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Koblenz

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"eine deutsche Ansichtskarte: Treffen die sich heute darum gerade dort?"
Veröffentlicht am 02. Oktober 2014, 10 Seiten
Kategorie Gedichte
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Über den Autor:

Getauft, Geschieden, Geimpft: 3G also, tretet näher, Herrschaften! Was ich so schreibe, ist natürlich erlebt, erlauscht, erlesen und erlogen; von alberich bis böse oder dunkeltrüb, und mit Vorliebe gereimt. Erfreue mich an Musik verschiedener Richtungen, an Literatur und natürlich an Menschlichem wie Situationskomik und liebevolle Reaktionen abseits des jeweiligen Business'. Solange ich die komische Seite der Dinge erkenne, geht's mir gut -- und ...
eine deutsche Ansichtskarte: Treffen die sich heute darum gerade dort?

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Germanisch, grimmig, kolossal starrt Wilhelm Eins weit übers Tal, droht allen Feinden den Garaus. Uns gingen Feinde ja nie aus, und wenn ich Wilhelm recht versteh, will er, daß man ihn ostwärts dreh, den Riesen-Nationalkitsch-Zimt, dort, wo der Rhein die Mosel nimmt. Sehr schnell vorbei fließt hier der Rhein; das leuchtet nach Gesagtem ein. Zum schiefergrauen Rheine kommt die träge dunkle Mosel. Prompt ist von ihr keine Spur zu sehn. So kann es bei Fusionen

gehn: Der Kleinere verliert am Ende sofort Couleur − und Monumente.

Nachbemerkung

Wilhelm I. war Oberbefehlshaber der deutschen Armee im Deutsch-Französischen Krieg und danach Kaiser unter Bismarck. Besagtes Monument wurde 1897 errichtet, im Stil ähnlich dem Leipziger Völkerschlachtdenkmal − hatte doch derselbe Künstler die Hand im Spiel. Im März 1945 von einer Granate zerstört, wurde das 37m hohe Denkmal 1993 mit privaten Spenden rekonstruiert. 1993? Was gab es da noch: Den Krieg in Bosnien-Herzegowina verstehen nur noch Spezialisten. In Indien sterben fast 10000 Menschen bei einem Erdbeben.

3000 Chinesen werden durch eine Flutwelle obdachlos. In Abchasien werden 7000 georgische Zivilisten massakriert. 500 Verletzte und knapp 200 Tote fordert ein Brand in einer gegen Diebstahl verschlossenen Spielzeugfabrik in Bangkok. Die bundesdeutsche Statistik vermeldet 3,5 Millionen Arbeitslose. Und an Rhein und Mosel gibt es ein Jahrhundert-Hochwasser. Die Koblenzer aber wollen unbeirrt ihren alten Kaiser Wilhelm wieder ham. − War nur so ein Gedanke. Theodor Heuß erklärte schon 1953 das Monument zum Symbol der deutschen Einheit. Abgesehen von den Wappen Pommerns, Schlesiens und Ostpreußens

am Denkmalssockel sollte er recht behalten. Welch irrationalen Wert Denkmäler der eigenen und fremder Religionen haben, zeigt ja jeder Regimewechsel. Sofort 1991-92 mußte z.B. das Berliner Lenin-Denkmal abgerissen werden, was mit 100 000 DM deutlich teurer kam als gedacht (kennen wir das?) und der Modernisierung von Häusern und Straßen zunächst vorging. Der Senat ließ die Teile im Wald verbuddeln und hob September 2014 erst nach monatelangem Hin und Her sein Verbot auf, den Kopf auf einer Denkmals-Ausstellung zu zeigen. − Und Taliban, IS & Co. plündern und sprengen fleißig

die Stätten der „Ungläubigen“ ... barbarisch, aber nicht völlig fremd, dazu oft genug zunächst mit unseren Steuern gepampert. Übrigens, mir fehlt das Lenin-Denkmal nicht. Wer braucht überhaupt Denkmäler, die echten Personen huldigen? Ich als Stadtrat würde höchstens Karl Valentin, John Lennon, Simone Signoret, Dave Brubeck, Alfred Hitchcock, Oscar Wilde, Albert Einstein, Loriot, Erik Satie usw. genehmigen; und vor dem Reichstag einen runden Pittiplatsch. Wären das nicht genug Schmuckstücke?


