Nachdem sie grade der Sklaverei entkommen ist und dabei unfreiwillig den jüngsten Spross einer mächtigen Adelsfamilie entführt hat, findet sich Eden nach einigen Wirren in der Crew des grausamen und berüchtigten Piratenkapitäns Vance Livsey wieder. Dieser besitzt den Schlüssel zu einem unvorstellbaren Schatz. Eine unberührte Stadt des legendären alten Volkes, die sich auf einer Insel weit draußen im unerforschten Weltmeer befinden soll. Mit dem Erlös der gefundenen Artefakte, könnte Eden sich selbst freikaufen.
Doch sie sind nicht die einzigen, die von der Insel wissen. Der mächtig Sanguis-Orden, die Gemeinschaft der Zauberer Cantons, ist ihnen dicht auf den Fersen.
Coverbild : Wolfgang Pfensig / pixelio.de
Lore verschwand bald hinter ihnen in der Ferne, als sie sich auf dem Weg durch die Felder und Steppen machten. Nur die in der Ferne blau schimmernden Gipfel blieben ihre ständigen Begleiter. Eden wusste nicht, wie weit sich die Berge erstreckten, aber so wie es aussah, könnten sie durchaus bis an die Ostküste heranreichen. Zu dem Ort, an dem ihr Ziel lag. Die Landschaft änderte sich auch während des zweiten Tags ihrer
Wanderschaft wenig. Lediglich die zunehmend kahler werdenden Wälder, schufen etwas Abwechslung zu der weiten Graslandschaft. Einzelne Nadelbäume ragten noch als grüne Tupfer aus den Ebenen heraus. Ansonsten war klar, dass der Winter in diesen Teil des Kaiserreiches Einzug halten würde. Nur hoffentlich, dachte Eden, ließ er sich damit noch Zeit, bis sie die Stadt erreichten. Zachary hüllte sich nach wie vor in Schweigen. Eden wusste nicht, ob sie sich das nur einredete, aber es wirkte nicht mehr ganz so bedrückend, wie noch zuvor. Auch wenn er nichts sagte, der Junge sah sich mit leuchtenden Augen in
der Landschaft um. Für Zachary musste das Ganze in erster Linie ein Abenteuer sein. Für sie… nun es wäre vielleicht gar nicht so verkehrt, es als genau das zu sehen. Der Weg der vor ihnen lag, führte für sie beide ins Unbekannte. Aber es konnte nur besser sein, als das, was sie in Silberstedt hinter sich gelassen hatte. Am dritten Tag schließlich, mussten sie sich vor einem plötzlichen Regenschauer in Sicherheit bringen. Dunkle Wolken bedeckten den Himmel, als sie einen weiteren Wald verließen. Vor ihnen erstreckte sich ein kleines Tal mit abgeernteten Feldern und Scheunen. Und Eden konnte sich nicht sicher sein, aber in der Ferne meinte sie einen
Schimmer von blau zu erhaschen. Das Meer…. Als die ersten Regentropfen zu Boden fielen und der Wind sie vor sich hertrieb, suchten die beiden Reisenden schließlich Schutz in einem offen stehenden Schuppen. Das Gebäude stand direkt am Wegrand und war wohl als Zwischenlager für die Ernte benutzt worden. Strohreste bedeckten den Boden und gaben eine gute Sitzgelegenheit ab, während sie darauf warteten, dass der Sturm vorbei ging. Blitze zuckten über den pechschwarzen Himmel und Regenwasser tropfte durch einige Lücken im Dach herein. Eden wusste nicht, ob das Wetter heute noch einmal aufklaren würde.
