Nachdem sie grade der Sklaverei entkommen ist und dabei unfreiwillig den jüngsten Spross einer mächtigen Adelsfamilie entführt hat, findet sich Eden nach einigen Wirren in der Crew des grausamen und berüchtigten Piratenkapitäns Vance Livsey wieder. Dieser besitzt den Schlüssel zu einem unvorstellbaren Schatz. Eine unberührte Stadt des legendären alten Volkes, die sich auf einer Insel weit draußen im unerforschten Weltmeer befinden soll. Mit dem Erlös der gefundenen Artefakte, könnte Eden sich selbst freikaufen.
Doch sie sind nicht die einzigen, die von der Insel wissen. Der mächtig Sanguis-Orden, die Gemeinschaft der Zauberer Cantons, ist ihnen dicht auf den Fersen.
Coverbild : Wolfgang Pfensig / pixelio.de
Als die Nacht sich über Lore senkte, erstrahlten die Straßen der kleinen Siedlung in hellem Glanz. Girlanden waren zwischen den Häusern gespannt worden und auf den Wiesen brannten helle Feuer. Ob es einen Zauber gab oder einen anderen Trick, aber einige der Flammen loderten in intensiven rot, oder goldgelb und hüllten die nähere Umgebung in ihren Schein. In den Schein durch den Herbst in Brand geratener Blätter… Eden sah von ihrem Platz aus zu, wie einzelne Nachtfalter in
den Feuern und aufgestellten Fackeln verglühten. Der Duft von bratendem Fleisch und Gemüse füllte die Luft. Eden schätzte, dass mindestens doppelt so viele Leute hier waren, als sonst eigentlich im Dorf leben dürften. Menschen und Gejarn gleichermaßen , aus verschiedenen Clans und Siedlungen. Warum ausgerechnet Lore als Treffpunkt ausgewählt worden war, daran schien sich niemand mehr erinnern zu können. Eden saß an einem Tisch unter freiem Himmel, zusammen mit Zachary und Markus. Zabrim hatte sich ein paar Plätze weiter niedergelassen und seine Tochter lief wohl mit einem Dutzend
weiterer Kinder irgendwo zwischen den Feuern umher. Die Gejarn wusste nicht, wie lange ihre letzte, richtige Mahlzeit her war. Oder wie lange die Letzte, die nicht aus verwässerten Resten bestand. Hier jedoch schien kein Mangel an irgendetwas zu herrschen. Es war… überraschend wie selbstverständlich die Leute sie hier aufnahmen, dachte Eden. Beinahe schon seltsam… oder sie war Freundlichkeit schlicht nicht mehr gewohnt. Sie fürchtete beinahe, dass letzteres die wahrscheinlichere Antwort war. Und das machte ihr auf eine seltsame Art Angst. All die Jahre hatten etwas zerstört, das ihr jetzt erst wieder
bewusst wurde. Und sie wusste nicht einmal, was es war. Vielleicht die Fähigkeit, je wieder jemanden den Rücken zuzukehren, überlegte Eden, während sie Reste von einem Knochen nagte. Sie sah sich in der Runde um, als rechne sie damit, dass jeder ihr ansehen müsste, dass etwas mit ihr nicht stimmte… mit ihrer Art zu denken. Jedoch es war nur Markus, der wieder einmal schallend lachte. „Ihr müsst ja wirklich ausgehungert sein.“, meinte er, bevor er einen Becher Wein herunterstürzte. Der wievielte wusste Eden längst nicht mehr. Nur das er bereits zwei Männer, die er offenbar kannte, unter den Tisch getrunken hatte.
Die beiden schliefen jetzt irgendwo im Gras abseits der Tische und Bänke in den Gärten. Wenn der Mann ein Geistlicher war, wie es sein Titel vermuten ließ, dann verbot seine Religion offenbar nicht den Alkohol. „Wir haben heute genug von allem.“, meinte er nur. Eden ließ den Knochen fallen, als hätte sie sich verbrannt. Auf eine Art riefen Markus Worte erst wach, wie recht er damit hatte. Sie war nicht mehr auf alles angewiesen. Eden spürte, wie ihre Hände anfingen zu zittern und nahm sie unter den Tisch. Sie war frei. Wirklich und endgültig frei….
