Durch die geöffnete Balkontüre gelangte die kühle Nachtluft ins Haus, und als Elisabeth das bemerkte, atmete sie tief ein und lächelte selig. Jetzt war der nahende Herbst endgültig nicht mehr zu leugnen. Ein Blick aus dem Küchenfenster zeigte ihr gleich darauf, dass es auch aufgeklart hatte sie konnte bereits einige Sterne am Himmel sehen. Ihr Entschluss, sich nach dem Trocknen der Haare noch ein paar Minuten an der frischen Luft zu gönnen, war schnell gefasst. Sie föhnte sich schnell, zog sich ihren dicken Pulli mit der Aufschrift „I love London“ an, schlüpfte in abgetragene Jeans und warme Boots und öffnete die Haustüre. Der Bewegungsmelder sorgte dafür, dass das Licht draußen sofort
anging, als Elisabeth auf die Treppe hinaustrat. Erneut atmete sie zufrieden die angenehm kühle Luft ein. Kurz überlegte sie, ob sie eine Runde gehen sollte, doch sie entschloss sich dann dafür, nur vorm Haus zu stehen und in den Sternenhimmel zu blicken. Es war überwältigend schön. Nicht weil so viele Sterne zu sehen waren, sondern weil es Momente wie dieser jetzt waren, die das Leben für die junge Frau so lebenswert machten. Sie liebte den klaren Sternenhimmel in einer kühlen Nacht mehr als alles andere, das sie sich gerade ausdenken konnte. Und sie konnte nicht umhin, beim Anblick der funkelnden Himmelskörper und beim Einatmen der erfrischenden Nachtluft an die Person zu
denken, die sie liebte. In diesem Augenblick war die Gewissheit vorhanden, die ihr sonst oft fehlte, wenn sie zu beschäftigt oder von anderen Menschen umgeben war. Hier und jetzt konnte sie in sich hineinhören und es gab eine Person, an die sie ganz automatisch dachte, wenn sie sich so zufrieden und gleichzeitig melancholisch fühlte. Dieser Mann war quasi die Verkörperung des Moments, den Elisabeth gerade erlebte. Er funkelte und strahlte, doch er war für sie unerreichbar weit weg. Wenn die räumliche Distanz auch überbrückbar gewesen wäre, so war es die von ihm aufgebaute emotionale Mauer, die sich der Liebe der jungen Frau in den Weg stellte. Doch das tat ihren Gefühlen keinen Abbruch
erst gar nicht, wenn sie sich so sicher war wie nun gerade. Es fühlte sich richtig an, ihn zu lieben, egal was der Rest der Welt dachte. Und während sie so alleine in der Dunkelheit, die das ausgehende Licht hinterlassen hatte, stand, fühlte sie sich komischerweise nicht alleine. Sie fühlte sich viel ruhiger und kompletter als wenn sie vor ihrem Computer saß oder am Handy eine Nachricht schrieb. Wieso konnte das Leben nicht immer so einfach sein? Elisabeth lächelte beim Gedanken, was ihre Nachbarn wohl dazu sagen würden, wenn sie sie hier beobachten könnten sie war schon lange daran gewöhnt, von den meisten Menschen nicht verstanden zu werden. Sie wünschte sich ja ohnehin nur,
sich von einer einzigen Person in ihrem Universum wirklich verstanden zu fühlen.