"Also, sie wissen ja. Sie machen ihre Aufgaben gut und hier, bin ich sicher, haben sie auch ihren richtigen Job und Betrieb gefunden." "Aber Herr Kalla..." "Ja, wir sehen uns dann zur nächsten Überprüfung." Herr Kalla, Hanna´s Lehrer für die praktische Ausbildung verschwand einfach, ohne sie noch einmal zu Wort kommen zu lassen. Aber was soll’s, dann muss sie da halt alleine durch. Auf in den Kampf, dachtet sie sich und ging wieder in den Stall, um weiter zu arbeiten. Hanna hasste ihren Job, nein den Job nicht, aber den Betrieb. Alle haben ihr
von diesem ach so tollem Reitverein erzählt. Aber das war alles nur Fassade, nichts war an den Gerüchten dranne. Nein überhaupt nichts, das war reine Menschenvolter. Aber aus persönlichen Gründen kam sie da nicht so schnell mehr raus. Herr Kalla mochte sie sowieso schon nicht besonders und sollte sie jetzt den Betreib wechseln, würde es heißen sie sei ein Weichei, andere aus ihrer Klasse, auf anderen Betrieben haben auch kleine Probleme. Na und, das waren kleine Probleme, das war was ganz anderes. Niemand wusste, wie es wirklich bei ihr abging. Niemand interessierte sich dafür. Gedanken verloren putze sie die
Stallgasse, es war ja ihrer Aufgabe die Stallgasse fünfmal am Tag zu putzen. Es musste alles sauber sein und wehe es war ein Stroh- oder Heuhalm auf der Stallgasse wenn Gäste kamen. Dann gab es aber Ärger. Es war ja der piek-feine Stall. Aber auch nur dieser. Im anderen Stall, auf der anderen Seite des Hofes sah es anders aus. Dafür wurde sich ja aber auch nicht interessiert. "Und? Wie war?" Jörg kam gerade mit Observita aus der Halle, das Pferd war klitschnass geschwitzt. Hanna guckte ihn nur an. Jörg war gerade noch in Ordnung, aber auch er konnte anders und ihr den Arbeitstag zur Hölle machen. "Wie war deine Prüfung? Hilf
mal eben. Bring mal Sattel weg und dann hol mal Okaido, den muss ich gleich reiten." Was blieb Hanna anders übrig, sie gehorchte, brachte den Sattel weg. "Hab eine Zwei bekommen." Sie ging schon zur Box, hatte das Halfter in der Hand. "Ey, hier ist seine Trense. Damit geht das schneller." rief Jörg ihr nach. Also gut. Dann halt wieder zurück und die Trense holen. Beim Putzen musste sie auch zügig machen. Eigentlich auch gar nicht putzen. Das Pferd stand ja in der Box, war also - laut Jörg - nicht schmutzig und die Zeit drängte, also nur Sattel drauf, fest machen und gut war
es. "Eine Zwei ist doch gut. Besser geht es doch nicht wirklich. Wenn ich dich gleich rufe, kommst du bitte und hilfst mir aufs Pferd." Das war typisch Jörg. Er war zwar gerade erst im zweiten Lehrjahr, nur eins weiter als Hanna und gab sich als der größte Profi aus. Und Hanna musste gehorchen, was er sagte. Das hatte Klaus, der Chef des Ganzen, angeordnet. Solange wie Jörg noch nicht rief, konnte sie ja schon mal anfangen die Boxen von den Spinnennetzen zu befreien. Die Drecksarbeit also. Der ganze Dreck klebte bestimmt wieder überall im Haar, in der Nase und sonst
wo. Mit Augen zu wedelte sie durch die Box. Gesund war diese Aufgabe definitiv nicht, der ganze Dreck und Staub den sie einatmete, das konnte einfach nicht gesund sein. "Hanna!" schallte es durch die Gasse. Hanna packte den Besen an die Seite, ging los. Hinter ihr hörte sie den Stiel zu Boden knallen. Wenn das Klaus sieht, dann gibt’s Ärger, also ging Hanna die paar Schritte wieder zurück und hob den Besen auf, dann setzte sie ihren Weg weiter fort. "Hanna!" Jörg rief erneut. Konnte er sich denn nicht ein einziges Mal gedulden? Sie wartete ja leider nicht vor der Hallentür. "Da bist du ja. Ich hab dich schon
zweimal gerufen. Halt mal das Pferd fest." Rechtfertigen traute Hanna sich schon gar nicht mehr. Widerstand hatte sie schon vor Wochen aufgegeben. Sie machte ja sowieso immer alles falsch. Egal wie und was sie machte, immer war es falsch. Sie half Jörg beim Aufsteigen und setzte ihre Arbeiten fort. Wieder im diesem staubigen Stall. Als sie mit dieser Aufgabe endlich fertig war, hatte sie nichts zu tun. Würde sie jetzt Jörg oder sogar Klaus fragen, wäre der nächste Ärger vorprogrammiert. "Kannst du dich nicht selbst beschäftigen?" wäre die Antwort. Also musste sie sich wirklich was suchen. Immer wieder die gleiche Drecksarbeit.