Und sie hatte keine Ahnung, was sie mit dieser Freiheit anfangen sollte, wenn sie ehrlich zu sich selbst war. Niemand schien wirklich zu bemerken, was in ihr vorging und dafür war sie allen Geistern dankbar. Vor der versammelten Tafel in Tränen auszubrechen, hätte ihr grade noch gefehlt. „Lasst mich das korrigieren: Wir würden genug haben, wenn Ihr nicht alles schon alleine wegtrinken würdet, Markus.“, rief Zabrim zu ihnen herüber. Der Mann ignorierte den Leoparden, als er den Becher wieder auffüllte. „Lasst mich raten… Risara-Wein, oder ? Die machen den Besten.“ „Und wenn unser Dorf auf Eurer
Route nicht zufällig vor Risara liegen würde, würdet Ihr den Winzern da die Keller leer saufen, alter Freund.“ „Was für eine Art Geistlicher seid Ihr eigentlich genau?“, wollte Eden wissen. „Ich bin ein Anhänger des Vivendi“, antwortete Markus. „Und das heißt?“ „Grundlegend glaube ich an genau zwei Dinge.“, erklärte er ernst. „Die einzigen beiden Wahrheiten, die sich niemals ändern werden, komme was da wolle. Es gibt Leben und es gibt den Tod. Das sind die Aspekte, die mein Gott verkörpert. Es sind zwei Punkte, auf einer Linie. Die Line beginnt irgendwo… mit dem Leben. Also
akzeptieren wir, dass sie auch irgendwo wieder Enden muss. Denn unendliche Existenz ist allen Dingen entgegen gerichtet und zutiefst widernatürlich. Dieses Ende ist meiner Überzeugung nach der Tod.“ „Das hört sich aber wenig nach einer Philosophie an, die eine Religion vertreten würde.“ Markus schmunzelte. „Und doch ist es eine sehr Lohnenswerte. Denn wenn ich mich zwischen diesen beiden Punkten bewege… und unaufhaltsam in eine Richtung bewege, nämlich das Ende, was anderes kann ich tun, als die Fahrt so gut wie möglich zu genießen.“
„Verzeiht, aber das klingt, als würdet Ihr einfach tun, was Euch grade in den Sinn kommt und wenn das Mord wäre….“ „Es kommt auch noch mehr dazu. Wenn andere nach uns auf den gleichen Spuren wandeln, wenn wir unsere Zeichen in dieser Welt hinterlassen, daran wird man über uns urteilen. Nicht unser Gott richtet, er hat gar kein Interesse daran, er gibt uns nur die Chance, unseren Weg einmalig zu gestalten. Die Menschen nach uns und die, die wir auf dem Weg treffen, aber, die werden letztlich durch uns inspiriert. Und das ist meine Unsterblichkeit. Eine, die ich mir verdienen kann, wenn mir
danach ist. Oder eben nicht. Inspiration bildet letztlich das Richtmaß.“ Zabrim lachte. „Im Augenblick, mein Freund, inspiriert mich Euer Gerede vor allem, morgen mit einem riesigen Kater aufzuwachen.“ „Die meisten Katzen die ich hier gesehen habe sind eher klein gewesen. Vielleicht findet ihr irgendwo einen Tiger. Allerdings müsstet ihr Jiy erklären, dass sie jetzt zwei Väter hat und das möchte ich sehen….“ Der Gejarn verpasste Markus einen Schlag gegen den Hinterkopf. Markus lachte nur und füllte sich Wein nach. Eden sah derweil nach Zachary, der
scheinbar abwesend auf seinen Teller starrte. Sie musste irgendetwas unternehmen, dachte sie. Es war schlimm genug, das der junge Zauberer mit niemand sprach und sie deshalb schon nichts unternehmen konnte… aber das war überhaupt kein Platz für ihn. Sie konnte sich unmöglich um ihn kümmern. Nicht, wenn sie nicht selber irgendwie wieder auf die Beine kam, warf eine zweite Stimme ein. Aber… er gehörte schlicht und ergreifend gar nicht hierher. Ach, und er gehört also wohin ? Zum Orden?, wollte wieder ein anderer Gedanke wissen. Du weißt ganz genau, wie diese Bastarde Magier einfach nur