© 2014 Brubeckfan


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Getauft, Geschieden, Geimpft: 3G also, tretet näher, Herrschaften! Was ich so schreibe, ist natürlich erlebt, erlauscht, erlesen und erlogen; von alberich bis böse oder dunkeltrüb, und mit Vorliebe gereimt. Erfreue mich an Musik verschiedener Richtungen, an Literatur und natürlich an Menschlichem wie Situationskomik und liebevolle Reaktionen abseits des jeweiligen Business'. Solange ich die komische Seite der Dinge erkenne, geht's mir gut -- und das ist allermeistens.

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pekaberlin Ja, Gerd,
toll, was da in Deutschland überall so rumsteht!
Aber - einen Leninkopf auszugraben, fürchtet man ... genau wie eine Bersarinstraße oder Marschall Shukow Schule ...
Übrigens, denke ich, dass der Rhein einfach schneller fließt und dadurch die Mosel einsaugt (Injektorprinzip). Komm mal nach Köpenick! Da kannst du selbiges bei Spree und Dahme beobachten. Und außerdem steht da das Denkmal Desjenigen, der Wilhelm zwo so schön vorgeführt hat.
Liebe Grüße
Peter
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Ja, der Schuster, dieser clevere Gauner, der muß naürlich stehen bleiben. Laut Wiki hat sogar WII gelacht und ihn nach 2 Jahren begnadigt.
Eingesaugt -- leuchtet mir ein, der Rhein ist wirklich deutlich schneller, also mehr Volumen. Das Fehlen wilder Wirbel ist verblüffend, vielleicht kann ichs mal mit Kaffee und Milch nachstellen, oder besser mit 2 Teesorten.
Vielen Dank für alles!
Viele Grüße,
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
cassandra2010 
Da reimste -ente auf Ende... d a s muss ein Versefeiler erstmal wagen! aber du hast es getan und zudem einen hohen Zoller vom Pferd geschubst.

Dafür einen Heine, der die HZ auch nicht mochte:

Heinrich Heine
Schlosslegende
Zu Berlin im alten Schlosse
sehen wir aus Stein gemetzt
wie ein Weib mit einem Rosse
sodomitisch sich ergetzt.

Und es heißt, dass jene Dame
die erlauchte Mutter ward
unseres Fürstenstamms – Der Same
schlug fürwahr nicht aus der Art.

Ja, sie hatten alle wenig
von der menschlichen Natur,
und an jedem Preussen-König
merkte man die Pferdespur.

Stets brutal zugleich und blöde,
Stallgedanken, jammervoll,
eine Gewieher ihre Rede
eine Bestie jeder Zoll.

Du allein, du des Geschlechtes
letzter Sprößling, fühlst und denkst
wie ein Mensch, und hast ein echtes
Christenherz und bist kein Hengst.

So, das ist der Beitrag der Principessa und des großen Harry zum TddE
Blüht weiterhin in ihrem Glanze
Cassy
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Ende Menthe Leiolente ... Ich vertraue darauf, daß unsere Schwaben, Sachsen, Hessen, Thüringer, Wiener etc. das gar nicht bemerken. Verbesserungsvorschläge sind freilich willkommen.
Aber dieser Heine, ein starkes Stück. Kein Wunder, daß zu kackbraunen Zeiten die Lorelei plötzlich einen unbekannten Autor hatte. Nun bin ich gespannt, ob das sagenhafte Berliner Schloß nach Neubau auch besagte Plastik hat. Wenn schon sonst nichts über die Nutzung klar ist, nöch?

Vielen Dank, lieben Gruß, und trink heut nicht mehr so viel ;-)
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
cassandra2010 

Wieso sollte ich? Weil der dritte October is???
Pah! Humbug!
cvt
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Weil heut frei ist und schönstes Wetter und morgen auch wieder?
OKOK, alles bestens.
Puh, Hamburg
Vor langer Zeit - Antworten
cassandra2010 
An de Eck steit’n Jung mit’n Tüdelband...
in de anner Hand ´n Bodderbrood mit Kees,
Jau.
Meint wenigstens mein Süßer, gebürtiger Honn-se-oo-de, 'n ganz feinen Keeerl
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Denkmäler? Drauf geschissen ... sagte die Taube. Und sie hat Recht, oder?
Monumentale Betrachtung des Themas, Gerd . Fein!

Lieben Gruß
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Liebe Gunda, vielen Dank.
Wahrscheinlich hat man Euch ehedem am Schulwandertag mal dorthin gekarrt?
Es ist ein schönes Fleckchen Erde, auch als Hochzeitsort sehr begehrt, und dann dies.
Viele Grüße!
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
Colorsigns ! 1 * !!!
Vor langer Zeit - Antworten
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