Kurzgeschichte
Mr. Fingers unglaubliche Geschichte - Forumbattle 34

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"Mr. Fingers unglaubliche Geschichte - Forumbattle 34"
Veröffentlicht am 23. September 2014, 18 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Alles Infos unter artemzolotarov.com Ich schreibe seit 2010 Gedichte, Kurzgeschichten, Theaterstücke und Songs. Ich habe bis jetzt drei Gedichtbände und zwei Poetry Slam Textsammlungen mit Hörbuchfassungen veröffentlicht. Eine Übersicht gibts auf meiner Homepage. Auf meiner Facebookseite gibt es täglich aktuelle Infos, Gedichte, Geschichten, Videos, Musik und und und. Ich würde mich sehr über euren like ...
Mr. Fingers unglaubliche Geschichte - Forumbattle 34

Mr. Fingers unglaubliche Geschichte - Forumbattle 34


Beitrag zum Forumbattle 34


Thema: ENDLICH FERTIG!


Vorgeschriebene 20 Wörter (alle verwendet):


Balken, chillend, feuerwehrrot, Fingernagel, forcieren, Fratzengeballer, friemeln, heldisch, Hupatz, Kaugummi, Lausebengel, Lockenwickler, Remmidemmi, schraffieren, Sitzfleisch, tadellos, ungestüm, waidwund, windig, wundersam




Mr. Fingernagels unglaubliche Geschichte


Michael Fingernagel hatte schon immer eine blühende Phantasie. Im Kindergarten leitete er immer die Spiele der Kinder und dachte sich unglaubliche Geschichten aus. Aus ein paar Bauklötzen und Schaumstoffstangen bastelte er riesige Piratenschiffe, die über die sieben Weltmeere schipperten und arglose Seereisende überfielen. Windig schwoll das Segel im Zug des offenen Fensters des Kindergartenzimmers, als der größte aller Seeräuber Kapitän Hupatz seinen Mannen den Befehl zum Entern des Marieneschiffes gab. Und schon knallten die Kanonen, Seile wurden gespannt und dicke Balken zwischen

den Schiffen gelegt. Ein Blutbad ohnegleichen hätte es werden können, wäre nicht die Kindergärtnerin Frau Spielverderbitzki gerade dazwischen gekommen. So passierte es Michael auch in der Schule oft, dass seine Unternehmungen witz- und gnadenlos von dem aufsichthabenden Personal unterbunden wurden. Aber natürlich konnten die Pauker ihre Augen nicht überall haben. So verbuchte Michael in den kurzen neun Jahren, die er dem hiesigen Schulsystem verpflichtet war, genau 23 Streiche auf sein Konto. Der größte war, als er mit ein paar Komplizen jedes Auto, das auf dem Lehrerparkplatz abgestellt wurde, mit einem neuartigen Farblack bestrichen hatte,

der im trockenen Zustand farblos war, wenn es aber zu regnen anfing, in allen Farben des Regenbogens zu irisieren begann. Die Lehrer staunten nicht schlecht, als beim nächsten Regenschauer ihre geliebten Fahrzeuge bunter als jeder Papagei im Zirkus glänzten. Michael schaute chillend dabei zu, wie die Lehrer versuchten die bunten Lackreste aus den Ritzen und Spalten ihrer Gefährte zu friemeln und lachte sich dabei ins Fäustchen. Natürlich konnte man ihm nichts nachweisen, aber jeder ahnte, wer für den Streich verantwortlich gewesen war. Nach den besagten neuen Jahren entschied sich der Lausebengel, wie er liebevoll von seinem Großvater genannt wurde, die Schule

zu verlassen. Seine Eltern konnten ihn auch nicht überreden, noch ein paar Jahre auf dem Sitzfleisch hinter der Schulbank wenigstens die mittlere Reife zu erlangen. Viel zu ungestüm und eigensinnig war Michael, der seine eigenen Pläne für die Zukunft hatte. Er war aber kein schlechter Schüler. Die neunte Klasse verließ er mit einem Zeugnis, das mit einem Durchschnitt von 1,0 nur als tadellos bezeichnet werden konnte. Er wies ein unglaubliches Talent für alles auf, was er anfasste. Wundersam verstand er mathematische Formeln ohne jegliche Anstrengung. In Biologie konnte er jede Pflanze und jeden Primat auswendig. Einmal, beim Aufklärungsunterricht, schaffte er es,