Nie durfte sie mal die Pferde reiten, nie durfte sie mit, neue Pferde angucken, nie wurde ihr auch nur Ansatzweise was Neues gezeigt oder zugetraut. Sie war ja nur die kleine Auszubildende im ersten Lehrjahr. Ziemlich unmotiviert machte sie sich auf in den anderen Stall. Immerhin hatte der Platzwart, der für die Böden von Halle und Reitplatz zuständig ist, Urlaub. So musste sie diesem auf dem Weg dahin nicht begegnen. In dem kleinen muffigen Stall mit viel zu wenig Licht und viel zu wenig Luft und generell zu wenig Sauberkeit, machte sie die Tränken sauber. Zuerst durfte sie noch Handschuhe benutzen,
jetzt gab es keine mehr. Sie soll sich nicht so anstellen, es geht auch so. Am Besten nicht hingucken, Hanna. Nach und nach fischte sie das Wochen alte, mit Wasser und Pferdeäppel vermischte Stroh aus den Tränken. Teilweise durch Spinnennetze hindurch. Was war das bloß für ein Zustand, warum unternahm niemand was? Es gab doch genug Gäste? Die müssten alle mal den Mund aufmachen. "Hanna...Hanna. Hallo" Das war Klaus` Stimme. "Ja." wagte Hanna leise zu Antworten, was würde jetzt kommen? Ärger? Neue Aufgaben? Ungerechtfertigte Kritik? Aber das blieb aus. "Wie war die Prüfung?" "Eine zwei."
"Eine Zwei? Das hättest du besser hingekriegt. Deine Arbeit machst du gut, hier hast du ein Stück Schokolade." Was für ein toller Dank. Und das mit der Zwei, war allein Klaus´ Schuld. Wer hat sie während der Prüfung abgelenkt, hat ihr die ganzen Aufgaben erschwert? Sie oder Klaus? Das anzusprechen, daran hätte sie im Leben nicht gedacht. Lieber wäre sie tot. Am nächsten Tag war es wieder wie immer. Mit einer kleinen Änderung. Sie durfte Pferde zur Weide bringen. Aber auch nur, weil Keiner sonst das machen konnte. Normal machten das zwei, drei Leute. Sie reiten die Pferde zur Weide.
Heute musste Hanna das alleine machen. "Nimmst du bitte Champion, Rakka und Lady." Gut, das waren drei riesen Pferde, ein Stockmaß von über 1,60. Es wurde nicht gefragt, ob sie es macht, ob sie es sich traut, ob sie es will. Nein, sie traute sich nicht und sie wollte es auch nicht. Mit Fünf Jahren hatte sie einen Unfall gehabt. Sie hat zwei kleine Shetty-Hengste von ihrer Oma geführt, diese haben sich erschrocken, einer rannte nach links, der andere nach rechts. Sie fiel zu Boden und der eine Hengst kam zurück, lief über sie, auf die Straße und wurde von einem Auto überfahren. Und nun? Mit drei großen Pferde in einen
Wald? Alleine? Aber da es keine Frage war, nahm sie die drei Pferde entgegen und machte sich auf den Weg. Zum Glück verlief alles gut. Sie hatte es geschafft und war stolz auf sich. Sie war über ihren Schatten gesprungen und hatte die drei Pferde zur Weide gebracht. Klaus machte ihr sofort Vorwürfe, was sie hätte anders machen müssen. Am liebsten hätte sie ihre Meinung gesagt und erzählt, dass dies ein Erfolgserlebnis war. Das traute sie sich nicht. Still schweigend akzeptierte sie die Vorwürfe und stimmte zu. Die nächsten Tage war es genau dasselbe Schema nur der Platzwart Ulli
hatte keinen Urlaub mehr und somit gab es ein Problem mehr auf dem Hof. Ulli hatte nämlich ein Auge auf Hanna geworfen, bei jeder Gelegenheit erzählte er ihr persönliche Dinge aus dem Privatleben und intime Sachen. Das wollte sie doch alles gar nicht hören. Immer und immer wieder. Ab und zu fasste er sie auch an, strich ihr übers Gesicht, über den Hintern. Warum? Warum wurde Hanna nur so behandelt? Warum glaubte ihr in der Schule niemand. Was sollte sie machen? Tim, ihr bester Freund war auf Abifahrt, der würde erst in zwei Tagen wieder kommen, ihm hatte sie bisher zwar immer die heile Welt vorgespielt,
