Nachdem sie grade der Sklaverei entkommen ist und dabei unfreiwillig den jüngsten Spross einer mächtigen Adelsfamilie entführt hat, findet sich Eden nach einigen Wirren in der Crew des grausamen und berüchtigten Piratenkapitäns Vance Livsey wieder. Dieser besitzt den Schlüssel zu einem unvorstellbaren Schatz. Eine unberührte Stadt des legendären alten Volkes, die sich auf einer Insel weit draußen im unerforschten Weltmeer befinden soll. Mit dem Erlös der gefundenen Artefakte, könnte Eden sich selbst freikaufen.
Doch sie sind nicht die einzigen, die von der Insel wissen. Der mächtig Sanguis-Orden, die Gemeinschaft der Zauberer Cantons, ist ihnen dicht auf den Fersen.
Coverbild : Wolfgang Pfensig / pixelio.de
Die Stadt Lasanta hob sich als Silhouette vor den Sandsteinbergen ab, die sie wie eine Mauer umgaben. Die schlanken Formen mehrerer großer Lagertürme ragten in den Himmel über den Straßen. Und der Hafen, war selbst im Morgengrauen ein einziges durcheinander aus Segelmasten. Vance hatten schon Befehl gegeben, alle Segel zu reffen, als das Land das erste Mal in Sicht kam und nun verstand die Gejarn warum.
Sie hatte noch nie einen derart geschäftigen Hafen gesehen. Kleinere Boote glitten gemeinsam mit Handelsschiffen und hochgerüsteten Galeonen der kaiserlichen Marine durch das Wasser. Schiffe, auf denen Männer mit bunten Flaggen standen, wiesen die eintreffenden und abfahrenden Holzkonstruktionen ein, sodass Kollisionen vermieden wurden. Eden hielt sich an der Reling fest und sah den vorbeiziehenden Schiffen zu. Vance selbst hatte sich an‘s Steuerrat gestellt und navigierte den langsam dahintreibenden Koloss zielsicher in Richtung der Hafenmole. „Habt Ihr keine Angst, das Euch die
Behörden erwischen?“, wollte Lucien wissen, der mit Eden und Zachary an Deck stand. Der Mann hatte sich endlich von seinem Mantel getrennt und trug nun ein schlichtes weißes Hemd. Trotzdem klebten ihm die blonden Haare an der Stirn. Die Luft soweit im Westen war seltsam, dachte Eden. Auf eine Art dichter und die Temperaturen waren unerträglich. Beinahe sehnte sie sich nach den Bergen oder nach Lore zurück. Dort musste mittlerweile Schnee liegen. Der Gedanke machte sie nachdenklich. Monatelang war sie nun schon auf der Reise. Vance lachte. „Keine Sorge. Ich schätze, Ihr kennt
die Bürokratie des Kaiserreichs aus erster Hand. Bei dem Chaos hier, fragt niemand mehr nach, wer da genau im Hafen vorbeischaut. Genau deshalb kommen wir ja hierher. Lasanta ist das Drehkreuz für den Seehandel im gesamten Westen Cantons. Und hier bekommen wir auch alles, was wir für eine Expedition in Richtung Nebelküste brauchen. Kann Euer Junge denn auch sicher die Insel finden, die wir suchen?“ Zachary sah von seinem Platz an der Reling auf. „Keine Sorge… ich kann es überall spüren. Die Luft hier ist getränkt mit Magie. Aber weiter draußen… kann ich bestimmt sehen, aus welcher Richtung
sie kommt.“ „Das wollte ich hören.“ Vance schlug dem Zauberer auf die Schulter. „Also gut. Wir werden den Hafen wohl in ein paar Minuten erreiche. Eden… tut mir einen Gefallen und bringt Lucien unter Deck. Sperrt ihn irgendwo ein.“ „Wie bitte?“, Der kaiserliche Agent legte eine Hand auf den Griff der Armbrust an seinem Gürtel. „Hört mal Bursche, ich lass hier keinen imperialen Spion herumlaufen, solange ich hier bin. Ihr rennt doch direkt zum Orden und erzählt denen, was ihr wisst. Wenn wir abfahren werf ich euch raus, keine Sorge, aber nicht vorher.“
