Gibt es ein unsichtbares Band zwischen zwei Seelen?
Sie lebt - nicht ganz freiwillig - auf der Straße, hat ein immer weiter wachsendes Problem und nur noch ihren Stolz … Doch der wird auf eine harte Probe gestellt, als ihr der große Blonde, der sie nach einem Unfall aus dem Wasser zieht, immer wieder ungefragt seine Hilfe aufdrängt!
Was anschließend passierte, bekam ich gar nicht mehr mit. Als ich wieder wach wurde, fand ich mich in einem Krankenhauszimmer wieder, angeschlossen an viele Schläuche, und Monitore. Wenigstens mein Kopf war nun wesentlich klarer und sofort fragte ich mich, ob … Doch mein noch immer die Bettdecke hoch aufwölbender Bauch beantwortete mir zumindest diese Frage, aber nicht, ob alles in Ordnung war. Vorsichtig drehte ich den Kopf auf der Suche nach der Klingel, da erhob sich eine Gestalt, die in der Nähe meines Bettes, aber außerhalb meiner Sicht gesessen hatte. „Julia!”, keuchte ich überrascht. Augenblicklich überkamen mich große Schuldgefühle. Deswegen war ich ziemlich perplex, als sie
unheimlich liebevoll „Cathy!”, sagte. So, als wäre sie mir gar nicht böse. „Julia, was machst du denn hier?” Sie verstand die Frage wohl anders, als sie gemeint war. „Sorry, Jens hab ich für ein Stündchen nach Hause geschickt, damit er sich frisch macht und mal kurz in einem Bett schläft. Die ganze Zeit hier auf dem Stuhl, ich weiß gar nicht, wie er das durchgehalten hat.” „Die ganze Zeit? Wie lange …?” „Kleine, du warst fast zwei Tage bewusstlos und wir haben uns große Sorgen um dich gemacht!” „Zwei Tage!” Und dieser Verrückte hatte hier die ganze Zeit gehockt?! „Und wie geht es dem Baby?” Sie nahm meine Hand. „Dem geht es gut, keine Sorge.” Doch trotz der Wärme in ihrer Stimme läuteten meine
Alarmglocken. „Bitte, sag mir die Wahrheit!”, krächzte ich und sie seufzte leise. „Ehrlich, es geht ihm nicht schlecht, aber das Zeug, mit dem sie dich vollgepumpt haben, hatte es anscheinend in sich. Ich bin kein Mediziner, aber wenn ich es recht verstanden habe, war es knapp ...” Tränen traten mir in die Augen. „Scheiße! Ich hab versucht, das Zeug nicht zu trinken, aber sie ...” „Shttt! Was auch passiert ist, du konntest nichts dafür!”, versuchte Julia mich zu beruhigen, aber es sprudelte nur so aus mir heraus. „Ehrlich, ich hab gemerkt, dass in dem Wasser was drin war und lange nichts getrunken. Obwohl ich dachte, keine Flüssigkeit ist auch nicht gut, aber sie haben ja nicht mal gemerkt,
dass ich schwanger war! Und dann … Dann haben sie mir doch einen Liter oder so reingezwungen. Von da an weiß ich nicht mehr viel.” Zärtlich strich sie mir den Pony aus dem Gesicht. „Hauptsache, du hast es überstanden. Ich sag mal draußen Bescheid, ja?”, meinte sie und ging kurz raus. Als sie zurück kam, war ich schon wieder etwas wacher und fixierte sie. „Sag mal, bist du mir denn gar nicht böse?”, entfuhr es mir und sie lachte. „Du lieber Himmel, du kannst Fragen stellen!” „Nein ehrlich, ich hab dich ja wahrscheinlich dem Zorn deines Bruders ausgeliefert, da musst du doch sauer auf mich gewesen sein!” „Na okay, das war schon … Also ja, Jens ist ganz schön sauer gewesen, als ich ohne dich bei ihm ankam. Und auch mir wurde ziemlich
