Vorbemerkung
Wer kennt schon den Wostoksee?
Copyright: G.v.Tetzeli
Cover: Monika Heisig
Der gefangene See
Auf der Suche nach exoterristischem Leben haben die Wissenschaftler ihr Augenmerk auf Europa gelenkt. Europa, der kleine Jupitermond von gerade mal 3172 Km Durchmesser, hat eine etwas ungemütliche Oberflächentemperatur von –150 Grad. Was ihn aber so interessant macht, das ist die Vermutung, dass sich unter dem Eispanzer von vielleicht 100 Km Dicke flüssiges Wasser befindet. Durch die enormen Gezeitenkräfte des Jupiters wird an dem Mond gezerrt. Dadurch brechen die gewaltigen Eisschichten auf, frieren aber gleich wieder zu.
Das würde die zerfurchte Eisoberfläche
erklären.
Nun hat man die schwarzen und weißen unterseeischen Raucher in unserer Tiefsee entdeckt und siehe da: quirrliges Leben ist dort zu finden. Das Ganze ohne Sonne, unter enormen Druckverhältnissen und geringem Sauerstoffanteil. Die aus den Rauchern austretenden Gase sind für die Lebewesen der Oberfläche wenig geeignet, zumal sie auch noch Temperaturen von 400 Grad aufweisen. Aber es treten eben auch Schwefelwasserstoffe aus, die wiederum von Bakterien genutzt werden, die wiederum dienen höheren Tieren. So baut sich ein ganz eigenes Biotop auf, von dem die Wissenschaftler vor 1977 keine Ahnung hatten (Entdeckt bei der Tauchfahrt des
Forschungs-U-Bootes Alvin)
Nun könnte es unter dem Eismantel von Europa in der abgeschlossenen Tiefsee auch Raucher geben, denn die gewaltigen Gezeitenkräfte rütteln auch am Eisenkern von Europa. Der Planet wird praktisch andauernd durchgeknetet. Eisen – Reibung - Wärme – voila!
Da tropft der wissenschaftliche Speichel. Man könnte doch eine ferngesteuerte Bohrmaschine durch das Eis fräsen lassen, bis sie dann als Tauchdrohne Lämpchen einschaltet und das unterirdische, fremde Meer erforscht. Filmkamera an und dann auf den Europa umkreisenden Satelliten übertragen und schon können wir die Unterwasserwelt Europas
beobachten.
Das Ganze ist von der technischen Machbarkeit gesehen wohl grenzwertig.
Aber wir können die Verwirklichung dieser technische Aufgabe üben, nämlich hier auf der Erde.
Dazu brauchen wir kein Labor, oder ausschließlich Computermodelle, wir müssen nur ganz real den Wostoksee besuchen.
"Wo liegt denn der", werden sie fragen.
"Kommen sie mit!"
Wir begeben uns geographisch zum 77 Breitengrad und zum 105 Längengrad und dann befinden wir uns genau dort. Wir stehen auf dem Eis in der Antarktis, aber
unter einer 4000 Meter dicken Eisdecke liegt der Wostoksee, direkt unter uns.
Benannt ist er nach der russischen, wissenschaftlichen Arktisstation Wostok. Dort vermutete Kapiza schon Ende 1950er Jahre einen See unter dem Eis, unter der Station. Beweisen konnte er es damals nicht.
Inzwischen ist es gesichert, dass es ihn gibt.
Er ist seit ca. 500.000 Jahren hermetisch unter dem Eis abgeschlossen und „flüssig“, wenn auch die Temperatur von –3 Grad nicht zum Baden einläd.
Dieser See ist 400 – 800 Meter tief, besteht aus reinem Süßwasser und ist ca. 45 km breit, sowie 250 km lang.
Einige Besonderheiten hat man bereits
festgestellt.
Er besitzt sogar "Inseln", die von unten in den Eispanzer hineinragen. Da der Eispanzer wandert, lagert er auf der einen Seite Sedimente ab und auf der anderen Seite vergletschert das Wasser im Randbereich.
Der Sauerstoffgehalt ist um 50 % höher, als bei Süßwasserseen üblich. Kann sein, dass es durch den hohen Druck von 332 bar kommt, oder auch durch Klathrate (in diesem Fall eine Gitterschlussverbindung von Sauerstoff und Eis) hervorgerufen wird.
Jedenfalls ist man mit herkömmlicher Bohrtechnik bis 3500 Meter Tiefe vorgedrungen und hat dort Proben
entnommen, die aus dem Wasser des wieder zu Eis kristallierten Sees stammen.
Da entdeckte man verschiedene Organismen. Zu 94 % handelte es sich dabei um Bakterien, zu 6 % aus Eukarioten (Zellen mit Zellkern), meist Pilzen, was eigentlich nicht überrascht.
Aber es fanden sich zu 2% auch DNA von Parasiten! Ein Parasit aber braucht einen Wirt. Daher ist es nicht ausgeschlossen, dass es in dem See Würmer, Seeanemonen, Krebse, sogar Fische gibt.
Tiere sind zu entdecken, die sich seit 500.000 Jahren ganz eigenständig entwickelt haben.
Allein eine Tauchfahrt in den Tiefen des
Wostoksees würde uns vielleicht exoterristisches Leben finden lassen, das eben gar nicht exoterristisch ist.