Mit einem Seufzer der Erleichterung verfolgte die Asiatin wie sich die Wagontüren schlossen. Dann atmete sie tief durch und genoss die gefilterte Luft innerhalb des Hochgeschwindigkeitszuges. Hiau Tzü vergeudete keinen Blick mehr nach draußen. Diese Amerikaner konnten behaupten, was sie wollten. Aber Tacoma hatte absolut nichts Grünes oder angenehmes an sich. Im Gegenteil... es war dreckig und stank bestialisch. Endlich traute sie sich die Empfindlichkeit ihrer Geruchssensoren
wieder auf normal zu heben. Und ihr war auch weiterhin ein Rätsel, was so speziell an dieser Charles Royer Station sein sollte. Dieser Bahnhof war verwinkelt wie ein antikes Museum und deswegen absolut unübersichtlich. Darüber hinaus waren die patrouillierenden Knight Errand Wachen ein einziger Witz. Es wäre in einer reellen Schlacht unmöglich gewesen diesen Bahnhof zu halten. Manchmal wunderte sie sich wirklich, wie die Westler es überhaupt so weit gebracht hatten. Während jetzt auch die Außentüren zu fuhren und somit die Passagierzelle versiegelten, überprüfte die Frau im
spiegelnden Glas der inneren Türen noch einmal ihr Aussehen. Mit knapp einem Meter siebzig Körpergröße und schulterlangem, schwarzbraunem Haar, das sie zu einem einfachen Pferdeschwanz gebunden trug, war sie für die meisten Bewohner dieses Kontinenten bloß eine Asiatin mehr aus den chinesischen Nachfolgestaaten. Einzig ihre dunkelbernsteinfarbenen Augen wären vielleicht noch jemandem speziell aufgefallen, hätte sie nicht deren Farbintensität ein wenig gedimmt. Denn die oberste Priorität hier und jetzt war: nicht auffallen! Sie kontrollierte nachdenklich ihre
Hände. Es war... als hätte man sie luftdicht in Plastikfolie eingeschweißt. Manchmal, hatte sie sogar das absolut irrationale Gefühl, als würde sie ersticken. Denn man hatte auf ihren gesamten Körper einen Film künstlicher Haut aufgetragen, der die feinen Vertiefungen der massiven Dermalpanzerung ihrer Haut überdeckte, welche in symmetrischen Mustern über die ganze Oberfläche verliefen. Eine Notlösung, in der knappen Zeit die ihnen zur Verfügung gestanden hatte, die sich zwar bisher bewährt hatte, ihr aber einfach nicht behagte. Nervös fuhr sie sich über den
Handrücken. Irgendwie fühlte es sich absolut falsch an. Aber so wirkte sie nun mal in ihrem maßgeschneiderten Zoé Futura Anzug wie eine klassische Konzerndrohne. Obwohl dieser Anzug - zusätzlich zu seiner lächerlichen ballistischen Schutzwirkung - noch mit Sensorpads ausgerüstet war, die mit der Resonanz ihres Rumpfes den gebräuchlichsten Scanner normale organische Werte vorgaukelte. Damit sollte sie auch an Bord dieses Fahrzeuges als unauffällige Geschäftsfrau durch kommen. Was ihr auch ermöglichte, mit dieser Zugfahrt in etwa einer halben Stunde in
Portland zu sein. Und wenn sie Glück hatte, musste sie nicht einmal nach Tír Tairngire rein. Hiau Tzü hatte einiges von dieser Stadt gehört und fand die Idee faszinierend, sich in der heutigen Zeit mit einem simplen Schutzwall vor der Außenwelt schützen zu wollen. Das war zumindest eine Sehenswürdigkeit, die sie nicht missen wollte. Und alles wegen eines Freundschaftsdienstes... In höchstens einer Stunde würde sie an der Peripherie Portlands ein spezielles Päckchen abholen - je nachdem, mit höflicher Überzeugungskraft oder blutiger Gewalt - und dann einem dort