schnell klar, dass da was nicht stimmte.” Jetzt seufzte sie leise. „Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich da für einen Moment dachte, du würdest doch nichts taugen und wärst einfach wieder abgetaucht. Oder dass dir das alles zuviel geworden ist. Bitte entschuldige!” Beinahe fassungslos starrte ich sie an. „DU entschuldigst dich bei mir?! Ihr seid echt irre!” Ihr Grinsen erinnerte sehr an ihren Bruder. „Das hat Jens auch zu mir gesagt. Dass ich irre bin, meine ich. Ihm war sofort klar, dass du in Schwierigkeiten steckst.” „Ach ja?” Leider kam ich nicht dazu, sie weiter zu befragen, denn jetzt fegte ein Arzt in Begleitung einer Schwester herein und man unterzog mich einer eingehenden Untersuchung. Anschließend versuchte er erst gar nicht, die Sorgenfalten auf der Stirn zu verbergen. „Frau
Kosim, ich weiß, Sie haben einiges mitgemacht in den letzten Tagen. Es geht Ihnen den Umständen entsprechend gut, aber ich gestehe, ich mache mir ein wenig Sorgen um das Baby.” „Oh nein”, stöhnte ich, „ist es so schlimm?” Julia, die es geschafft hatte, nicht rausgeschmissen zu werden, drückte meine Hand. Der Arzt schüttelte den Kopf. „Nein, aber ich würde mich wohler fühlen, wenn wir es etwas eher auf die Welt holten könnten.” „Das ist alles?!”, platzte ich heraus und er sah mich an. „Naja, die meisten Mütter haben Sorge, dass eine Geburt VOR dem errechneten Termin nicht gut sei … „Aber das stimmt gar nicht, also medizinisch, oder?” „Nein, in dieser Phase überhaupt nicht”, versicherte er mir und ich lächelte ihn an. „Na
also, worauf warten wir dann noch?” Das überraschte ihn, wie es schien. „Ähm ja, nun ja, wir müssten da noch einige Vorbereitungen treffen ...” „Natürlich.” Neben mir murmelte Julia „Ich muss mal kurz wen anrufen”, drückte meine Hand noch einmal und verließ den Raum. Die Ärmste, wahrscheinlich kamen bei ihr schlimme Erinnerungen hoch! Der Arzt redete weiter. „Wir würden Sie dann in Kürze an den Tropf mit den Wehenmitteln hängen und hoffen, dass sich so die Geburt auf natürlichem Weg einleitet.” „Hoffen?” „Ja, auch mit den entsprechenden Mitteln ist nicht immer gesagt, dass die Wehen einsetzen, tut mir leid.” „Und die Alternative wäre
..?” „Sectio Caesarea.” Ein Kaiserschnitt also. „Aber wegen der möglichen Komplikationen und da Sie noch so jung sind, wäre mir das andere lieber.” „Hm. Herr Doktor, da wäre noch etwas ...” „Ja?” Mir fiel ein, dass ich ja nicht mal wusste, in welcher Klinik ich war und fragte nach dem Namen. Wenn ihn das wunderte, zeigte er es wenigstens nicht und siehe da, es war die gleiche wie beim letzten Mal. „Ah, würden Sie dann bitte Frau Müller vom Sozialdienst kontaktieren? Noch vor der Geburt? Sie weiß über meinen, ähm, speziellen Fall Bescheid.” Er versprach, das zu tun und sie ließen mich wieder allein. Kurz darauf kam Julia wieder rein. Sie war ziemlich blass um die Nase und tat mir leid.
„Na, dann geht’s also bald los?”, fragte sie so betont munter, dass ich lachen musste. „Scheint so. Das weckt blöde Erinnerungen bei dir, hm?!” „Naja, schon irgendwie. Aber du bist hier auf jeden Fall in guten Händen, glaube ich.” „Tut mir leid. Und falls du es dir anders überlegt hast oder gar nicht kannst, ich würde es verstehen!” Energisch schüttelte sie den Kopf. „So ein Quatsch! Mein Angebot steht auf jeden Fall!” Ich konnte gar nicht sagen, wie gut sich das anfühlte, als sie das sagte! „Das ist schön! Und wie macht man das jetzt, musst du Frau Fotescó da auch Bescheid geben?” Als hätte ich etwas Komisches gesagt, musste Julia plötzlich laut lachen. „Frau Fotescó, ja keine Sorge, ich werde ihr Bescheid geben!”