Eden zögerte einen Moment. Aber der Kapitän hatte Recht. Er konnte Lucien nicht trauen… und sie sollte das auch nicht. Und es war ja nur für ein paar Tage. Also gut. „Kommt mit.“, wies sie den Agenten an. „Großartig…. Einfach großartig.“, murmelte Lucien während er ihr unter Deck folgte. „Stimmt das?“ , wollte Eden wissen, sobald sie außer Hörweite des Kapitäns waren. „Stimmt was?“ „Ihr würdet als aller erstes zum Orden, oder der Garde gehen, um ihnen Bericht zu erstatten?“
Der Mann antwortete nicht sofort, während sie sich einen Weg weiter ins Schiffsinnere suchten. „Vermutlich. Ich bin einfach ehrlich….“ „Verstehe.“ Edens Hand legte sich um den Schwertgriff. Wenn Lucien auf ihre nächste Frage falsch antwortete, würde sie ihn töten. Egal wie schlecht sie sich deshalb fühlen würde. Der Mann hatte ihr bisher nichts getan. „Und ich werde Euch nur deshalb nicht einfach töten, aber… tut mir einen Gefallen? Lasst Zachary da heraus?“ „Keine Sorge. Ich… hab Euch gesehen. Wenn je ein Zauberer besser aufgehoben war als beim
Sangius-Orden… dann bei Euch.“ Sie amtete erleichtert auf. Die richtige Antwort. Die einzige, die sie akzeptieren konnte. „Ich hoffe aber wirklich, Ihr habt nicht vor, lange hier zu bleiben. Die Schlösser auf diesem Schiff halten mich nicht wirklich auf.“ „Ich weiß. Das habt Ihr schon demonstriert. Ich leg noch ein paar extra Ketten vor die Tür.“, erklärte Eden, während sie eine der Kabinen erreichten. Das Bullauge das für Licht sorgte war zu klein, als das sich irgendjemand hätte hindurchzwängen können. „Keine Sorge, Euch bringt jemand Wasser und Essen.“ Lucien trat in den Holzverschlag und
sah sich gründlich um. Er zog die Schublade eines niedrigen Schranks auf, prüfte das Bett mit einer Hand…. „Nicht nötig. Bis heute Abend bin ich hier raus.“ „Angeber. Ich lass Euch das durchgehen. Der Rest der Crew erschießt euch, wenn sie Euch außerhalb dieser vier Wände sehen. Bedenkt das.“ „Dann lasse ich mich von niemanden sehen.“, erwiderte der Agent. „Passt nur auf, wir sehen uns noch, wenn ich‘s hier raus schaffe.“ „Lucien… macht einfach nichts Dummes ja? Bitte?“ Der Mann war anstrengend und für die kruden Späße des Spions hatte sie jetzt keine Zeit. Und
vor allen Dingen, wenn sie Lucien irgendwo in den Straßen Lasantas sah, würde sie ihn direkt zu seiner Zelle zurück schleifen. Die Gejarn zog die Tür zu und ließ den kaiserlichen Agenten damit zurück. Rasch drehte sie den Schlüssel im Schloss und ließ diesen dann in ihrer Tasche verschwinden. Zeit nachzusehen, wie nahe sie dem Hafen schon waren. Bevor sie sich jedoch ganz umgewandt hatte, hörte sie ein metallenes Kratzen an der Tür. „Ist es eigentlich zu viel verlangt, das ihr mit eurem Ausbruchsversuch wartet, bis ich weg bin?“ , rief die Gejarn. Das Geräusch verstummte sofort, „Tschuldigung ! Ich weiß nicht… soll
ich bis zehn zählen?“ „Tausend. Und am besten zweimal.“ Eden drehte sich um und achte sich auf den Rückweg. Geister, sie sollte jemanden hier runter schicken, der sich direkt vor Luciens Tür setzte. Aber dann entkam er vermutlich noch durchs Fenster… irgendwie konnte sie ihn ja verstehen. Sie war auch nicht gerne eingesperrt aber… dieser Mann schien seine Situation in keiner Weise ernst zu nehmen. Sie wollte auch nicht schuld daran sein, wenn er sich von Vance Matrosen erschießen ließ. Als Eden an Deck zurückkehrte, brachte Vance das Schiff grade parallel zu einem der zahlreichen Landungsstegs,
