Vorwort
Zuerst muss ich noch etwas zu diesen Texten schreiben. Diese handeln von Erfahrungen in meinem FSJ im Altenheim. Es ist nicht so einfach, Erlebnisse so rüberzubringen, wie man sie selber erlebt hat. Niemand kann, denke ich, nach empfinden, wie ich die jeweilige Situation wahrgenommen habe. Es wird immer wieder Menschen geben, die meinen sie hätten besser agiert. Aber ich war nur FSJlerin. Selbstverständlich habe ich eine Schweigepflicht unterschrieben. Daher sind Erlebnisse, Namen, Orte und Personen so abgewandelt, das man keine
Rückschlüsse auf privates führen kann. Sind doch mal Namen erwähnt, sind diese von mir selbstständig ausgedacht. Es besteht kein Zusammenhang zu der realen Person. Ich schreibe also hiermit über keinerlei Geheimnisse und kann dennoch Geschichten über meine Erfahrung schreiben.
Alleine
Als FSJler wird einem so Einiges beigebracht, man lernt auch viel. So das man theoretisch alleine arbeiten könnte. Praktisch ist das aber nicht vorgesehen. Aber es gibt viele Betriebe wo das nicht der Fall ist. Auf Seminaren konnten wir uns darüber austauschen.
Also gut, auch ich muss hin und wieder mehr oder weniger alleine arbeiten. Ich wurde ja eingearbeitet, mir wurde alles gesagt und gezeigt - notdürftig. Bei vielen Dingen musste ich mir selber die beste Lösung suchen, da mir dies nicht erklärt wurde. Auch das ist überall mehr oder weniger gewesen. Teilweise gab es
bei den anderen eine sehr sehr geringe Einarbeitung. Wir sind also FSJler die alles können. Mein Bereich ist die Betreuung.
"Kannst du mal in Zimmer 60 anreichen."
Anreichen, kenn ich, mache ich tagtäglich. Es ist Routine ich kann die Abläufe auswendig. Und wie sieht es im Zimmer aus? Mir ist klar, dass es anders sein wird. "Willst du, oder soll ich das machen?" bietet meine Kollegin an. Die selber auch keine richtige Kraft ist, eher eine Zusatzkraft.
"Ich kann das machen." Neue Erfahrungen sammeln, klingt spannend und das hatte ich bisher noch nicht
gemacht. Es kann ja auch nicht ganz anders sein, als wie gehabt. Suche das Zimmer 60, finde es rechtschnell. Ein kurzer Blick auf das Namenschild und ich weiß auch, zu wem ich überhaupt gehe. Klopfe an der Tür. Auf dem ersten Blick sehe ich keinen Bewohner zum Anreichen. Ein Blick um die Ecke, und ich sehe das er im Bett liegt.
"Guten Tag. Möchten sie was Essen? Ich helfe ihnen mal bisschen beim anreichen." Muss man ihm wirklich anreichen, oder kann er das alleine. Man hat mir kaum Informationen gegeben. Nur die Zimmernummer und die Aufgabe, anreichen. Das Essen steht neben dem Bett, im stehen anreichen ist
nicht so schön. Was machst du?
Ich gucke mich im Zimmer um und finde einen Stuhl, den ziehe ich mir rann. Der Bewohner veranstaltet irgendwelche `Dehnübungen´im Bett. "Ich reiche ihnen mal an. Möchten sie die Suppe essen." Nur ein leichtes nicken. Ich nehme den ersten Löffel und manövriere ihn zum Mund. Im Liegen schluckt er die Suppe, macht aber weiter seine Übungen. "Soll ich sie höher setzten?"
"Ja."
Toll, wie macht man das? Ich habe noch nie einen Menschen im Bett anders gelagert, oder aufgerichtet. Wirkliche Unterstützung vom Bewohner kann ich
nicht erwarten. Okay im Bett liegt ein Kissen, schieb das einfach etwas mehr unter ihn. Gedacht, getan. Sieht noch nicht besser aus. Man kann das Bett verstellen. Aber auch das weiß ich nicht wie. Nachher gibt es einen Schleudertrick oder so was. Ok, es muss so gehen.