ansässigen Mittelsmann der Triaden übergeben, der anschließend auch für ihre Rückkehr sorgen sollte. Da man sie direkt aus Europa für diesen Job eingeflogen hatte, ging sie davon aus, dass die momentanen Besitzer des Päckchens dieses nicht ganz so freiwillig rausrücken würden. Man hatte ihr des weiteren auch erklärt, dass sich diese inzwischen innerhalb ihrer kleinen Festung verschanzt hatten. Na ja, wenn alles gut ging, würden die Besitzer des Päckchens darauf vertrauen, bloß ein wachsames Auge auf die Strassen zu haben und ansonsten blind der Paranoia ihrer spitzohrigen Nachbarn vertrauen. Darunter auch deren
High-Tech Gesichtserkennungsprogrammen und weitläufigen Dateien aller auf dem amerikanischen Kontinent bekannter Triaden-Mitglieder. Wohl deswegen hatte man die Asiatin in einer Nacht-und-Nebel-Aktion in Rekordzeit hinüber geflogen und ihr absolut wasserdichte Einreisepapiere verpasst. Denn da die Tír-Regierung für die Sicherheit des Hochgeschwindigkeitszuges verantwortlich war, hatte sie gute Chancen, dass man sie nicht einmal als Bedrohung wahrnehmen würde, bis sie in die Festung eingedrungen war. Wenn nicht, würde sie wohl hinein
marschieren und sich den Weg freischießen müssen. So oder so... Hiau Tzü hoffte das in spätestens eineinhalb Stunden alles vorbei sein würde. Irgendwie konnte sie sich nicht vorstellen, dass die Leute auf sie vorbereitet wären oder sie auch nur irgendetwas besäßen, mit dem sie nicht fertig werden konnte. Denn schließlich war dies hier ein zivilisierter Ort, nicht eine Gefechtszone. Was jedoch nicht für sie galt… Aber zuerst, musste sie überhaupt einmal dorthin kommen. Eine angenehme Frauenstimme hieß nun alle Passagiere an Bord der Delaracirolle
willkommen und kündigte als nächste Haltestelle die primäre Zollstation Portlands an. Langsam rollte der Zug an. Hiau Tzü löste sich von ihrem Spiegelbild und ging weiter. An der kleinen Stehbar am Anfang des Abteils lungerten gerade drei junge Männer in Baggy Pants und mit Porno-Trideos animierten Kapuzenpullover vor einem schrill aufgemachten Proviantautomaten herum und hatten wohl bereits dessen Bierauslage geplündert. In ihrer eigenen Realität versunken schwärmten sie gerade darüber, wie viele Elfen sie wohl in Portland flach legen
würden. So etwas war auch nur hier möglich. Sie traute diesen schmächtigen Jünglingen kaum Überlebenschancen auf einem Schlachtfeld zu. Und doch führten sie sich auf, als wären sie unsterblich. Einer von ihnen sah kurz zu ihr hinüber und grüsste sie überraschend freundlich. Sie erwiderte den Gruß. Er hatte die Augen eines unerfahrenen Kindes... Mit einem resignierten Seufzen zeigte nun Hiau Tzü ihre Bordkarte dem elfischen Sicherheitsbeamten vor dem Personenabteil und brachte dabei sogar ein freundliches Lächeln zu Stande. Seine leichte Panzerung erinnerte
entfernt an eine klassische Uniform aus längst vergangenen Zeiten und verstärkte zusammen mit der eigenwilligen Inneneinrichtung den Eindruck, sich in einem Viersterne-Hotel eines anderen Jahrhunderts und nicht in einem fahrenden Hochgeschwindigkeitszug zu befinden. Durch die Fenstern konnte man inzwischen erkennen, wie sie endlich Tacoma verließen und der Zug Fahrt aufnahm. Sie trat in das weitläufige Luxus-Abteil ein. Als die Glaswand hinter ihr wieder zu glitt, umhüllte sie eine angenehme Ruhe. Dabei entspannte sich Hiau Tzü sichtlich
und sah sich prüfend um. Wie erwartet, war die A-Klasse praktisch leer. Von der Handvoll anwesender Passagiere, stritt sich in der ersten Sitznische gerade ein älteres Pärchen mit gedämpften Stimmen wegen irgendeiner familiären Lappalie, während hinter ihnen ein ziemlich nervös wirkender Ork ständig sein Gesicht in eine elektronische Agenda steckte oder die Borduhr in der Mitte des Abteils zu hypnotisieren versuchte. Schließlich war in einer der geräumigeren Nischen, die mit einem Terminal und größeren Tischen ausgestattet waren eine malaysische,