aber jetzt hatte sie das Bedürfnis mit Tim darüber zu reden. Vielleicht würde er sie ja verstehen. Mit dem miesen Gedanken, morgen wieder zur Arbeit zu müssen, versuchte sie zu schlafen und mit dem Gedanken wachte sie wieder auf. Sie hatte absolut kein Bock mehr dahin. Nur angemacht zu werden. Aber es nütze ja alles nichts. Sie hatte sich den Job ausgesucht. Sie wollte es so. Sie würde durchhalten. Es waren auch nur noch 2,5 Jahre. Nur noch! Eigentlich, dachte Hanna, viel schlimmer kann es nicht mehr kommen. Da hatte sie sich gewaltig geirrt. Gerade
als sie das Heu sortierte, das Gute auf einen Haufen, das leicht Schimmelige konnten die Pferde aus dem kleinen Stall noch fressen. Und das ganz matschige sollte sie wegschmeißen. Warum die Pferde nun das schimmelige Heu noch essen durften, überraschte sie nicht mehr. Nur dieser Geruch ging einfach nicht mehr von den Händen. Wieder so eine Drecksarbeit, die niemand machte. Dafür hat man doch die Auszubildenden. Vielleicht war das jetzt schon schlimm, aber Hanna wäre auf einem falschen Hof, wenn es nicht noch schlimmer ginge. Ulli kam an. "Na Hanna. Wie geht es dir?" Er lächelte sie verführerisch an. Hanna ließ sich nicht beirren und machte
einfach weiter. "Gut.", log sie. Über ihre Gefühle und Zustand wollte sie nicht reden. Nicht mit Ulli, den sie sowieso ekelig fand und verabscheute. "Soll ich dir helfen?" "Nein. Ich komme klar." Trotzdem hielt er den Ballen fest, der schon drohte umzukippen, dabei kam er immer näher zu Hanna und streichelte ihren Hintern. Am liebsten hätte sie was gesagt, dass er sie in Frieden lassen soll, ihn angeschrien. Aber sie traute sich nicht. Klaus würde das sofort rausbekommen und sie noch mehr schikanieren. Kurz bevor Hanna fertig war, fasste Ulli sie fester und drückte sie zu Boden. Hanna war so überrascht, dass sie gar
nicht reagieren konnte. Erst viel später bemerkte sie, dass er ihre Hose runtergezogen hatte und sich an ihr verging. Mitten in der Scheune, wo doch jeder reinkommen könnte. Würde jemand kommen und ihr helfen? Eher nicht! Als wäre nichts gewesen, verließ Ulli die Scheune. "Viel Spaß noch. Ich habe gleich frei. Habe noch einen Arzttermin.", rief er beim Gehen. Hanna brauchte einen Moment bis sie sich wieder gesammelt hatte. Mit wem konnte sie darüber reden? Klaus, auf gar keinem Fall, Bettina und Britta, Klaus´ Frau und Freundin, auch nicht. Jörg, eventuell, aber der würde sie auch nur
auslachen. Außerdem war der heute nicht am Hof. Hatte frei oder so. Das was Hanna kaum hatte. Hanna fasst also zusammen: Das Heu war fertig, sie wurde vergewaltigt, konnte mit niemanden drüber reden, musste noch fast acht Stunden arbeiten. Die Lösung war, weiter arbeiten und so tun als wäre nichts gewesen. Sie machte ihre Hose wieder vernünftig zu, war noch etwas zittrig auf den Beinen und ging erstmal ein paar Runden durch die Scheune. Damit ihre Beine ihr wieder voll und ganz gehorchten. "Was machst du da?" Was machte Jörg nun hier? "Ähm. Soll ich das Heu hier hinten auch noch sortieren?", erfand sie
ganz schnell irgendeine Ausrede. "Nein. Lass das mal. Klaus lässt dir ausrichten du sollst Observita gründlich putzen. Nachher kommt Klara, diese Reitschülerin, du weißt welche. Ihr sollst du dann helfen das Pferd fertig zu machen. Bitte auch ordentlich putzen." Jetzt erteilte Jörg ihr schon Aufgaben. "OK. Mache ich." Hanna holte Observita, ein Nervenbündel von Pferd. Beim Putzen stand das Pferd nicht still, versuchte sie zu beißen und sobald sie nach hinten kam, trat das Pferd nach ihr. Warum musste sie das Pferd jetzt gründlich putzen? Es wird heute sowieso nicht mehr geritten. Das stand zumindest so auf dem Reitplan.
