Humor & Satire
~Göthes Ohren~

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"~Göthes Ohren~"
Veröffentlicht am 13. September 2014, 12 Seiten
Kategorie Humor & Satire
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Über den Autor:

Hum... Ich habe Troja brennen sehen...soll ich noch mehr sagen? Aber nachdem der Rauch sich verzogen hatte, musste ich die langen Jahrhunderte standesgemäß hinter mich bringen und so gewöhnte ich mir an, viele gute und auch mal weniger gute Bücher zu lesen, Musik zu hören und zu machen, im Garten zu pütschern, zu schreiben...Jau, das wär's dann mal.
~Göthes Ohren~

~Göthes Ohren~

Was für ein Krach, was für ein Lärm. Da hört doch jemand ” die Fische miteinander Lärm anfangen, dass es in den Himmel hinaufscholl“, und zwar im Märchen vom Schlaraffenland. Der moderne Zeitgenosse wird ob eines derartigen „Lärms“ wohl nur müde lächeln. Hast du, lieber Leser, etwa schon einmal einen Tag ganz ohne „richtigen“ Lärm erlebt? Wohl kaum, denn Lärm gehört zu unserem Leben, Lärm in allen Bereichen und in allen Formen. Umgebungsgeräusche, die uns stören, bezeichnen wir im Allgemeinen als Lärm.So hat etwa der Geheimrat Goethe einen erbitterten Zwist mit seinem Nachbarn am Frauenplan ausgefochten, weil dessen

lärmende Webstühle des Meisters Muße über die Maßen inkommodierten.  Und sein berühmtes Gedicht Wandrers Nachtlied drückt wohl neben anderen Botschaften des Meisters Sehnsucht nach Ruhe aus.

Über allen Gipfeln Ist Ruh, In allen Wipfeln Spürest du Kaum einen Hauch; Die Vögelein schweigen im Walde. Warte nur, balde Ruhest du auch.


Nun meint Goethe mit der Ruhe des Schlussverses natürlich die letzte, aber der

große Mann legte halt auch Wert auf störungsfreies Arbeiten und nicht zuletzt auf seinen Mittagschlaf. Sicherlich waren besagte Webstühle- laut, was zu beweisen gewesen wäre, denn Lärm ist messbar. Ob wir Geräusche als Lärm wahrnehmen, hängt von unseren Stimmungen, unserer momentanen Verfassung und nicht zuletzt von unseren individuellen Vorlieben ab. So hört der eine  Musik meistens recht laut und hat auch in der Regel nichts dagegen, wenn der Nachbar demselben Laster frönt.  Die meisten Eltern bleiben meist auch dann gelassen, wenn fremde Brut rumkreischt, was dagegen die Nachbarschaft an Umzug, Auswandern oder Mord denken lässt. Und auch hier eine Begebenheit aus Goethes

Kindheit: “Die Meinigen erzahlten gern allerlei Eulenspiegeleien. Ich  führe nur einen von diesen Streichen an. Es war eben Topfmarkt gewesen und man hatte nicht allein die Küche für die nächste Zeit mit solchen Waaren versorgt sondern auch uns Kindern dergleichen Geschirr im Kleinen zu spielender Beschäftigung eingekauft. An einem schönen Nachmittag da alles ruhig im Hause war, trieb ich im Gerams mit meinen Schüsseln und Töpfen mein Wesen und da weiter nichts dabei heraus kommen wollte, warf ich ein Geschirr auf die Straße und freute mich daß es so lustig zerbrach. Die von Ochsenstein, welche sahen, wie ich mich daran ergetzte, daß ich so gar fröhlich in die Händchen

patschte, riefen Noch mehr! Ich säumte nicht, sogleich einen Topf und auf immer fortwahrendes Rufen Noch mehr! nach und nach sammtliche Schüsselchen, Tiegelchen, Kännchen gegen das Pflaster zu schleudern.” Ist es nicht schnuckwuckig, unseren Großmeister der Dichtergilde bei diesem Tun schmunzelnd zu begleiten? Wir müssen ihn ja nicht dabei hören, gell?

Das Wort  Lärm wird etymologisch von den Herkunfts-Wörterbüchern wie folgt erklärt: Zum einen vom romanischen Schlachtruf „Alle armi!“ (italienisch), zu deutsch: „Alle zu den Waffen!“ Zum anderen aus dem Frühhochdeutschen als „Lerman oder Larman: Lärm, Geschrei“, später zusammengezogen zu

dem erwähnten alarma bzw. alerman: Alarm. Das hat vor allem damit zu tun, dass jeder Lärm auch eine subjektive Komponente hat (schon durch den Volksmund bestätigt: „Laut, das sind die anderen…“). Das heißt, Lärm wird zwar nicht unterschiedlich registriert, wohl aber unterschiedlich empfunden. Trotz aller belästigenden oder gar schädigenden Wirkung des Lärms gehört ein Mindestmaß davon zum Leben. Nichts, das nicht mit Geräuschen verbunden wäre: Gemütsregungen wie Erleichterung, Freude, aber auch Trauer, von Erschrecken oder Warnrufen ganz zu schweigen. Kinder machen vermutlich am meisten menschlichen Lärm: Rufen, Singen, Schreien, und wahrhaftig: vielen Erwachsenen ist bereits das zu viel und

kann natürlich auch eine tolerierbare Grenze überschreiten. Wo Menschen sind, da wird es laut.