blondhaarige Elfe in adretter Geschäftskleidung eine Patience am legen. Das Blond passte zu ihr wie die Faust aufs Auge. Noch einmal blickte sie zum elfischen Sicherheitsbeamten, doch dieser wandte sich gerade tadelnd den drei Männern an der Stehbar zu. Also machte sich Hiau Tzü auf, einen Sitzplatz zu suchen, um die nächsten dreißig Minuten irgendwie totschlagen zu können. Sie wusste zwar immer noch nicht, ob ihr Ruf als Huolong - der Feuerdrache, auch bis hierher gedrungen war und ob man sie im Land der Spitzohren überhaupt nicht - oder als Kriegsheldin,
möglicherweise sogar Kriegsverbrecherin kannte. Aber das waren Probleme, mit denen sie sich dann vor Ort beschäftigen würde. Sie blendete die Uhrzeit fix in ihr Blickfeld ein und ging am streitenden Pärchen vorbei, dass sie komplett ignorierte. Beide waren wohl um die sechzig. Und irgendwie ging es darum, dass ihre Tochter mit einem Elf liiert war, der dem Mann nicht passte, den die Mutter dafür aber vergötterte… Hiau Tzü zuckte kurz zusammen, als sie auf der gegenüberliegenden Bankreihe noch jemanden entdeckte, den sie zuvor übersehen hatte. Das hätte ein tödlicher Fehler sein
können! Der Mann schien zu schlafen. Vielleicht versteckte er sich auch nur vor dem elfischen Sicherheitsbeamten. Denn er hatte die Füße auf die andere Sitzfläche gelegt und war inzwischen so weit runter gesunken, dass er nur noch teilweise mit dem Hintern auf seinem Sitz saß. Dabei umklammerte er eine Sporttasche auf seinem Bauch, und wenn er sich noch eine Spur weiter gehen ließ, landete er wohl demnächst am Boden. Von seinen Daten die ihr ihre ansehnliche Headware aus den Infrarot- und Ultravioletscans errechnete, schlief er nicht wirklich. Eher war er momentan
massivem Stress ausgesetzt oder hatte Alkohol gehabt. So genau ließ sich das im Augenblick nicht definieren. Wenn man bedachte, dass er als normaler Mensch zu den Spitzohren unterwegs war, konnte wohl beides stimmen… Aber zumindest hatte er genug Anstand gehabt, seine mit Flammenhologrammen aufgepeppten Hofball-Sneaker auszuziehen und fein säuberlich unter zu stellen. Sie blickte kurz zu ihren zierlichen und absolut unpassenden Business-Schuhen mit hohen Absätzen hinunter. Zum Glück konnte ihr Körper auch darin perfekt laufen. Obwohl ihr der Nutzen
solchen Schuhwerks irgendwie komplett abging. Denn so etwas trug sie hier und jetzt wortwörtlich nur der Tarnung wegen. Irgendwie freute sie sich je länger desto mehr auf die MilTech Ausrüstung und Kleidung, die man ihr am Zielort versprochen hatte. Dass auf dem Boden des Wagens ein synthetischer Teppich ausgelegt war, irritierte sie ebenso. Denn obwohl hier wohl täglich unzählige Menschen auf und runter gingen, war er ihrem Geschmack nach zu sauber. Nicht nur er... der Zug selber... das ganze Abteil war überdurchschnittlich
sauber. Sie kam sich schon fast wie in einer dieser westlichen Kliniken vor, in denen scheinbar nur emotionslose Maschinen arbeiteten und die irgendwie zu viel Zeit für Nebensächlichkeiten, aber zu wenig Fokus für das Wesentliche hatten. Vielleicht kam ihr Unbehagen davon. Und wohl auch das mulmige Gefühl, an einem derart fremden Ort zu sein, dass sie zu lange mit einer Reaktion zögern könnte - aus Angst sich Bloß zu stellen - als Gesund für sie gewesen wäre. Der piekfein angezogenen Ork, der wohl mehr als eine chirurgische Schönheitsoperation auf seinen nicht gerade schmalen Buckel hatte, ignorierte
