»Und das ist ihr vollständiger Bericht Miss Foster?« Sie nickte. Eileen gefiel die Geschichte ebenso wenig wie Heidenreich. Inzwischen war es neun. Sie war müde und erschöpft. Schürfwunden zeichneten im Gesicht der jungen Frau ab. Ein Arm wurde durch eine Bandage abgestützt. Peterson stand neben ihr und lauschte einfach nur. Keiner der beiden hätte gerechnet, zu überleben. Dennoch konnten sie aus diesem Alptraum entkommen. Danach war die ehemalige Agentin direkt in die Anstalt gefahren, um die Chefin über die neusten
Wendungen in Kenntnis zu setzen. Die Erleichterung blieb aus. Sie war ausgezehrt und am Ende der eigenen Kräfte. Roberta zündete sich eine Zigarette an und sah nachdenklich auf den Schreibtisch. »Naiomi Winchester ist im Krankenhaus und wird dort von den Ärzten behandelt. Wilkins ebenfalls, wobei dessen Verfassung um einiges instabiler ist. Die Mediziner sind unsicher, ob er überlebt. Hickins ist nach Hause. Ich bezweifle, dass er wiederkommt. Das war für uns alle ein Schock«, erklärte sie langsam. Die Stimme zitterte bei jedem ihrer Worte. Sie war kaum imstande, die Hand ruhig halten. Sie hatte immer versucht,
souverän und unnahbar zu bleiben. Die Hölle auf Belle Island hatte ihr das genommen. Es war unklar, was passiert wäre, wenn Katherina das Gemetzel nicht beendet hätte. Das Mädchen rettete ihnen dadurch das Leben. Wahrscheinlich etwas, das sie bald schon korrigieren würde. »Und Miss Compton erschuf diesen Reiter, der Winchester schwer verletzte?« »Genau. Wir konnten ihm nichts entgegensetzen, egal was wir versucht haben.« Die Frau runzelte die Stirn und warf einen Blick auf ein paar Personalakten. »Das erklärt auch, warum alle meine
Männer tot sind. Das ist ein Desaster Foster. Die Presse hat sich eingeschaltet, und untersucht den Vorfall. Sie können von Glück reden, dass sich dort keine Zivilisten aufhielten. Kaum auszudenken, wie hoch die Opferzahl hätte sein können.« »Das weiß ich Ma’am. Peterson und ich werden nicht aufgeben. Wir haben Wilkins. Das ist ein Sieg, auch wenn der Preis dafür teuer war. Ich habe bereits veranlasst, dass wir ihn bekommen, wenn er soweit genesen ist. Das ist ein Problem weniger, um das wir uns kümmern müssen.« Heidenreich teilte diesen Enthusiasmus nicht.
»Eines. Und dafür haben wir noch zehn Andere.« Sie wirkte absolut nicht begeistert über die Situation, was sich nicht verdenken lies. Die Sache geriet allmählich außer Kontrolle. Sie waren dem nicht gewachsen. Das wusste jeder im Raum, traute sich allerdings nicht das zuzugeben. Mit einem Gegner wie Katherina Compton, hatten sie es noch nie zu tun gehabt. Foster konnte nicht verstehen, warum Heidenreich das Mädchen aus dem D-Trakt geholt hatte. War es nur, um Rain zu ködern? Da hätte es andere Mittel und Wege gegeben, die weniger gefährlich waren.
Am Ende hatte es sie eine Menge gekostet. Viele Leben waren umsonst verschwendet. War das Roberta egal? Diese Frage geisterte in Eileens Kopf herum. »Und was sollen wir jetzt tun?« »Sie werden in Bereitschaft bleiben. Ich weiß, dass morgen Weihnachten ist, aber diese Sache ist wichtig. Hammond befindet sich in Miss Comptons Gewalt. Mr. Rain ist verschwunden und wir müssen davon ausgehen, dass er tot ist. Jetzt liegt es an ihnen Eileen. Sie und Dirk bilden die Speerspitze. Ich hoffe, sie sind sich dessen bewusst.« Sie nickte und spielte mit ihrer Halskette. Mit dem Daumen fuhr sie
Glied für Glied ab, während sie den Anhänger zwischen ihren Fingern hielt. »Wer wird Rain und Hickins ersetzen? Sie wissen, dass wir jemanden brauchen, der mit den Patienten sprechen kann. Peterson und ich sind dafür nicht wirklich geeignet.« Heidenreich nickte und fuhr sich mit der Hand durch das ergraute Haar. »Ihnen wird ein neuer Partner zugeteilt. Begeben sie sich am besten sofort in den B-Trakt. Sie werden künftig mit Leland Akerman zusammen arbeiten. Ein Eigenbrödler, aber ebenso qualifiziert wie Rain. Ich habe bereits alles mit ihm besprochen. Er wird sie erwarten.« Skepsis wanderte in Fosters Blick. Sie
hatte zwar schon ein paar Mal von diesem Mann gehört, war ihm aber noch nie persönlich gegenübergetreten. Eigenbrödler war hier wohl auch nicht das richtige Wort. Rain hatte ihn immer als exzentrisch beschrieben, wenn er über ihn sprach. Sie hielt zwar nichts davon, plötzlich mit einem neuen Partner zu arbeiten, aber im Augenblick blieb ihr nichts anderes übrig. »Doktor? Könnten Sie sich diese Akte noch ansehen?« Er nickte, und stützte zwei Finger an die Wange. Mittlerweile war es spät. Morgen stand Weihnachten auf dem Plan und er verbrachte seine Zeit in der
Anstalt. Nun gut, es gäbe auch nicht wirklich jemanden, mit dem er die Feiertage verbringen konnte. Lelands Familie war nicht sonderlich gut auf ihn zu sprechen, nachdem er das Erbe seines Vaters in einem Kasino in Las Vegas verspielt hatte. Sämtliche Versuche ihnen das zu erklären - ohne Erfolg. Und da hieß es immer, er sei stur. Die Familie Akerman war sowieso nie seine bevorzugte Umgebung. Der eine Bruder war Banker in Japan, die Schwester Mode Designerin in Paris. Oh, wie hatten sie sich das Maul über ihn zerissen, als er Psychologe geworden war. Besonders seine Mutter war nicht mit seiner Berufswahl
zufrieden gewesen. Allerdings spielte das keine Rolle. Die verrottete mehrere Meter unter der Erde, direkt neben seinem Vater. Der Rest der Verwandtschaft war aus dem Leben des 44-Jährigen gestrichen. Allesamt Leute, die er nur besuchte, wenn die hausgemachten Brechmittel ihre Wirkung verloren. So griff er zur Akte und ließ seinen Blick über die junge Dame schweifen. Wie war ihr Name noch gleich? Olivia. Das musste es gewesen sein. Hübsches Ding. Ein nettes Lächeln. Vor allem war der Vorbau nicht zu verachten. Gab also doch noch gute Gründe hier zu bleiben, auch wenn sich die Sachlage seit
