der tote im gewächshaus 1
Inspektor Kramer hatte gerade sein Frühstück eingenommen, als das Telefon klingelte. Mürrisch nahm er den Anruf entgegen. Auch wenn er sich nur ungern so früh stören ließ, eilte er sogleich an den Ort des Geschehens.
Er betrat das Gewächshaus, vor dem ihn eine junge Mitarbeiterin der Gärtnerei zitternd empfangen hatte.
Mit geübtem Blick sah er sich in dem mit üppig wuchernden Pflanzen gefüllten Glashaus um. Noch konnte er nichts Außergewöhnliches entdecken. Nach einigen Schritten jedoch sah er zu seiner Linken
einen Schuh zwischen den Pflanzen hervorschauen. Dann entdeckte er den Toten, der auf dem Bauch zwischen den Pflanzen ausgetreckt lag. Kampfspuren ließen sich so rasch keine feststellen. Als er zum Handy griff, um seine Kollegin und die Spurensicherung zu verständigen, hörte er von der Gewächshaustüre her einen markerschütternden Schrei und dann lautes Schluchzen. Er eilte an den Eingang zurück. Da stand eine Frau mittleren Alters, tränenüberströmt und am ganzen Leib zitternd.
„Was ist los? Wo ist mein Mann? Wer hat ihn auf dem Gewissen“, wollte sie unter Schluchzern wissen. Der Kommissar stellte sich vor, dann wandte er sich wieder an die
Frau. „Sie sind sicherlich die Eigentümerin der Gärtnerei. Mein aufrichtiges Beileid. Und vielleicht können Sie mir einiges über das Opfer sagen. Gibt es ein Büro, wo wir in Ruhe sprechen können?“ Die Frau führte den Kommissar in das daneben liegende Wohnhaus, in dem sich der Laden und das Büro befanden.
Inzwischen traf die Spurensicherung zusammen mit der Gerichtsmedizinerin ein. Da sich auf den ersten Blick keinerlei gewaltsame Einwirkungen an dem Toten erkennen ließen, wurde der Leichnam sofort abtransportiert. Erst die Obduktion würde alle Umstände ergeben, die zum Tod des Mannes geführt hatten. Die Spurensicherung nahm inzwischen das gesamte Gewächshaus in
Augenschein. Kampfspuren hatte es offensichtlich nicht gegeben. Die Leiche musste später hier abgelegt worden sein. Die Suche nach Fingerabdrücken war äußerst schwierig, denn die Luftfeuchtigkeit hatte sich in einem feinen Überzug über alles gelegt, was die Pflanzen unbedeckt gelassen hatten. So kamen sie also nicht weiter. Vielleicht konnte eine Befragung der Angestellten Antworten auf die vielen Fragen geben, die sich jetzt eröffneten. Die Angestellte war ebenfalls in das Haupthaus gebracht worden. Sie hockte kalkweiß und zitternd im Laden in einer Ecke. Ein Arzt kümmerte sich bereits um das junge Mädchen und sie erzählte mit flüsternder Stimme einem der anwesenden Polizisten, wie sie am Morgen ihren Chef
gefunden hatte. „Ich bin in der Früh immer die erste. Um 7 Uhr schließe ich das Gewächshaus auf, schalte die Heizung aus und die Beregnungsanlage ein. Für den Tag regelt sich dann alles automatisch. Heute fand ich aber die Gewächshaustür nicht abgeschlossen. Deshalb schaute ich ein bisschen herum und entdeckte dann den Schuh. Ich war zu Tode erschrocken und habe gleich die Polizei verständigt. Anfassen konnte ich vor Schreck nichts weiter. Und zum Glück sind ja auch die Beamten so schnell gekommen.“ Einer der jungen Beamten nahm ihre Aussage zu Protokoll und schickte sie wieder nach Hause. Sie sollte am Nachmittag zu weiteren Befragungen ins Präsidium
kommen.
Der Kommissar selbst saß mit der Frau des Opfers im Büro. Es wirkte aufgeräumt und sauber. Um die schluchzende Witwe hatte sich ein Arzt gekümmert und mit einer Beruhigungsspritze Schlimmeres verhindern können. Sie war einigermaßen vernehmungsfähig und beantwortete die Fragen des Kommissars stockend und sehr leise. Sie seien erst 2 Jahre verheiratet gewesen und ihre Ehe war in Ordnung, wenn sie auch getrennte Schlafzimmer hatten. „Mein Mann ist … war eine Nachteule und ein schlimmer Schnarcher. Ich dagegen gehe mit den Hühnern ins Bett“, erklärte sie. „Feinde haben wir keine“, fügte sie rasch hinzu. „Unser Privatleben war geordnet. Mein Mann
pflegte sich mit der Neuzüchtung von Pflanzen zu beschäftigen, ich lese viel und mache gerne Handarbeiten. Ja, unser Leben ist … war eher zurückgezogen.“ „Wer hat denn die Hauptarbeit in der Gärtnerei geleistet?“ „Alles die Sache meines Mannes und der jungen Frau, die ihn heute früh gefunden hat.“ Ein tiefer Schluchzer schüttelte die Frau von neuem. „Den Laden betreue ich selbst und die Kunden kommen gerne zu uns. Ach ja, und manchmal hilft auch der Freund unserer Angestellten im Laden. Er ist zurzeit arbeitslos und sucht eine Lehrstell als Florist. Nur leider dürfen wir nicht ausbilden.“ Ein Mitarbeiter der Spurensicherung kam ins Büro.
„Der Tod ist so gegen Mitternacht eingetreten.
Spuren, die auf ein Verbrechen hindeuten, gibt es bisher nicht. Wir müssen die Obduktionsergebnisse abwarten. Fingerabdrücke und andere Spuren konnten wir im Gewächshaus nicht finden. Die hohe Luftfeuchtigkeit hat alle brauchbaren Spuren verwischt. An der Außenseite des Glashauses gibt es nur Spuren des Toten und seiner jungen Mitarbeiterin.“
Der Kommissar bedankte sich und vertagte eine weitere Befragung der Witwe auf den nächsten Tag. Im Büro würde er ihre Aussage nochmals überprüfen und endgültig zu Protokoll nehmen. Jetzt brauchte er erst einmal etwas Ruhe, um sich den gesamten Fall erneut durch den Kopf gehen zu lassen.