Journalismus & Glosse
Würde ist nur ein Konjunktiv...

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"Altenpflege, Politik, Pflegeversicherung, Verantwortung, Hospitalismus"
Veröffentlicht am 23. August 2014, 10 Seiten
Kategorie Journalismus & Glosse
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich glaube an Liebe auf den ersten Blick, den verlängerten Arm des Schicksals, an wahre Freundschaft und Gefühlstiefe, an Botenstoffe und guten Rotwein und daran, dass Leben Spass machen sollte. . . Außerdem glaube ich, dass Musik eine große visionäre Kraft besitzt und an die Notwendigkeit sozialer Kompetenz, an Eigenständigkeit und die Verantwortung für eigenes Handeln. Ich glaube an heitere, natürliche Sexualität und daran, dass man seine ...
Altenpflege, Politik, Pflegeversicherung, Verantwortung, Hospitalismus

Würde ist nur ein Konjunktiv...

Herbert Wehner sagte einmal: "Ich bin nicht nachtragend, aber ich vergesse nichts! Vergessen scheint in der Politik allerdings inzwischen ein probates Mittel zu sein. Vergessen sind die Versprechungen vor und nach der Wahl, die zur Verbesserung der Lebenssituation von Alten und Kranken beitragen sollten. Pflegenotstand war und ist das Zauberwort, um auf Stimmenfang zu gehen. Doch wo hat sich der Pflegealltag in Einrichtungen dieses Landes verbessert? Noch müssen die Menschen unter miserablen Voraussetzungen leben, die weder einen menschenwürdigen Umgang gewährleisten, noch ein weitgehend selbstbestimmtes Leben ermöglichen?

Nichts hat sich für die Betroffenen zum

Besseren verändert. Im Gegenteil.

Vergessen muss er sein Grundrecht - der Pflegebedürftige gibt mit seiner Unterschrift auf dem Heimvertrag sein Recht nach Artikel 1 des Grundgesetzes ungewollt auf und übereignet es zur internen, institutionellen Abschaffung.

Die Würde des Menschen ist nämlich sehr wohl antastbar. Und so wird sein Leben fortan rigoros den Abläufen einer totalen Institution angepasst. Sein Alltag findet sich in Zeitkorridoren wieder.

Bei der Schaffung dieser Begrifflichkeit und dem, was dahinter steht, muss sich der Gesetzgeber in einem Zustand geistiger Umnachtung befunden haben, die bis zum

heutigen Tage anhält. Vergessen ist eben nur bedingt reversibel und deshalb muss Zeit, besonders im Alter, anders bemessen werden. Nämlich garnicht! Zeit ist....

Doch die Alten und Kranken sind per Gesetz an die Demokratie gefesselt. Nachtragend zu sein, ist ein Luxus, den diese Generation sich nicht mehr leisten kann. Und sollte dennoch ein verwirrter Geist sich aus Zorn über sein Leben in Renitenz erheben, wird sein Zustand als aggressiv klassifiziert, sein Handeln ausführlich dokumentiert und dann der aufbäumende Wille sediert. Vergessen sind all jene Leben, die tagein und tagaus in Aufenthaltsräumen - zu Klängen bedudelnder Volksmusik - stereotyp ihren Hospitalismus pflegen. Friede, Freude,

Eierkuchen - Weichspülbrei eben, von früh bis spät - dazu passierte Kost - vorzugsweise auf großem Löffel serviert - damit es etwas schneller geht.

"Ich mache mal eben Frau xy fertig" ....Eine gebräuchliche Formulierung von vielen Pflegekräften, die eigentlich nur aussagen will, dass ein Mensch ( hier Frau xy) grundpflegerisch versorgt werden soll.