Hammonds Rücktritt ein wenig verändert hatte. Jetzt hatten sie diese frigide alte Kuh an die Spitze gesetzt. Auch nicht schlecht. Damit schuf man freie Arbeitsplätze. »Wer hat eigentlich den Kaffee gekocht Liebes?« Er hatte schon lange nicht mehr eine solche Brühe vorgesetzt gekriegt. Er verzog das Gesicht, als das koffeinhaltige Getränk seine Lippen benetzte. Zum Kotzen. »Ich Sir.« »Oh wirklich? Er ist ausgezeichnet!« Er lächelte, wobei die gelben Zähne zwischen seinem Vollbart hindurchblitzten. Die junge Frau
errötete. Innerlich triumphierte Leland. Noch ein bisschen mehr und so würde er zumindest den heutigen Abend nicht alleine verbringen. Er warf einen Blick auf die Akte. Michaela Wood. Ein Neuzugang. Sehr sexy. Allerdings war ihre Fähigkeit weniger attraktiv. Wenn er sich vorstellte, was sie mit ihrem Exfreund gemacht hatte, würde er wohl nicht in diesem Revier jagen. Der eigenen Gesundheit wegen. Außerdem wollte er seinen Geschwistern nicht die Genugtuung verschaffen, vor ihnen ins Gras zu beißen. »Miss Wood ist ab Morgen ihre neue Patientin.« »Wenn ich dazu komme. Heidenreich hat
mir ein neues Aufgabengebiet zugeteilt. Ich muss Mr. Rain ersetzen. Er ist wohl gesundheitlich verhindert.« Wirklich gefallen tat ihm das nicht. Das war typisch für die weiblichen Führungskräfte. Denen war es egal, wie sehr man sich den Arsch aufriss. Am ende taten sie irgendetwas, dass einem absolut nicht in den Kram passte. Allerdings hatte er schon vorher erkannt,dass Heidenreich die Verkörperung eines weiblichen Arschlochs sein konnte, wenn sie wollte. »Mr. Rain? Oh er ist so brilliant finden sie nicht? Wussten sie, dass er sogar ein Buch geschrieben hat? Man das war so
aufregend. Schade, dass er verheiratet ist.« Leland verdrehte die Augen. Rain war zwar einer seiner Kollegen, aber ein ziemliches Weichei, wie er fand. Daher konnte er auch nicht nachvollziehen, dass jemand so viel unverschämtes Glück hatte. Eine gutaussehende Frau, ein eigenes Haus und eine Tochter. Da fragte sich Leland, was er all die Jahre immer falsch machte. »Hm. Es schwimmen genug Hechte da draußen Kind. Man sollte die Angel nicht nur in einem Teich auswerfen. Eine junge attraktive Frau wie sie, findet sicher noch den passenden Mann für
sich.« »Sie finden, dass ich hübsch bin?« Er sah auf ihre Hakennase. Außerdem schielte sie, wenn sie ihre Brille nicht trug. »Ja, aber natürlich. Olivia, du bist eine liebreizende junge Frau.« »Vanessa.« »Hm?« »So heiß ich.« Er hob die Brauen. Mist. »Oh. Entschuldige. Ich habe in letzter Zeit mit so vielen Leuten zu tun, da vertausche ich schon mal etwas. Ich hoffe, das ist nicht schlimm. Ich lade dich auf einen Kaffee ein. Als
Entschuldigung.« Es klopfte an der Tür. Man wartete gar nicht erst darauf, dass er die Leute einließ. Foster und Peterson stürmten einfach in sein Büro, was dafür sorgte dass Oliva sich mit einem Lächeln verabschiedete. Der Engländer faltete die Hände vor dem Gesicht und schloss die Augen. Eileen war nicht wirklich jemand, mit dem er zusammenarbeiten wollte. Eine richtige graue Maus. Hinzu kam dass sie Roberta ziemlich tief in den Arsch kroch. Peterson, naja der würde sie wohl direkt hier auf dem Tisch nageln, wenn sie es ihm anbieten würde. Beide nicht die beste Wahl, aber
man musste nehmen, was man kriegen konnte. Er nippte an seinem Kaffee und wies sie mit der Hand an, sich zu setzen. »Foster. Peterson. Roberta war so freundlich mir die Situation zu erklären. Sie haben sich fabelhaft angestellt. Ein Kollege kündigt wahrscheinlich seine Arbeit, ein anderer ist vielleicht tot und zwei Patienten liegen im Krankenhaus. Und ich dachte immer, sowas wäre mein Metier. Nur wundert es mich, dass sie beide offenbar ohne einen Kratzer davon gekommen sind. Schon komisch. Was Solls. Ich bin nicht hier, um zu urteilen. Also: Schießen sie los, wie genau wollen sie
vorgehen?« Angesäuert verzog Foster das Gesicht. Dirk wirkte ein wenig perplex über die Worte des Arztes. Äußerlich machten die beiden nicht gerade den fähigsten Eindruck. Sie waren beide noch zu neu. Warum also teilte Heidenreich nicht jemand mit mehr Erfahrung ein? Da gab es mehr Auswahl. Manners aus dem C-Trakt zum Beispiel. Der hatte immerhin die Eier für sowas. Aber nein. Man war auf ihn zugekommen. Eigentlich sollte er sich ja bestätigt fühlen, aber das bedeutete auch, dass sein freier Abend versaut war, und zwar, weil sie ihren Job versaut hatten. »Wir gehen nach Belle Island zurück. Es
ist gutmöglich, dass wir dort noch einen Anhaltspunkt finden. Miss Compton hatte einen Grund, uns nicht zu töten. Sie und Lambert sind noch da draußen. Zwar ist Wilkins wieder so gut wie in Gewahrsam, aber das bedeutet absolut gar nichts. Das Mädchen ist mit ihren Fähigkeiten um ein vielfaches gefährlicher als er und- »Ich kenne Miss Compton Eileen. Sie müssen mir keine Unterrichtsstunde geben. Und sie sollten sich selbst nicht so viel Bedeutung beimessen. Miss Compton hat sie nicht getötet, weil sie wahrscheinlich damit beschäftigt war Mr. Rain zu entführen. So einfach ist die Rechnung. Jetzt hat sie nicht nur
Norman Hammond in ihrer Gewalt, sondern auch einen unserer renommiertesten Mitarbeiter. Nicht gerade eine Bilanz, die sich gut in ihrem Führungszeugnis macht oder? Und sie Peterson, was haben sie eigentlich gemacht?« Foster wollte aufstehen, doch ihr Kollege hielt sie am Arm fest. »Schon gut Ellie. Also, ich habe Hickins und die Männer unterstützt so gut ich konnte. Ich hatte kein freies Blickfeld auf Rain oder Wilkins. Ich wusste erst, was passiert war, als es zu spät war.« Er hob fragend die Braue und nickte schließlich. Dabei kratzte er sich am Bart.