das ganze Prozedere zu forcieren, da sein Biologielehrer, maßlos durch das pikante Thema überfordert, stotternd und versunken im eigenen Schamgefühl nicht mehr weiter wusste. Michael stand auf, ging nach vorne an die Tafel, nahm die Kreide zur Hand und skizzierte mit wenigen Strichen alles, was gezeigt werden wollte. Durch ein geschicktes Schraffieren der Zeichnung erlangte sie eine erstaunliche Räumlichkeit und erklärte sich fast von selbst. Aber Michael ließ es sich natürlich nicht nehmen, den Gegenstand seiner Zeichnung der Klasse gewitzt, aber fachlich nicht unkorrekt darzulegen. Der Biologielehrer stand nur daneben und klammerte sich an seine Puppen. Sein Kopf lief feuerwehrrot an und man konnte ihm

ansehen, dass er nicht so recht begriff, wie Michael das hinbekommen hatte. Manche böse Zunge behauptete, dass er bei Michaels Erklärung selbst noch Dinge gelernt hatte, die er vorher nicht wusste. Doch was war das große Ziel unseres Wunderkindes mit Hang zum kreativen Chaos? Keiner wusste es so genau, da Michael seine Träume lieber für sich behielt. Obwohl er ein loses Mundwerk besaß und jedem einen Apfel für ein Ei vormachen konnte, wusste er doch sehr genau, was in fremden Ohren nichts verloren hatte. Nur seinem Opa hatte er anvertraut, was sein großer Plan war. Dieser, der früher ein freischaffender Journalist und Buchautor war, gab ihm sehr viele Ratschläge und Tipps mit

auf den Weg. Da Michael schon immer ein schwieriges Kind war und seine Eltern nicht wirklich Zeit und Lust hatten, sich mit ihm rumzuschlagen, verbrachte er viele Tage und Wochen bei seinem Opa. Bei ihm lernte er auch die Macht des Wortes kennen und mit seiner unbändigen Phantasie verstand er es auf Anhieb, mit ihr umzugehen. Er las viele Abenteuerromane und andere Literatur, schrieb seine kleinen Geschichten und sein Opa verbesserte sie, gab ihm Rat und lobte seine Fortschritte. Direkt nach der neunten Klasse begann Michael bei einer kleinen Zeitung zu schreiben. Zwar musste er von alltäglichen Ereignissen in seinem Dorf berichten,

trotzdem schaffte er es immer aufs Neue, der Realität eine gewisse Würze abzugewinnen. Seine Schlagzeilen sprachen sich langsam im ganzen Land herum und größere Zeitungen wurden auf ihn aufmerksam. Er suchte sich das beste Angebot heraus und nahm es an. Ab jetzt musste er sich nicht mehr auf das lokale Leben einer Provinzzeitung beschränken, sondern konnte bundesweit für Schlagzeilen sorgen. Er schrieb über Prominenz und Politiker. "Tommi gibt den Lockenwickler ab", kommentierte er Gottschalks Abgang bei Wetten Dass. "HeldischFratzengeballer um das letzte Hemd", war seine Überschrift zu Axel Schulz' missglücktem Comebackkampf. Uli Hoeneß unrühmlichen Abgang bedachte er mit

"Bayerboss brutzelt nun hinter Gittern". Missgünstig über Michaels Erfolg, gaben ihm seine Kollegen den Beinahmen "waidwund", weil er seine Opfer wie ein Jäger anschoss und zusah, wie diese sich wanden und quälten. So erlangte er immer größere Bekanntheit und Beliebtheit. Er wurde in Talkshows eingeladen und bekam schon bald seine eigene Sendung, in der er Comedy mit kleinen Streichen verband. Er lächelte immer öfter von Zeitschriften- und Zeitungstitelseiten. Sein Gesicht kannte jedes Kind im Land. Frech kaute er bei jedem Interview und in jeder Sendung einen Kaugummi und unterhielt mit jedem zweiten Satz, den keiner, so wie er von sich geben

konnte, mittlerweile auch Leute hinter den Grenzen Deutschlands. In ganz Europa wurde der Name Michael Fingernagel bekannt. In manchen englisch-sprachigen Ländern hatte man ernstliche Probleme, den komplizierten Nachnamen richtig auszusprechen. So kürzte man ihn einfach mit Finger ab, was Michael amüsiert zur Kenntnis nahm und sogar zu einem Markenzeichen weiterentwickelte. Wenn immer er es konnte, hob er seinen Zeigefinger hoch und symbolisierte damit, dass er ab nun und für immer die Nummer eins war. Und es stimmte. Keiner war berühmter und erfolgreicher auf seinem Gebiet. Er stand jetzt an der Spitze seiner Karriere und der Erfolg schien ihm nur so