die die Hafenmole säumten. Rasch wurden Seile zu den Pollern hinab geworfen und einige Matrosen sprangen über Bord um die Windrufer sicher zu verankern. Wenige Augenblicke später wurden Laufplanken zum Pier herabgesenkt und Vance verließ seinen Platz am Steuerrad. „Also dann.“, meinte er, während jemand die befreiten Sklaven auf Deck brachte. „Meine Herren, ab hier seid Ihr auf Euch gestellt, aber ich würde es… vorziehen, wenn Ihr vergesst, dass ich existiere.“ „Keine Sorge.“, meinte ein deutlich abgemagerter Gejarn. Ein Tiger mit zottigem Fell, das ihm stellenweise
Büschelweise ausfiel. „Wir sind schon dankbar genug für diese eine Chance. Wenn wir unser… Ziel erreicht hätten, hätte man uns dem Ritual unterzogen.“ Er wandte sich an Eden. „Wir… zumindest die meisten von uns, bleiben wohl erst mal eine Weile hier. Ein paar von uns waren Seeleute, bevor… all dem. Wir schulden Euch unser Leben. Solltet Ihr jemals unsere Hilfe brauchen sagt es nur.“ Eden nickte. „Ich werde es mir merken. Aber lieber wäre mir, ihr passt auf euch auf. Noch einmal komme ich nicht zufällig vorbei um euch zu retten.“ Der Mann nickte, bevor die nun freien Leute einer nach dem anderen über die Laufplanken
vom Deck verschwanden. Nachdem die letzten von ihnen im Gedränge am Hafen außer Sicht geraten waren, wandte sich der Kapitän wieder an Eden. „Die werden mir meinen Ruf ruinieren. Und daran seid nur Ihr schuld. Vance Livsey rettet ein paar verlauste Sklaven… und das ist alles eure Schuld, Eden.“ Die Gejarn schmunzelte. „Vielleicht ist das gar nicht so verkehrt?“ „Was?“ „Gnade walten zu lassen, wo sie angebracht ist.“, antwortet Zachary für sie. „Aber sie auch denen verweigern, die sie nicht verdienen.“
Eden lief ein Schauer über den Rücken. Das waren nicht die Worte eines Kindes. Das waren die Worte eines Zauberers. Und das Urteil eines solchen. Die Worte eines Mannes, der einmal entweder ein Held… oder ein Monster werden würde. Vielleicht ein Monster wie sein Vater…. Vance raffte sich auf. „Kommt, es gibt viel zu erledigen.“ Mit diesen Worten trat er über die Laufplanken zum Hafen hinab. Eden folgte ihm im einigen Abstand und winkte schließlich Zachary hinter sich her. Sie wollte ihn ungern auf dem Schiff zurück lassen. Auch wenn diese Stadt ihr fremd war. Selbst die Gerüche waren völlig anders, als alles was sie
kannte. Kein Tannenharz und keine toten Blätter in der Luft. Stattdessen Palmöl, das süßliche Aroma von Datteln und über allem, der Dunst von zu vielen Menschen auf engem Raum. Schweiß und Blut. Die Straßen waren überfüllt und sie nahm Zachary schließlich bei der Hand, um ihn im Gedränge nicht zu verlieren. Vance führte sie vorbei an großen Lagerhallen, an denen Dutzende von Trägern, Waren zu und von den Schiffen brachten und weiter durch einige Wohnviertel. Waren Gejarn in den meisten Städten eher seltener anzutreffen, so entdeckte Eden hier doch eine ganze Menge. Dazu Menschen aus allen Ecken d es Kaiserreichs. Leute, die