»Ah.Wenigstens einer der sein Versagen zugibt. Sagen sie mal, läuft was zwischen ihnen?« Eileen klappte die Kinnlade hinunter, und auch Dirk wirkte verblüfft über diese Frage. »Wie bitte?!« »Naja. Ich meine, mich geht es nichts an, ob sie sich gegenseitig vernaschen. Ich muss prüfen, ob sie nicht zu befangen sind, wenn sie zusammenarbeiten. Da draußen kann es manchmal hitzig zugehen. War selbst eine Weile unterwegs da draußen, bis einer von denen mein Bein zertrümmert
hat.« Er holte eine Krücke unter dem Tisch hervor. »Seitdem bin ich auf dieses Schätzchen angewiesen. Manchmal treuer als eine Frau Peterson. Wie dem auch sei. Belle Island ist die falsche Adresse. Jedes Grundschulkind weiß, dass wir jetzt unsere Trümpfe ausspielen müssen.« Sie verzog das Gesicht. Eine Hand hatte sie zur Faust geballt. Er lächelte nur darüber. »Was für Trümpfe?« »Albert Wilkins? Ich dachte, wir haben ihn. Da wundert es mich, warum ihn noch niemand befragt hat.« »Er ist noch nicht wieder bei
Bewusstsein, und die Ärzte wissen nicht, ober überlebt.« »Ah.« Er nahm seine Jacke von der Stuhllehne und zog sie sich über, bevor er den Rest des Kaffees in den Mülleimer kippte. Langsam erhob der Engländer sich und stützte sich auf seine Gehhilfe. »Wollen wir dann?« »Können sie bitte damit aufhören auf ihren Busen zu starren?« Leland sah zu Foster. Inzwischen hatten sie das Krankenhaus erreicht. Naiomi war an mehrere Apparaturen angeschlossen, die ihre Lebensfunktionen überwachten. Das
Mädchen wirkte ziemlich mitgenommen. Er kannte sie durch ein paar Gespräche. Nettes junges Ding. Schade, dass sie nicht mehr in der Anstalt war. Sie war immer ein Hingucker, auch jetzt, als sie ihr halb geöffnetes Krankenhausleibchen trug. »Ich habe mir nur angesehen, in welchem Ausmaß sie verkabelt und verletzt ist. Sehen sie das? Wilkins Kräfte in vollem Ausmaß. Das hat ihre Nervenenden gegrillt. Eine Schwester war so nett, mir das zu verraten. Wenn sie wieder aufwacht, dann wirds lustig. Sie wird nie wieder etwas spüren. Keine Schmerzen, keinen Juckreiz. Hm. Beinahe ein bisschen einladend finden sie
nicht?« »Sie sind ein Arschloch. Kommen sie jetzt. Wilkins liegt am Ende des Flurs.« Im Korridor war sonst niemand. Die Schwestern hielten sich im Dienstzimmer auf. Gut. So wurde niemand unnötig auf das Ganze aufmerksam. An der Tür zu Wilkins Zimmer standen zwei Männer. Extra abgestellt von Heidenreich, um den D-Patienten zu überwachen. Leland warf einen Blick in den Raum. Es sah ähnlich aus wie bei Miss Winchester, nur dass er deutlich mehr verkabelt und verbunden war. Die komplette Brust war bandagiert. Alber wurde mit Hilfsgeräten beatmet. Der 44-Jährige
hielt inne. Die genauen Umstände hatte man ihm noch nicht erläutert. Allerdings musste es ein harter Kampf gewesen sein, wenn er sich den Mann so betrachtete. Der Blonde schlief tief und fest. Noch. Aus seiner Manteltasche holte der Arzt eine Spritze hervor. Fragend hob Foster den Arm. »Warten Sie. Was ist das?« »Adrenalin.« »Sie wollen ihn aufwecken?« »Natürlich. Wie soll ich ihn denn sonst befragen?« Das hasste er an diesen Normalos. Sie machten sich gar nicht erst die Mühe, selbstständig zu denken, sondern ließen
sich alles von den Anderen auf ihr Brot schmieren. Nicht wirklich etwas, das er mochte. Sich darüber den Kopf zu zerbrechen brachte im Augenblick wenig. Er stellte sich ans Kopfende des Bettes und zog die Schutzhülle von der Nadel. Ein süffisantes Lächeln wanderte auf seine Lippen, ehe er den Kopf schief legte und die beiden Anderen musterte. Neugierig warfen die Männer von draußen einen Blick in das Zimmer. Skeptisch beobachteten sie die Situation. Akerman hob beschwichtigend die Hand. »Keine Sorge meine Herren. Der wird keine Schwierigkeiten bereiten!« Und damit rammte er ihm die Spritze in
die Brust. Mit einem keuchend schreckte Wilkins hoch, nur um durch den eigenen Schmerz wieder in die Liegeposition gezwungen zu werden. Leland reagierte schnell und legte ihm beide Hände an die Schläfe. Der Patient wurde ruhig und rührte sich nicht mehr. Argwöhnisch musterten seine Kollegen ihn. »Was machen sie da?« »Ruhe jetzt bitte. Albert. Sie werden jetzt eine Stimme hören. Lauschen sie nur darauf und antworten sie, wenn sie können. Sobald sie verstanden haben, nicken sie.« Er nickte. »Gut. Wissen sie, wo sie
sind?« Er schüttelte den Kopf. »Sie sind im Krankenhaus Albert. Alles ist gut. Hier sind Leute, die sich um sie kümmern. Es wird ihnen bald wieder besser gehen. Sie müssen mir nur ein paar Fragen beantworten, ist das in Ordnung?« Abermals nickte Wilkins. Fassungslos beobachtete Foster die Situation. Sie verstand natürlich nicht, was er da tat. Das musste sie auch nicht. Außerdem hatte er jetzt keine große Lust, ihr alles haarklein zu erklären. Das würde nur unnötig Zeit verschwenden, die sie alle nicht hatten. »Wissen sie, wo Norman Hammond und
Ethan Rain sind?« Der Angesprochene zögerte einen Moment, ehe er mit dünner Stimme antwortete. »Ich weiß, wo Norman ist. Er ist in einer Lagerhalle im Ostdistrikt. Sie werden ihn dort finden.« »Gut Albert. Jetzt dürfen sie weiterschlafen!« Und damit ließ er wieder von ihm ab, und kratzte sich am Hinterkopf. Das funktionierte besser als erwartet. Dennoch konnte er sich nicht gegen die perplexen Gesichtsausdrücke der beiden erwehren. Er lächelte matt und presste die Lippen aneinander. »Wenn ich mehr Zeit habe, dann erkläre
ich ihnen, was ich gerade getan habe. Jetzt müssen wir uns wichtigeren Dingen zuwenden. Ich kann mir gut vorstellen welche Lagerhalle er meint. Wahrscheinlich wird Hammond an einem stillgelegten Ort festgehalten, wo niemand ihn vermutet. Da gibt es nur eine in der Nähe.« Er stützte sich auf seine Krücke und schritt langsam aus dem Raum. »Sie besitzen eine Fähigkeit. Ist dem nicht so?« Fosters dämliche Frage sorgte für weitere Kopfschmerzen, von denen er ohnehin schon genug hatte. Leland wollte die ganze Geschichte einfach nur hinter sich bringen, damit er danach in
aller Ruhe vor dem Fernseher sitzen konnte. So plante er die Abende. Arbeiten, nach Hause kommen, Glotze. Ein guter und geregelter Ablauf. Daran war nichts auszusetzen. Es zeugte von Bodenständigkeit, wenn man einen geregelten Tagesablauf besaß. Der Engländer blieb im Türrahmen stehen und stützte den Körper auf der Krücke ab. Er war Eileen keine Rechenschaft schuldig. Trotzdem war es wohl besser, ihre Neugierde für’s erste zu befriedigen. Vielleicht hielt sie dann den Mund. »Eigentlich ist das ein gut gehütetes Geheimnis. Nur Hammond, Rain und Heidenreich selbst wissen davon.
