Nachdem sie grade der Sklaverei entkommen ist und dabei unfreiwillig den jüngsten Spross einer mächtigen Adelsfamilie entführt hat, findet sich Eden nach einigen Wirren in der Crew des grausamen und berüchtigten Piratenkapitäns Vance Livsey wieder. Dieser besitzt den Schlüssel zu einem unvorstellbaren Schatz. Eine unberührte Stadt des legendären alten Volkes, die sich auf einer Insel weit draußen im unerforschten Weltmeer befinden soll. Mit dem Erlös der gefundenen Artefakte, könnte Eden sich selbst freikaufen. Doch sie sind nicht die einzigen, die von
der Insel wissen. Der mächtig Sanguis-Orden, die Gemeinschaft der Zauberer Cantons, ist ihnen dicht auf den Fersen.
Coverbild : Wolfgang Pfensig / pixelio.de
Eden stapfte weiter durch den Schnee, obwohl sie längst nicht mehr wusste, wo sie sich befand. Um sie herum sah alles gleich aus. Formlos geworden, durch den Schleier, der zu Boden fallenden Flocken. Sie schleppte sich mittlerweile nur noch aus Gewohnheit voran. Ohne etwas sehen oder hören zu können, wusste sie nicht einmal, ob sie noch der Karawane folgte, oder sich schon restlos verirrt hatte. Und es schien auch niemanden zu kümmern, wenn sie wirklich verloren gegangen war.
So jedenfalls hatte sie nicht geplant zu verschwinden, dachte sie träge. Ihre eigner Verstand schien bedrohlich langsam zu arbeiten. Zum wiederholten Male hielt sie an, ob sie irgendetwas hörte… oder auch nur roch. Aber die Kälte hatte jegliche Gerüche aus der Luft gewaschen. Es blieb ihr nur übrig, weiterzugehen. Hier draußen stehenzubleiben, bedeutete den sicheren Tod. Schon wieder… Geister, wann hatte sie das letzte Mal so etwas wie Glück gehabt? Ihre Füße versanken abermals im Schnee. Sie konnte ihre Zehen längst nicht mehr spüren, fürchtete aber, was
sie sehen würde, wenn sie nachsah. Frostbrand. Vor ihr schien der Schnee jetzt schon ab und an deutliche Umrisse zu bilden, oder vielleicht war das nur eine Folge ihres erschöpften Verstands und Körpers. Eine einzelne Gestalt, die sich rasch durch den Sturm zu bewegen schien…. Zu spät erkannte Eden, dass sie sich nicht irrte. Durch den Schnee gedämpft, hörte sie die Hufschläge erst, als das Pferd zu nah war, um noch sicher auszuweichen. Die Gejarn warf sich sofort zur Seite, während das Tier schnaubend an ihr vorbeiraste. Sie konnte nur einen flüchtigen Blick auf den Reiter werfen, der sofort wieder im
Unwetter verschwand. Aber das blaue Barett, das der Mann trug… war das eben Walter gewesen? Wenn ja, dann wo wollte er hin? Entweder Eden hatte es irgendwie geschafft, die Karawane im Schnee zu überholen oder der Adelige war grade wirklich einfach davongeritten. Und zwar so, als wäre ein wildgewordener Wyver hinter ihm her. Die kleinen Drachen der Berge, stellten für eine gut gerüstete Gruppe eigentlich keine Bedrohung dar. Trotzdem, irgendetwas stimmte nicht. Die Neugier weckte ihre Lebensgeister wieder etwas. Wenigstens wusste sie jetzt, dass sie noch auf dem richtigen Weg war. Eden beschleunigte ihre Schritte, soweit das
ihre verbliebenen Kräfte zuließen. Der Gedanke an Flucht war nicht vergessen, aber für den Moment war ihre einzige Chance zu überleben, die anderen wiederzufinden. Vielleicht konnte sie entkommen, wenn der Sturm etwas nachließ, aber so wie die Dinge momentan standen, war es Selbstmord alleine hier draußen zu bleiben. Sie atmete erleichtert auf, als sie ein flackerndes Licht vor sich im Schnee sah. Es war noch weit weg aber ganz sicher keine optische Täuschung. Der orangerote Schein eines Feuers. Vermutlich hatte die Reisegemeinschaft Halt gemacht, um den Sturm abzuwarten. Und warum war Walter dann zurück
geritten? Vielleicht gab es neben ihr, noch weitere Nachzügler, nach denen man auch suchen wollte. So oder so. Ein Feuer bedeutete Rettung. Doch schon beim näherkommen merkte Eden, das irgendetwas nicht stimmte. Die Flammen waren zu hoch für ein schlichtes Lagerfeuer. Der Schein des Feuers viel zu intensiv, selbst durch das Schneetreiben… und dann stolperte sie über den ersten Toten. Es war einer der Wächter, die sie aus Silberstedt begleitet hatten, da war sie sich ganz sicher. Er trug ein kleines silbernes Emblem in Form einer Spinne. Das Zeichen des Hauses de Immerson. Schon bei ihrer Ankunft hier, hatte das Wappen
