Kapitel 3
ER
Er stand im Schneematsch und wartete, wie auch schon die vergangenen Tage. Doch nichts passierte. Eine Frau mit Kinderwaagen, ein alter Mann. Sie war nicht da. Ziellos lief er durch die Straßen. Schaute sich um. Suchte die Cafés ab. Er durchquerte die Menschenmengen. Lief immer weiter. Leise Wut kroch in ihm hoch. Er war zu langsam gewesen. Hätte früher handeln müssen. Doch jetzt war es zu spät. Er drängelte sich an einer Touristengruppe vorbei. Böse Blicke. Doch er ignorierte sie. Sollten sie doch denken, was sie
wollten. Wieder schaute er sich um. Sein Blick blieb an einem Mädchen hängen, das auf einer Parkbank saß. Alleine. Fast hätte er geglaubt, er hätte sie gefunden. Das Mädchen auf der Parkbank blickte zu ihm auf. Nur kurz. Doch das reichte, um zu erkennen, dass sie es nicht war. Er drehte sich um. Ging weiter. Wieder spürte er diese Wut. Ein Junge mit einem Handy vor dem Gesicht rempelte ihn an. So ein Schwachkopf, dachte er. Lebte sein Leben in einer virtuellen Welt. Das war nichts für ihn. Er liebte die Natur. Besaß nur einen alten Computer, den er eigentlich so gut wie nie benutzte. Doch das war wahrscheinlich die Lösung. Sie war so einfach, dass er sie die ganze
Zeit übersehen hatte.
SIE
Ihre Hände waren schon längst blutig und wund, als ihr klar wurde, dass sie keine Hilfe erwarten konnte. Das Haus stand vermutlich irgendwo da, wo sich nie eine Menschenseele hin verirrte. Sie war auf sich allein gestellt. Der verrückte Typ hatte einfach alles zu gut durchgeplant. Auch ihre Mutter würde ihr nicht helfen. Drei Wochen sozCamp – ein Camp, das sich für soziale Arbeit einsetzte. Da sollte sie jetzt sein, eigentlich. Ihre Mutter wusste nicht, dass sie sich dort nie angemeldet hatte. Nie vorgehabt hatte dort auch nur einen
Tag zu bleiben. Sie hatte sich für eine Woche in einem billigen Hotel angemeldet und wollte die anderen Wochen bei Freunden verbringen. So war ihr Plan. Doch jetzt saß sie hier. Eingesperrt und niemand wusste, dass sie entführt worden war.
ER
Er starre auf den Bildschirm vor ihm und tippte wild auf der Tastatur in seinem Schoß. Da war sie, Hannah. Ihr Bild. Er öffnete ein neues Fenster auf seinem Bildschirm und gab weitere Worte ein. Dieses Bild musste er kommentieren. Sie sah unglaublich aus. Als eine Antwort von ihr kam, lächelte er. Er hatte
gewonnen. Fast zumindest. Er konnte es nicht glauben. Es war so einfach gewesen. Hier ein paar nette Worte, da ein lächelnder Smiley. Das war alles. Und es hatte funktioniert. Niemals hätte er gedacht, dass sie sich auf ein Treffen mit ihm einlassen würde. Schon ende dieser Woche würde er sie in seinen Armen halten. Diesmal würde er nicht zögern. Es war seine Chance.
Fortsetzung folgt...