Warum also jetzt ausgerechnet von ihr? Aber okay, das war ihr Schicksal. "Und wie sieht es aus?" Klaus kam zur Kontrolle. "Ja bin fertig." Klaus nahm Oberservita und war gerade auf dem Weg in die Stallgasse. "Äh, also hinten an die Beine kam ich nicht rann, äh da hat sie nach mir getreten.", gab Hanna zu, wahrscheinlich wäre es Klaus noch nicht mal aufgefallen. "Was? Du darfst einfach keine Angst haben. Gib mal eine Bürste!" Klaus hielt das Pferd mit einer Hand am Strick fest und mit der anderen Hand putzte er mit viel Schwung das Pferd. So eng wie er sie hielt, hatte Oberservita auch keine Chance irgendwas zu machen. "Siehst
du, so geht das. Ich sag ja immer, 'du musst noch viel zu viel lernen, bevor du aufs Pferd kannst." Das war einfach zu viel, der Stress der letzten Tage, die Vergewaltigung und jetzt das, Hanna kamen die Tränen. Ausgerechnet vor Klaus, ihrem Chef. "Was hast du? Warum weinst du jetzt?", herrschte er sie an. Hanna wusste nicht was sie sagen sollte, sie wusste ja selbst kaum warum sie weinte. "Weil ich immer alles falsch mache.", schluchzte sie unter Tränen. "Quatsch du kannst das alles, nur nicht so gut. Aber dafür machst du hier ja die Ausbildung, wir bringen dir das bei." Bisschen Zeit hatte Hanna noch, um ihre
Gefühle wieder zu sortieren, was ihr nur bedingt gelang. Man sah ihr bestimmt noch an, dass sie geheult hatte. Aber nun war Klara schon da. Klara war bisschen älter als sie und war Reitanfängerin. Mit etwas mitleidiger Miene blickte sie Hanna an, sagte aber nichts und machte gemeinsam mit ihr das Pferd fertig. Sie putzen gründlich. So wie Klaus es ihr mal gezeigt hatte. "Sollen wir dann schon satteln?", fragte Hanna. "Jo. Aber das Pferd ist ja noch gar nicht sauber." Klaus zeigte die dreckigen Stellen und forderte sie in einem nicht höflichen Tonfall auf, diese zu verbessern. Hanna musste erneut mit den Tränen kämpfen, aber vor Klara
würde sie nicht weinen. Wobei das wäre ihr Möglichkeit jemandem zu erzählen, wie es ihr wirklich geht. "Tut mir leid. Ich meinte wir sind fertig.", entschuldigte Klara sich, denn auch sie war nicht ganz so begeistert von Klaus. "Nicht schlimm. Ich hätte es sehen können." "Wie lange musst du denn heute noch?" mitfühlend blickte Klara sie an. Hanna überlegte kurz, ob sie ihr nicht alles sagen sollte, aber sie kannte Klara ja irgendwie kaum. Tim kam zwar heute erst von seiner Abifahrt nach Hause, trotzdem wollte Hanna sich am Abend mit ihm treffen. Er kam zu ihr. Als Hanna die Tür öffnete
und Tim sah, brach sie in Tränen aus. "Hey Kleine, was ist den los?" Er drückte sie fest an sich. "Er...hat...und dann...ich...will..." Hanna weinte so sehr, das man sie nicht verstehen konnte. Erst nach zehn Minuten hatte sie sich einigermaßen beruhigt. Tim saß neben ihr auf dem Sofa und strich ihr durch das Haar. "So und nun erzählst du mir alles noch mal ganz in Ruhe.", bat Tim. Daraufhin berichtete Hanna über Klaus, die Arbeitsverhältnisse, wie mit den Tieren umgegangen wird und von der Vergewaltigung. "Krass, warum hast du denn nie was erzählt? Du musst zur Polizei." "Nein das geht nicht. Dann
bekomme ich richtig Stress." Hanna war zu sehr eingeschüchtert. Und Tim war überfragt. Seine beste Freundin tat ihm leid, aber warum wollte sie keine Hilfe? Alleine würde sie da nie rauskommen. Er blieb auf Wunsch von Hanna die ganze Nacht bei ihr. Hannas Eltern kamen erst spät nach Hause und sie hatte Angst alleine. Am nächsten Morgen stand Hanna mit einem ziemlich miesen Gefühl auf. Sie hatte absolut kein Bock auf Klaus und den Rest. Tim merkte dies sofort, als er gerade mit Boxershorts aus dem Badezimmer kam. "Was ist denn los?" "Ich hab keine Lust auf die Arbeit." "Dann bleib doch zu Hause!", schlug er
