Die Geschichte von Prinz Reifjyk und dem kalten Mädchen
Seit fünfzehn Nächten hatte sich niemand mehr im Dorf sehen lassen.
Die Händler kamen ohnehin selten hier her.
Aber der graue Trupp hätte sich schon längst blicken lassen müssen.
Reifjyk wurde nervös. Ohne die Gaben würde dieses Dorf das gleiche Schicksal wie Jorheim
finden.
Sein Gesicht war gealtert. Nicht einmal der wunderschöne smaragdgrüne Himmel heiterte
ihn dieser Tage auf.
Als Kind hatte ihn der Blick in den Resthimmel immer glücklich gemacht.
Aber jeder der so nah am Abgrund stand wie er, verliert sein Kind, für immer.
Reifjyk verließ langsam seine Hütte.
Die Luft war kalt und schwer vom Nebel. Jeder Atemzug der frostgeschwängerten Luft
mehrte den Zweifel in Reifjyks Seele.
Er hätte die Grauen anführen sollen. Das hatten alle erwartet.
Aber dieses Gesicht, niemand hätte ihr diesen Wunsch abschlagen
können.
Als Reifjyk jünger war, hatte ihm sein Vater gesagt das er die Gemeinschaft immer allen
persönlichen Belangen vorziehen müsse.
Dem Königssohn war übel.
Mit langsamen Schritt näherte er sich dem Dorfplatz. Die Kälte rieb sich an der nackten Haut
seiner Füße.
Zögerlich setzte er sich auf eine morsche verwitterte Bank am längst erloschenem Feuer in
der der Mitte des Platzes.
Niemand war
hier.
Reifjyk schob die Hände in die Taschen seiner Robe um sie vor der eisigen Luft zu schützen.
Eine panische Angst durchfuhr in als er das weiche Haar zwischen seinen Fingern in der
Tasche rieb.
Sie hatte sich ihm doch nicht genähert?! Das konnte sie gar nicht!
Aber Mädchen lassen Männer viele Dinge glauben. Ob sie nun am Leben sind oder so kalt
wie die trübe Luft des heutigen Tages.
Reifjyk schüttelte den Kopf und zog die schweißnassen Hände aus den
Taschen.
Als er träumend von der Rückkehr der Grauen über die Asche des Lagerfeuers blickte,
wurde ihm schlagartig schwindelig.
An der Hütte der alten Jora zog ein sich windender Schatten vorbei.
Er löste sich jedoch nicht auf als Reifjyk ihn anblickte, sondern verharrte einfach in seiner
Position und wartete. Um dann wieder im Augenwinkel des Prinzen weiter zu tanzen.
Reifjyk rieb sich die müden Augen, stand von der alten Bank auf, griff sich
in die Tasche und
ließ fahles Licht auf seine Befürchtungen fallen.
Das schwarze Haar fiel unter Reifjyks lautlosem Schrei zu Boden.
Denn die Toten dürfen nicht mehr schreien.
Es ist ein Privileg der
Lebenden.