lange Roben trugen, wie sie im Süden Mode waren. Adelige in den typischen bunten Gehröcken und Schulterumhängen der Oberschicht. Dazwischen die Bewohner Lasantas, die vor allem luftige Kleidung trugen, die die Hitze des Tages erträglicher machte. Sie erreichten einen kleinen Platz mit Geschäften. Auf dem Platz selbst boten verschiedene Stände ihre Waren feil, von Früchten und Gemüse, über Gewürze bis hin zu Kleidung. Und auch in den Gebäuden um den Platz herum waren Läden. Kleine Holzschilder über den Eingängen gaben Auskunft darüber, was verkauft wurde. Es gab einen Kräuterkundigen, Schmiede, einen
Schneider und letztlich etwas von allem. Vance blieb einen Moment stehen. „Ich werde wohl etwas herum fragen müssen, bis ich weiß, wer mir genug haltbare Lebensmittel für drei Monate besorgen kann.“ Er griff in eine Tasche seines Mantels. „Seht es als Vorschuss, den ich von eurem Anteil abziehe, ja?“ Der Kapitän zog einen kleinen Lederbeutel hervor und drückte in Eden in die Hand. „Wenn Ihr noch irgendetwas braucht, wäre jetzt wohl die richtige Gelegenheit. Wir treffen uns in zwei Stunden wieder hier.“ „Was bringt Euch auf die Idee, das ich zurück komme?“ , wollte sie wissen.
„Weil Ihr diese Insel genau so finden wollt wie ich, Mädchen. Ich erkenne meine eigenen Augen im Spiegel. Oder seht es so… ich finde einen anderen Zauberer. Irgendwann. Aber Euer Anteil ist dann weg.“ Vance lachte, während er zwischen den Ständen auf dem Markt verschwand. Eden war einen Moment unschlüssig und sah über die Geschäfte hinweg. Ein Schneider… ihre alte Kleidung, die sie aus Lore hatte, war mittlerweile ziemlich mitgenommen. Der Stoff wies neben mehreren Blut und Schmutzflecken, zahlreiche Risse auf und sie hatte vergessen, wie oft sie alles schon wieder zusammengenäht hatte.
Sie zog eine Münze aus dem Geldbeutel, den Vance ihr gegeben hatte. Es waren Goldmünzen… das war… viel, dachte sie nur. Aber immer noch nur ein Ausblick auf das, was komme sollte. „Hunger?“ , fragte sie an Zachary gerichtet. „Ein wenig.“ Sie schnippte dem Zauberer die Münze zu. „Such Dir was, aber… bleib in der Nähe ja? Ich bin in dem Schneiderladen da drüben.“ Sie deutete auf ein Schild auf der anderen Seite des Platzes. Er nickte lediglich. „Mach ich.“ Mit diesen Worten rannte Zachary auch schon los. Eden musste
schmunzeln, während sie ihm hinterher sah. Die seltsame Angst, die sie auf der Windrufer gepackt hatte, war verflogen. Er war nach wie vor nur ein Kind. Vielleicht eines mit der Macht eines Gottes, die in ihm ruhte … aber ein Kind. Nur das würde er nicht bleiben nicht?, fragte die altbekannte zweite Stimme in ihrem Kopf. Eine Stimme, von der sie geglaubt hatte, dass sie nun Schweigen würde. Zu was für einen Menschen wird er einmal werden… wenn du nicht mehr bist? Denn du wirst vor ihm sterben, wenn du deine Sache richtig machst…. Eden vertrieb die Gedanken. Das
hatte alles noch Zeit. Monate, Jahre, vielleicht ein ganzes Jahrzehnt. Zachary würde nicht in die Fußstapfen eines Andre de Immerson folgen. Allein der Gedanke war lächerlich. Und erschreckend. Sie rieb sich die Arme, obwohl die Sonne nach wie vor auf Lasanta hinab brannte. Es war nicht wichtig.
EagleWriter Nicht lang lg E:W |
abschuetze kruden(?), ich weiß normales Vokabular^^ |
EagleWriter na dann ^^ (bildungssprachlich) roh (3), ungeschliffen, unfein, nicht kunstvoll http://www.duden.de/rechtschreibung/krude lg E:W |