Ein Hoch auf die Aussagekraft deutscher Sprache! Oder hat sich die Sprache vielleicht dem Handeln ganz unmerklich angepasst? Denn fertig gemacht werden sie, die vielen Hilfebedürftigen. Nicht, weil die Pflegekräfte es wollen, sondern weil ihnen gar nichts anderes übrig bleibt. Wo bleibt die Zeit? Ein

reines Rechenexempel. Wer in fünf Stunden - also von Dienstbeginn bis zum Mittagessen - mindestens zehn multimorbide, hochbetagte Menschen ganzheitlich versorgen will, steht vor einem schier unlösbaren Aufgabe und wünscht sich nur eines, nämlich Zeit! Doch genau das ist es, was der Gesetzgeber nicht vorgesehen hat, denn er trennt zwischen Pflege und Betreuung. Dazu kommt eine überbordende Dokumentationspflicht, die quasi jede Pflegekraft zum Beschönigen, sprich verfälschen ihrer täglich nachzuweisenden Pflegeleistung zwingt. Aber Papier ist bekanntlich geduldig. Und so verwundert es auch nicht, wenn ein Hauptaugenmerk der Träger auf ausgefeilten Formularen liegt - damit die Quote stimmt,

Höherstufungen die nötigen Gelder bringt und der Zertifizierungswahn nicht zuletzt den Kontrollbehörden den Angststachel nimmt.

Die Realität aber, sieht anders aus. Anders als auf dem Papier, sowohl für die zu Pflegenden, wie auch für das Personal.

Das zu ertragende Leid wuchert, wie ein Tumor, in gegenseitiger Ohnmacht ins Unermessliche; wird spürbar, sichtbar in den Augen jener, deren Schreie niemand hört.

In einer westdeutschen Pflegeeinrichtung ist eine alte Dame krankenhausreif geschlagen worden. Die Täter wurden angeklagt, aber nicht verurteilt. Begründung des Gerichtes: Der materielle Schaden war zu gering!

Materieller Schaden??? Wie bitte?

Seelische und körperliche Mißhandlungen, wie Freiheitsberaubung, Nötigung, Zwang, Beleidigung, Verwahrlosung und Körperverletzung sind in unzähligen sozialen Einrichtungen dieses Landes an der Tagesordnung. Die Würde des Menschen -

verschollen in den Zeitkorridoren der Pflegeversicherung, unter der Deckelung von Pflegesätzen und den unverantwortlichen

Rahmenbedingungen, die wohlwissend gesellschaftspolitisch in Kauf genommen werden. Ich wünschte mir, Frau Bundeskanzlerin würde nur einen Tag in einem Pflegeheim verbringen - bettlägrig und auf Gedeih und Verderb den Rahmenbedingungen eines

Pflegealltags ausgeliefert. Vielleicht würde sie dann verstehen und Würde im Kontext mit Pflegeeinrichtungen nur noch als Konjunktiv verwenden. Die Kultur eines Volkes erkennt man daran, wie sie mit Alten und Schwachen umgeht...(Urheber des Zitates unbekannt)


©roxanneworks 2014 / 08


Copyright-Hinweis: Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Autorin – 08.2014

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roxanneworks
Ich glaube an Liebe auf den ersten Blick, den verlängerten Arm des Schicksals, an wahre Freundschaft und Gefühlstiefe, an Botenstoffe und guten Rotwein und daran, dass Leben Spass machen sollte. . . Außerdem glaube ich, dass Musik eine große visionäre Kraft besitzt und an die Notwendigkeit sozialer Kompetenz, an Eigenständigkeit und die Verantwortung für eigenes Handeln. Ich glaube an heitere, natürliche Sexualität und daran, dass man seine Geburtstagsgeschenke nicht schon vorher auspacken sollte...und ich glaube an nie enden wollende, sanfte feuchte Küsse und die Macht der Liebe, die ein Leben lang andauert...