zuzufliegen. Nun war es Zeit, seinen Plan in die Tat umzusetzen. Er verschwand für drei volle Monate von der Bildfläche und keiner wusste, was auf einmal geschehen war. Seine Werbepartner zeigten sich mehr als verärgert. Sie drohten ihm alle Verträge aufzukündigen und ihn auf Millionen zu verklagen. Aber sein Anwaltteam kümmerte sich um die Angelegenheiten und die Sache verlor sich schon nach kurzer Zeit im Medienwald. Doch was war mit Mr. Finger geschehen? Man munkelte, dass er etwas ganz Großes plante, etwas, das alles verändern würde. Andere sagten, dass er keine Lust mehr auf das ganze Remmidemmi hatte und sich

irgendwo auf einer einsamen Insel niederließ. Leute, die ihm weniger wohlgesinnt waren, vermuteten, dass er es sich mit irgendwelchen Mafiabossen verscherzt hatte und nie wieder einen Mucks von sich geben würde. Doch dann war er wieder da. Er war immer noch lebendig und hatte keine Residenz auf einer einsamen Insel bezogen. Was er aber dabei hatte, sollte tatsächlich alles verändern. Auf einer großen Pressekonferenz präsentierte Michael das, woran er die letzten drei Monate gearbeitet hatte. Stolz hielt er es in die Kameras und lächelte breit, kaute wie gewohnt seinen Kaugummi und reckten den Zeigefinger der freien Hand in die Höhe. Alle Journalisten schauten ihn ungläubig an. Was

hatte er nun wieder vor? Was war das für ein Buch, das er so stolz und triumphal von links nach rechts und wieder zurück führte, damit auch jeder im Saal es begutachten konnte? In den nächsten Monaten und Jahren sollte Michaels großer Plan bis in die weitesten Ecken des Globus vordringen. Fast jeder, der lesen konnte, verschlang sein Buch. Auf allen fünf Kontinenten wurde Mr. Finger zum Erfolgsautor. Nicht nur Menschen, die vorher nie ein Buch in der Hand gehabt hatten, lasen ihn, nein, auch Menschen, die vorher gar nicht lesen konnten, lernten es extra wegen ihm. Sein Buch wurde in unzählige Sprachen übersetzt und zigmal vertont und verfilmt. Doch was war es, das dieses Buch so

unwiderstehlich machte? Was hatte Michael geschrieben, was noch nie jemand vor ihm geschrieben hatte? Was war das Geheimnis seines Erfolges? Er beschrieb eine bessere Welt, die aber keine Utopie war. Sie war ganz real und jeder kannte sie, doch wie eine Blume am Rande einer vielbefahrenen Straße übersahen sie viele. Er zeigte den Menschen, dass sie bereits alles hatte, was sie zum Glücklichsein brauchten. Den Armen gab er das Gefühl, weniger arm zu sein und die Reichen inspirierte er mehr, den Armen zu helfen. Und doch wurde er nie moralisch oder pathetisch. All seine Botschaften flocht er geschickt in die Handlung ein, die von Liebe, Abenteuer und Humor

lebte. Es war ganz einfach all das, was Michael als Menschen ausmachte. Witz, Phantasie, Intelligenz gepaart mit der Gabe, Worten Leben zu verleihen. Er übermalte das Grau dieser Welt mit tausenden Metaphern. Er sprach das Herz von Kinder und den Verstand von Erwachsenen an. Seine Sprache war einfach aber einzigartig, für jeden verständlich und doch so, wie es nur Michael schreiben konnte. Endlich war er fertig. Endlich hatte er den Wunsch seines Großvaters erfüllt. Endlich war die Macht des Wortes wieder in die Herzen von Millionen von Menschen vorgedrungen und wärmte sie über viele,

viele Jahre, in denen Michael immer wieder neue Bücher veröffentlichte, jedes von ihnen mit einer Widmung am Anfang: "Meinem Großvater, der mich die Macht des Wortes lehrte."

