Ein Drabble ist eine pointierte Geschichte, die aus exakt 100 Wörtern besteht. Dabei wird die Überschrift nicht mitgezählt
letzter Tag
Drabble
Text © by Amarillo
Cover © by Amarillo
mit Nachwort der Autorin
Sie weiss, sie ist schön und begehrt, ihr Körper ist schlank und gelenkig. Sie weiss auch, dass sie bald sterben wird. Trotzdem geht sie ihren Weg weiter, stoisch, zielstrebig.
Sie hat schon lange nichts mehr gegessen, fühlt keinen Hunger. Was sie fühlt ist ihr Nachwuchs, der sich in ihrem Unterleib befindet.
Bald ist es so weit!
Sie schwebt durch Tag und Nacht bis zu ihrem Bestimmungsort. Es ist kühl, doch die stetige Bewegung hält sie warm. Plötzlich spürt sie einen heftigen Ruck, erschreckt und windet sich. Es ist noch zu früh…
... doch der Grizzlybär hält den Rotlachs und beisst zu.
Nachwort der Autorin
Die Idee zum Drabble entstand letzte Woche beim campieren am Fraser River, British Columbia, Kanada.
Am 3.12.10 war im Internet zu lesen: Unlängst noch befürchtete man in Kanada das Verschwinden der wilden Rotlachse. Zur Überraschung der Experten hat sich die Population jedoch erholt Jetzt sind diese auch Sockeye genannten Lachse in einer Rekordzahl aus dem Ozean in den Fluss Fraser zurückgeströmt, wie man es seit rund 100 Jahren nicht mehr gesehen hat.
Ein namhafter kanadischer
Wissenschafter glaubt jedoch, die Ursache für dieses Phänomen zu kennen: kein Wunder, sondern ein Vulkanausbruch in Alaska im August 2008.
Timothy Parsons ist überzeugt davon, dass die Asche des Vulkans Kasatochi auf der gleichnamigen Aleuten-Insel im US-Bundesstaat Alaska hinter der Fisch-Vermehrung steckt.
Parsons vermutet, dass die Vulkanasche den Pazifischen Ozean mit Eisen und Silizium angereichert hat. Dadurch hätten sich die Kieselalgen, Hauptbestandteil von marinem Phytoplankton, explosionsartig vermehrt. Normalerweise ist der Pazifik -
im Gegensatz zum Atlantischen Ozean - sehr arm an Eisen. Die Zunahme an Kieselalgen kommt den größeren Krustentieren zugute, die sich im Pazifik von dem Plankton ernähren. Und von der Vermehrung der Krebse profitieren die Lachse. Denn die gedeihen besser, wenn ihre Nahrung aus größeren Krustentieren besteht.
Der Fraser River, den die Rotlachse hochwandern, um im Fluss oder in Seen zu laichen, ist der bedeutendste Geburtsort für Rotlachse in Kanada. Die Tiere kehren in die Flüsse zurück, nachdem sie sich im Schnitt drei Jahre im Pazifik aufgehalten haben. Anders als die übrigen Salmoniden sterben
Pazifiklachse nach dem Laichen. Die sind dafür berühmt, genau die Stelle ihrer Geburt wiederzufinden, um dort zu laichen.
In den vergangenen fünfzehn Jahren hatten die Experten mit ihren Prognosen zur Zahl der zurückkehrenden Lachse stets weit danebengelegen. Im Jahr 2009 hatten sie mit elf Millionen Sockeyes gerechnet - es kamen nur 1,5 Millionen, die kleinste Menge aller Zeiten. Im Auftrag der Regierung war eigens eine Kommission gebildet worden, um diesen Rückgang zu untersuchen. Die kommerzielle Fischerei wurde für drei Jahre verboten.
In diesem Jahr mussten die überraschten
Experten ihre erste Prognose auf 25 Millionen Lachse korrigieren, später auf 30 Millionen und dann auf 34,5 Millionen. Große Verwirrung herrscht. Jetzt darf wieder gefischt werden.
(Quelle: http://www.sueddeutsche.de/wissen/oekologie-das-wunder-vom-fraser-river-1.1030886)