Nachdem sie grade der Sklaverei entkommen ist und dabei unfreiwillig den jüngsten Spross einer mächtigen Adelsfamilie entführt hat, findet sich Eden nach einigen Wirren in der Crew des grausamen und berüchtigten Piratenkapitäns Vance Livsey wieder. Dieser besitzt den Schlüssel zu einem unvorstellbaren Schatz. Eine unberührte Stadt des legendären alten Volkes, die sich auf einer Insel weit draußen im unerforschten Weltmeer befinden soll. Mit dem Erlös der gefundenen Artefakte, könnte Eden sich selbst freikaufen.
Doch sie sind nicht die einzigen, die von der Insel wissen. Der mächtig Sanguis-Orden, die Gemeinschaft der Zauberer Cantons, ist ihnen dicht auf den Fersen.
Coverbild : Wolfgang Pfensig / pixelio.de
„Zachary!“ Eden stürmte an Deck, den verletzten Arm leicht angewinkelt vor der Brust haltend. Schwaden von Pulverdampf füllten die Luft, sodass sie kaum erkennen konnte, was vor sich ging. Wenigstens hatte das Kriegsschiff nach der einen Salve das Feuer eingestellt. Aber das hieß nichts. Nicht nur unter Deck hatten die Kanonenkugeln schwere Schäden verursacht. Die Reling war fast auf der ganzen Länge des Schiffs zersplittert. Einer der Segelmasten hing nur noch
halb auf seinem Sockel und sie sah mehr als eine Gestalt, die verletzt durch den Nebel torkelte. Und mehrere, die sich gar nicht mehr bewegten. Eden rannte jetzt. Geister, wo konnten Leander und der Junge nur sein? Das Schiff war nicht groß und wenn sie sich unter Deck geflüchtet hätten, wäre sie ihnen begegnet. Da sah sie schließlich die Umrisse des Gejarn aus dem Nebel auftauchen. Zusammen mit einem Dutzend weiterer Matrosen, die sich verwirrt und nervös in Richtung des Kriegsschiffes umsahen. Die Windrufer hatte sich etwas zurückfallen lassen, kam nun aber wieder näher. Geister, die wollten an Bord,
schoss es Eden durch den Kopf. Und die Tiamat würde so schnell nirgendwo mehr hinfahren. Eine einzige Breitseite hatte das kleinere Schiff fast völlig lahmgelegt. Aber irgendetwas stimmte mit dem kaiserlichen Kriegsschiff nicht. Durch den Pulverdampf wirkte es nur wie ein Schatten, aber… es gab keinerlei Hoheitszeichen, keine Flaggen oder Wappen…. Leander hustete mehrmals, als er, Zachary im Schlepptau, auf Eden zu rannte. „Ich denke mal, Ihr habt Eure Differenzen mit Alvarez geklärt?“ „Zumindest glaube ich nicht, dass der
sich so schnell wieder blicken lässt.“, erklärte sie, während sie sich auf ein Knie niederlies und Zachary in den Arm nahm. Es ging ihm gut. Das war wenigstens etwas in dem ganzen Chaos. „Dein Arm….“ „Geht schon, keine Sorge.“ Sie wandte sich an Leander. „Wer sind die Kerle? Imperiale Marine?“ „Das glaube ich weniger.“, erwiderte der Gejarn. „Die feuern vor allen Dingen nicht ohne Vorwarnung auf einen. Zumindest meistens. Das Schiff ist praktisch aus dem Nichts aufgetaucht. Wir haben es erst gesehen, als die Sonne aufging und da war es auch schon zu spät.“
„Und wer sind die dann?“ Leander grinste düster. „Piraten. Fürchte ich. Mit den Kämpfen im Süden hat das Kaiserreich nicht mehr die Mittel, die Küsten völlig sicher zu halten.“ „Großartig.“ Sie stand wieder auf. „Wir müssen irgendwas unternehmen.“ „Was denn?“ Der Gejarn zuckte ratlos mit den Schultern. „Kämpfen.“, erklärte Eden entschlossen. Wenn sie hier nur herumsaßen würde es auch nicht besser werde. Im Gegenteil. Leander lachte bitter. „Womit? Das hier ist ein Handelsschiff, wir haben vielleicht ein
paar Gewehre und eine Handvoll Schwerter im Magazin, das war‘s. Keine Kanonen, keine Geschütze. Die machen einfach Kleinholz aus uns. „Dann muss das eben ausreichen.“, erwiderte Eden. „Ruft die gesamte Crew zusammen. Jetzt. Gebt die Waffen aus die wir haben und danach soll jeder benutzen, was er findet. Und wenn ihr Gabeln statt Messer verwendet.“ „Alvarez hat den Schlüssel zum Magazin.“, warf jemand ein. „Und der ist verschwunden.“ „Dann brecht die verdammte Tür auf.“, rief Eden zurück. „Und beeilt euch damit. Vielleicht ist es euch nicht aufgefallen, aber dieses Schiff ist gleich