Dennoch gibt es in diesem Fall keine andere Wahl, als davon Gebrauch zu machen. Ich kann in das Unterbewusstsein der Leute eindringen. Was auch immer sie in ihren Gedanken verbergen: Ich finde es. Selbst jemand wie Wilkins, kann sich nicht vor mir verbergen.« »Wieso sind sie kein Patient?« Er grinste und schüttelte den Kopf. »Ihre Welt ist wirklich klein Foster. Denken sie wirklich, dass wir jeden einsperren, nur weil er ein paar Löffel verbiegt?« Er strich sich eine dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht und humpelte in Richtung Ausgang. Es brachte nichts
mehr, mit dieser Frau zu diskutieren. Für sie, war er nur einer derer, die sie eigentlich jagte. Sie würde nie etwas anderes in ihm sehen. Es war ihm aber auch egal, was sie von ihm dachte. Sie alle kümmerten ihn wenig. Er war hier, um einen Auftrag zu erfüllen. Hätte Heidenreich ihn nicht um seine Hilfe gebeten, wäre er überhaupt nicht mitgekommen. Für so einen Schwachsinn war er zu schwach auf den Beinen. Diese Zeit war lange vorüber, in der er loszog und Patienten für die Anstalt suchte. Momente wie dieser waren es, die ihn dazu bekräftigten, möglichst bald in den Ruhestand zu gehen. Vielleicht würde er
sich irgendwo an der Westküste zur Ruhe setzen. San Fransisco vielleicht. Obwohl - eher nicht. Sein Bruder lebte dort mit seiner Familie. Musste wohl ein anderes Ziel her. Vielleicht Bora Bora? War eine Überlegung wert. Dwight saß gedankenverloren auf dem Sofa und sah Fern. Der Arm war bandagiert. Die Brille lag zerbrochen auf einem Tisch, auf dem außerdem noch mehrere leere Bierflaschen standen. Das Handy hatte er achtlos in die Ecke geworfen. Er legte die Stirn in Falten. Wie konnte es eigentlich so weit kommen? Das fragte er sich schon die ganze Zeit. Er hatte den Job angefangen,
um den Menschen zu helfen, und zu anfangs wirkte es genau richtig. Er und Ethan, sie bewegten etwas, auch wenn es vielleicht nicht viel ausmachte. Sie halfen jenen, die den Weg verloren hatten und mit ihrem besonderen Leben nicht umzugehen wussten. Menschen wie Kathertina, Karl Collins, oder Michaela Wood. Das erschien ihm ein guter Sinn zu sein. Jetzt, schien es alles wertlos. Angefangen mit Hammonds Rücktritt, der so vieles verändert hatte. Sie waren mit Maulkörben eingeengt und konnten nicht mehr so agieren wie vorher. Mussten sich an Regeln halten, die ihnen nicht wirklich logisch vorkamen. Wofür? Heidenreichs Politik,
die Patienten wie Tiere zu jagen. Absolut absurd. Da war er mit Ethan einer Meinung. Der war allerdings nicht mehr da. Verschwunden. Wahrscheinlich sogar tot. Katherina hatte es getan. Warum? Wie hatte ein Augenblick das Mädchen so sehr verändern können? Es gab so vieles, das er nicht zu wissen schien. So viele offene Fragen. Dinge, die ihm sogar sein bester Freund verheimlichte. Er fühlte sich betrogen. Gab es überhaupt noch einen Grund, weiter zu machen? Die Anderen würden es auch ohne ihn schaffen. Sie hatten Wilkins, das war ein Sieg. Mit ihm gab es eine Bedrohung weniger da draußen. Er wurde nicht mehr benötigt. Foster
und Peterson schafften das auch allein. Man würde ihnen einfach einen neuen Arzt zur Seite stellen. Das war doch so. Funktionierte etwas nicht mehr, wurde es einfach ersetzt. Das Handy klingelte. Er versuchte es zu ignorieren, aber nach ein paar Minuten entschloss er sich doch, dran zu gehen. Es überraschte ihn nicht, dass er Eileens Stimme am anderen Ende der Leitung hörte. »Hickins. Sind sie da? Wir wissen wo Ethan ist. Wir können ihn und Hammond retten!« »Schön. Viel Glück dabei Foster«, säuselte er in den Hörer und legte ein Bein über das andere. Mit der freien
Hand spielte er mit einem Bierdeckel. Ihm war wirklich nicht danach, mit dieser Frau zu sprechen. Dennoch ließ sie sich nicht so einfach abwimmeln. »Sind sie betrunken? Egal. Wir brauchen ihre Hilfe. Ich weiß-« Jemand griff den Hörer. Der Afroamerikaner konnte hören, dass sich die ehemalige Agentin lauthals beschwerte und denjenigen beschimpfte. Eine tiefe männliche Stimme drang ihm nun ans Ohr. Sehr vertraut. »Hickins. Was meine Kollegin damit eigentlich sagen will, ist, dass sie ihren Hintern jetzt in Bewegung setzen werden.« Das klang nicht nach einer Bitte. Das
wusste er. Der Student schloss die Augen und nahm einen Schluck aus seiner Bierflasche. »Leland, richtig? Ich hätte nicht gedacht, dass man sie damit hineinzieht.« Er konnte den anderen Lachen hören. »Heidenreichs Wege sind unergründlich. Sie schert sich nicht um uns, das wissen sie doch. Ich hoffe ihr Gehirn funktioniert im Augenblick noch gut genug um zu wissen, dass sie immer noch mit uns arbeiten. Es ist ihre Pflicht. Haben sie das etwa schon vergessen? Oder kneifen sie jetzt etwa, weil einmal nicht alles fröhlich und flockig endet? Da frage ich mich
wirklich, was Rain an ihnen gefunden hat.« Er setzte sich auf und ballte die Hand zur Faust. Dieser Kerl hatte vielleicht Nerven. Wenn er so darüber nachdachte, wusste er wieder, warum er ihn nicht leiden konnte. Akerman hatte nie wirklich verborgen, dass er ein Arschloch war. Ein Umstand, der ihn nicht gerade charmant wirken ließ. »Sie wissen nichts Leland. Sie sitzen nur in ihrem Büro. Sie sind nicht da draußen. Sie haben keine Ahnung wie-« »Bla bla bla. Wäh wäh, die ganze Welt ist gemein. Hab schon verstanden Hickins. Bleiben sie zu Hause. Ich dachte einfach nur, dass ihnen Ethan ein
bisschen mehr bedeutet!« Es wurde aufgelegt. Er starrte ins Leere und biss sich auf die Unterlippe. »Mieser Wichser!« »Ethan. Ethan wachen sie auf.« Er öffnete die Augen. Schwaches Licht und der Gestank von Farbe begrüßte ihn. Seine Gedanken kreisten. Der Schmerz in der Brust schien verschwunden. Nein. Er war nicht mehr so stark wie zuvor. Er sah sich um und entdeckte Norman, der etwas entfernt an einem Fass gefesselt war. Dann hörte er, wie jemand etwas versprühte. Sein Blick glitt zum Mittelpunkt der Halle, wo Katherina auf dem Boden hockte.