Sie setzte sich an den Eingang der Scheune und starrte hinaus ins Unwetter. Sie hatte das Schwert, das Zabrim ihr gegeben hatte, vor sich auf den Boden gelegt. „Hast Du Angst?“, fragte Zachary, der sich geräuschlos neben ihr nieder ließ. Der Junge sah ebenfalls zu den Sturmwolken hinauf. Ohne eine Spur von Angst… Zachary mochte ein Kind sein, aber es brauchte mittlerweile wohl mehr, als ein Unwetter um ihn zu beunruhigen. „Nicht vor dem Gewitter.“, antwortete sie. „Ich wünschte, ich könnte heim.“ „Wieso bist Du nicht gegangen?“ ,
wollte Eden wissen. Ein weiterer Blitz zuckte über den Himmel und tauchte einen Moment alles in gleißendes Licht. „Weil ich meine Familie kenne. Oder… was davon übrig ist. Das ist einfach so. Walter ist abgehauen… er hat uns im Stich gelassen. Und mein Vater….“ „Andre kenne ich gut genug. Was Walter angeht… ich weiß nicht, ob ich in seiner Lage nicht auch geflohen wäre. Sei nicht zu hart mit ihnen.“ Zachary lachte. Ein bitterer Laut, der gar nicht zu dem Jungen passen wollte. „Du sagst das… aber Du meinst es nicht. Wenn jemand Grund hat uns zu hassen, dann Du. Und selbst jetzt, wo Du
es sein könntest, bist Du nicht frei wegen mir.“ Statt einer Antwort legte sie lediglich einen Arm um Zachary. „Das stimmt nicht. Und das solltest Du auch niemals denken.“ „Ma, hat Dir einen Schwur abgenommen, das war... falsch.“ Eden lachte. „Glaubst du, das bedeutet mir irgendetwas? Du bist hier, weil ich niemand bin, der jemanden in einem Schneesturm zurück lassen würde.“, erklärte sie mit fester Stimme. „Dafür braucht es keinen Schwur und keine Worte. Ich habe mich freiwillig dazu entschieden. Und wir schaffen das
irgendwie. Wenn wir erst einmal weit genug weg sind… irgendwie geht es immer weiter.“ Irgendwie…. Denn das war genau der Teil, über den sie sich noch unsicher war. Sie würde irgendwo Arbeit finden müssen, eine Unterkunft… ein ganz normales Leben aufbauen eben. Zu den Clans zurück wollte sie nicht. Und ob man sie nach all den Jahren überhaupt willkommen heißen würde, war die andere Frage. Nach dem was sie in Lore gehört hatte, trieb es immer mehr Gejarn weg von den Clans. Leute wie Zabrim, die uralte Traditionen und das Nomadenleben einfach hinter sich lassen wollten.
Es waren schon verrückte Zeiten… Eden spürte ein ungewohntes Gewicht an ihrer Schulter und als sie den Kopf drehte, sah sie das Zachary an ihrem Arm eingeschlafen war. Sie blieb noch eine Weile wach, bis sie sicher war, dass der Sturm nicht so schnell vorbeiziehen würde. Das stetige Tropfen des Wassers hatte etwas Beruhigendes. Schließlich schlief sie selbst ein, ohne dass sie sich dagegen wehren konnte. Tief und traumlos umfing die Schwärze sie irgendwann…. Der vierte Tag begrüßte sie schließlich mit strahlendem Sonnenschein. Das einzige was von den
Stürmen des Vortags geblieben war, waren einige Pfützen auf der Straße und ein Sturzbach, der gestern noch nicht dagewesen war und sich mitten durch die leeren Felder zog. Eden sah nach Zachary, der nach wie vor schlief. Bevor die Gejarn den Zauberer weckte, packte sie ihre Sachen zusammen und überprüfte, was ihnen an Vorräten blieb. Die Ausbeute war ernüchternd, aber wenn alles gut ging, würden sie die Stadt ohnehin bald erreichen. Und sie sollte Recht behalten. Nachdem sie das Tal mit der Scheune hinter sich ließen, stieg der Weg eine Weile steil an. Nicht so extrem wie an den Pässen, nahe Silberstedt, aber sie gerieten rasch außer
Atem und mussten mehrmals kleinere Pausen machen. Sie passierten eine Reihe kleinerer Teiche, die auf Terrassen an der Bergflanke angelegt worden waren. Eine Unzahl Fische schwamm darin und für das Mittagessen versuchte Eden sich am fischen. Ohne eine Angel blieb ihr nur, die bloßen Hände zu benutzen, was Zachary mehrmals zum Lachen brachte. In den kleinen Teichen konnten die Fische zwar nirgendwo hin fliehen… aber die Tiere waren so glitschig, das sie ihr praktisch wieder aus den Pranken entkamen. Bis es ihr schließlich gelang, einen festzuhalten und ans Ufer zu werfen, war sie längst klatschnass.