Doch der Mensch braucht eben genauso die Stille. Auch Goethe, welcher die „sausenden Webstühle“ des nachbarlichen Webers  nur schlecht ertragen konnte. Dabei ist noch nicht einmal die Stille als Hort der Kontemplation, der innerseelischen Betrachtung und der Kreativität, der geistigen Produktivität gemeint. Doch das wäre gerade in unserer Zeit und Gesellschaft wichtiger denn je. Denn um die Fülle an Informationen zu verarbeiten und in Wissen und sogar Weisheit zu verwandeln, braucht der Mensch die Stille. Ohne Stille kann nicht wirklich qualitativ Neues

entstehen. Seelisches Wachstum und damit auch das von allen zum Zentrum unseres Lebens hochstilisierte wirtschaftliche Wachstum ist nur durch Phasen der Stille möglich: In der Selbstbesinnung, im Nachdenken in ruhiger, entspannter Atmosphäre, in der Verknüpfung von Erkenntnissen und damit geistigen Konstruktionen, die sich schließlich auch für die gesamte Gesellschaft als hilfreich und nützlich umsetzen lassen.

Leise, leise! Stille, Stille! Das ist erst das wahre Glück. Dieser Ansicht jedenfalls ist  unser Goethe…

Es ist also wenig erhellend, wenn Lärm

lediglich als Schall betrachtet wird, der sich mittels Messung skalieren lässt. Eine kreischende Stimme, vor allem, wenn sie dummes und unwichtiges Zeug bramabarsiert, ist für manch Einen ebenso unerträglich wie das Discophon in manchen Automobilen, das den wenig geneigten Mithörer mit der aktuellen Hüpfparade musikalischer Unsäglichkeiten bombardiert. Und nun schließ leise diese Seite, lieber Leser, und gib dich der ungetrübten Ruhe und Muße hin. Vielleicht möchtest du an diesem Samstag endlich die Dübellöcher für die drei Meter lange Regalwand bohren- dabei entspannst du dich doch so schön, vor allem, wenn dich die zarten Obertöne und die kraftvollen Grundtöne von „Rammstein“ vibrierend begleiten! Und

wenn dann die Bauarbeiten der Öffentlichen Hand, die immer so schön in unseren Hosentaschen und Pompeldurs fuschelt, ihren Kontrabass dazugeben, dann, ja dann, sind wir dem Zustand ganz nah, den man Entrücktheit nennt. Oder sagt man dazu etwas Anderes?

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Über den Autor

cassandra2010

Hum... Ich habe Troja brennen sehen...soll ich noch mehr sagen? Aber nachdem der Rauch sich verzogen hatte, musste ich die langen Jahrhunderte standesgemäß hinter mich bringen und so gewöhnte ich mir an, viele gute und auch mal weniger gute Bücher zu lesen, Musik zu hören und zu machen, im Garten zu pütschern, zu schreiben...Jau, das wär's dann mal.

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"~Göthes Ohren~"
Ach, wie gern wünscht ich mir
an so manchen schönen Tagen
einen leise vom Himmel rauschenden Regen.
Könnt ich mich doch sodann auf meinen Balkon setzen,
die belebende Frische der Luft genießen und in aller Stille
in einem spannenden Buche lesen,
denn die furchtbar sinnlos kreischende Brut
vom Spielplatz im Hof mag keinen Regen,
sie mag aber auch keine Bücher
sie mag eigentlich niemanden, der liest...
LG Louis :-)
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona "Silence is golden... golden." Sangen einst heute Unbekannte. Und mehr Lärm verbitte ich mir... für heute.
Vor langer Zeit - Antworten
cassandra2010 
Nach Golde drängt,
Am Golde hängt
Doch alles. Ach wir Armen!
Wär doch Ruh'-...

Dann, bester Harry, einen goldenen Sonntag!!!
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Das geriet Dir ja mal regelrecht ernst. Meine Zustimmung hast Du natürlich. (Ich glaube gar, auch schon hin und wieder Lärm thematisiert zu haben.) Bloß über Goethes Nachbargänse hätte ich nun gerne näheres erfahren, welche Du neulich in der hübschen Parodie erwähntest. Verdrehte er heimlich ihren Hals?

Gott schenke uns Ohrenlider,
seufzte wer? und seufzt
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
cassandra2010 

Bester Gerd, angeblich hat er sie mit Klößen und Kohl verkasematuckelt. Behauptet jedenfalls frech der Schiller-Freddie, der will nämlich beim Festschmaus dabeigewesen sein.

Sic transeunt anseres vicini
trauert
Cassy
Vor langer Zeit - Antworten
DoktorSeltsam Eine wunderbar füllo-sophische Abhandlung über unseren steten Lebensbegleiter, den Genossen Lärm. Ich selbst vermag da natürlich nur bedingt mitzusprechen. In meiner Jugend hörten wir die Rockmusik standardmäßig so laut, dass wir uns heute nur noch durch Zeichensprache verständigen können. Die stillste Nacht in meinem Leben habe ich übrigens - nein, nicht am Heiligen Abend, sondern in einem Zelt im Yellowstone Park erlebt. Die Stille war dermaßen absolut und nachgerade mit den Ohren greifbar, dass sie schon wieder unerträglich in der Eustachischen Röhre scholl...Ja, man ist nie zufrieden! Hä? Haben Sie was gesagt, liebste Freundin? Nein? Gut, ich habe auch nichts gehört.

Professor Bienlein
Vor langer Zeit - Antworten
cassandra2010 

Nichts zu hören kann auch eine Labsal sein... in der U-Bahn etwa, wenn alles Handys klingeln und Fisimatenten beim morgendlichen Stuhlgang sowie der Seitensprung des hauseigenen Rottweilers den das alles gar nicht wissen wollenden Anwesenden in den Gehörgang getrötet werden

Törö
Cassy
Vor langer Zeit - Antworten
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