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Hörbuch

Über den Autor

koollook
Alles Infos unter artemzolotarov.com

Ich schreibe seit 2010 Gedichte, Kurzgeschichten, Theaterstücke und Songs.
Ich habe bis jetzt drei Gedichtbände und zwei Poetry Slam Textsammlungen mit Hörbuchfassungen veröffentlicht. Eine Übersicht gibts auf meiner Homepage.

Auf meiner Facebookseite gibt es täglich aktuelle Infos, Gedichte, Geschichten, Videos, Musik und und und. Ich würde mich sehr über euren like freuen:

https://www.facebook.com/artem.poetry

http://www.bookrix.de/_ebook-artem-zolotarov-fuer-c/

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Ich vertone meine Gedichte und Geschichten auch seit ein paar Monaten.
Auf soundcloud könnt ihr meinen letzten Band komplett vorgelesen hören (alle Gedichte sind auch downloadbar):

https://soundcloud.com/koollook_poesie

Seit Januar 2013 führe ich ein Projekt das "Ich schreibe über DICH!" heißt. Dabei kann mir jeder ein Bild von sich schicken und ich schreibe ein Gedicht dazu. Mit dem Projekt versuche ich Lyrik näher an den Leser zu bringen, um zu zeigen, dass sie nicht immer unverständlich und kompliziert sein muss ohne dabei in den Kitsch von Teetassenpoesie zu verfallen.
Wer mitmachen möchte, kann mir seine Bild an koollook_poesie@gmx.de schicken.
Hier könnt ihr die bisherigen 167 Bilder und Gedichte sehen:

http://ichschreibueberdich.tumblr.com/

Seit 2014 nehme ich auch an Poetry Slams teil. 2015 wurde ich Rheinland-Pfalz Meister in dieser Disziplin.
Videos von Auftritten gibt es bei youtube.

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Phil_Humor Da hat er das verwirklicht, was vielen Autoren vorschwebt: Botschaft so verpacken, dass sie wie Pralinen wirken - da muss man zugreifen.

Er geht ja sehr zielstrebig vor. Goethe brauchte einige Umwege. Kann man so gezielt das Wunderbare in die Welt setzen? Man fühlt sich direkt inspiriert durch diesen Herrn Fingernagel - sich diese Ambitionen unter den Nagel zu reißen.

Schön, dass er jemanden hatte, der ihn auf den richtigen Kurs brachte - er baute auf dem auf, was sein Großvater sich an Weisheit aneignen konnte.

LG
Phil Humor
Vor langer Zeit - Antworten
Heuschrecke Frau Spielverderbitzki :-) mein Wort der Woche -100.Punkte dafür! Deine Geschichte liest sich schön flüssig, richtig gut umgesetzt und das Ende erwärmt das Hertzl..klasse
viel Glück fürs Battle
Vor langer Zeit - Antworten
koollook Vielen Dank. Eigentlich dachte ich, dass der Name schon zu viel des Guten ist, aber wenn er dir gefällt, hab ich alles richtig gemacht.^^
Vor langer Zeit - Antworten
Amarillo Dein Beitrag zum FB ist echt cool, eine schöne Geschichte über das, was uns alle beschäftigt, das WORT. Hat mir gut gefallen.
Lieber Gruss, Feli
Vor langer Zeit - Antworten
koollook Danke Amarillo. ja, das Wort verbindet und alle und sollte noch viel mehr Menschen, als nur die Schreibenden, verbinden.
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR 
Klasse, einfach nur klasse!
Ich hatte deine Geschichte bisher übersehen.
Wenn die nicht auf's Treppchen kommt, weiß ich ja nicht ...

Chapeau,
fleur

(Coins sind für heute leider schon out)
Vor langer Zeit - Antworten
koollook Vielen Dank. Ich hab dir dieses Woche schon Coins geschenkt, sonst hättest du für deinen Kommi noch ein paar bekommen.^^
Vor langer Zeit - Antworten
Gabriele Deine Geschichte gefällt mir :-)
Toll gemacht und sowohl Thema wie Worte super untergebracht !
Liebe Grüße, Gabriele
Vor langer Zeit - Antworten
Kornblume Eine interessante Geschichte und ein guter Beitrag zum Forumbattles.
Grüße schickt die Kornblume
Vor langer Zeit - Antworten
abschuetze ... richtig, eine unglaubliche Geschichte und ganz toll erzählt. Prima (y)

LG von Antje:))
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