vor. Das wäre ihm wirklich das Liebste, denn dann könnte er besser auf sie aufpassen. Bei der Arbeit würde Hanna auf sich alleine gestellt sein. "Nein, das geht nicht! Ich muss da hin." Dickköpfig machte Hanna sich bereit für den Stall. Gemeinsam mit Tim ging sie in die Küche. Ihre Mutter hatte schon alles aufgedeckt und erwartete sie. "Hallo Tim, schön das du da bist. Und Hanna, wie geht’s dir, alles in Ordnung?" Hanna bemühte sich eine glückliche Fassade aufrecht zu erhalten und gab an, es sei alles Bestens. Das Tim dabei die Augen verdrehte merkte ihre Mutter zum Glück nicht. Schweigend aß jeder sein
Frühstück. "Sag mal, bist du bekloppt? Du musst das deiner Mutter erzählen.", stellte Tim sie, als sie vor dem Haus waren, zur Rede. "Halt die Klappe. Und Tschüss, ich muss zur Arbeit. Wir sehen uns." Schon war Hanna auf ihrem Fahrrad verschwunden und radelte Richtung Hof. Vor der Hofeinfahrt blieb sie kurz stehen. Stand da wirklich ein Streifenwagen mit Blaulicht? Was wollten sie am Hof. Vielleicht hatte mal jemand den Mund aufgemacht und erzählt was so abging. Das Fahrrad stellte sie an den Zaun, das war ihr
Stammplatz. Am Besten war, sie guckte im Stall nach. Da war, um diese Uhrzeit, fast immer jemand anzutreffen. Tatsächlich, da standen auch zwei Polizisten und Klaus und Jörg waren in heller Aufregung. Als sie Hanna sahen, ging Jörg sofort zu ihr. "Fang schon mal an, im anderen Stall, die Boxen zu machen. Ich helfe dann später." Eventuell, fügte Hanna gedanklich dazu. Als ob Jörg ihr schon mal geholfen hätte. Okay, vielleicht mal ein oder zwei Boxen, als sie fast fertig war. Sie erfuhr nicht was los war. Bloß weg von den wichtigen Kunden und eben Polizei. Hauptsache Hanna bekam nichts
mit. Nichts was interessant sein könnte oder wo sie was lernen könnte. All das war für sie verboten. Vielleicht befürchtete man, dass sie was ausplauderte. Die Hälfte des Stalles hatte sie schon fertig. Dann hörte sie wie jemand in den Stall kam. "Hanna. Hallo, wo bist du?" Klaus, kann der nicht mal seine Augen auf machen? Hanna war ganz hinten in der Box, rief ein leises "Ja" was bestimmt nicht gehört wurde und kam langsam aus der Box zum Vorschein und kam Klaus und dem einen Polizist entgegen. Klaus passte es überhaupt nicht, das der Polizist nun mit Hanna reden wollte, mit Hanna, die ja nichts
durfte. Ein kleiner Triumph für Hanna. "Guten Morgen, mein Name ist Peters, ich bin von der Polizei. Wir haben uns vorhin kurz gesehen. Sie haben sicher viel zu tun. Aber in dem anderen Stall wurde eingebrochen und preiswerte Sättel gestohlen. Könnte ich dir dazu ein paar Fragen stellen?" Hanna guckte in Klaus` grimmiges Gesicht, aber nein sagen wäre auch kein Vorteil. "Ja.", antwortete sie knapp. Klaus guckte währenddessen am Futter, garantiert nur Ablenkung, damit er getrost zu hören konnte. Glücklicherweise klingelte das Telefon. Ganz wichtig ging er aus dem Stalltrakt, um in Ruhe zu telefonieren. Hanna war mit dem Polizisten alleine.
"Hast du was gesehen. War gestern irgendwas Verdächtiges?" "Nein." Hanna war nicht sonderlich gesprächig. "Okay, dann war es das auch schon wieder. Dann noch viel Spaß beim Weiterarbeiten." Das wäre Hannas Chance gewesen. Sie hätte dem Polizisten alles erzählen können. Aber es blieb bei einem "Danke" Nach dem der Polizist sich verabschiedet hatte, machte Hanna weiter die Stallarbeit. In diesem muffigen und nicht artgerechten Stall. Die Polizei war hier drinnen, ist am Gebäude vorbei gelaufen, aber gesehen hat sie nichts. Vielleicht wollte sie es auch alles nicht sehen oder sie hatten