„Sieh bloß zu, das der nicht wieder ins Wasser hüpft.“, rief sie Zachary zu, der sofort ein Messer packte und den Fisch erlöste. Einen Moment glaubte Eden, er würde zögern, dann jedoch führte er einen einzigen, sauberen Schnitt. Das Tier war sofort tot. Sie amtete erleichtert auf. Nun also zu Nummer zwei…. „Wenn ich noch meine Krallen hätte…“, murmelte Eden, mehr zu sich selbst. Sie konnte bloß hoffen, dass die irgendwann nachwachsen würden. Nachdem es ihr schließlich gelungen war, den zweiten Teil ihres Mittagessens zu fangen und die Fische gebraten und verzehrt waren, machten sie sich wieder
auf den Weg. Bald schon hatten sie endlich den Gipfel des Berges erreicht. Und im gleichen Moment wusste Eden, das sie es geschafft hatten. Vor ihnen lag, eingebettet zwischen den Bergen und der See, eine Stadt. Das Meer schimmerte blau in der Herbstsonne und sie konnte die Silhouette mehrere Schiffe sehen, die auf die Stadt zuhielten oder sich grade davon entfernten. Rote Ziegeldächer und weiß getünchte Häuser hoben sich gen Himmel. Eine einfache Holzpalisade mit zwei offen stehenden Toren begrenzte die Siedlung. Davor erstreckten sich Felder und einige kleine Schonungen mit Fichten und weiteren Nadelhölzern. Und
näher an den Bergen zogen sich Terrassen in die Höhe, die über und über mit Weinreben bestanden waren. Eden pflückte im vorübergehen eine Handvoll. Rote und weiße Trauben, um die sich einige verstreut arbeitende Menschen kümmerten. Ein paar nickten den Reisenden kurz zu, andere waren scheinbar zu sehr in ihre Arbeit vertieft, um auf sie zu achten. Sandwege führten zwischen den Weinbergen hindurch hinab zur Stadt. Das musste wohl einfach Risara sein. Schon während sie sich den Stadttoren näherten, konnte sie die Schreie der Möwen über dem Wasser hören. Die einzelne Wache, die den Strom der Reisenden überblickte,
musterte sie nur einen Moment und lies sie dann ungehindert passieren. Vermutlich mutete es seltsam an, eine Gejarn und ein Menschenkind zusammen zu sehen, aber es war auch nichts Besorgniserregendes. Etwas anderes wäre es wohl gewesen, wenn sie in ihrem alten Zustand hier angekommen wäre. Mit zerlumpten Kleidern, blutenden Wunden und blauen Flecken. Es wäre ein Wunder gewesen, wenn man sie dann hätte passieren lassen. Die Wege in Risara waren angenehm leer. Zwar waren Dutzende von Leuten unterwegs, aber die großen Straßen boten mehr als genug Platz für alle. Eden sah sich genau um. Neben der Unzahl an Wohngebäuden, gab
es Geschäfte aller Art. Über Schmieden und Schneidereien bis hin zu einer Niederlassung des Sangius-Ordens, vor der mehrere in türkisfarbene Roben gekleidete, Gestalten, Wache hielten. Zauber waren teuer und lohnenswertes Diebesgut. Aber nur ein absoluter Idiot würde jemals versuchen, den Orden zu bestehlen. Seit dem Aufstieg von Simon Belfare zum Kaiser vor fast 300 Jahren, hatte der Orden seine Macht beständig ausgebaut und kontrollierte heute praktisch alleine sämtliche Magie auf dem Kontinent. Und damit oblag es auch dem Orden, Zauber für die Allgemeinheit herzustellen und zu verkaufen. Zu Preisen, die sie alleine
