Kurzgeschichte
Ich hielt einfach nur ihre Hand und schwieg

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"Ich kam, sprach und brachte sie zum Weinen"
Veröffentlicht am 30. August 2014, 18 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Ich kam, sprach und brachte sie zum Weinen

Ich hielt einfach nur ihre Hand und schwieg

Ich hielt einfach nur ihre Hand und schwieg

Sie gefiel mir. Ich weiß nicht warum. Aber die Frau faszinierte mich vom ersten Augenblick an. Als sie dem Typen eins in die Fresse gehauen hatte, weil er sie dumm angemacht hatte, bekam ich ein lächelndes Gesicht. Und das, obwohl ich Gewalt verabscheue. Es ist keine Lösung. „Was grinst du so blöde? Eins in die fresse ham?“, sprach sie zu mir. „Ich bin – also früher hatte ich einen Namen, nur den hab ich grad vergessen.“, stotterte ich. Wie sie aussah. Einfach nur wunderbar. Ganz kurzes Haar. Für eine Frau

ungewöhnlich, aber ihr stand es ausgezeichnet. Ihre Ohrläppchen hatten keine zusätzlichen Löcher. Für eine Frau in ihrem Alter, war es heutzutage ein wenig ungewöhnlich, fand ich. Auch trug sie keinerlei Schminke, was auch dazu beitrug, das ich sie näher kennenlernen wollte. „Du bist sehr schlagkräftig. Gefällt mir. Würdest du mir beibringen, wie man mit seinen Fäusten spricht?“, fragte ich höflich. „Sag ma´, sonst geht’s noch, oder?“ „Ich fragte ja nur, weil ich es nicht kann und es aber gern können möchte.“ Sie sah mich an, als hätte ich einen Vollknall. Womit sie nicht ganz unrecht

hatte. In dem Moment faselte ich wirklich nur lauter Blödsinn. „Eh, ich glaube, du brauchst ma´ eine in die Fresse, damit du wieder klar denken kannst.“ „Gott, Weib. Nun komm ma wieder runter. Ich hab dich was gefragt. Nun antworte gefälligst auf die Frage, oder bist zu blöd, um zu kapieren, was ich von dir will.“, kam ich ihr ungeduldig entgegen. Für einen Augenblick lang war sie sprachlos. Dann sah ich, wie sich ihre Hand zur Faust ballte. Blitzschnell beugte ich mich schräg nach vorn, um ihren Schlag auszuweichen. Mit meiner Schulter traf ich sie ein wenig

ungeschickt und brachte uns beide zu Fall. Glücklicherweise fiel ich auf sie und tat mir nichts dabei. Sie stöhnte leicht auf. Verzerrte ihr Gesicht vor Schmerz. „Runter mit dir, du Idiot.“, zischte sie. Dabei hatte ich mich sauwohl auf ihr gefühlt. Aber da sie sichtlich Schmerzen hatte, stieg ich von ihr und reichte ihr meine Hand, die sie verweigerte. Sie blieb liegen. Der Schmerz musste gigantisch sein, so wie sie aussah und stöhnte. „Soll ich einen Krankenwagen rufen?“, fragte ich mitleidig. „Verpiss dich, du Wichser.“, fauchte sie. Doch ich blieb. Sah sie an, wie sie leise

vor sich hinfluchte. Dann griff ich zu meinem alten, aber immer noch intakten Telefon und rief den Notruf. Die Frau brauchte dringend Hilfe. „Der Krankenwagen ist gleich da. Tut mir leid, das... Das wollte ich wirklich nicht. Als ich sah, das du mich schlagen wolltest, wich ich nur aus und dann...“ „Halt endlich dein verdammtes Maul und zieh mich hoch.“, giftete sie mich an. Doch das war gar nicht so leicht. Denn ganz egal, wie wir auch versuchten, sie wieder auf die Beine zu bringen, es bereitete ihr nur noch mehr Schmerzen. Also ließ ich sie dann liegen und wartete mit ihr auf den Krankenwagen,