auf einer Höhe mit uns und dann wird es hier oben verdammt ungemütlich. Los, Jetzt!“ Der Mann nickte nur, und verschwand mit einer Handvoll der kräftigsten Matrosen unter Deck. „Hört zu, die wollen an Bord gelangen und uns nicht versenken. Das hätten sie sonst längst getan. Wenn wir sie lange genug abwehren können, wenn wir sie genug Blutzoll entrichten lassen, ziehen sie vielleicht wieder ab.“ Leander schaute sie entgeistert an. „Das ist Euer Plan?“ „Wenn Ihr einen besseren habt, dann bitte raus damit. Oder setzt Euch in Bewegung.“
Der Gejarn grinste. „Das ist so verrückt, das könnte sogar funktionieren.“ Mit diesen Worten rannte Leander zu den übrigen Mitgliedern der Crew um ihre Anweisungen weiter zu geben. Eden sah derweil zu dem näherkommenden Kriegsschiff. Ohne es zu wollen war sie grade irgendwie zur Anführerin der kleinen Truppe an Deck geworden. Aber das würde wohl nicht zu lange halten. Sie hatten keine Chance… Als die ersten Matrosen mit Gewehren und Schwertern bewaffnet, aufs Deck zurückkehrten, hatte die Windrufer endgültig zu ihnen aufgeschlossen. Das Schiff überragte die Tiamat bei weitem. Eden schloss die Hand um den Schwertgriff.
Der erste Mann, der vom Kriegsschiff aus an Deck sprang, wirkte wie ein Geist auf sie alle. Er trug eine silberne Maske vor dem Gesicht. Die fein geätzten Runen darauf glühten zusammen mit dem Licht einiger Kristalle, die auf der Stirnfläche angebracht waren. Eine Verzauberung, dachte Eden. Schwache Magie, die Kugeln oder Schwertstreiche ablenken konnte. Der Mann trug in jeder Hand einen Säbel. Ein pechschwarzer Mantel, fiel wie ein zweiter Schatten um seine Gestalt. Weitere Gestalten, die ähnlich gekleidet oder maskiert waren, traten aus dem Nebel. Eden spürte, wie die Matrosen hinter ihr dichter zusammenrückten, während
die Piraten einen Halbkreis bildeten. Sie konnte ihre Angst riechen. Und ihre eigene spüren…. Wüsste sie nicht sicher, dass unter der Kleidung dieser Gestalten Menschen stecken mussten, sie hätte wohl ähnlich reagiert. Aber ihr Geruch verriet sie. Ihre Gangart verriet sie. Menschen aus Fleisch und Blut. Aber wenn das so weiterging, würden die anderen gleich die Waffen fallen lassen…. Und dann wäre alles vorbei. Diese Kerle wirkten nicht so, als seien sie auf Gefangene aus. Eden stürzte vor, auf die Gestalt zu, die als erstes an Bord gekommen war. Der Mann war scheinbar einen Moment
überrascht, dass ihn tatsächlich jemand angriff. Er riss die Klingen hoch, aber nicht mehr schnell genug. Eden hatte keine Ahnung vom Schwertkampf, aber wenn ihr Gegner erst gar nicht dazu kam, sich ihr zu stellen, machte das auch nichts. Edens Schwert hätte ihn genau in die Brust getroffen, wenn die Klinge nicht plötzlich einen ungewollten Bogen beschrieben hätte. Der Maskenzauber natürlich. Wie hatte sie so dumm sein können, den zu vergessen. Aber die Magie war nicht stark genug, den Mann völlig zu retten. Das Schwert der Gejarn drang ihm in die Schulter und er schrie auf. Eden riss die Klinge sofort zurück und setzte nach. Der Schutzzauber hatte
sich erschöpft und diesmal fand sie ihr Ziel. Der Mantel des Piraten färbte sich noch einen Ton dunkler, als er nun von Blut durchtränkt wurde. Eden trat rasch zurück. Der Mann machte noch einen torkelnden Schritt nach vorne…. Dann brach er in sich zusammen. Einen Moment wurde es totenstill auf dem Deck der Tiamat. „Tötet sie alle!“ Mit dem Ruf war auch der Bann gebrochen, der über der Crew gelegen hatte. Ein Dutzend Musketen, die zeitgleich abgefeuert wurden, füllten die Luft auf Deck erneut mit Pulverdampf. Die Kugeln wirkten verheerend auf
die dicht zusammenstehende Wand aus schwarz gekleideten Piraten. Und spätestens jetzt wurde den letzten klar, dass es sich bei diesen nicht um Geister handelte. Die ersten kippten tot um, bevor die anderen überhaupt reagieren konnten. Und einen Moment blitzte so etwas wie Hoffnung in Edens Gedanken auf. Dann jedoch entbrannte die Schlacht an Deck vollends und sie verlor schnell jegliche Übersicht. Klingen prallten aufeinander und wer kein Schwert hatte, kämpfte mit dem Bajonett weiter. Die ersten Kugeln pfiffen von Seiten der Windrufer durch die Luft. An der Reling des Kriegsschiffs waren weitere Männer aufgetaucht, die mit Pistolen und
