Vorbemerkung
Auch der blödsinnigste Kinderwitz hat einen wahren Kern.
(wegen neuer Abonnenten wieder eingestellt:
06.11.2020)
Copyright: G.v.Tetzeli
Cover: Monika Heisig
Baumziegen
Ich kann mich noch an meine Kindheit erinnern, als wir recht alberig waren. Da konnten wir uns über die blödesten Witze schickrig lachen.
Einer dieser dümmlichen Witze geht wie folgt:
Sitzen zwei Ziegen auf einem Baum (erstes Keckern und Kichern)
Fliegt ein Pferd vorbei (hihi, hihihi)
Sagt die eine Ziege zur anderen:
„Das ist aber merkwürdig!“ (Gelächter! Die Ziege sitzt doch selbst schon auf einem Baum)
Fliegt wieder ein Pferd vorbei.
Sagt die andere Ziege auf dem Baum.
„Da wird wohl irgendwo ein Nest sein.“ (Lachanfall!)
Ich weiß, es ist reichlich blöde, aber ich sage ihnen etwas:
In diesem hirnrissigen Kinderwitz steckt ein Fünkchen Wahrheit.
Es gibt sie nämlich, die Ziegen auf dem Baum!
Man kann sie in Marokko entdecken.
Gleich mehrere Ziegen klettern da auf einem Baum herum. Wie kommt das?
Ziegen sind eben Leckermäuler. Sie fressen die Früchte des Argan-Baumes.
Es gab diesen Baum schon vor 80 Millionen Jahren. Er gilt daher als ein Tertiär-Überbleibsel, als älteste noch original
existierende Baumart.
Der Argan-Baum, auch Arganie, kommt ausschließlich im südwestlichen Marokko und im südöstlichen Algerien vor, nirgendwo sonst. Die Arganie ist also endemisch.
Vor 80 Millionen Jahren, als sich noch Brontosaurier durch die Gegend wälzten, war der Argan-Baum in Nordafrika und Südeuropa weit verbreitet. Und weil man sich damals ja nur ungern von massigen Dinosauriern glatt stampfen mochte, besitzt die Arganie höchst unangenehme, lange, harte Dornen.
Auf Grund der klimatischen Veränderung gibt es die Arganie heute eben nur noch hier.
Weil die Ziegen im kargen Saharasand vergeblich auf der Suche nach einem
lukullischen Festmahl waren, probierten sie die Früchte der Arganie.
Sie sehen aus, wie ein Zwischending aus Olive und gelber Pflaume. Uns schmecken die bitteren Früchte nicht. Außerdem schrecken die Dornen.
Die Ziegen aber können diese mit ihrer Zunge pflücken ohne sich dabei weh zu tun und decken damit auch teilweise ihren Wasserhaushalt.
Der Baum hat einen relativ kurzen Stamm. Er erreicht höchstens 10 Meter Höhe, wird dafür aber bis zu 400 Jahre alt. Der Stamm trägt eine weit ausladende Krone, die bis zu 70 Meter! Durchmesser haben kann. Daher neigen sich die Äste zum Teil bis zum Boden.
Aha! So sind also die Ziegen auf den Geschmack gekommen!
Und wenn man schon dabei ist, dann will man eben mehr.
Ihre Hufe und ihre Kletterfähigkeit erlauben daher auch Ausflüge in die Äste selbst.
Aber auch wir Menschen sind hinter den Argan-Früchten her. Nicht wegen des Fruchtfleisches, sondern wegen der Kerne.
Daraus macht man das äußerst teure Argan-Öl.
Das beste Speiseöl der Welt, sagen zumindest die Gourmets.
Und so sieht man die Marokkaner die Kerne
hinter den Ziegen aufsammeln, weil sie gänzlich unverdaulich sind.
Die Ölproduktion läuft noch heute zu 85% nur von Hand ab.
Die Produktion eines Liters dieses Öls erfordert zwei Tage Arbeit. Dazu nehme man ca. 30 Kilogramm Früchte, also die Ernte von vier bis fünf Bäumen.
Das Fruchtfleisch wird entfernt. Bei der Ziegenbeute erübrigt sich das natürlich. Da werden die harten, ausgeschiedenen Kerne nur noch gründlich gewaschen.
So, dann muss der steinharte Kern aufgeklopft werden. So gelangt man an die Mandeln, die möglichst unbeschädigt sein müssen. Diese Mandeln werden dann vorsichtig braun
geröstet.
Danach werden sie von Hand in einer Steinmühle zermahlen.
Nun wird dem Brei abgekochtes Wasser zugegeben und gerührt und gerührt, bis endlich das Öl austritt.
Durch die Röstung entwickelt sich erst das hochfeine Aroma, genauso wie bei dem Kürbiskernöl, worauf die Österreicher so stolz sind.
Das Aroma ist einzigartig nussig und angenehm, wie ein Parfüm.
Ganz billig ist das Leckerli freilich nicht. Sie müssen bis zu 120 € für den Liter rechnen. (billige Angebote sind grundsätzlich
Fälschungen!)
Daher heißt das Argan-Öl auch liquides Gold von Marokko.
Natürlich wird das Öl auch maschinell hergestellt. Es bedeutet bessere Ausbeute , also weniger Kerne für mehr Öl, aber auch aus sozialen Gründen geht der Trend wieder zur Handverarbeitung zurück.
Genauso verhält es sich mit der Ernte. Man hat es schon mit maschinellen Schüttelungen probiert, aber der Schaden, den der Baum dadurch nimmt, ist doch zu groß. Der Argan-Baum gehört zu den sogenannten Eisenbäumen, so dass er das Rütteln durchaus übel nehmen kann, weil Äste dann leicht brechen.
Das Pflücken von den Ästen ist wegen der
äußerst wehrhaften Dornen sehr mühselig. Daher überlässt man das oftmals eben den Baumziegen.
(wikipedia)
Fest steht, dass der einzigartige Argan Baum seltener wird.
Dies sieht die Kosmetikindustrie mit ängstlichem Stirnrunzeln, denn sie hat diesen Rohstoff für die Haut- und Haarpflege „entdeckt“.
Für die Pflege von Haut und Haar gäbe es nichts besseres!.
Ob eine Ziege auf dem Baum sich sagt, ob es blöde Menschen gibt?
Und das fliegende Pferd ist mir bis jetzt nur als Pegasus und als Sternbild bekannt.