Kurzgeschichte
Gräber im Wald

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"Gräber im Wald"
Veröffentlicht am 30. August 2014, 14 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Gräber im Wald

Gräber im Wald

Gräber im wald

Ich wurde oft gerufen, um auf die lieben, kleinen aufzupassen. Denn die Kinder liebten mich, da ich sie zu nichts zwang. Mich ihnen nicht aufdrängte. Geduldig wartete ich darauf, das sie auf mich zukamen. Mir zuerst ihre Hand gaben. Ich hatte sie alle lieb. Denn sie belogen mich nicht. Gifteten mich nicht an. Gaben mir nicht die Schuld für ihre Ungeschicklichkeit. Sie waren einfach nur ehrlich zu mir. Zeigten mir, das sie mich liebten. Drückten deutlich ihre Dankbarkeit aus, wenn ich ihnen half. Nicht so, wie meine

Frauen. Irgendwie hatte ich Pech in der Liebe. Es fand sich keine, die längere Zeit lieb zu mir war. Kaum waren sie bei mir eingezogen, wurden sie herrschsüchtig. Verboten mir fast alles. Auch den Umgang mit meinen Freunden. Ich hatte zu gehorchen. Wenn eine Frau nicht herrschsüchtig war, dann nutzte sie mich nur aus. Ging, wenn mein Vermögen bei null angekommen war. Ich hatte nie wirklich viel. Gab es aber gern jenen Menschen, die ich liebte. Leider wussten es die Frauen. Was zu dem Zeitpunkt in mir vorging,

weiß ich nicht. Ich sah dieses kleine Mädchen in ihrem wunderschönen Kleid. Es lächelte mich an, als es mich sah und ich lächelte zurück. Doch als ich sie das nächste mal sah, lag sie nackt und tot auf dem Waldboden. Blut rann aus ihrem Kopf und zwischen ihren Beinen hervor. Wer hatte das kleine, unschuldige Ding auf dem Gewissen? Ein Blick auf meine entblößten Beine verriet es mir. Ich war es gewesen. Der Schock lag tief. Wie konnte ich nur so was tun? Tränen liefen mir über die Wange. Vermischten sich mit dem Blut, das an meinen Händen klebte, welche ich mir vors Gesicht hielt. Meine Eltern schimpften schnell mit mir.

Als ich noch ein kleiner Junge war, bekam ich oft den Hosenboden voll, weil ich zu spät merkte, das ich auf die Toilette musste. Mit sieben Jahren war ich erst trocken geworden. Bis dahin hatte ich unzählige Male in Hosen und Betten gemacht und jedes mal wurde ich dafür geschlagen. Ich glaube, die Schläge, die ich dafür bekam, sorgten eher dafür, das ich spät trocken wurde. Und wenn ich mich recht erinnere, dann passierte es mir sogar noch manchmal im Teenagerjahren, das ich ins Bett machte. Im Ausholen und Zuhauen waren meine Eltern spitze. Mir schien schon damals, das mein Vater Spaß am Schlagen hatte.

Denn als er noch jung war, so sagte er einmal voll stolz, gingen er und seine Freunde in irgendeinen angrenzenden Stadtteil, nur um sich dort mit anderen zu schlagen. Wie kann es einem gefallen, Schmerz zugefügt zu bekommen? Als ich mich halbwegs wieder gefangen hatte, schaufelte ich, immer noch heulend, mit meinen bloßen Händen, eine Art Grab. Darin legte ich das kleine Mädchen und deckte es mit ihrem Kleidchen zu. Und nachdem ich sie vollständig mit Erde zugedeckt hatte, streute ich lose zweige und Blätter drüber, damit niemand sah, das dort

gegraben wurde. Im Schutze der Dunkelheit, schlich ich dann nach Hause, wo mich meine Frau schon erwartete. Sie fragte nicht, wo ich gewesen war, sonder haute gleich zu. So lange, bis ich winselnd am Boden lag und mich kaum noch bewegen konnte. Sie war größer, breiter und stärker als ich. Wie all die anderen Frauen vor ihr. Es war an einem Wochenende gewesen. Ich war beizeiten wach geworden und wusste nicht, was ich tun sollte. Also beschloss ich, meinen Eltern eine Freude zubereiten und machte das Frühstück. Ich gab mir wirklich Mühe. Sah die lächelnden Gesichter vor mir,

