Nachdem sie grade der Sklaverei entkommen ist und dabei unfreiwillig den jüngsten Spross einer mächtigen Adelsfamilie entführt hat, findet sich Eden nach einigen Wirren in der Crew des grausamen und berüchtigten Piratenkapitäns Vance Livsey wieder. Dieser besitzt den Schlüssel zu einem unvorstellbaren Schatz. Eine unberührte Stadt des legendären alten Volkes, die sich auf einer Insel weit draußen im unerforschten Weltmeer befinden soll. Mit dem Erlös der gefundenen Artefakte, könnte Eden sich selbst freikaufen.
Doch sie sind nicht die einzigen, die von der Insel wissen. Der mächtig Sanguis-Orden, die Gemeinschaft der Zauberer Cantons, ist ihnen dicht auf den Fersen.
Coverbild : Wolfgang Pfensig / pixelio.de
Die Taverne war gut besucht, als Eden, gefolgt von Zachary, durch die Türen trat. Offenbar liefen die Geschäfte gut, denn alle Tische schienen besetzt. Ein Dutzend Schankdamen liefen umher und verteilten Krüge oder Mahlzeiten. Das Gemurmel von einer Vielzahl von Stimmen lag in der Luft. Gesprächsfetzen über Wetter, Meer und Politik erreichten Edens Ohren, als sie sich einen Weg zum Tresen bahnte.
Offenbar war die Nachricht, über den Überfall in den Bergen auch schon hier angekommen, aber die wenigsten schienen sich großartig darum zu kümmern. Die größte Sorge, die die Leute hier anscheinend hatten war, was das für den Handel über die Pässe bedeuten würde. Eden atmete erleichtert auf. Das war gut. Es war zwar unwahrscheinlich, das irgendwann die weiße Gejarn und den kleinen Jungen, mit den Geschehnissen in Verbindung brachte, aber sicher war sicher. Sie wartete am Tresen und sah sich derweil um. Der Schankraum war groß genug, dass trotz der Anzahl an Besuchern genug Platz blieb um überall
durchzukommen. Die Tische bestanden entweder aus grob behauenen Holzstücken, oder teilweise auch aus umfunktionierten Fässern. Einige Treppen führten ganz am anderen Ende des Hauses hinauf in ein zweites Stockwerk. „Ja?“, wollte eine müde Stimme wissen. Der Wirt, der schließlich auftauchte, kam vom Aussehen wohl einem Zwerg am nächsten. Auch wenn diese, sich schon vor Ewigkeiten aus Canton zurückgezogen hatten um irgendwo auf der anderen Seite der Welt ein neues Reich zu errichten. Oder zumindest lauteten so die Gerüchte, denn ob ihnen das gelungen war, wusste
niemand. Seit über einem Jahrtausend gab es keinen Kontakt mehr zu ihnen. Eden musterte den Mann einen Moment. Er war stämmig und vielleicht grade einmal einen Kopf größer als Zachary. Ein langer brauner Bart bedeckte ein mürrisches Gesicht und die Haare hatte er sich mit einem Tuch zurück gebunden. Sie entschied, dass es wohl taktvoller wäre, nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. „Für mich… Met wenn Ihr welchen habt und für den Jungen… Wein, aber mit einem großzügigen Schluck Wasser, ja?“ Der Mann zuckte mit den Schultern,
so als wolle er sagen, dass ihm das doch egal sein konnte und verschwand einen Moment. Eden nutzte die Gelegenheit sich weiter umzuschauen. Die meisten Leute hier gehörten wohl zur Besatzung der Schiffe draußen im Hafen. Manche spielten Karten, andere rauchten Tabak oder würfelten. Einige unterhielten sich nur und einige wenige schien es zum Opium zu ziehen, das von den Mohnfeldern des Südens stammte. Das Kaiserreich hieß das zwar nicht gut, aber tat auch wenig um den Handel damit direkt zu unterbinden. Stattdessen stand fast der gesamte Anbau unter imperialer Kontrolle und somit verdiente der Kaiser direkt am Verkauf und konnte Preise fast