keine Ahnung. Ins geheimen hatte Hanna gehofft, der nette Polizist würde aufmerksam werden, aber leider wurde die Hoffnung nicht erfüllt. "Na, soll ich dir noch helfen?" Jörg kam an, aber nun hatte sie den Stalltrakt schon alleine gemacht. "Du bist ja fix. Gut. Hilfst du mir eben bei Okaido. Ich soll ihn vor dem Reiten putzen. Heute ist mehr Zeit. Ruhig ordentlicher." Hanna hatte nichts zu tun und half Jörg. Heute war er mal wieder ganz nett. Unterhielt sich ganz nett mit Hanna. "Ja. Drei Sättel wurden gestohlen, kannst du dir das vorstellen? Klaus ist total fertig deswegen." "Ja." Hanna wusste einfach nicht was sie sagen sollte. Dann redete
halt Jörg während des Putzens und sie hörte nur zu. So klappte das auch. "Hast du was zu tun, gleich?" Worauf wollte Jörg mit dieser Frage hinaus. Hanna überlegte einen Moment, was die Beste Antwort war, aber da ihr Kollege gut drauf zu sein schien, entschied sie sich für die Wahrheit. "Vielleicht fegen. Oder soll ich was anderes machen?" Vielleicht bestand ja heute mal Hoffnung auf eine neue Aufgabe. "Gute Idee. Pass auf, dann fegst du. Wenn du fertig bist, kannst du in den kleinen Stall gehen. Ulli wollte dort das komplette Einstreu raumachen. Ist ja schon bisschen eklig. Hilf ihm doch." Da gab es die Chance was Neues zu
mache und dann so was. Toll, wozu hat sie dann vorher grob ausgemistet? Und warum ausgerechnet mit Ulli. Mit Ulli alleine, in der dunklen Box, das würde der Horror werden. Es war tatsächlich der Horror. Bei jeder Gelegenheit begrabschte er Hanna und starrte sie an. Hanna sagte nichts und tat einfach ihre Arbeiten. Im Stall konnte ja nun wirklich jeder sofort reinkommen, aber das interessierte Ulli nicht. "Gestern war doch toll oder?" Mit diesen Worten riss er sie wieder zu Boden, sie fiel mitten in den durchgesifften Mist, worauf die Pferde Tag und Nacht standen. Wahrscheinlich war sie sogar in einem Pferdehaufen
gelandet. Genau wie gestern riss er ihr die Hose vom Leib und vergnügte sich. Er hatte ziemlichen Spaß und fummelte mit seinen Händen in ihrem Gesicht und an ihrer Brust. "Toll ist das mit dir. Zieh deine Hose wieder an." Als sei nichts gewesen machte Ulli sich an die Arbeit. Hanna konnte nicht, sie ging mit zügigen Schritten aus der Box, aus dem Stall. "Hanna!" rief Jörg der anscheinend mit Reiten schon wieder fertig war und nun im Stall gucken wollte. Immer kam er paar Minuten zu spät. War das getimt? "Ja?" Hanna hatte sich umgedreht und wartete gespannt was jetzt folgt. "Wo willst du hin? Seid
ihr fertig?" "Auf Toilette." In letzter Sekunde hatte sie die Toilette erreicht und übergab sich. Als der Geschmack aus ihrem Mund verschwunden war, rief sie bei Tim an und entschuldigte sich für ihr Verhalten. Er verstand es und wollte am Abend wieder zu ihr kommen. Jörg hatte bereits angefangen zu helfen. Er half mal bei der Stallarbeit, was für ein seltenes Bild. "Da bist du ja wieder." stellte er fest. Hanna sah es nicht ein, sich rechtfertigen zu müssen und schwieg. "Und wie war die Arbeit, Hanna?" Ihre Mutter begrüßte sie aus der Küche. Sie
bereitete das Abendbrot zu. "Gut. Wurde eingebrochen. Ein paar Sättel wurden gestohlen. Tim kommt gleich." Dann verschwand Hanna auf ihrem Zimmer und weinte. Sie nahm nicht mal das Klingeln der Tür war. Tim hatte schon zweimal geklingelt. Die Mutter öffnete die Tür. "Komm rein. Hanna ist in ihrem Zimmer." Auch das Klopfen an der Zimmertür nahm Hanna nicht wahr. Tim betrat vorsichtig das Zimmer und entdeckte Hanna auf dem Bett. Weinend lag sie da. Er schloss die Tür wieder hinter sich und strich ihr über den Rücken. "Was ist passiert?" Hanna antwortet nicht. Sie weinte einfach nur, merkte aber, dass
Tim ihr über den Rücken strich und geduldig wartete, bis sie was sagte. Sie wusste, dass er jetzt nicht weiter nachbohren würde. Nach zehn Minuten hatte Hanna sich etwas beruhigt. "Was ist denn passiert?" versuchte Tim es erneut. "Wie gestern hat er mich...." Ihre Stimme versagte. "Du wurdest wieder vergewaltigt?" Hanna nickte und brach wieder unter Tränen zusammen. "Man, das geht doch nicht. Das musst du der Polizei erzählen. Und deiner Mutter, Hanna." In dem Moment rief die Mutter zum Essen. Hanna wischte sich die letzten Tränen weg und beide gingen in die Küche. "Was musst du mir erzählen?" Tim hatte