Neben ihr stand Lambert. Wie üblich, sagte er nichts. Das Mädchen hob langsam den Kopf und lächelte matt. »Ethan. Du bist aufgewacht. Keine Sorge. Ich habe mich um deine Verletzung gekümmert. Alles konnte ich natürlich nicht wegzaubern. Das schöne Loch, dass dir deine Freundin gezaubert hat, ist zwar noch da, aber ich hab es verbunden. Für den Moment bist du so gut wie geheilt. Ein Dankeschön wäre angebracht oder?« Er verzog das Gesicht. Sie empfand keinerlei Unbehagen, wegen dem was sie getan hatte. Diese Patientin hatte in den letzten Tagen für eine Menge Chaos gesorgt. Vieles davon wollte er selbst
noch nicht glauben. Er sah das Mädchen in ihr, dass ihnen immer auf ihren Einsätzen geholfen hatte, und nicht das Monster, das sie nun zu sein schien. Sie war vollkommen verändert. Die Regenbogenaugen fixierten ihn, ehe sein Blick auf den Boden wanderte. Erst konnte er nicht erkennen, was sie eigentlich dort malte, aber dann begriff er: Ein großes schwarzes Loch. Mit viel Liebe gemalt. Die Details der Krümmungen, die Farbtiefe. Alles war genau durchdacht. Ihm schwante nichts gutes dabei. »Katherina. Was auch immer du vorhast, ich bin mir sicher, dass es nicht so enden muss, und tief im Innern weißt du
das auch. Wilkins ist fort. Du musst seinen Plan nicht mehr weiter verfolgen.« Sie grinste und wischte sich eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht. Das Mädchen stand auf und hockte sich schließlich genau vor ihn. Mit einer Hand fuhr sie ihm die Wange entlang und sah ihm in die Augen. »Du hast es nie begriffen, oder Ethan? Albert hatte nie etwas damit zu tun. Er war nur ein Mittel. Ich brauchte Hammond nur, um ihn auf meine Seite zu ziehen. Schade, dass ihr ihn so früh ausgeschaltet habt. Er war eine wichtige Figur für mich, aber ich brauche ihn nicht. Das tat ich nie. Ich wollte ihm nur
das Gefühl geben, wertvoll zu sein. Einen Sinn in seinem zerstörten Leben zu sehen. Solange, bis sein Antlitz zusammen mit allem von dieser Welt getilgt wird.« Sie wuschelte ihm durch das rabenschwarze Haar und gab ihm einen Kuss auf die Stirn, ehe sie sich erhob und durch die Halle schritt. Er sah ihr fragend nach. »Darum geht es dir also. Das schwarze Loch soll alle bestrafen. Ist es nicht so?« »Wieder falsch Ethan. Es war schon immer klar, dass die Menschen niemals mit unseresgleichen koexistieren würden. Dafür sind sie zu steif und
Ichbezogen. Sie haben Angst vor den fremden Dingen dieser Welt. Anders herum sind wir zu stur geworden. Unser Hass hat uns blind werden lassen. Das kann nicht mehr repariert werden. Es gibt nur eine Lösung. Ich mache all dem ein Ende.« Das erste mal schaltete sich Lambert ein. »Ich dachte, du wolltest ihm nur drohen. Du hast nie etwas davon gesagt, das Ding auch wirklich zu benutzen.« Sie grinste. »Michael, Michael. Du bist jung und dumm. Das hier kann nicht wieder geradegerückt werden und das weißt du auch. Denkst du, irgendjemand würde
dich akzeptieren? Mit deinen Fähigkeiten? Sie haben viel zu viel Angst davor. Sie würden dich nie verstehen. Sie haben dich doch nie verstanden. Das hast du mir erzählt. Deshalb habe ich dich doch dafür ausgewählt, mir zu helfen. Du bist genau wie ich. Nie hat jemand unsere Talente verstanden. Man hat uns dafür verachtet und erniedrigt. Ist es das was du willst? Für den Rest deines Lebens in einer Anstalt leben, nur weil du anders bist?« Sie sah ihn ernst an. Er schüttelte und senkte den Kopf. Ethan seufzte. »Katha. Im Innern weißt du, dass das nicht richtig ist. Die echte Katherina
weiß das. Du musst dich nur daran erinnern. An dein früheres Leben. Das hier bist du nicht. Du bist das Mädchen, das Pizza und Pandafiguren mag.« Sie schüttelte den Kopf. »Unsinn! Ich war das nie. Für euch beide war ich doch immer nur ein Versuchskaninchen, mit dem ihr gespielt habt. Ich war nie wichtig für euch. Ihr habt eine Gefahr in mir gesehen und nichts weiter. Eine Bedrohung, die ihr ausschalten musstet. Deshalb habt ihr diesen kindlichen Verstand in meinen Kopf gepflanzt!« Sie trat auf Rain zu und ließ ihren Kopf hin und her kreisen. »Ich kann sie in meinem Kopf hören,
Ethan. Wie sie schreit und nach dir ruft. Sie versteht nicht, dass du auch sie nur belogen hast. So wie uns alle. Du hast uns immer nur das blaue vom Himmel geredet. Dabei hat es dich nie interessiert, was aus uns wird. Du wolltest uns nur unter Kontrolle halten, aus Angst dass wir durchdrehen und Amok laufen. Du interessierst dich nur für die, die in deinen Augen ungefährlich sind. Diese Naiomi zum Beispiel. Was machst du, wenn sie mal richtig aus der Haut fährt? Sperrst du sie dann auch ein, und wirfst den Schlüssel weg?« »Du weißt, dass das nicht wahr ist Katherina. Hör dir doch einmal selbst zu!
Du bist blind vor Wut!« »Unsinn! Du verstehst gar nichts Ethan! Aber das ist nun auch nicht mehr wichtig. Bald wird alles vorbei sein. Und du darfst es mit ansehen.« »Also Ellie. Eine Idee, wie wir an diesem Hengst vorbeikommen? Wenn der weiter so seine Kreise zieht, bezweifle ich das nämlich!« Sie hatten sich hinter einem Hügel südlich der Halle versteckt. Neben ihr, Peterson und Leland befanden sich noch zehn von Heidenreichs Männern dort. Das war mehr als genug. So dachte sie zumindest, doch jetzt war sie sich nicht mehr so sicher. Es schneite und war
kalt. Von außen schien alles ruhig. Der kopflose Reiter patroulierte auf dem Gelände. Ansonsten schien es keine Vorkehrungen zu geben, um mögliche Eindringlinge abzuwehren. War Katherina so arrogant zu glauben, dass sie Sie nicht finden würden? Foster war sich darüber nicht sicher. Ihr Blick glitt zu Dirk, der das Betäubungsgewehr geschultert hatte. Zwar wusste sie nicht, ob sie überhaupt eine Möglichkeit hatten, das ganze ohne Gewalt zu lösen, aber sie mussten es zumindest versuchen. Compton zu töten war keine Alternative. Vor allem mussten sie schnell handeln. »Wir müssen ihn ablenken. Ein anderer
Plan fällt mir im Augenblick nicht ein. Ein Teil von uns muss ihn vom Gelände weglocken, damit der Rest in die Halle kommt, um Hammond und Ethan zu befreien.« »Falls Rain überhaupt noch lebt«, erklärte Leland und kratzte sich am Bart. Sie warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. »Bols nicht zu optimistisch werden Akerman.« Er zuckte mit den Schultern. »Ihnen kann es doch egal sein was aus Rain wird. So wie ich weiß, sind sie nie gut mit ihm ausgekommen. Sie machen das hier nur, um Eindruck zu schinden. Erfolg ist ihnen wichtig und nicht die
Menschen, die mit ihrer Arbeit zu tun haben. Sie müssen mich nicht anlügen. Ich habe sie durchschaut. Nächstenliebe ist ihnen nicht sonderlich wichtig Eileen. Das haben sie oft genug bewiesen, seitdem sie für die Anstalt arbeiten. Also müssen sie jetzt nicht damit anfangen, etwas anderes zu behaupten.« Sie sah zu ihm. »Sie können mich mal.« »Gerne. Nur weiß ich nicht, ob ihr Partner so ganz damit einverstanden wäre.« Dirk runzelte nur die Stirn und zündete sich eine Zigarette an. »Leute. Können wir uns bitte auf die
Mission konzentrieren? Ihr könnt später streiten. Ich werde den Reiter zusammen mit den Anderen ablenken. Ihr geht in die Halle. Ich versuche nachzukommen.« Er reichte Foster das Gewehr. »Es ist mir egal, was du darüber denkst Ellie. Versuch nur, niemanden umzubringen. Das ist alles.« Sie verzog das Gesicht und gab den Männern ein Zeichen, sich in Bewegung zu setzen. Langsam bewegte sich die Gruppe zwischen den Hügeln hindurch auf das Gebäude zu. Einer der Männer holte eine Leuchtpistole hervor und feuerte einen Schuss in die Luft ab. Der Hengst des Reiters wieherte auf, bevor
er sich in Bewegung setzte und auf sie zuhielt. »Los jetzt. Er ist gleich hier«, raunte Peterson. Foster und Leland setzten sich in Bewegung, wobei die junge Frau schnell einen Vorsprung bekam. Der Engländer rief ihr nach. »Hey. Warten sie bloß nicht auf den Krüppel. Ich komme zurecht!« Ihm tat das Bein Weh. Verflucht. Dafür musste Heidenreich ihm eine Gehaltserhöhung geben. Andernfalls konnte sie ihn mal kreuzweise. Das hier war Blödsinn. Comptons Kräfte waren viel zu groß. Sie würde sie wie Insekten zerquetschen, aber das schien niemand von ihnen wirklich begriffen zu haben.