Irgendwas daran war anscheinend rasend komisch, doch ich hatte keine Ahnung, was! Vorerst aber kam ich nicht dazu, nach dem Grund für ihre Heiterkeit zu fragen, denn nun kam eine Schwester herein, die mich waschen wollte und deswegen meine Besucherin bat, das Zimmer zu verlassen. Da ich annahm, dass sie schon eine Weile hier war, bat ich Julia, für die Nacht auf jeden Fall noch einmal nach Hause zu gehen, ihre Familie vermisste sie sicher schon. „Du hast Recht, das mache ich. Dann komme ich also morgen früh wieder.” „Danke Julia. Für alles.” Sie gab mir grinsend einen Kuss auf die Stirn. „Da nich' für!” Zum Glück konnte ich aufstehen, deswegen konnte ich sogar mit ein bisschen Hilfe der
Schwester duschen. Tat das gut!! Schon wieder hatte ich ein Einzelzimmer, das kostete sicher ein Vermögen, wieder eine weitere Schuld. Aber jetzt … Jetzt existierte ich ja wieder! Irgendwie musste ich an meine Unterlagen rankommen, bzw. musste- … Eine eiskalte Hand griff nach meinem Magen. … musste meine Mutter sie rausrücken. Der Gedanke an sie verursachte mir geradezu Übelkeit und ich war plötzlich unendlich dankbar dafür, dass nicht SIE bei meinem Aufwachen hier gesessen hatte. Wo sie wohl war? Wie erklärte sie das Ganze eigentlich? Und was war mit Niels?? In diesem Moment traf ich im Übrigen eine Entscheidung, zu der ich immer noch stehe … Ansonsten tat ich das, was ich in den letzten Monaten am besten gelernt hatte: Ich verdrängte
die Gedanken an meine Verwandtschaft und richtete sie auf den morgigen Tag, als ich wohlig erfrischt wieder in mein Bett sank. Morgen also würde ich es hinter mir haben. Als das Abendessen kam, merkte ich erst mal, wie viel Hunger ich hatte, die erste feste Nahrung seit Tagen! Glücklicherweise sind die Portionen ja begrenzt, sonst hätte ich mich sicher überfressen. Sogar die Schwester schmunzelte beim Anblick des ratzekahl leer geputzten Tabletts und zwinkerte mir zu. Satt und zufrieden ließ ich mich ins Kissen sinken, schreckte nur kurz wieder hoch, als schon wieder die Tür aufging. Hier ging es ja zu wie am Bahnhof! Wahrscheinlich die Schwester mit dem Wehenmittel. Aber es war Rollen D. Rubel, der da so spät am
Abend hereinschneite! Als er mein Zimmer betrat, nahm er die schicke Sonnenbrille ab und ich sah als erstes die riesigen dunklen Ringe unter seinen Augen, die richtig gut zu dem dunklen Hemd passten, das er trug. Sogar Judith reagierte auf seinen 'Anblick' mit einem spontanen Tritt in meinen Bauch. „Wie siehst du denn aus?”, schimpfte ich Jens spontan aus und er verdrehte den Blick nach oben, schmiss dann seine Jacke an mein Fußende. „Nette Begrüßung”, brummte er und setzte sich auf meinen Bettrand. „Wie man eben so aussieht, wenn man seine dumme kleine Freundin gerettet hat, auch wenn sie das eigentlich gar nicht verdient.” „Gerettet hat mich die Polizei”, brummte ich trotzig zurück, dann schlug ich die Augen nieder und murmelte „Und wieder stehe ich tief
in deiner Schuld.” „Ach Cat.” Plötzlich beugte er sich über mich und gab mir einen Kuss auf die Stirn, verharrte dann einen Moment mit seiner Wange an meiner. Ich wagte kaum zu atmen und schloss kurz die Augen. „Cat, ich bin so froh-” Er brach ab und zog sich stattdessen den Stuhl heran, um sich an mein Kopfende zu setzen. Jetzt beugte ich mich zu ihm, strich mit dem Handrücken sanft über sein Gesicht. „He, Großer, es ist alles in Ordnung. Wir haben es geschafft! Naja, jedenfalls fast”, endete ich mit Blick auf meinen Bauch. Rasch schnappte er meine Hand und drückte auch ihrem Rücken ein Küsschen auf. „Ich hab gehört, ihr seid soweit okay?!” Lächelnd legte ich in dieser so typischen Geste, welche ich nie bei mir vermutet hätte, die Hand auf meinen dicken Bauch. „Ihr geht’s angeblich gut, nur wollen sie sie zur Sicherheit eher auf