verheizen. Das änderte aber nichts an der simplen Tatsache, dass er Unmöglich bleiben konnte. Sie machte sich damit doch praktisch direkt zur Zielscheibe für die de Immersons wie für den Sangius-Orden. Frag ihn wenigstens, meinte wieder die zweite Stimme. Lass ihn entscheiden. „Was ist eigentlich mit Euch, Eden?“ „Hm ?“ „Woher kommt Ihr eigentlich? Ich hab Euch in den Bergen gefunden, aber ansonsten wissen wir alle wenig über Euch.“ Eden zögerte. Es war sicher keine gute Idee, diesen Leuten auf die Nase zu
binden, dass sie ein entlaufener Sklave war. So freundlich alle waren… das konnte sich ändern. „Ich war auf Reisen und sollte… Zachary zu seiner Familie bringen.“, antwortete die Gejarn schließlich. Das war genau genommen nicht einmal eine wirkliche Lüge. Es ließ nur die Details aus. Und ihr kam eine Idee. „Markus, seid Ihr oft in den Bergen unterwegs?“ „Ich mag die Ruhe dort oben. Also ja.“ „Wie weit kommt Ihr bei euren Reisen denn herum? Vielleicht bis nach Silberstedt?“ „Selten, aber ich war schon zwei, dreimal so weit. Aber die Berge in diese
Richtung zu überqueren wird in letzter Zeit immer gefährlicher. Es gibt Berichte, das Wyvern jetzt vereinzelt Reisende angreifen, besonders wenn sie alleine sind. Und offenbar gibt es auch Bedrohungen eher… menschlicher Natur. Bevor ich Euch gefunden habe, bin ich über eine ausgebrannte Karawane gestolpert. Restlos geplündert…“ Markus grüne Augen funkelten. „Ihr hattet aber nichts damit zu tun, oder?“ „Nein.“, erwiderte Eden nur. Ob der Mann ihr glaubte oder nicht, konnte sie nicht abschätzen. Er zuckte nur mit den Schultern. „Mich hätte nur interessiert, was da
oben passiert ist. So wie es aussah, war der Konvoi eigentlich gut geschützt. Zu gut, für einfache Banditen zumindest. Da hätte man schon eine große Gruppe gebraucht. Oder einen Magier.“ Zabrim wirkte beunruhigt. „Sind sie wirklich so mächtig?“ „Das kommt darauf an, wie stark ihre Begabung ausgeprägt ist.“, meinte Markus. „Meine Mutter hatte die Gabe. Aber sie war nicht sehr talentiert. Der Orden hat… für solche Leute wenig Verwendung. Die Zauberei lässt sie unglaublich schnell ausbrennen und altern.“ „Das tut mir leid.“, flüsterte Eden. „Muss es wirklich nicht. Sie starb als
ich noch recht jung war. Aber ich bin wohl dankbar, dass ich sie wenigstens so lange hatte. Und Ihr ? Habt Ihr Familie zu die Ihr zurück könntet?“ Eden schüttelte den Kopf. „Ich… es gibt noch meinen Vater, aber dem komme ich nicht mehr unter die Augen, wenn es nach mir geht. Er hat versucht mich zu ertränken.“ Markus kniff die Augen zusammen. „Wieso das denn?“ Sie lachte bitter. „Weißes Fell. Bringt Unglück. Wenn man die Ältesten meines Clans fragt zumindest.“ Zabrim schüttelte den Kopf. „Tradition, verstehe. Damit hatten
wir hier oben auch eine Weile zu kämpfen. Die Leute hier kommen aus dem ganzen Herzland. Viele der Gejarn unter uns hatten wohl einfach genug von dem ganzen Irrsinn der Ältesten. Und wir haben wohl Glück, das wir so viele sind. Da trauen sich die… konservativeren Clans nichts. Ich habe gehört, vor allem die Wölfe jagen jetzt schon diejenigen unter sich, die ihre alte Lebensart aufgeben.“ Eden stand auf und wandte sich an Markus. „Könnte ich mich einen Moment alleine mit Euch unterhalten?“ Der ungewöhnliche Geistliche stand auf.