der länger brauchte, als versprochen. Ich nutzte die Zeit, um mit ihr zu plaudern. Das lenkte von ihren Schmerzen ab und sorgte außerdem dafür, das sie mich näher kennenlernte und die Zeit schneller verging. „...und das war´s eigentlich. Natürlich nur die Kurzversion. Also wenn du nichts dagegen hast, ein mal mit einem verheirateten Mann auszugehen...Ich würde mich sehr darüber freuen. Wie gesagt, meine Frau lebt schon länger ihr eigenes Leben, geht mit anderen Männern aus und...naja, egal. Schau mal da vorn, da Kommen endlich die Rettungskräfte. Ich würde sagen, wir tun so, als wären wir zusammen. Denn

dann darf ich mitfahren und du wärst nicht allein. Außerdem ist es meine Schuld, das du Schmerzen hast, da ist es selbstverständlich, das ich da die ganze Zeit bei dir bleibe. Mann macht sich ja auch Sorgen.“ Ihre Proteste ignorierte ich. Gegen ihren Willen stieg ich mit ein und begleitete sie ins Krankenhaus. Dort angekommen, kam sie sofort in die Notaufnahme. Ich wartete geduldig, das ein Arzt kam, der mich aufklärte, was mit ihr sei und hoffte, das es nichts Schlimmes war. Endlich war es so weit. Ein älterer Herr kam auf mich zu und sagte mir, das ihr Schulterblatt gebrochen sei. Ansonsten sei sie wohlauf.

Wenige Minuten Später stand ich an ihrem Krankenbett. „Oh Gott.“, krächzte sie. „Das ist aber nett von dir. Meine Frau nannte mich stets Arschloch. - Wie geht es dir?“ „Bis eben ging´s mir ganz gut. Doch dann kamst du hier rein.“ „Sehr nette Begrüßung. - Bin ich wirklich so ein übler Typ?“, wollte ich ernsthaft wissen. „Du bist eine Nervensäge. Aber da grad kein anderer hier ist...Meine Sachen müssten im ersten Schrank liegen. In meiner linken Hosentasche ist mein Wohnungsschlüssel. Hol mir ein paar

Sachen von mir. Denn ich darf, dank dir, ein paar Tage in diesem Bett bleiben.“ Dann erklärte sie mir, wo sie wohnte und wo ich alles fand, was sie wollte. Ich versprach, das ich sofort wiederkäme. „Und wage es ja nicht, deine Phantasien an meiner Unterwäsche auszuleben.“, rief sie mir nach, als ich an der Tür stand. „Warum sollte ich es mir selbst machen, wenn ich doch jetzt eine Freundin habe, die es mir besorgen kann?“ Ihre Reaktion wartete ich nicht ab. Schnell stieß ich die Tür auf und war draußen. Ich war verliebt. Was die Frau an sich

hatte, wusste ich nicht. Aber sie hatte etwas an sich, was mich wahnsinnig glücklich machte. Was mein Herz vor Freude springen ließ. Sie war eine wahnsinns Frau. Ich begann wieder zu leben. Das Leben zu genießen. Ich schaute mich bei ihr nicht weiter um. Denn ich wollte wieder schnell zu ihr und ins Gesicht schauen. Ihre Hand halten. Einfach nur bei ihr sein. Darum beeilte ich mich auch. Die Begeisterung, mich wiederzusehen, hielt sich in Grenzen. Ich schob es auf die Schmerzmittel. „Wie du siehst, ist alles noch fleckenrein, mein Schatz. Wie fühlst du

dich?“ „Wie werde ich mich wohl fühlen? Sieh mich an. Und wem habe ich all das zu verdanken? Der Nervensäge. Hast du auch an alles gedacht? Meine Wohnung hinter dir geschlossen?“ „Ja, habe ich. Und zur Belohnung hole ich mir jetzt einen Kuss ab.“ Sie ließ es zu, wendete aber ihren Kopf ab, damit ich nicht ihre Lippen traf. Ihre Wange war auch nicht von schlechten Eltern. Hauchzarte Haut. Samtig weich. Am liebsten hätte ich mit ihr geknuddelt. „Geh jetzt bitte. Ich will schlafen. Ohne, das du mir dabei zusiehst. Achja, und nenne mich nicht Schatz. Wir sind nicht zusammen,