Er schüttelte den Kopf, während Pistolenschüsse an sein Ohr drangen. Der Reiter war auf die anderen Männer getroffen. Einer schrie auf. Sie mussten sich sputen. Hoffentlich hielt Peterson lange genug durch. Ansonsten sah es schwarz für sie aus. Sie erreichten die Eingangstür. Im Innern konnte er hören, wie Katherina sprach. Sie waren anscheinend noch nicht zu spät. Das war gut. Er blickte zu Foster. »Wenn wir drin sind, lassen sie mich mit dem Mädchen sprechen. Vielleicht kann ich zu ihr durchdringen.« Foster hob skeptisch die Braue. »Wieso sollte sie mit ihnen
reden?« »Genau Leland. Wieso sollte sie das?« Er wandte den Blick um. Hickins kam durch das Gebüsch auf sie zu. Damit hatte er nicht gerechnet. Eileen schien positiv überrascht über diese Wendung. Der Student lehnte gegen die Wand. Sein Atem roch nach Bier, aber ansonsten schien er nicht angeschlagen zu sein. Außer, man rechnete die Armbandage ein. »Was mache Sie denn hier?«, wollte Foster wissen. »Sieht man das nicht? Ich will meinen besten Freund retten. Also. Was genau machen wir, wenn wir drinnen sind?« »Wir müssen erst einen Überblick über
die Situation gewinnen. Dann können wir auch entsprechend reagieren. Wahrscheinlich wird Compton uns direkt attackieren. Darauf müssen wir vorbereitet sein. Foster? Sie jagen ihr einen Pfeil in den Arsch, wenn sie irgendetwas dummes versucht. Hickins? Sie suchen Hammond und Ethan und befreien die beiden. Wenn alles gut geht, dann kommen wir aus dieser Sache heraus, ohne dass einer von uns den Löffel abgibt. Zumindest wäre ich von dieser Idee sehr angetan.« Die anderen nickten zustimmend. Der 44-Jährige atmete tief durch. Er würde es vor ihnen nicht zugeben, aber er war aufgeregt. Niemand von ihnen wusste,
was sie hinter dieser Tür erwarten konnte. Es war ein Spiel auf Risiko und so etwas hasste er wie die Pest. »Das waren Schüsse!«, erklärte Michael und lief in Richtung der Tür. Katherina hob den Arm und deutete ihm stehen zu bleiben. »Bleib hier. Sie werden nicht weit kommen. Der Reiter wird sie aufhalten. So oder so kommen sie zu spät.« Die 16-Jährige schien keine Angst vor dem zu haben, was sich draußen abspielte. Ethan sah sie eindringlich an. Er hatte bereits versucht die Fesseln zu lösen. Ohne Erfolg. Wahrscheinlich hatte das Mädchen sie durch ihre
Fähigkeit beschworen. »Es ist genug Kat. Hör auf damit. Ich kann verstehen, dass du wütend bist. Wir sind nicht deine Feinde. Ein Teil von dir weiß das auch. Es ist der Andere, der mir nicht zuhören will. Katherina. Du musst ihn überzeugen. Ich will dir helfen. Das wollte ich immer.« Sie sah ihn traurig an und schüttelte den Kopf, ehe sie auf ihre Malerei Zuschritt. »Es ist zu spät Ethan.« Die Tür zur Lagerhalle wurde aufgestoßen. Foster, Dwight und Leland betraten die Halle. Michael stürmte nach vorne, wurde aber sofort von einem Pfeil ruhiggestellt. Er sackte zusammen.
Die Blondine sah die Neuankömmlinge an, bevor sie ihre Hand auf den Boden legte und das Schwarze Loch aktivierte. Ein starker Zug begann sich zu erheben. Einzelne Fässer in der Nähe wurden direkt verschlungen, doch war es bei weitem nicht so stark, wie ein Original. Noch nicht. Je mehr es verschlang, desto größer würde es werden. Dwight band Ethan und Hammond los, während Leland einen Schritt auf das Mädchen zumachte. »Hallo Kat. Lange nicht gesehen. Interessante Idee, die du da hast. Dein Plan ist aufgegangen. Wir können jetzt nichts mehr tun, um dich zu stoppen.« Sie sah ihn an. Auch Ethan trat an seine
Seite, doch Akerman hielt ihn mit einem Arm zurück und schüttelte den Kopf. Das Mädchen lächelte matt. »Versuchen sie jetzt nicht ihre Psychospielchen. Ich weiß, dass ich das Richtige tue.« Leland hob die Braue und sah sie argwöhnisch an. Wieder tat er einen Schritt auf das Mädchen zu. Ihr Haar wehte stark im Wind des Lochs. Doch stand sie eisern dort. Seine Kraft schien auf sie keine Wirkung zu haben. »Das Richtige? Haben wir jemals darüber urteilen können, was wirklich richtig oder falsch ist Katherina? Glaub mir: Es gibt eine Menge Leute auf diesem Ball, die dieses Schicksal
verdienen. Dennoch sollte der Tod aller nicht die Lösung sein. Die Welt hat ihre Makel. Gier, Hass und Leid. Das will ich nicht abstreiten, aber gibt es nicht auch Dinge, die es wert sind, gerettet zu werden? Du bist kein Monster Katherina. Das warst du nie, oder?« Sie sah ihn ernst an. Keines seiner Worte schien eine Wirkung zu haben. »Sie haben keine Ahnung davon Leland, wie es ist zu sein wie wir. Sie stehen da und denken, das alles ist nur ein Spiel.« Der Arzt grinste nur und schüttelte den Kopf. »Glaub mir Kat. Ich weiß genau wie sich das manchmal anfühlt. Du fühlst dich missverstanden. Die Menschen
sehen in deiner Kraft einen Fluch und keine Gabe, als welche du sie verstehst. Du könntest damit so viel gutes tun, wenn du es nur wolltest. Sieh dich mal richtig um. Selbst jetzt noch gibt es Menschen, die gutes für dich wollen, auch wenn du sie alle mit in den Abgrund reißen willst.« Das Loch wurde immer größer. Er hatte Probleme sich auf den Beinen zu halten, so dass Rain ihn stützen musste. Zusammen bewegten sie sich näher an das Mädchen heran. Der 32-Jährige sah seine alte Freundin mit einem gemischten Ausdruck in den Augen an. Die Situation war mehr als surreal. Alles stand am Abgrund, und sie sollte dafür