die Welt holen.” „Ja, Julia sagte, dass die Geburt nun bald eingeleitet werden soll. Hast du große Angst?” Kurz dachte ich nach, spürte ernsthaft in mich hinein. „Nein”, bekannte ich dann, „ich meine, ja, Angst schon, aber nicht mehr so schlimm wie-” Wie lange war das jetzt eigentlich her? „-wie vor ein paar Tagen. Schlimmer als eine mögliche Geburt da allein im Dunkeln kann es gar nicht sein! Du, also die Bullerei, ihr habt mich noch rechtzeitig rausgehauen.” Automatisch drückte er meine Hand sehr fest und ich machte „Aua! Soll das jetzt die Strafe für mich sein?” „Strafe?” Eine Augenbraue zuckte nach oben. „Ja, du musst doch ziemlich sauer auf mich sein.” „Ach das meinst du. Weil du abgehauen bist.” Sein Blick bohrte sich in meinen und mir wurde
für einen Moment ganz anders. „Ja, eigentlich sollte ich dir dafür den Hintern versohlen!” „He, ich bin volljährig!” „Jaja, das hab ich gemerkt. Einfach so mit den Typen abzuhauen!” Jetzt klang ich doch wie ein kleines Kind. „Ich … ich hatte meine Gründe!” „Da bin ich aber mal gespannt. Ich wusste es sofort, als Julia ohne dich nach Hause kam. Dass etwas nicht stimmte.” „Die Arme”, murmelte ich schuldbewusst und er nickte zustimmend. „Jaaa, ich war ziemlich sauer …!” „Aber Moment mal”, fiel mir da etwas auf, „woher weißt du eigentlich, dass ich mit den Typen mitgegangen bin?” Er seufzte und fuhr sich durch die Haare. „Du hattest Glück. So ein unglaubliches Glück und mehr als einen Schutzengel.”
Das glaubte ich eher nicht. Das war nur er. „Ich bin … also ich hab … Also, ich bin ziemlich ausgeflippt. Aber Julia hat deine Sache gut vertreten und dich verteidigt. Ich hab regelrecht aus ihr herausgequetscht, was du gesagt hast und als sie dann deine Bemerkung zu deinem Versprechen erwähnte – da war ich mir sicher, du steckst in Schwierigkeiten!” Mein Versprechen. Mein Versprechen, nicht von ihm fort zu gehen, ohne mich ordentlich zu verabschieden. War das jetzt gut oder schlecht, dass es mir rausgerutscht war? Zum Einen hatte es wohl mit dazu beigetragen, dass ich gerettet wurde. Zum Anderen hätte es Jens auch in Gefahr bringen können. Glücklicherweise war er schlau genug gewesen, die Polizei einzuschalten …
Allerdings ... „Aber wie konnten sie überhaupt wissen, wo ich bin? Die Bullen, meine ich?” Jens grinste. „Da kommt wieder der Schutzengel ins Spiel. Kurz nachdem Julia zurück gekommen war und wir uns im schönsten Streit befanden, klingelte das Telefon. Es war die Hebamme.” „Frau Fotescó!” Daher also Julias Heiterkeitsausbruch. „Ja, genau die. Sie hatte zufällig aus dem Fenster eure Verabschiedung gesehen. Und dann aber auch, wie plötzlich ein paar mehr als suspekte Typen auftauchten und du zu ihnen ins Auto stiegst. Bzw. dass einer davon dich nicht sehr sanft behandelt hat. Das kam ihr komisch vor und nach einigem Überlegen beschloss sie, Julia anzurufen. Sven gab ihr dann meine
Telefonnummer.” „Ah, verstehe”, nickte ich, obwohl damit noch längst nicht alles geklärt war. Jetzt kam Jens wieder näher. „Also, raus damit”, flüsterte er, „was war los? Wie hat er dich rumgekriegt?” „Julia”, seufzte ich. „Er drohte damit, sie eiskalt auf offener Straße umzubringen. Und das konnte ich doch nicht zulassen.” Diese Information nahm Jens mit geschlossenen Augen auf. Dann seufzte er tief. „Ich hab's mir schon gedacht. Und verrückt, wie du bist, hast du eingewilligt, mit diesem Scheißkerl mit zu gehen.” „Ich für meine Teil sah keine andere Möglichkeit”, bekannte ich ernst. „Ich weiß, man hat immer eine Wahl. Und meine war halt diese. Ich hätte es nie verwunden, wenn sie Julia etwas getan
