Kapitel 4
SIE
Sie schauderte als sie die frischen Tulpen auf dem Tisch entdeckte. Er musste in dem kleinen Zimmer gewesen sein, als sie geschlafen hatte. Das machte ihr angst. Sie schlug die Decke zurück, setzte sich auf, starrte die Blumen an. Sie hatten ein intensives Rot. Eigentlich hatte sie den Frühling immer gemocht. Aber jetzt ließ sie der Anblick dieser roten Blumen frösteln. Langsam stand sie auf, ging auf den Tisch zu und nahm eine Blume in die Hand. Lange betrachtete sie den Blütenkopf. Drehte ihn in ihren Fingern. Tulpen waren ihre
lieblings Blumen. Wusste es das? Vielleicht hatte sie es ihm gegenüber erwähnt. Ja. Sie erinnerte sich. Er hatte ein Foto auf dem sie einen großen Straus Tulpen in der Hand hielt kommentiert. Meine lieblings Blumen, hatte sie geantwortet. Komisch, dass es das noch wusste. Nein, korrigierte sie sich. Es war nicht komisch. Er hatte wahrscheinlich von Beginn an, alles geplant.
ER
Er hatte seine Chance genutzt. Jetzt saß sie hinter dieser Tür. Lag in dem Bett, dass er aufgebaut hatte, aß das Essen, das er kochte. Er ging hinüber zur Tür,
lauschte in die Stille. Seit ihre Schreie verstummt waren, war es so unheimlich still. Langsam öffnete er die Tür. Da war sie. Seine Hannah. Lag auf dem Bett und starre an die Decke. Er ging in den Raum, setzte sich auf den Stuhl. Lange blicke er sie an. Betrachtete ihre Schönheit. Er konnte es noch immer nicht glauben, dass sie jetzt hier war. Da setzte sie sich plötzlich auf und schaute ihn direkt an. Mit weit aufgerissenen Augen. Er hielt ihrem Blick stand. Schaute in ihre Augen, in der er die Angst sah.
SIE
Wie Blutstropfen lagen rote Blütenblätter
auf dem Boden verteilt. Jede einzelne Tulpe hatte sie aus der Vase genommen. Jede einzelne Blume zerrissen. Jetzt lagen sie überall. Doch so war es besser. Sie hatte den Anblick der leuchtenden Blumen einfach nicht mehr ertragen können. Wieder sank sie zurück in ihr Kissen. Schloss die Augen. Sie hatte keine einzige Nacht mehr durchschlafen können, seit sie hier war. Die Tür ging auf. Sie hörte seine Schritte, seinen Atem. Hörte, wie er sich auf den Stuhl im Zimmer setzte. Sie wollte ihn nicht sehen, nicht mit ihm reden. Doch sie spürte seine Anwesenheit so deutlich. Es war fast unmöglich ihn zu ignorieren. Sie holte tief Luft. Starre weiter an die
Decke. Fünf Minuten, vielleicht mehr. Versuchte gleichmäßig zu atmen. Er sagte kein Wort, doch seine Blicke bohrten sich wie kleine Nadelstiche in ihre Haut. Sie hielt es nicht mehr aus. Setze sich auf und blickte ihn an. Schaute direkt in seine blauen Augen.
Fortsetzung folgt...