verantwortlich sein. Ein Teil von ihm weigerte sich noch immer, das zu glauben. So lange hatte er mit ihr zusammengearbeitet. Mit diesem freundlichen Mädchen, das noch so viel über diese Welt lernen musste. Es war als hätte eine höhere Macht entschieden, ihr diese Chance einfach wegzunehmen. Sie förmlich in diese Rolle gezwungen. Das war einfach nicht fair. »Katherina. Bitte. Leland hat Recht. Das hier muss nicht so enden. Ich weiß, dass du leidest. Du hast so viel Kummer in deinem Leben ertragen müssen, und ich kann mir nicht einmal ansatzweise vorstellen, wie das für dich gewesen sein muss. Trotzdem heißt das nicht,
dass alles schlecht sein muss. Wir können nach Hause gehen und von vorne anfangen. Gemeinsam eine Lösung finden. Du bist kein schlechter Mensch. Das weißt du doch auch. Du bist einfach Katha. Unsere kleine Katha.« Sie waren nur noch wenige Meter von dem Mädchen entfernt, das jetzt den Kopf senkte. Verwirrtheit dominierte ihre Züge. Tränen liefen ihre Wangen herab. Das Loch wurde unkontrollierbar. Blitze schlugen in alle Richtungen aus. Sie wirkte so verloren. Es war jetzt an ihm, das zu beenden und ihr zu helfen. Damit sie wieder die werden konnte, die sie einmal war. Der Arzt machte einen Schritt auf sie zu und hob
beschwichtigend die Hand, doch Leland kam ihr zuvor. Er sah das Mädchen mitfühlend an.Einen Arm legte er ihr auf die Schulter. Sie schmiegte sich an seine Brust und umarmte ihn. Der 44-Jährige sah zu Ethan und streichelte ihr durch das Haar. Der Sturm des Lochs zerrte an seiner Kleidung. »Es ist alles gut Kat.« Er griff in seine Manteltasche. Einen Augenblick lang hielt er inne, ehe er ein Messer hervorholte. »Alles ist gut.« Ethan schrie noch, doch erreichten seine Worte das Mädchen nicht mehr. Kalter Stahl bohrte sich in ihre Brust. Mit einem Mal schien alles um sie herum
zu verschwimmen. Rain konnte sich nicht bewegen. Wie erstarrt sah er einfach nur zu, wie das Messer in ihrer Brust thronte und Akerman einen Schritt zurückmachte. »Es tut mir leid. Manche Dinge müssen getan werden«, erklärte er noch. Die Blondine fuhr mit ihrer Hand über ihre Wunde. Blut benetzte ihre Finger. Sie sah zu Ethan und lächelte schwach. »Ich habe es dir gesagt Ethan. Das hier kann nicht mehr repariert werden.« Sie fiel, verschwand und das Loch mit ihr. Der Schmerz kehrte in dem Moment zurück, in dem sie vom Antlitz dieses Planeten verblasste. Er spürte, wie die Wunde, die von Naiomis Platte übrig
war, wieder wirkte. Sein Blick galt Leland, der einfach nur auf die Stelle starrte, an der sich noch zuvor das schwarze Loch befand, ehe er selbst in die Schwärze der Bewusstlosigkeit hinabsank. »Sie haben alles, was sie wollten Roberta. Ich hoffe Sie sind zufrieden. Das Mädchen ist tot. Jetzt können sie sich wieder in Ruhe ihrem Pudel widmen.« Leland saß auf einem Stuhl im Büro der Anstaltsleiterin. Hammond saß neben ihm und hatte das Gesicht in den Händen vergraben. Heidenreich verzog keine Miene, sondern zog einfach nur an
ihrer Zigarette. Nach den Geschehnissen im Lager, war Ethan wieder ins Krankenhaus gebracht worden. Michael Lambert war zurück im B-Trakt. Alles war wieder normalisiert. Zumindest wenn man von Heidenreichs Meinung ausging. Für ihn hatte das ganze einfach nur einen bitteren Beigeschmack. »Sie können mich so viel verurteilen wie sie wollen Leland, aber sie selbst stecken da mit drin. Sie können sich von keiner Schuld freisprechen. Sie haben meinen Auftrag befolgt, ohne ihn zu hinterfragen.« Er sah sie an und trank einen Schluck Wasser. »Das habe ich. Und ich kann damit
Leben. Wir hätten dem Mädchen nicht mehr helfen können, ohne ihr Bewusstsein zu verändern, aber das hätte nicht funktioniert, nicht wahr? Wir wissen beide, wie Essentia funktioniert. Ohne Lucas und Rebecca hätten sie das Mädchen niemals wieder hinbekommen. So konnten sie das Problem einfach aus der Welt schaffen. Sie haben mich dafür benutzt und ich habe mich benutzen lassen. Das muss ich akzeptieren. Sie aber, müssen mit den Folgen leben und dabei wünsche ich ihnen viel Spaß.« Er erhob sich vom Stuhl und schritt in Richtung Tür. »Wo wollen sie denn jetzt hin?« »Ich sehe nach unserem Mitarbeiter.
Zumindest einer von uns sollte so viel Anstand besitzen, ihm die Situation richtig zu erklären.« Die Tür flog ins Schloss. Norman und Roberta blieben beide zurück. Der alte Mann sah sie vorwurfsvoll an. Ihm fehlten die Worte. »Ich hoffe sie sind zufrieden Roberta. Sie haben alles vernichtet, wofür andere so hart gearbeitet haben. Sie müssen wahrscheinlich großartig fühlen.« »Machen sie mir keine Vorwürfe Norman. Ich habe nur das Chaos beseitigt, dass sie überhaupt erst mit ihrer Friedenspolitik ausgelöst haben! Sie haben nie begriffen, dass man diesen Leuten nicht helfen kann! Sie sind
eine Gefahr für alle um sich herum. Sie wollten immer nur mit ihnen spielen. Sie haben sie sogar als ungefährlich angesehen, und wohin hat uns das geführt? Waslow, die Zwillinge. Soll ich mehr aufzählen? Sie haben zugelassen, dass einige der gefährlichsten Individuen sich nun wieder frei auf diesem Planeten bewegen können. Es war ihre Schuld Norman! Als sie damals Compton in den A-Trakt verlegten, haben sie diesen Stein in Gang gesetzt.« Er sah sie kopfschüttelnd an. Heidenreich war schon immer dieser Ansicht gewesen, und es gab nichts, das er daran ändern konnte. Niemals. »Man hätte es auch anders lösen können.