so laut gesprochen, dass die Mutter es gehört hatte. "Öhm. In der Prüfung habe ich eine zwei." Das hatte sie ihrer Mutter noch nicht gesagt. Tim schüttelte nur den Kopf. Musste er es eben selbst irgendwie in die Hand nehme. Er würde zur Polizei gehen und den Vorfall schildern. Hanna ging, nichtsahnend, wie jeden Tag zum Stall. Frei hatte sie ja eh nur ganz selten. Das dies nicht rechtens war, wusste sie, wusste Klaus, wusste Jörg, vermutlich auch ihre Mutter und Tim. Aber es interessierte niemanden. Keiner kümmerte sich darum. Also konnte sie sich nicht beschweren und
verrichtete ihre Arbeit. Stalldienst. Was auch sonst? Klaus und Jörg putzen die Pferde in der Stallgasse und sie durfte schuften, wurde dabei beobachtet. Wie sie es doch hasste. Wie sie diesen Gott verdammten Hof hasste. Warum tat sie sich das denn auch noch an? Jeden Tag hier her zu kommen. Es gab keine Alternative. Peters und sein Kollege von gestern kamen wieder an. Es gab mit Sicherheit Neuigkeiten von dem Diebstahl. "Was wollen sie denn hier? Haben sie etwas Interessantes?", knurrte Klaus. Peters nickte. "Jo. In der Vergangenheit hatten sie schon einmal eine Anzeige wegen
Versicherungsbetrugs. Haben sie vielleicht die Sättel selber entwendet, um an das Geld zu kommen?" Auf die Idee war Hanna selbst noch nicht gekommen. Sie wurde zwar nicht gesehen, hörte aber alles mit. Zutrauen würde sie es Klaus. Sollte sie jetzt rauskommen und dieses der Polizei sagen? Sie war schon fast an der Boxentür, da entschied sie sich anders. Was brachte das schon und außerdem jetzt hatte sie einmal die Chance dabei zu sein, wenn es spannend wurde. "Sagen sie, hier gibt es einen Platzwart? Ulli oder so ist sein Name?", erkundigte sich der Kollege von Peters. "Warum ist das interessant?" "Das ist es einfach. Wo
finden wir ihn?" Peters übernahm wieder das Wort. "Was wollen sie denn von dem? Der hat nichts gesehen und auch nichts gemacht. Der ist ganz unschuldig." Klaus wurde leicht nervös "Wo wir diesen Ulli finden habe ich gefragt!", machte Peters deutlich. "Was sie von ihm wollen, habe ich gefragt." Typisch Klaus, dachte Hanna sich, während sie leise, sodass sie niemand hörte, weiter die Box machte, obwohl sie schon sauber war. Aber die Box verlassen wollte sie auch nicht. Dann müsste sie über die Stallgasse und wurde gesehen. Dann hörte sie ihren Namen. Peters fragte nach ihr und blickte sich zum wiederholten Mal um.
Das konnte Kim durch die Lücken an der Box sehen. "Die macht Boxen.“ "Geht doch und Ulli?" "Keine Ahnung. Arbeitet." Die Polizisten kamen nicht weiter. Klaus war stur und wusste, was er wollte und was nicht und Ulli verraten wollte er nicht, dabei wusste er ganz genau, dass er in seinem Kabuff saß, genau wie Hanna das wusste. Aber sie traute sich nicht aus ihrem Versteck. In der Box war sie sicher. Warum hatte sie eigentlich so viel Angst? Die Polizei war doch da. Klaus hörte einfach über die weiteren Fragen der Beamten hinweg. "Okay, wir können das auch alles auf der
Dienststelle klären.“ "Nein, nicht nötig. Wissen sie, Ulli kenne ich schon seit 20 Jahren, ich kenne ihn gut. Der würde nie was Verbotenes machen." "Ach?" stutze Peters, "wie gut kennen sie ihn wirklich?" "20 Jahre. Sehr gut. Sagte ich bereits, sind sie schwerhörig?" "Ist Ulli vielleicht kriminell?" "Also, jetzt hören sie aber auf!" Klaus bewegte sich so ruckartig, dass der junge Hengst sich erschrak und stieg. Mit seinem Huf streifte er fast den Kollegen von Peters, der in letzter Sekunde ausweichen konnte. "Eventuell sexuelle Belästigung. Möglicherweise Vergewaltigung? Dann könnte es immer Zeugen geben.