sie ebenfalls vollkommen. Er war gerade mit einer ziemlichen Auswahl an irgendwelchen Hardprints einer Seattler Anwaltskanzlei beschäftigt, deren Inhalt er ab und zu mit den Daten in seiner Agenda verglich. Dann erhielt sie von ihrem Gasspektrometer erstmals die Bestätigung, dass die Luft hier mit Lavendelessenzen angereichert war. Diese Spitzohren hatten wirklich eine Macke! Sie seufzte resigniert. Erneut kamen ihr Zweifel, was sie hier überhaupt zu suchen hatte. Denn dies hier war nicht ihre Welt. Nicht einmal ihr
Kontinent... War es vielleicht das Alter? Sie war doch einst im Herzen des Krieges zu Hause gewesen. Huolong - der Feuerdrache, die wie ein unerschrockener Tiger durch Blut watete, vom Feind respektiert und weder Tod noch Teufel fürchtend. Und nun ließ sie sich mit einem Haufen Nichtsnutze und Rentner in einem parfümierten Luxuszug durch die Landen kutschieren. Sie war wahrlich tief gesunken. Hiau Tzü kam an der hochgewachsenen, blonden Elfe vorbei. Diese schien ziemlich konzentriert mit ihren Flexkeramikkarten bei der Sache zu
sein. Trotzdem sah sie neugierig zur Asiatin auf. Dabei funkelten diese kurz violette Augen hellwach an. Die Elfe lächelte freundlich, und Hiau Tzü lief ein Schaudern über den Rücken. Rasch ging sie weiter. Diese Person behagte ihr nun wirklich nicht, denn irgendetwas an ihr war beunruhigend. Als wenn nichts gewesen wäre kehrte dafür die Elfe zu ihren Karten zurück. In der Mitte des Abteils ließ sich die Asiatin schließlich unschlüssig auf die weichen Polster fallen. Und war augenblicklich hellwach, als der Sitzplatz unter ihren über hundert Kilogramm Körpergewicht mit einem
dumpfen Knacken reagierte. Rasch sah sie sich prüfend um und achtete vor allem auf die Elfe vor ihr. Aber diese legte nur eine weitere Karte ab, und nahm die nächste auf. Hiau Tzü atmete erleichtert aus... Der Adrenalinschub der nun folgte, war ein brutaler Weckruf der ihren Geist und ihre Sinne in Sekundenbruchteile schärfte. Denn noch während sie erkennen konnte, wie die elfische Wache außerhalb des Abteils brutal niedergestochen wurde, stürmte bereits einer der vorherigen Idioten in Baggy Pants hinein. Gleichzeitig sprang der schläfrige Typ gegenüber dem streitenden Ehepaar abrupt auf und
schoss mit einer HK - Assassin II, einer Maschinenpistole aus Keramik, in die Höhe. Dann richtete er sie auf den Ork. „Dies ist keine Übung und kein Scherz! Wir meinen es Todernst! Wenn ihr…" Hiau Tzü war augenblicklich auf den Füßen - um verwirrt zu erleben, wie die zwei Männer bereits tot in sich zusammensackten. Hinter dem Rücken der Asiatin waren inzwischen ebenfalls zwei Angreifer in das Abteil eingedrungen. Verunsichert hielten diese inne. Doch Hiau Tzü hatte keinen Schuss gehört und auch keinen brauchbaren Schlag vernommen. Magie? Irritierend war nur, dass der Jüngling, an
dem sie vorher an der Stehbar vorbei gekommen war und der jetzt tot am Boden lag, scheinbar etwas im rechten Auge hatte und eine frische Narbe darüber besaß. Die war ihr aber zuvor nicht aufgefallen… Während sie nun die Umgebung förmlich in sich aufsaugte und instinktiv aus den Eindrücken ihrer Sinne schlau zu werden versuchte, realisierte sie, wie die Eindringlinge hinter ihr ihre Waffen zogen und herbei gerannt kamen. Die Zeit schien nun still zu stehen, als sie das ältere Ehepaar wahr nahm, das zwar vor Angst erstarrt war, er sich jedoch schützend über sie gelegt hatte.