Reiche ihm den nächsten Löffel an. Bewohner murmelt etwas, was ich beim besten Willen nicht verstehen kann. Irgendwas mit "Ding." Neben ihn liegt ein dünnes Kissen. Das schiebe ich ihm auch noch hinterm Rücken. Nun ist es ihm zu steil. Ich weiß leider nicht was ich tun soll. Es muss so gehen. "Zum Essen ist das denke ich ganz gut.",
erkläre ich. Er akzeptiert es. Dennoch finde ich es etwas umständlich. Vom Sitzen ist der Weg zum Mund so weit und im Stehen habe ich ein doofes Gefühl. Versuche es also irgendwie weiter im Sitzen. So wurde es mir irgendwann mal beigebracht.
"Davon werde ich nicht satt!"
Uff, der macht es einen aber auch nicht wirklich einfach. Will er das ich ihm die Suppe schneller anreiche? Größere Löffel? Oder die Hauptspeise oder was ganz anderes? So viele Möglichkeiten, ich bin für die vorletzte, das klingt für mich am logischten. "Möchten sie bisschen Fleisch mit Kartoffeln und
Gemüse?"
"Ja."
Na, schön, ich schneide das Essen Mundgerecht klein und gebe es ihm in Mund. Im Liegen ist die Verschluckgefahr höher. Aber es geht.
Immerhin wurde der Bewohner und ich nicht ganz vergessen, eine Mitarbeiterin aus der Pflege kommt kurz rein und schaut nach dem rechten. Selbstverständlich komme ich mit der, mir doch, ungewohnten Situation klar.
"Machst du prima. Ich dreh ihn dir nochmal etwas anders hin, dann hast du es einfacher." Gleichzeitig stellt sie das Bett höher.
Dann bin ich wieder alleine mit dem
Bewohner. "Kalorinwerte?" Ganze Sätze und präzise Antworten ist nicht seine Sträke, habe ich mittlerweile festgestellt. Gehe davon aus, das er das im Essen meint.
"Die weiß ich leider nicht." Mal ehrlich, woher soll ich das auch wissen? So genau informiere ich mich nichts über das Essen und den Speiseplan mit dem täglichen Gericht habe ich auch nicht zur Hand.
Das Thema hätten wir geklärt. Der Teller ist schon sehr gut geleert, aber trotzdem bin ich froh, wenn ich wieder raus kann, zu `meinen ´ Bewohnern. Mir kommt alles so ewig vor. Reiß dich zusammen, es ist nicht schlimmer, als
wie du es in der Gruppe machst. Nichts anderes, rede ich mir selbst ein.
Dann die Erlösung oder eine neues Problem. "Mir ist schlecht!"
Shitt, gibt es ein Behälter in der Nähe. Ein schneller Blick durch den Raum. Nein, nichts zu sehen. Was machst du? Welche Möglichkeiten hast du noch? Vieleicht muss er sich ja auch gar nicht übergeben.
"Mir ist schlecht."
Ja, ich hab es verstanden, ich überlege ja schon nach eine Lösung. Er will bestimmt auch nicht mehr weiter essen. "Warten sie kurz, ja? Ich sage bescheid. Kommt sofort jemand." Ich kann endlich raus aus dem Zimmer auf dem Flur ist
heute noch nicht mal eine Pflegekraft. Wo sind die denn bitte, wenn man sie braucht? Keiner da. Wieder bin ich alleine, diesmal auf dem Flur. Was tust du? Immer wieder denke ich an den Bewohner.
Ah, dahinten am Ende ist jemand. "Er, hat fast alles aufgegessen. Meint aber ihm ist schlecht."
"Alles klar." Sie nimmt es zur Kenntnis. Ich kann wieder zurück in meinem Bereich. Ab jetzt ist der Bewohner nicht mehr meine Aufgabe.
Ich bin froh, es geschafft zu haben. Auch wenn ich einiges sicherlich anders hätte machen können, aber dafür das ich nur ein FSJler bin und noch nicht
wirklich Ahnung hatte, denke ich, das ich es doch ganz gut geschafft habe.