wie sie auf den Tisch sahen, mit dem Frühstück, das ich ganz alleine für sie gemacht hatte. Nur um ihnen zu zeigen, wie lieb ich sie hatte. Doch dann geschah mir ein Unglück. Gerade als ich den Kaffee eingießen wollte, kam mein Vater zur Küchentür rein und brüllte mich. Fragte, was ich da tat. Ob ich vorher um Erlaubnis gebeten habe, die elektrischen Geräte zu benutzen. In dem Augenblick fiel mir die Kaffeekanne herunter. Sie zerbarst in viele kleine Stücke. Einige stachen in meine Haut. Der heiße Kaffee verbrühte meine Füße. Aber das bekam ich nicht gleich mit. Der Schreck lag noch zu tief in mir. Erst später, als meine Mutter hereinkam und

mich schüttelte, spürte ich die Schmerzen. Ich schrie auf. Dafür bekam ich eine kräftige Schelle. Die ließ mich nur für eine Schrecksekunde still bleiben. Danach schrie ich noch lauter. Denn die Klatsche hatte gesessen. Mein Ohr getroffen, das nun zwiebelte. Was auch nachhaltig mein Gehör geschädigt hatte. Zum Arzt ging mit mir niemand. Ich durfte den Rest des Tages in meinem Zimmer verbringen. Hungrig und durstig. Es war ein herrlicher Sommertag gewesen. Meine Frau hatte mir erlaubt, das ich für eine ganze Stunde spazieren gehen darf. Aber nicht ganz umsonst. Ich musste auch noch einkaufen gehen.

Innerhalb dieser Stunde, selbstverständlich. Und da traf ich sie. Eine alte Bekannte. Vor wenigen Tagen war sie zwölf geworden. Und nicht nur das. Auch wunder-wunder-schön. Ich spürte etwas in mir aufkeimen und versuchte es zu unterdrücken. Aber ES war stärker als ich. Wieder weiß ich nicht, was geschehen war. Spürte nur einen gleißenden Schmerz im Unterleib. Sah ihren nackten, toten Körper an einem Baum gelehnt. Der selbe Baum, wie beim letzten Mal. Wieder schaufelte ich mit meinen bloßen Händen ein Grab, legte das Mädchen sanft hinein, bedeckte es zuerst mit ihren Sachen und dann mit Erde. Danach versuchte ich

deutliche Spuren zu verwischen. Als ich nach Hause kam, stand meine Frau da. Zeigte auf die Wanduhr. Fünf Stunden war ich weg gewesen. Wieder bekam ich Dresche, bis ich fast bewegungslos und leise vor mich her winselnd am Boden lag. Warum ich die Frau nicht verließ? ANGST! Warum hing ich an meinen Eltern, wenn sie mir doch nur wehtaten? Ich weiß es nicht. Es waren eben meine einzigen Eltern. Die Schule fiel mir nicht leicht. Oft brummte mir der Schädel, weil ich wieder einmal geschlagen wurde. So sehr ich mir auch Mühe gab

mitzukommen, ich schaffte es einfach nicht. Die beste Note, die ich erhielt, war eine drei. Doch das reichte meinen Eltern nicht. Prügel. Mich wunderte es, das niemand meine blauen Flecke sah. Keiner zu meinen Eltern ging und sie darauf ansprach. Oder hatte ich es nur nicht mitbekommen? Sie war erst sechzehn und schon so erfahren. Als ES mich wieder überfiel, sagte sie mir, das ich sie nicht dazu zu zwingen brauch, fiel vor mir auf die Knie...es war so wunderschön. Was ich spürte, war unbeschreiblich. Es kam mir vor, als würde dieses Mädchen mich von

Herzen lieben. Ich spürte, sie war erfahren und genoss es. Dachte nicht darüber nach, das sie erst sechzehn war, fragte auch nicht, wie es dazu kommt, das sie so erfahren ist und freiwillig mit mir schläft. Ich genoss einfach nur die Hingabe und die Leidenschaft. Jeden einzelnen Augenblick. Hoffte, das es nicht so schnell enden würde. Verzaubert und erschöpft, lagen wir nebeneinander. Plötzlich hauchte sie: „Mein Vater hat mir all das beigebracht.“ Erschrocken sah ich zu ihr rüber. Sah ihren nackten Leib, der mit blauen Flecken übersät war. Ich fragte sie, warum sie freiwillig mit mir schlafen

wollte. Doch eine Antwort bekam ich von ihr nicht. Denn sie hatte für immer ihre Augen geschlossen. Keine Atmung und kein Herzschlag. Blut sah ich auch keines. Tränen. Wieder schaufelte ich mit meinen bloßen Händen ein Grab, legte das Mädchen hinein, bedeckte sie mit ihrer Kleidung und gab ihr einen leisen Kuss auf ihre Stirn. Langsam schaufelte ich Erde über sie. Mir war, als begrub ich meine große Liebe.

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