frei bestimmen. Wie mit Magie war es ein Monopolgeschäft. Ein wirksameres Mittel als die Geldbörsen der Leute gab es wohl nicht zur Kontrolle, dachte Eden. Als der Wirt schließlich mit ihren Getränken kam, hielt sie ihn noch einen Moment an. „Verzeiht, ich weiß nicht ob Ihr mir helfen könnt, aber ich suche nach jemand.“ „Das tun viele.“, seufzte er. „Wen denn?“ „Einen Kapitän Alvarez Cartesius.“ Bevor Eden ihn aufhalten konnte, hatte der Mann auch schon einen
Trichter mit den Händen geformt und rief: „Kennt hier jemand einen Alvarez? Alvarez Cartesius?“ Die Gejarn fluchte leise. Das war genau die Art Aufmerksamkeit, die sie eigentlich vermeiden wollte. Da hätte sie auch gleich draußen im Hafen nach dem Mann fragen können. „Und ob ich den kenne.“, meinte eine Stimme und der dazugehörige Mann trat zu ihnen an den Tresen. „Habe ihm vor ‘ner Stunde gesagt, dass er meinen restlichen Lohn behalten kann. Mit dem fahr ich nicht nochmal raus.“ Er musterte Eden einen Moment. „Und wenn Ihr klug seid macht ihr
das auch nicht.“ „Ich müsste fürs erste nur einmal mit ihm reden.“, erklärte sie. „Der ist bestimmt noch ‘ne Weile damit beschäftigt, seine Leute hin und her zu scheuchen. Mindestens bis heute Abend. Und dann versäuft er ganz sicher den Lohn, den er ohnehin nicht zahlen würde.“, erklärte ihr gegenüber. „Aber ich kann ihn sicher herschicken. Wenn ich‘s mir recht überlege, hätte ich meine Heuer doch ganz gerne und wenn ich ihn dafür ein bisschen schütteln muss….“ „Er bezahlt seine Crew also nicht?“ „Sporadisch.“, antwortete der Mann grinsend. „Tut Euch selbst einen gefallen und nehmt einen anderen Käpt’n, wenn
Ihr Arbeit sucht.“ „Er soll mich lediglich von hier wegbringen.“, erwiderte Eden, „Ist ja nur Eure Beerdigung. Wie gesagt, vor morgen früh ist der sicher nicht mehr ansprechbar. Aber ich werde ihm… hmm... freundlich mitteilen, dass er sich mal hier blicken lassen und nach einem weißen Luchs suchen soll.“ Eden seufzte. Großartig. Sie hatte jetzt schon keine Lust, diesen Kerl kennen zu lernen. Aber… er war ihre einzige Chance. Auf einem anderen Schiff eine Überfahrt zu suchen, würde teuer. Und sie konnte sicher jede Münze gebrauchen. „In diesem Fall, habt Ihr noch
Zimmer frei?“ , fragte sie an den Wirt gerichtet. Wie sich herausstellte, gab es noch Zimmer. Als die Sonne langsam über Risara versank, betrat Eden einen der Räume im oberen Stockwerk des Gasthauses. Durch ein kleines Fenster konnte sie den Hafen überblicken, dessen Geschäftigkeit auch in der Abenddämmerung kaum abnahm. Einige der Schiffe waren während der letzten Stunden verschwunden, andere hatten ihren Platz eingenommen, aber ansonsten veränderte sich nichts. Das Zimmer war schlicht, würde aber reichen. Es gab zwei Betten, eine leere Kommode und einen Tisch, auf dem sich Papier, Federn
und Siegelwachs fanden. Eden kam eine Idee, als sie die Schreibutensilien sah. Wenn dieser Alvarez wirklich ein derart unangenehmer Zeitgenosse war, würde sie sich ihre Überfahrt, am besten schriftlich geben lassen…. Da gab es nur ein Problem. „Zachary…“ Eden zögerte zu fragen. „Kannst Du schreiben?“ Der junge Zauberer nickte, bevor er hinzufügte. „Du nicht?“ „Ein wenig. Aber… ich hatte wirklich nie die Gelegenheit es richtig zu lernen, wenn Du verstehst…“ Schreiben war nicht wirklich etwas, das man von einem Sklaven erwartete. Was das Lesen