Überlegen sie sich, auf welcher Seite sie stehen und wen sie schützen." Klaus überlegte angestrengt, was er tun sollte, dann viel ihm ein, dass Hanna ja noch im Stall sein musste. Mit einem Befehlston rief er sie. Schüchtern kam Hanna nun doch aus ihrer Box vor. Bevor irgendjemand was machen oder sagen konnte, hatte Klaus sie am Arm gepackt, zu sich gezogen und hielt ihr ein Messer an die Kehle. Hannas Herz raste. "Klaus. Lass das, mach´ doch keinen Mist. Bist du bescheuert!" Jörg hatte sich zurückgehalten, aber jetzt musste er einfach was sagen. Hanna verstand gar nichts mehr. Sie spürte nur die kalte
Messerklinge an ihrem Hals und hoffte, dass die Situation sich schnell klärt. Am Liebsten hätte sie geschrien, getreten, sich losgerissen, wäre dann aber mit Sicherheit ins Messer geraten. Die Polizisten hatten die Situation blitzschnell erfasst und blieben ruhig. Sie durften keinen Fehler machen und Klaus keines Wegs unter Druck setzen. "Seien sie vernünftig und lassen sie das Mädchen los." "Sie ist doch an allem schuld." Klaus spielte mit dem Messer. Er hörte den Polizisten zwar zu, reagierte aber nicht auf die Forderung, das Messer und das Mädchen los zu lassen. "Kommen sie bloß nicht dichter!", drohte
Klaus, denn Peters Kollege schlich sich langsam immer dichter ran. "Was tust du? Das ist gefährlich." flüsterte Peters. Aber er hörte nicht. Nicht auf Peters und nicht auf Klaus. Klaus stach zu. Traf den Arm des Polizisten. Das war Hannas Chance sie konnte sich befreien und lief Peters in die Arme. Klaus rannte aus dem Stall an Jörg vorbei. Jörg stand teilnahmslos in der Stallgasse rum, war zu nichts in der Lage. Der Kollege lag am Boden und hielt sich den Arm. Aus der Hand quoll das Blut. Peters lies Hanna stehen und hockte sich zu seinem Kollegen und zog seine Jacke aus, um diese um den Arm zu
wickeln. "Ruf einen Notarzt!" befahl er in Jörgs Richtung. Wie in Trance zückte Jörg sein Handy und alarmierte den Rettungswagen. Das konnte er, danach funktionierte er auch wieder besser. Er sah Hanna völlig fertig und verwirrt in der Stallgasse stehen, keiner kümmerte sich um sie. Jörg auch nicht. Die Polizisten wollten Ulli sprechen. Das war wichtig für sie. Deshalb ging er in den Kabuff von Ulli und bat ihn mit in den Stall zu kommen, er würde da gebraucht werden. "Was soll ich hier?", schrie Ulli, als er den verletzten Polizisten sah. "Hier ist Ulli.", erklärte Jörg. "Schon mal Handschellen angelegt?" fragend blickte
Peters zu Jörg und Ulli, Letzterer versuchte sich loszureißen. Jörg war viel jünger und konnte ihn nicht mehr lange halten. "Hanna, halt hier den Arm gedrückt!" Peters war aufgesprungen und drückte den Platzwart zu Boden, gab Jörg die Handschellen. Beides konnte er alleine nicht machen. Als er ihn gerade in den Streifenwagen bringen wollte, traf der Rettungswagen ein. Nachdem Ruhe eingekehrt war, ging Peters noch einmal zu Hanna. "Dein Kumpel hat alles erzählt. Und wir hatten gestern schon den Eindruck, dass hier etwas nicht stimmt. Es wird alles gut werden. Ich muss dann auch leider weiter. Mach es gut,
Hanna." Hanna und Jörg standen zusammen an der Koppel und beobachten die zwei Fohlen mit Mutter. "Weißt du Hanna, was ich nicht verstehe? Warum hast du nie etwas gesagt? Du hast doch gestern wieder mit Ulli gearbeitet, dann wäre ich eher helfen gekommen. Warum hast du mich nie angesprochen?" Er hatte seinen Arm über Hanna gelegt. "Wollte nicht. Hab mich nicht getraut und du warst doch immer auf einer Wellenlänge mit Klaus." "Quatsch. Ja, es stimmt, ich hatte ein paar Vorteile, habe das auch ausgenutzt und fand es gut. Aber du tatest mir immer leid. Jeden Abend hatte ich ein schlechtes Gewissen. Ich weiß,
mein Verhalten war falsch. Hättest du mir die Wahrheit gesagt, ich schwöre, ich wäre für dich da gewesen." Gemeinsam machten sie die Stallarbeit zu Ende und die Pferde mussten bewegt werden. Klaus war nicht da und Jörg hatte die Verantwortung und das Sagen. Er ließ Hanna auch ein paar Pferde reiten. "Hey, du reitest ja super. Bock auf einen kleinen Ausritt?" "Ja." Hanna nickte schüchtern. Sie wollten grade vom Hof runter. Da kam Bettina, die Frau von Klaus, an. "Was macht ihr? Hanna, warum reitest du?" "Ich hab es ihr erlaubt und wir machen einen Ausritt. Tut den Pferden mal gut. Und was
machst du hier?"
"Naja. Die Polizei hat sich grade gemeldet. Klaus ist tot. Wurde von einem Streifenwagen in Einsatzfahrt überfahren. Er ist einfach aus dem Feldweg gerannt."