hätten!” „Ich fass es einfach nicht”, brauste Jens, ganz der alte Rollen in diesem Moment, da auf und klang ziemlich ätzend, als er noch ergänzte „Na schönen Dank auch dafür!” Etwas eingeschüchtert rückte ich ein Stück nach hinten. „ 'Dank'? Wofür?!” „Vielleicht dafür, dass du so eine unglaubliche … so ein unglaublicher Mensch bist! Opferst dich selber für eine Frau, die du kaum kennst.” „He, sie ist deine Schwester … Da hätte ich doch nie im Leben zulassen können, dass ihr etwas zustößt!” „Ach ja”, grollte Jens erbost, „aber dass dir etwas zustößt, das konntest du zulassen!” „Natürlich”, gab ich heftig zurück. „Überleg doch mal, ich bin nur eine verdammte Streunerin, die du aus reiner Gutmütigkeit
aufgenommen hast und die dir viel Ärger verursacht hat. Was zählt das schon neben deiner leiblichen Schwester?!?” Plötzlich sank der große Blonde kraftlos in sich zusammen. „Oh Mann, Cat, wann kapierst du eigentlich mal-” Ich unterbrach ihn lieber gleich. „Und außerdem hab ich das Gefühl, Julia schon ewig zu kennen. Ich mag sie sehr! Sie will sogar bei der Geburt dabei sein, aber das weißt du ja sicher schon.” Einen Moment lang sagte Jens nichts, dann nickte er. „Ja. Und das freut mich. Aber trotzdem ...” „Nein Rollen”, fiel ich wieder in die alte Anrede, „das hätte ich mir einfach nie verzeihen können. Nie, verstehst du?!!?” Erneut hakte sich sein Blick in meinen und wir schwiegen einen langen Moment, bis er schließlich bedächtig nickte. „Ja, ich verstehe.
In diesem Fall wirklich vielen Dank.” Ich imitierte seine Schwester „Nich' da für!”, und handelte mir damit mal wieder einen genervten Augenaufschlag ein. Es klopfte an der Tür und eine Krankenschwester schaute herein. „Frau Kosim, wären Sie dann soweit? Dann könnten wir mit dem Wehenmittel anfangen.” „Ja sicher”, bestätigte ich. Jens stand hastig auf, doch die Frau machte eine beschwichtigende Geste. „Keine Panik, Sie müssen nicht gehen. Ich hänge das Oxytocin an und dann schlage ich vor, dass Sie sich schon mal für den Kreißsaal eintragen.” „Ich? Wieso?”, fragte Jens verwirrt und lachte, als er ihre Antwort hörte: „Damit für morgen alles klar ist. Ich nehme doch an, dass Sie als Vater bei der Geburt dabei
sein wollen.” „Ach so, nein. Ich bin nicht der Vater.” Er sagte das so … so leicht dahin, fast erleichtert ... Die Blicke der Schwester gingen verwirrt zwischen uns hin und her. „Oh, na dann, ich dachte … Gut, dann werd ich mal die Flasche holen.” Sie wuselte hinaus und ich konnte ihr ihre Verwirrung nicht verdenken. Und dachte gleichzeitig selber sehnsüchtig °Ach ja, wenn es es doch nur so wäre … ° Dann sagte ich das Erste, was mir einfiel „Ich laufe immer noch unter deinem Namen?” Jetzt zuckte zum ersten Mal wieder dieses spitzbübische Lächeln über sein Gesicht, für das man ihn am liebsten knutschen würde. „War einfacher so”, war allerdings die einzige Erklärung, die ich vorerst bekam, denn schon kam die Schwester wieder
rein. Sie nestelte an einem der Zugänge an meinem Arm, hängte die neue Flasche dort ein und an den Infusionsständer. Anschließend notierte sie noch genau die Dosierung und die Uhrzeit, erklärte mir dann, auf welche Anzeichen ich achten sollte. „Ich werde in regelmäßigen Abständen die Dosis erhöhen. Allerdings wird sich erst morgen Vormittag die volle Wirkung zeigen. Ihr … Bekannter kann gerne noch hier bleiben, aber wenn Sie müde werden, gönnen Sie sich den Schlaf! Es könnte für eine Weile der letzte sein.”