anging, war sie zwar mit den menschlichen Runen vertraut, aber die Muster auch lesbar zu Papier zu bringen, war etwas ganz anderes. „Ich will, dass es uns dieser Kapitän Alvarez schriftlich gibt, wenn er zustimmt, uns von hier wegzubringen.“, erklärte sie, bevor sie sich in die Kissen fallen ließ. „Nach Westen, wenn möglich in die westlichste Stadt, die er auf seiner Route ansteuert.“ Zachary setzte sich an den Schreibtisch und zog einen Bogen Pergament zu sich heran. „Ich hab so viele Dokumente in Silberstedt gesehen… ich glaub ich weiß, wie ich das schreiben muss.“
Eden lachte. „Nur verzichte auf sämtliche Titel, ja? Ich glaube nicht, dass dieser Kerl wissen sollte, dass er einen entlaufenen Zauberer und eine entlaufene Sklavin übers Meer bringt.“ Der Junge nickte lediglich, bevor er sich an die Arbeit machte. Nach weniger als einer halben Stunde legte er schließlich die Feder beiseite und reichte das Schriftstück an Eden weiter. Diese überflog die Worte nur. Wenn sie es nicht besser wüsste, würde sie sagen, sie hätte ein Dokument von einem offiziellen Schreiber vor sich. Saubere Handschrift und Wortwahl. Sie sah wieder zu Zachary.
„Das ist gut…“, meinte Eden nur. „Wirklich gut.“ „Ich hab auch in Silberstedt nicht nur gespielt.“, erklärte er mit einem Anflug von Stolz und Ernst. Sie nickte. Zachary war in den letzten Wochen auf eine Art… erwachsener geworden. Erneut fürchtete sie, dass ihn die Ereignisse im Gebirge noch mehr verändert hatten, als sie jetzt schon ahnen konnte. Oder war ihr das alles bloß zuvor nicht aufgefallen? Armer Junge. So oder so. Seine Kindheit war abrupt beendet worden. Draußen ging die Sonne nun endgültig unter und tauchte den Hafen ein letztes Mal in rot glühendes Licht.
Eden gähnte unwillkürlich. „Komm, wir sollten wirklich etwas schlafen.“ Zachary nickte, bevor er mit einem Grinsen auf den Stuhl am Tisch kletterte…. und einen Satz auf das freie Bett machte. Eden lachte leise. Vielleicht irrte sie sich ja auch, was den Jungen anging. Sie hoffte zumindest, dass es so wäre. „Das ist zumindest bequemer als der Waldboden.“, meinte Zachary, als Eden die Lampen im Raum löschte. „Es gibt durchaus unbequemeres als Laub.“, antwortete die Gejarn in der Dunkelheit. „Wirklich ?“
„Glaub mir.“ Eden lachte schwach. „Ich habe schnell gelernt, dass man so ziemlich überall schlafen kann.“ „Und wie ?“ „Man muss nur müde genug sein.“ Dann konnte man sogar mit einer Handfläche schlafen, durch die jemand einen Nagel getrieben hatte…. Als Eden am nächsten Morgen die Treppe in den Schankraum hinunterstieg, war dieser weitestgehend verlassen. Nur einige andere Gäste saßen bereits mit ihrem Frühstück vor sich an den Tischen. Die Gejarn suchte sich einen freien Platz an der Rückwand der Taverne. Zachary setzte sich ihr
gegenüber, sie aber behielt die Tür im Auge. Hoffentlich tauchte Alvarez auch wirklich auf. Sie hatte keine Lust, dem Mann hinterherzujagen. Zumindest der Wirt tauchte bald auf und servierte den beiden eine einfache Mahlzeit. Brot, Käse, Wurst und eine Karaffe mit Wasser. Eden hielt sich beim Essen zurück und musterte lieber die anderen Gäste. Nicht dass irgendjemand davon sich für sie interessierte. Das wäre paranoid. Und du wirst wirklich paranoid, sagte ihr eine leise Stimme in ihrem Kopf. Trau den Leuten endlich einmal so weit, dass dir nicht jeder ansieht was du einmal warst. Und selbst wenn, wie viele