bestimmen konnten. Damit war Tyrus Lightsson, der momentane oberste Zauberer, ein Mann, dessen Macht nur hinter der des Kaisers selbst und vielleicht noch dessen Hochgeneral zurückstand. Zwar gab es noch einige wenige freie Zauberer, aber durch die Gesetze waren diese gezwungen, in den Schatten zu arbeiten und dort ihre Dienste anzubieten. Illegale Zauberei, ohne kaiserliche Prüfung. Die Magie war instabil, von schlechter Qualität und teilweise sogar lebensgefährlich zu benutzen. Vor allen weil den Zauberern im Untergrund Materialien fehlten. Trotzdem gab es genug Leute, die ihre
Arbeit in Anspruch nahmen. Entweder aus Sparsamkeit oder weil sie nicht wollten, das das Kaiserreich von ihren… Einkäufen erfuhr. Eden lenkte ihre Schritte an der Ordensniederlassung vorbei in Richtung Hafen. Man konnte dem Gebäude schon von außen ansehen, welche Stellung dem Orden zukam. Banner mit dem Blutwappen wehten von den oberen Stockwerken herab. Sie beeilten sich, den Ort hinter sich zu lassen. Eden wusste nicht, ob einer der Magier Zachary aufspüren könnte oder nicht, aber es war wohl besser, kein Risiko einzugehen. Der Hafen schließlich, war ein
einziges geschäftiges Durcheinander. Ein Dutzend oder mehr Schiffe und eine unübersichtliche Zahl kleinerer Boote, lagen an den Kaimauern vor Anker und ein Strom Arbeiter war damit beschäftigt, Ladung zu löschen, neue Vorräte an Bord zu bringen oder in einer der zahlreichen Kneipen, die die Hafenmeile säumten, neue Crewmitglieder anzuwerben. Und mehr als einmal sah Eden, wie ein Sarg von einem der Schiffe geschleppt wurde. Es gab Verluste dort draußen, dachte sie. Eine kleine Patrouille kaiserlicher Gardisten in rostroten Uniformen überwachte das Gebiet. Oder sie versuchten es offenbar,
denn hier die Übersicht behalten zu wollen, war wohl reichlich aussichtslos, dachte Eden. Und trotzdem musste sich hier irgendwo der Mann aufhalten, den sie nach Markus Anweisungen finden mussten. Kapitän Alvarez Cartesius. Es würde schon Glück brauchen, hier eine einzelne Person zu finden. Aber vielleicht wusste ja jemand, wo er sich aufhalten konnte. Einfach jemanden auf der Straße zu fragen war unmöglich. Die meisten Hafenarbeiter waren mit ihren eigenen Problemen beschäftigt und sie wollte auch keine unnötige Aufmerksamkeit auf sich oder Zachary lenken. Vielleicht in einer der zahlreichen
Taverne, überlegte die Gejarn. Es wäre wohl weniger Auffällig, dort nachzufragen, ob jemand den Kapitän kannte. Und selbst wenn nicht… sie würden sowieso ein Zimmer brauchen, wenn sie länger hier bleiben mussten. Eden achtete darauf, das Zachary sich in dem Durcheinander nicht zu weit von ihr entfernte, dann lenkte sie ihre Schritte auf eine der Gaststätten zu. Rasch kramte sie in ihrer Tasche nach der Handvoll Silbermünzen, die Zabrim ihr gegeben hatte. Sie wusste nicht, wie viel es war, aber die Münzen wirkten massiv und lagen schwer in der Hand. Ein kleines Vermögen war es schon, wenn sie sparsam damit umging. Woher
der Gejarn die wohl hatte….
abschuetze Nun hast du's ja auch geschrieben, wie das Ganze geschichtlich einzuordnen ist. Schön. :)) |
EagleWriter Jap , ist jetzt auch mal ausführlicher drinne. lg E:W |