Plattfüße' des Autos und zornig zu dem Wirt, der nun im Haupteingang Stellung bezogen hatte und hämisch lächelte.