würde es wirklich interessieren? Du trägst keine Ketten mehr, Eden. Du bist nur noch dir selbst verantwortlich. Für immer. Wenn alles gut ging. Nein… nicht nur wenn alles gut ging. Sie würde sich eher töten lassen, bevor sie noch einmal in irgendjemandes Gefangenschaft geriet. Und noch weniger Besitz…. Als die Türen zur Taverne das nächste Mal aufschwangen, sah Eden wieder auf. Der Mann der eintrat, wirkte als hätte er die ganze Nacht durchgezecht und dabei eine ordentliche Tracht Prügel kassiert. Er trug einen schwarzen Gehrock, dessen Rockschöße teilweise zerrissen waren. Ein Hut mit abgeknickter Feder hing ihm
schief auf dem Kopf und er hatte ein deutlich erkennbares blaues Auge. Lass das nicht Alvarez sein, dachte Eden sofort. Offenbar hatte der Mann von gestern seine Drohung wahr gemacht, sich seine ausstehende Heuer zu holen. Eden reichte dem Wirt grade ein paar Silbermünzen für das Essen, als der Mann auf ihren Tisch zutrat. Also doch…. „Alvarez Cartesius, nehme ich an?“ „Richtig.“ Er ließ sich unaufgefordert in einen Stuhl am Tisch fallen. „Und Ihr seid?“ Ihr gefiel der Blick mit dem der Mann sie musterte schon gar nicht. Seine Augen verharrten viel zu lange, wo sie
gar nichts zu suchen hatten. Und er saß viel zu nah neben ihr. „Eden.“ Ihre Hand wanderte instinktiv zum Schwertgriff. Ruhig bleiben, Nicht in Panik ausbrechen, sagte sie sich selbst. Es änderte aber nichts daran, dass sie dem Kerl jetzt schon nicht mochte. Aber da musste sie wohl durch. „Und mich interessiert nur eines, dann könnt Ihr auch gleich wieder abhauen.“ Und hoffentlich schnell. „Ich brauche eine Überfahrt in den Westen. So weit wie möglich. Könnt Ihr das arrangieren oder weicht das zu weit von Euren eigenen Plänen ab?“ Alvarez kratzte sich einen Moment am Kopf. Eden konnte bis hierhin riechen,
dass er vermutlich noch immer halb betrunken war. Selbst wenn sie ignorierte, was sie gestern gehört hatte, der Mann konnte unmöglich ein vernünftiger Schiffskapitän sein. Aber das musste er auch nicht, wenn es nach Eden ging. Er musste nur eine einzige Fahrt machen und danach sehen, wo er blieb. Zum ersten Mal lächelte Alvarez. „Sicher. Das dürfte kein Problem sein. Ich segle mehrere Städte an der Westküste an. Es wird allerdings eine lange Reise, da muss ich euch gleich warnen. Der Krieg hat ein paar der üblichen Routen über die Landbrücke zwischen Ost- und Westsee blockiert und
wir müssen sehen, dass wir eine passierbare Wasserstraße finden.“ Er klang freundlich, beinahe zu nett, aber vielleicht hatte sie sich ja nur von seinem Äußeren beeinflussen lassen. Die Aussicht auf Kunden jedenfalls schien seine Laune zu bessern. Und seine Manieren. „Aber vielleicht besprechen wir die Details später? Heute Abend sollte ich Zeit finden, aber bis dahin muss ich sehen, das ich neue Crew auftreibe….“ Das wiederum konnte Eden nur zu gut verstehen…. Der Mann würde vermutlich Glück brauchen, wenn in diesem Hafen noch jemand bei ihm anheuern
wollte.
abschuetze Ob Eden und Zachary See krank werden, macht mir weniger Sorgen. Ich denke eher, Alvarez kocht hier sein eigenes Süppchen ... |
EagleWriter Sagen wir einfach, Markus Warnung war berechtigt... Was bei Eden endgültig ein paar Sicherungen durchbrennen lässt. Ich erspar Eden ja auch nix.... lg E:W |
EagleWriter Das wäre sehr, sehr unpraktisch. Aber das nächste Kapitel wird wohl noch mal eines der hmm.. heftigsten. lg E:W |