Mich inspiriert das Leben und die Menschen darin. Die innere Auseinandersetzung mit all den Stolpersteinen, die das Leben mir vor die Füße legt. In meinen Texten versuche ich mich den unterschiedlichsten Themen des Lebens auf meine Weise zu nähern, sie aufzuschlüsseln und zu verarbeiten. Dabei werde ich das Leben stets von der heiteren Seite betrachten, gleichwohl finden sich auch Gedanken von mir, die mit schwarzer Tinte geschrieben wurden. Meine Präferenz in der Literatur gehört jedoch der Liebe, mit all ihren Facetten.
©roxanneworks
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Herbsttag Wir sind eine traurige Nation geworden. Früher gehörten die Alten zur Familie. Unser ganzes soziales Verhalten hat sich verändert - nicht unbedingt zum Guten. Ich kann nur bestätigen was du, mit Recht, anprangerst. Vor lauter Bürokratie ist der Mensch zu einer Nummer geworden. Und unsere Kanzlerin ergeht sich nur in "Symbol-Politik". Sie tut nur so, als würde sie regieren und die meisten würden sie angeblich wieder wählen, weil sie so schön "geräuschlos" regieren kann. Grüße Ira
Vor langer Zeit - Antworten
roxanneworks 
Ich kenne die Materie sehr gut und weiß, wovon ich schreibe, liebe Ira...
zu A.M. kann ich nur sagen: Sie ist ein Phänomen - bei Umfragen zu der Politik der CDU/ CSU haben über 70 % gegen eine Regierungsverantwortlichkeit gestimmt. Bei der Frage, wer Bundeskanzler/in dieses Landes werden soll, haben sich eben diese Befragten für A.M. ausgesprochen! Es MUSS also so sein, dass Frau M. erstaunlicherweise NICHT mit der Regierungspolitik in Zusammenhang gebracht wird. Beeindruckend und bestürzend...
HERZlichen Dank an Dich
und liebe Grüße
roxanne
Vor langer Zeit - Antworten
Herbsttag Danke für deine ausführliche Antwort. 10 Jahre war ich Mitglied des Gemeindevorstandes. In einer Stadt würde das Stadtrat heißen. Ich habe mich auch oft - und tue es immer noch - mit Politik beschäftigt, aber aus dem aktiven Dienst bin ich ausgeschieden, da ich mit der Chuzpe mancher nicht zurecht komme. Ich kann mich nicht verbiegen und will es auch nic ht. Schöne Grüße in deinen Abend. und herzlichen Dank fürs abonnieren. Ira
Vor langer Zeit - Antworten
roxanneworks 
Das, meine Liebe, verstehe ich besser, als Du glaubst ;-))
HERZlichen Dank an Dich
und ganz liebe Grüße
roxanne
Vor langer Zeit - Antworten
derrainer liebe roxanne ,
es ist alles gesagt

lieben gruß rainer
Vor langer Zeit - Antworten
roxanneworks 
Dennoch freue ich mich, Dich hier lesen zu dürfen, lieber Rainer...
HERZlichen Dank an Dich
und liebe Grüße
roxanne
Vor langer Zeit - Antworten
Memory 
Bald ein Jahr alt und dennoch hochaktuell. Du bringst es auf den Punkt und beim Lesen spüre ich meine eigenen Machlosigkeit.
Ich bin eine von den Betreuern - keine Pflegerin - sondern eine der "Sozialen" Betreuung. Ich möchte hier nicht öffentlich schreiben, was ich oft fühle. Das würde zu weit gehen und ich würde mich nicht wohl dabei fühlen.
Vielleicht äußere ich mich später noch einmal, im Moment fehlt mir die Zeit, weil ich jetzt "betreuen" gehe.
Für den Moment wollte Ich dir nur danke sagen ...
Lieben Gruß
Sabine
Vor langer Zeit - Antworten
roxanneworks 
Hach Sabine, ich könnte Bücher zu dem Thema schreiben....
und kann verstehen, wenn Du schweigst...

HERZlichen Dank an Dich
und liebe Grüße
roxanne
Vor langer Zeit - Antworten
Tintenklecks Liebe Roxanne,
kämpferisch, anklagend und wahr. Ich kenne die Problematik aus dem Mund von Pflegern und Betreuern, die ich einst unterrichtete. Sie würden gern, aber die Zeit. Und mit den Formularen, die den "Vorgang" entmenschlichen und in einen bürokratischen Wirtschaftsakt umwidmen, kommt auch diese bürokratisierende Sprache. Der Vorgang Grundpflege, definiert in technologischen Arbeitsanweisungen, die nun auch noch im QM-Handbuch Niederschlag finden, ist der Vorgan in einer zeit x fertigzustellen.(Formulardeutsch!) Wen wundert es, wenn diese Worte, täglich gelesen, unbewußt von den Pflegern übernommen wird
lg Tintenklecks
Vor langer Zeit - Antworten
roxanneworks 
Sicherlich bedingt sich Sprache, Umgang und Rahmenbedingungen, die zwangsläufig zu einer Verrohung der Pflege führen. Sowohl die Hilfebedürftigen, wie auch die Mitarbeiter leiden und werden zu ohnmächtigen Werkzeugen einer miserablen Sozialpolitik.

HERZlichen Dank und liebe Grüße
roxanne
Vor langer Zeit - Antworten
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