Ohne, dass jemand sterben muss.« Sie drückte ihre Zigarette im Aschenbecher aus. »Manchmal, muss man eben Opfer bringen Norman. Sie waren nie zu einem solchen bereit. Sie waren zu weich. Ich habe die Ordnung wieder hergestellt, auch wenn sie das nicht akzeptieren wollen.« Er stand auf und sah sie fassungslos an. »Ordnung? Das hier ist keine Ordnung. Das ist Chaos, geboren aus Unwissenheit und Ignoranz.« Norman schritt nun ebenfalls zur Tür. »Einen schönen Tag noch.« »Ich weiß, dass sie mich jetzt
wahrscheinlich noch mehr hassen, als sie es sowieso schon tun. Ich kann es ihnen nicht einmal verübeln. So vieles ist jetzt anders. Für uns beide. Wir haben einfach nur noch nicht begriffen, dass sich die Welt um uns verändert hat. So viel schreckliches gescheit jeden Tag. Ich dachte, ich könnte zumindest ein wenig davon verhindern. Ich weiß, dass das für sie kein Trost ist. Das wird es wohl auch nie. Ich erwarte auch nicht, dass sie mich verstehen. Sie sollen mir einfach nur zuhören.« Ethan nickte. Er sah Leland nicht an. Die ganze Zeit hatte er noch kein Wort verloren. In seinem Innern fühlte er sich einfach nur leer. Katherina hatte er
nicht retten können. Die, die am wenigsten für ihr Schicksal konnte, war vor seinen Augen gestorben, ohne dass er es verhindern konnte. Und warum? Für das größere Wohl? So langsam fragte er sich, was in dieser Welt überhaupt noch gut oder schlecht war. Leland war nicht der Schlüssel, zu diesen Antworten. Er war einfach nur eine Figur, die über das Spielfeld bewegt wurde. Er konnte ihm nicht böse sein. Egal wie sehr er es auch versuchte. Seine ganze Wut galt Heidenreich, die sie alle hintergangen hatte. Für sie waren die Patienten nie menschlich gewesen. Das wusste er jetzt. Für diese Erkenntnis hatte eine
gute Freundin mit dem Leben bezahlen müssen. »Ich hasse sie nicht Leland. Es ist einfach nur furchtbar endgültig. Katherina ist weg und wird nie wieder zurückkommen. Ich konnte mein Versprechen ihr gegenüber nicht einlösen. Ich habe als Arzt versagt. Das verstehe ich jetzt. Ich habe nie begriffen worum es wirklich geht. Wie sich diese Leute wirklich fühlen. Kat war allein und fühlte sich verlassen, egal wie sehr wir uns auch bemühten. Im Innern war sie immer einsam. Ich habe das einfach nur zu spät gesehen. Auch wenn ich es nicht akzeptieren kann, aber sie haben ihr Frieden
gegeben. Jetzt leidet sie nicht mehr.« Der 44-Jährige sah seinen Kollegen an. Die Krücke lehnte achtlos an der Wand, während er selbst auf der Bettkante saß. »Ich hab ihre Heulerei schon immer gehasst Rain. Dieses Gefühlsgedusel war nie etwas für mich, aber jetzt verstehe sie zumindest ein bisschen. Ich bin eben nicht der Typ, der solche Bindungen hat. Ich habe niemanden, den ich einmal vermissen würde, wenn er weg wäre. Für mich endet jeder Tag gleich. Ich bin nur für mich und muss auf niemanden achten. Sie sind es, der die Verantwortung tragen muss.« Er seufzte und fuhr sich mit der Hand durchs
Gesicht. »Ich will damit nur sagen, dass sie das nicht allein tun müssen. Auch wenn es ihnen schwerfällt. Ich erwarte auch nicht, dass wir beide Freunde werden.« Ethan nickte nur darauf. Leland fühlte sich schuldig. Das war offensichtlich. Er würde es jedoch nie zugeben. Dafür war er sich zu stolz. Dennoch akzeptierte er das. Es war schwer zu sagen, was nun auf sie zukam. Sicher war nur, dass es nie wieder so werden würde wie früher. Sie standen an der Schwelle zu einer neuen Zeit. Wie die aussah, konnte niemand wissen. »Hey. Na ihr alten Brummbären?« Die Männer hoben ihre Köpfe und sahen
zur Tür. Naiomi stand dort, nur mit ihrem Krankenhausleibchen bekleidet und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie wirkte zwar angeschlagen, aber schien gute Laune zu haben. Der Verband um ihre Brust war fort. Der Schnitt des Reiters verschwunden. Sie bemerkte Lelands Blick und hob tadelnd den Zeigefinger. »Ich weiß schon, wo sie hingucken, sie alter Lustgreis.« »Sie machen es mir auch nicht gerade schwer Miss Winchester. Da können sie gleich nackt rumlaufen.« »Sicher?« Ethan schüttelte den Kopf und grinste. Wie konnten sie so tun, als wäre alles in
Ordnung? Das war ihm unbegreiflich. Ein Schrei riss ihn aus seiner Lethargie. Als nächstes folgte ein undefinierbares Geräusch vom unteren Stockwerk, auf dem sich die Intensivstation befand. Die drei tauschten alarmierte Blicke aus. Sofort rannte Naiomi los. Ethan stand auf. Leland hielt ihn fest. »Sie bleiben hier alter Junge!« Er drückte ihn auf das Bett zurück. Er wehrte sich. »Ich komme mit!« »Sie schlafen jetzt!« Er hielt ihm die Hand an die Stirn und Ethan sank ins Reich der Träume. Leland ergriff seine Krücke und wanderte zum Aufzug, der sich gerade
schloss. Naiomi hatte einen kleinen Vorsprung. Wie dumm von ihr! Sie wusste doch gar nicht, was sich da unten abspielte. Wahrscheinlich war Wilkins erwacht. Ihn hatte er im Augenblick gar nicht bedacht. Das machte die Situation nur umso gefährlicher. Er seufzte und hämmerte mit seiner Faust auf den Knopf des Fahrstuhls. »Komm schon, du Scheißding!« Die Tür öffnete sich wieder und er betrat das Innere. Mit einem Knopfdruck ging es abwärts. Mit einem Mal überkam ihn Eiseskälte. Er fror regelrecht. Was war hier nur los? Die Tür öffnete sich und er erstarrte. Vor
ihm stand Naiomi mit dem Rücken zum Aufzug. Sie war steifgefroren, so wie der Rest des Korridors. Leland ging schnurstracks an ihr vorbei zum Zimmer, in dem Wilkins liegen sollte. Das Bett war leer. Das hier konnte nur eines bedeuten. Hinter sich hörte er Schritte. Die Kälte nagte an ihm. Er konnte die Nähe des Anderen spüren. Angst machte sich in ihm breit. »Ich habe mich schon gefragt, wann du dich zeigst«, erklärte er langsam. Seine Stimme zitterte. Teils vor Furcht, teils vor Kälte. Seine Glieder schmerzten. Er fror am ganzen Körper. Es musste -20 Grad hier drin sein. Mindestens. »Es ist so, wie sie es mir immer beim
Schach erklärt haben Doktor. Man muss auf den richtigen Moment für seinen Zug warten. Das hier ist er. Und niemand hat ihn kommen sehen. Das ist das Geheimnis daran.« Er erschauderte. Noch immer starrte er auf das leere Bett vor sich und hatte sich auf die Krücke gestützt. »Was willst du nun tun? Mich töten, wie Miss Winchester?« »Nein. Das Mädchen wird überleben, wenn sie sich beeilen. Wie sie wissen, braucht es einige Zeit, bis der Körper sämtliche Funktionen abschaltet. Sie haben etwa noch fünf Minuten, bevor die Sauerstoffzufuhr im Gehirn der Kleinen versagt. An ihnen selbst habe ich
überhaupt kein Interesse. Ich habe, weshalb ich hergekommen bin. Das ist alles.« Er konnte fühlen, wie der Andere ihm eine Hand auf die Schulter legte. »Sie haben sich wacker geschlagen Leland. Treudoof folgten sie ihren Befehlen. Und wohin führt sie das? Am Ende stehen sie mit nichts da. Sie haben versagt.« Erneut hörte er Schritte. Der andere entfernte sich. Akerman schritt sofort zum Bett und drückte den Notruf, ehe er zu Boden sank. Er griff in die Tasche und holte sein Telefon hervor. Zum Glück war Heidenreich noch im Büro. »Akerman. Was ist
los?«
»Ich muss ihre kleine Seifenblase platzen lassen, Roberta.«
Er grinste.
»Wir sitzen tief in der Scheiße!«