Ebenso nahm sie den scharfen Geruch von Urin vom Sitzplatz des Orks wahr, der verzweifelt den Atem anhielt. Sie konnte auch förmlich den Atem der Bewaffneten hinter sich spüren, die sich irritiert darüber unterhielten, dass die Delaracirolle eigentlich seit mindestens einer halben Stunde keinen magischen Schutz mehr besitzen durfte. Aber das bizarrste am ganzen, war die Seelenruhe, mit der die Blondine daran war, ihre Karten wieder einzusammeln... Eiskalt lief es Hiau Tzü den Rücken hinab. Was sie in diesen vermeintlichen Kinderaugen gesehen hatte, war die Fingerbreite einer Kartenkante, die durch
den gespaltenen Augapfel aus dem Schädel ragte... Sie hätte wetten können, dass der Elfe jetzt zwei Karten in ihrem Stapel fehlten. Doch bevor die Asiatin reagieren konnte, baute sich bereits ein knapp zwei Meter großer Hüne vor ihr auf und hielt ihr seine Assassin II ins Gesicht. Gleichzeitig versuchte er sie auf ihren Sitzplatz zurück zu stoßen. Sein Begleiter überholte ihn gerade, während er mit einer Pistole beschäftigt war, die sich in seinem Kapuzenpullover verheddert hatte. „Zurück an deinen Platz, du Reisfresser!" Während es der Riese jedoch nicht
schaffte, die Asiatin auch nur einen Zoll weit zu bewegen, und noch bevor er seinen Satz komplett beendet hatte, ergriff sie bereits seine Maschinenpistole und wuchtete diese mit dem Geräusch brechender Finger herum. Kurzerhand rammte sie den Lauf schräg nach oben auf Höhe seines Brustkastens unter die getarnte Schutzweste und drückte den Abzug durch. Der Oberkörper zuckte mehrfach heftig, als die Schüsse die inneren Organe zerfetzten. Wie ein gefällter Baum fiel der Riese nach hinten. Gleichzeitig fuhr sein Kumpel herum und versuchte das Feuer zu
eröffnen. Doch schon steckten Hiau Tzüs zierliche Finger bis zu den Knöcheln in seinem Hals und hatten ihm den Kehlkopf zertrümmert, sowie Speise- und Atemröhre durchtrennt. Während auch er zu Boden sank, nahm sie ihm die Glock 88 ab. Sie fuhr zur Elfe herum. Diese war inzwischen in den Gang getreten. Weitere Angreifer stürmten herbei, wohl von den Schüssen aufgeschreckt. Hiau Tzü konnte teilweise zwei hinter der Blondine ausmachen, während zwei weitere hinter ihr das Abteil betraten. Und diese würden wohl nicht den Fehler
machen, zuerst aufzuschließen, bevor sie das Feuer eröffneten. Die Stimmen der Angreifer überschlugen sich förmlich vor Zorn. „Was zum Teufel? Verdammte Schlampen, dafür werdet ihr büßen!" Die Blicke der zwei Frauen trafen sich. Und es war Hiau Tzü, als könnte die Elfe ihre Gedanken lesen und sei sie an diesen so komplett verwirrenden Ort auf eine verwandte Seele gestoßen... Als wären sie zu Hause auf dem Schlachtfeld - und dies nicht das Luxus-Abteil eines Hochgeschwindigkeitszuges - genügten nur eine kurze Geste des Kopfes, eine Verlagerung des Gewichtes und zwei kurz aufblitzende Karten, um
sich zu verständigen. „Dreht euch gefälligst um! Vielleicht töten wir euch dann nicht sofort!" Die Elfe warf wild den Kopf zurück, löste sich ihr blondes Haar und flog die Perücke davon - als langes, pflaumenblau gefärbtes Haar wild aufloderte und dabei die Männer für den Bruchteil einer Sekunde ablenkte. Sie ging in den Spagat und warf die Karten. Diejenige, welcher näher an den Durchgänge standen, zuckten nur noch ein letztes Mal kurz mit dem Kopf, als die Projektile sich tief in ihre Gehirne bohrten, und sackten danach in sich
zusammen. Fast zeitgleich drehte Hiau Tzü ihren Oberkörper zur Seite und lehnte ihn erschreckend weit zurück, um der Elfe freies Schussfeld zu geben. Noch während sie dies tat, setzte sie dem vordersten Mann zur Rechten mit der Assassin II einen Schuss ins Auge und feuerte auf den noch stehenden zur Linken das ganze Magazin der Glock in Kopf und Hals. Als die Elfe erneut hoch kam, herrschte erstmals seit knapp zwei Minuten eine gespenstische Ruhe. Keiner der anderen Passagiere wagte es zu atmen. Fragend sahen sich die beiden Frauen an. Dann erwachten die Lautsprecher mit
einem lauten Knacken zu leben und eine siegessichere Frauenstimme erklang. „Heute ist endlich der Tag der Abrechnung gekommen! Und niemand, ich wiederhole, niemand kann uns stoppen! Wer auch immer es wagt, sich uns in den Weg zu stellen, wird ohne Rücksicht ausradiert! Ergebt euch oder spürt unseren Zorn. Denn wir sind Alamos 20,000!" Fragend zog die Elfe eine Augenbraue hoch. Und Huolong - der Feuerdrache, nickte nur. Als beide Frauen Richtung Triebwagen losstürmten, fühlte Hiau Tzü erstmals den Hauch von Geborgenheit, als wenn
sie unerwartet zu Hause angekommen wäre.
Vielleicht würden die folgenden dreißig Minuten doch nicht so öde wie befürchtet…