Weichei.“ „Schade. Aber was nicht ist...Schlaf gut. Ich komm dann morgen wieder nach dir schauen.“ „Das habe ich befürchtet.“ Ich kam sie jeden Tag besuchen. Einerseits war sie genervt von mir. Andererseits freute sie sich darüber, weil sie sonst niemand besuchte. Es war eh komisch zu sehen, wie sie da in ihrem Bett lag. So hilflos. Und das von einem Moment auf den anderen. Eben noch war sie stark und schlagkräftig und im nächsten Augenblick hilflos. Wie das Leben so spielt. „Was sagt eigentlich deine Frau dazu, das du jeden Tag hier bist?“, fragte sie

mich. „Nix. Was sollte sie auch dazu sagen. Sie führt ihr eigenes Leben, in dem ich keine Rolle spiele. Wir teilen uns eine gemeinsame Wohnung. Das ist aber auch alles. Ich würde gern wieder mit einer Frau zusammen sein. Am liebsten mit dir. Aber du willst ja nicht. In zwei Tagen wirst du entlassen. Ich schätze, dann trennen sich unsere Wege und ich sehe dich nie wieder. Aber es war schön, dich kennengelernt zu haben.“ „Wer sagt, das wir uns dann nie wieder sehen? Ich habe über dich nachgedacht. Du bist zwar eine Nervensäge, aber eine ganz Sympathische. Ich hatte noch nie

jemanden, der so nett zu mir war.“ „Was deine Art der Kommunikation erklärt. - Ich habe mich wirklich in dich verliebt. Und du kannst mir glauben, das ich niemals mit den Gefühlen anderer spiele. Klar liebe ich noch irgendwo meine Frau. Sicherlich wird sie auch noch restliche Gefühle für mich habe. Aber wenn ich dir in die Augen sehe, spüre ich regelrecht, das ich lebe und dich liebe. Schmalz, ich weiß. Aber anders wusste ich mich jetzt nicht auszudrücken. Ich habe dich gesehen, wie du jemanden geschlagen hast, weil er dir blöd kam. Wie du mich schlagen wolltest, weil...egal. Dann sah ich dich am Boden

liegen. Voller Schmerzen. Hilflos. Sah dich hier. Eine Frau, die nicht nur wunderschön ist, sondern auch verletzlich. Du hattest es bestimmt nicht leicht gehabt, in deinem Leben, stimmt´s?“ Sie versuchte ihre Tränen zurückzuhalten. Stark zu sein. Ihre verletzliche Seite nicht zu zeigen. Doch diesen Kampf verlor sie. Leise flossen die Tränen. Ich hielt ihre Hand und schwieg. Spürte, das etwas aus ihr heraus wollte. Das sie mir gern alles gesagt hätte, was ihr seit Jahren auf der Seele lag. Aber sie kämpfte vergeblich gegen ihre Tränen. Wollte nicht weinen. Doch je mehr sie dagegen kämpfte, desto

mehr flossen. Bis ich es nicht mehr aushielt und auch weinen musste. „Ich werde dann mal gehen.“, flüsterte ich. „Bleib. Bitte bleib bei mir.“, flehte sie. Ich blieb. Wir schwiegen beide. Worte wären zu viel gewesen. Hätten alles zunichte gemacht. Ich hielt einfach nur ihre Hand und schwieg.

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