„Natürlich. Aber gibt es irgendetwas, das hier nicht alle hören sollen?“ Sie nickte lediglich und nach einem Moment des Zögerns, folgte Markus ihr, hinaus aus dem Garten, in die erleuchteten Straßen des Dorfs. „Ich muss Euch um einen Gefallen bitten.“, erklärte die Gejarn, sobald sie sicher sein konnte, das zumindest ein Mensch sie nicht mehr hören konnte. Oder genauer gesagt Zachary. „Wenn ich ihn denn auch erfüllen kann.“ „Da bin ich mir sogar sicher. Wärt Ihr bereit, Zachary bei Eurer nächsten Reise, mit nach Silberstedt zu nehmen?“ Markus runzelte die Stirn, was ihn
noch mehr das Aussehen eines alten Kobolds gab. Allerdings nun einem mit düsterer Miene. „Ja. Das wäre kein Problem, aber… Ihr könnt das nicht selbst erledigen, weil…“ „Weil ich nie in diese Stadt zurückkehren kann. Wenn Ihr bereit seid das zu tun, findet einfach die ansässige Adelsfamilie. De Immerson. Sie sind… kaum zu verfehlen. Und sagt ihnen dann auch, Ihr hättet meine Leiche bei der Karawane gefunden.“ „Ihr hattet also doch damit zu tun. Ich habe das Wappen der de Immersons da oben gesehen… Wer ist dieser Junge? Und wichtiger, wer seid ihr dann?“
„Ich bin… niemand. Einfach nur Eden. Und was den Jungen angeht, so lautet sein voller Name Zachary de Immerson.“ „Ich schätze es ist Sinnlos zu fragen, was passiert ist…“ „Als ich dort ankam, war schon alles vorbei.“, erklärte sie. „Also, wärt Ihr bereit mir zu helfen?“ „Wenn ich Euer Wort habe, dass mir Eure Adelsfamilie nicht direkt den Kopf abschlagen lässt, wenn ich Euren Namen erwähne. Ihr scheint es wirklich darauf anzulegen, dass sie Euch vergessen.“ Eden nickte nur. „Ich fürchte das kann ich nicht. Aber ich… ich wollte Zachary ohnehin erst fragen, ob er damit einverstanden ist.
„Der Junge spricht nicht.“ „Ich weiß, aber… ich kann es zumindest versuchen.“ Mit diesen Worten, kehrten sie an den Tisch zurück. Die anderen warteten nach wie vor. Jiy hatte sich zu ihnen gesellt, saß gegen Zabrims Schulter gelehnt da und betrachtete alles aus schläfrigen Augen. Langsam aber sicher, zerstreuten sich die einzelnen Gemeinschaften in den Gärten und Straßen und machten sich auf den Heimweg, oder auf die Suche nach einem Schlafplatz. Eden setzte sich ein Stück von Zachary entfernt auf die Bank. „Zac…“ Sie traute ihrer eigenen Stimme einen Moment nicht.
Der junge Zauberer drehte den Kopf in ihre Richtung und sah sie fragend an. „Markus hat zugestimmt, Dich nach Hause zu bringen.“, erklärte Eden.„Das heißt, Du kannst bald zurück nach Silberstedt. Ich werde nicht mitkommen. Markus wird ihnen sagen, ich wäre Tod. Und… Du müsstest das auch. Und… wenn Du gehst… Der Orden wird sicher nicht aufgeben.“ „Nein.“ Sie wäre beinahe rückwärts von ihrem Platz gefallen. Geister, Zachary hatte etwas gesagt. Endlich wieder. „Was heißt nein?“ „Ich gehe nicht zurück. Ich kann nicht. Genau so wenig wie Du, oder?“
Zachary erklärte nicht wieso. Und das war für Eden auch nicht nötig. Es war entschieden. Sie strich dem Jungen einmal durch die Haare.
Sie wusste nicht wie sie, sie durchbringen würde. Sie wusste nicht einmal ob es möglich wäre. Aber… Geister, sie würde ihr bestes tun. Und etwas wurde Eden dabei klar… sie hatte nie wirklich vorgehabt, Zachary gehen zu lassen. Nicht wenn das bedeutete, das er in den Mühlen des Ordens landete.
abschuetze kluges Kerlchen, der Zachary :) |
EagleWriter Wenn man so will^^ lg E:W |