der tote im gewächshaus 3
Beim Abfallplatz fand Kramer die Leute von der Spurensicherung. In den Gewächs- und Lagerhäusern gab es nichts Auffälliges, keinerlei Hinweise auf eventuelle giftige Pflanzen. Dünge- und Spritzmittel wurden sorgfältig verschlossen aufbewahrt. Es war überall sehr sauber und aufgeräumt. Auch der Abfallplatz wirkte sehr professionell angelegt und sorgsam gepflegt. Am äußersten Rand des Grundstückes fand Kramer schließlich ein Exemplar einer seltenen Pflanze mit weißen Trichterblüten. Irgendwie erinnerte sie Kramer an die wunderschönen Engelstrompeten, die bei
seiner Schwiegermutter in der Gartenkolonie so betäubend dufteten. Da keiner die Pflanze kannte, ließ er sie sorgfältig ausgraben und mitnehmen. Sein Bauchgefühl sagte ihm, dass dies ein weiteres Puzzlesteinchen zur Lösung des vorliegenden Falles sein könnte.
Zufrieden schickte er die Männer der Spurensicherung in den Feierabend. Er selbst wollte sich noch einmal in Ruhe und ganz intensiv mit dem Obduktionsbericht beschäftigen. Von der biochemischen Untersuchung der gefundenen Pflanze versprach er sich viel. Ein Blick auf seine Armbanduhr ließ auch ihn für heute Feierabend machen.
Nach einer halb durchwachten Nacht hockte Kramer schon lange vor den Kollegen in
seinem Büro, wieder in den Obduktionsbericht vertieft. Was hatte ihm die Frau des Opfers verheimlicht? Was meinte die junge Angestellte mit den Kreislaufproblemen und der seltsamen Hautfarbe des Opfers? Hatten sie das Grundstück wirklich gründlich durchsucht und nichts übersehen? Da bis Arbeitsbeginn noch Zeit war, machte sich der Kommissar noch einmal auf den Weg zu der Gärtnerei des Toten. Mit dem Auto fuhr er einmal um den Block. Plötzlich fiel sein Blick auf ein völlig verwüstetes Grundstück, welches in der Verlängerung der Gärtnerei zu liegen schien. Er parkte sein Auto ein wenig abseits, denn er wollte sich ungestört umsehen können. Ein winziger Trampelpfad führte am äußersten
Rand der eingezäunten Fläche eng an den Nachbargrundstücken entlang. Von der Straße her war er nicht zu entdecken. Wenn man aber näher kam, sah man die sorgfältig zwischen hohem Büschelgras verlegten Trittsteine. Man musste schon große Schritte machen, um von einem zum anderen Tritt zu kommen. Ein Blick auf die Uhr, dann ein Griff zum Handy: „Ich brauche dringend eine Auskunft zum Grundstück der Gärtnerei X.“ Nach einer kurzen Pause: „Ja, ich komme sofort vorbei. Und nochmals vielen Dank.“
Kaum 20 Minuten später betrat der Inspektor das Büro des Katasteramtes. Die Angestellte, mit welcher er kurz zuvor telefoniert hatte, breitete gerade einen riesigen Lageplan auf dem Kartentisch aus. „Bitte erzählen sie mir
alles, was Sie über das von mir genannte Grundstück herausfinden konnten“, meinte Kramer, nachdem er sich ausgewiesen hatte. Die Angestellte fasste ihre Erkenntnisse so kurz wie möglich zusammen. „Der Vater des Toten betrieb eine gut gehende Gärtnerei, deren Grundstück bis zur Parallelstraße durchging. Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten – in jedem Supermarkt bekommen sie heute billige Blumen – und zusätzlich gesundheitlicher Probleme musste Personal entlassen und alles zurückgefahren werden. Der plötzliche Tod des Vaters stürzte den jungen Nachfolger in große Probleme, so dass er das Grundstück teilte und den hinteren Teil verkaufte. Was er nicht wissen konnte: der Käufer hatte eine kriminelle
Karriere und sitzt seit ungefähr 2 Jahren im Gefängnis. Die verkaufte Fläche liegt seither brach.“ „Wie viele Gebäude befinden sich auf dem gesamten Grundstück?“ „Wie Sie hier sehen können, befinden sich in dem vorderen Teil, der noch als Gärtnerei dient, das Wohnhaus, ein großes und mehrere kleinere Gewächshäuser und Schuppen. Im hinteren, verkauften Teil sehen sie hier ein kleineres Gebäude und vermutlich einen Schuppen.“
Der Kommissar ließ die Angestellte gar nicht erst ausreden, sondern stürmte so eilig aus dem Büro, dass er fast mit dem nächsten Besucher zusammenstieß. Auf dem Weg zum Auto rief er die Spurensicherung nochmals zur Gärtnerei, weil sie auch den hinteren Teil
des ehemaligen Geländes untersuchen sollten. Er wollte auch gleich dazukommen. Die Gerichtsmedizin und das Labor mussten eben noch warten.
Die Mitarbeiter der Kriminaltechnik erwarteten Kommissar Kramer bereits. Gemeinsam benutzten sie den schmalen Pfad aus Trittsteinen und erreichten so den von der Straße kaum einsehbaren Teil des Grundstücks, welches dort von einem großen Gebüsch bewachsen war. Zwischen hohen Gräsern und anderen Unkrautpflanzen konnten die Männer immer wieder die Pflanze sehen, welche sie am Vortag ausgegraben und ins Labor gegeben hatten. Dazwischen wuchsen auch andere Gewächse, die sich durch ihre schmutzig gelben, Glocken
förmigen, eher unauffälligen Blüten auszeichneten. Kramer ließ auch davon eine Pflanze für das Labor mitnehmen. Außerdem gab es überall üppig wuchernde, etwa 60 cm hohe Kräuter, die durch ihre einer Kartoffelpflanze ähnelnden Blüten auffielen. Auch davon nahmen sie Proben für das Labor mit. Einer der Männer entdeckte den kleinen Schlupf durch das dichte Gebüsch, durch welchen sie sich jetzt der Reihe nach zwängten. Dann standen sie vor einem niedrigen, anscheinend lange nicht mehr benutzten Backsteingebäude. Doch der Eindruck täuschte. An einer der Schmalseiten gab es eine neue Tür. Was sich dahinter wohl verbarg?