Gewehren auf die kleine Gruppe Verteidiger feuerten. Eden spürte, wie ein Projektil ihre Haare streifte. Sie wehrte eine Klinge ab, die auf ihre Schulter zielte und stellte erstaunt fest, wie leicht ihr das Kämpfen viel. Es war fast, als hätte sie selten etwas anderes getan. Und es erfüllte sie mit einer seltsamen Genugtuung. Etwas tun… nicht mehr Gefangen sein…. Sie bekam nur am Rand mit, wie die anderen zurückwichen, als ein weiterer schwarzgekleideter Pirat vor ihr zusammenbrach. Sie hob eine zweite Klinge auf und warf sie mit aller Kraft einem anstürmenden Gegner entgegen.
Das Schwert bohrte sich in seinen Hals. Es war beinahe Übelkeit erregend einfach… sie spürte ihre Verletzungen nicht, die Wunde an ihrem Arm war vergessen…. Nur ein letzter Faden der Vernunft, der Rationalität sagte ihr, dass sie sich zurückziehen musste. Und dieser Gedanke brachte sie langsam wieder zurück in die Wirklichkeit. Sie ließ die Waffen sinken ohne auf die toten Körper um sich herum zu achten. Als sie zu den Matrosen zurückkehrte, die sich nach wie vor in alle Richtungen verteidigten, wichen einige vor ihr zurück. Sie sah in Gesichter, die so kreidebleich waren, als fürchteten sie, die Gejarn könnte sich
gleich gegen sie richten. Geister, was hatte sie getan? Die Erschöpfung traf sie mit einem Schlag. Eden spürte all die kleinen Schnitte, denen sie zuvor keine Beachtung mehr geschenkt hatte und musste sich auf dem Schwert abstützen. Ihr weißer Pelz war an mehreren Stellen rot verfärbt. Und das wenigste davon war ihr Blut…. Wut, meinte eine flüsternde Stimme in ihrem Kopf. Wut war mehr als nur ein gutes Schmerzmittel. Sie brauchte einen Moment Ruhe… und trotz allem war die Schlacht lange nicht zu ihren Gunsten verlaufen. Neben den Dutzend Piraten, die auf dem Deck zurück geblieben waren, lagen viel mehr
Matrosen der Tiamat. Rasch rannte sie zu Zachary um nach ihm zu sehen. Leander hielt sich nach wie vor Wache, in der Nähe des Jungen. Mit einer Pistole und einem stumpfen Küchenmesser bewaffnet machte der Kater einen gefährlichen und komischen Eindruck zugleich. „Wir…“ Eden schüttelte den Kopf und versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Was hatte sie sagen wollen? Im gleichen Moment wurde eine weitere Salve von der Reling der Windrufer abgefeuert. Mit wenigen ihrer eigenen Leute im Weg, konnten die Schützen diesmal kaum verfehlen. Eden spürte, wie sie erneut ein Projektil
streifte, während um sie herum die Überreste der Mannschaft zu Boden gingen. Leander wurde mehrmals in die Brust getroffen und stolperte zurück. Er blinzelte verwirrt, so als könnte er noch nicht ganz begriffen, dass er verwundet war… dann gaben seine Beine unter ihm nach. Danach wurde es eine Weile sehr ruhig um Eden. Sie kniete sich neben den gefallenen Gejarn. Leander war tot…. Für einen Moment war das sanfte knarren der Schiffsplanken das einzige Geräusch, das die Stille durchbrach. Dann ertönten die schweren Schritte von Stiefeln auf den Holzdielen. Eden sah nicht auf. Sie war als einzige übrig… sie
und Zachary, der sich neben sie kauerte. Irgendjemand drückte ihr einen Pistolenlauf in den Nacken. „Bei allen Meeresgöttern, wer ist denn für diese Sauerei verantwortlich?“ , donnerte eine Stimme über das Deck. Eden wagte es, den Kopf so weit zu drehen, dass sie etwas erkennen konnte. Ein Mann in der gleichen schwarzen Kleidung, wie die übrigen Piraten trat aus dem Pulvernebel. Er hatte braune, lockige Haare und einen zerzausten Bart, der ihm auf die Brust fiel. Seine Augen blickten ungerührt über das Blutbad auf dem Deck. Nur das er über eine der Leichen gestolpert war, die Eden hinterlassen hatte, hatte ihm einen Fluch entlocket.
Einer der maskierten Männer deutete auf Eden, die nach wie vor ruhig da saß. Das waren zu viele, sagte sie sich. Und mit der Waffe im Nacken konnte sie sowieso nichts tun. Aber sie war noch nicht tot. Das war etwas. Sie drückte Zachary an sich, während sie ihre Gedanken sammelte. „ Ich hoffe, der Tod Eurer Leute, versaut euch nicht den Tag.“ Eden rechnete fest damit, dass der Mann wütend werden würde. Stattdessen schmiss er den Kopf in den Nacken und lachte lauthals. „Normalerweise häute ich Tiere wie euch einfach.“, erwiderte er. „Es gibt da ein paar Adelige, die zahlen ganz gut für
Gejarn-Pelze. Nur werd ich wohl Schwierigkeiten haben, das ganze Blut aus Eurem zu bekommen.“ „Vance…, was sollen wir mit ihr und dem Jungen machen?“ Der als Vance angesprochene Mann winkte ab und drehte sich bereits wieder um. „Schert mich nicht. Wenn Ihr sie wollt nehmt sie Euch. Oder verpasst ihr ‘ne Kugel. Und macht schnell. Ich will, dass das Schiff in einer Stunde durchsucht ist, alles, das was wert sein könnte, rüber auf die Windrufer. Wobei…“ er hielt inne. „Für ‘nen Kapitän gibt’s wohl doch etwas Lösegeld. Oder?“ Eden gefror das Blut
in den Adern. Verflucht, jetzt hielten sie sie also für die Anführerin des Schiffs. Aber das konnte ihr zumindest das Leben retten, oder? Leander neben ihr lachte und hustete Blut gleichzeitig. Geister, er lebte noch… sie war zu erstarrt um irgendetwas zu tun. Und irgendwann lag der Mann dann schließlich auch still.... Diesmal wohl endgültig. Eden schloss einen Moment die Augen. Alvarez war nach wie vor irgendwo hier, wenn ihn die erste Breitseite nicht getötet hatte. Und wenn sie ihn fanden…. „Ich bin nicht der Kapitän.“ „Was?“ „Der hat sich verkrochen.“, erklärte
sie. „Und mir das Kommando überlassen.“ „Seid Ihr eigentlich lebensmüde?“ Vance lachte wieder. „Götter, Ihr müsst lebensmüde sein, mir das zu sagen.“ „Nur praktisch.“, erwiderte sie. „Ihr findet den Bastard vermutlich ohnehin unter Deck. Kein Grund Eure Zeit zu verschwenden.“ Vance verzog das Gesicht. „Ein Kapitän der seine Mannschaft im Stich lässt…“ der Pirat spuckte aus. Er nickte dem Mann zu, der Eden die Pistole an den Kopf hielt. Sie schloss die Augen. Bitte lass sie wenigstens Zachary mitnehmen, dachte sie. Der Bastard wird kein Kind töten, oder? Sie schloss ihre
Hand um die des jungen Magiers. Dann verschwand der Waffenlauf aus ihrem Nacken.
„Bringt mir diesen Käpt’n hier herauf.“, befahl Vance. „Lebend. Ich glaube ich muss mich einmal mit dem Kerl… unterhalten. Und bringt mir eine Flasche Rum. Den starken. Den der brennt….“
abschuetze :)) |
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