sie beunruhigt. Und nun verstand sie besser, warum. Der Mann lag in einer Lache seines eigenen Blutes. Mehrere Löcher in seiner Uniform zeigten, wo er von Kugeln getroffen worden war. Sein eigenes Gewehr lag, scheinbar unbenutzt, halb im Schnee begraben. Eden hob die Muskete auf. Sie hatte keine Ahnung, wie man mit Feuerwaffen umging. Aber auf eine Art war das schwere Gefühl des Gewehrs beruhigend. Ihren Fund als Krücke nutzend, um sich besser durch den Schnee zu kämpfen, ging sie weiter. Rote Blutspuren im Schnee tauchten jetzt überall auf. Der noch nicht ganz weggewaschene Geruch von verbranntem Schwarzpulver hing über dem ganzen
Gebiet…. Über die nächste Leiche, ein aufgeschnittenes Pferd, kletterte Eden einfach hinweg. Dahinter zeichneten sich weitere, schon halb vom Eis begrabene Umrisse im Schnee ab. Geister, was war hier nur passiert? Und viel wichtiger, war wer oder was auch immer hierfür verantwortlich, war noch in der Nähe? Eden schleppte sich weiter auf die Flammen zu, während sie sich im dichten Schneegestöber umsah. Aber sie konnte niemanden entdecken. Niemanden zumindest, der noch Leben würde…. Beim näherkommen erkannte sie schließlich die Ursache des Feuers. Eine
Kutsche war mitten auf der Straße umgekippt und scheinbar angezündet worden. Dicker öliger Qualm stieg zum Himmel und vermischte sich dort mit den Schneewolken. Rund um das brennende Gefährt schmolz der Schnee und gab den Blick wieder auf das Pflaster darunter frei. Und mitten davor saß Zachary, der sich mit vor Schreck geweiteten Augen umsah. Der Mantel den er trug, war blutbefleckt, aber auf den ersten Blick schien er nicht verletzt. „Zachary ?“ Der Junge zuckte beim Klang ihrer Stimme sichtbar zusammen. Er versuchte rückwärts wegzukriechen, bis er gegen die brennende Kutsche stieß.
Geister… Eden ging in die Hocke in der Hoffnung, so weniger bedrohlich zu wirken. Und wenn ihr jemand gesagt hätte, dass jemand mal Angst vor ihr, einem ausgehungerten Nervenbündel, haben könnte, hätte sie ihn bis zu diesem Moment für verrückt erklärt. Der Junge war ganz offenbar nicht auf der Höhe. Aber eine dunkle Spur des Wiedererkennens flackerte in seinem Blick auf. „Hey… Zac.“ Zac für Freunde, hatte er gemeint. Hoffentlich kam das an. „Ich bin‘s nur. Eden.“ Ihr fiel, viel zu spät ein, wie blöd das war. Zachary wusste überhaupt nicht wie sie hieß, wenn sie sich richtig erinnerte. Sie hatte ihren
Namen nie genannt. Sie streckte vorsichtig die Hand aus. „Komm her. Das… das wird wieder gut.“ Eden konnte ihren eigenen Worten kein Gewicht geben. Wie sollte das hier wieder gut werden? Vermutlich erfroren sie beide hier draußen. Und der Junge war nicht ihre Verantwortung, oder? Aber… aber sie wusste, wie er sich fühlen musste. Sie wusste es nur zu gut. Das Gefühl völlig hilflos zu sein… trotz aller Magie über die er verfügen mochte, trotz der Macht, die mit dem Jahren in ihm wachsen sollte und ihm eines Tages vielleicht zu einem der mächtigsten Zauberer Cantons machen könnte…. In diesem Augenblick war Zachary de
Immerson ein verängstigtes Kind, das nicht wusste, was um es herum geschehen war. „Das wird irgendwie wieder gut.“, murmelte sie. Zachary jedoch deutete nur hinter sich… auf die andere Seite des umgestürzten Gefährts. Es wiederstrebte ihr, den traumatisierten Jungen auch nur einen Moment aus den Augen zu lassen. Aber wenn es dort etwas gab, das ihm wichtig war, musste sie wohl nachsehen. Eden setzte sich auf und schlurfte um das brennende Wrack herum. Was sie hier sah, unterschied sich kaum von den anderen Überresten des Konvois, über
die sie bisher gestolpert war. Mit einem Unterschied. Drei tote Soldaten und mehrere Diener lagen im Schnee verstreut… und vor den Toten gegen die Bodenwand der Kutsche gelehnt, saß Varia de Immerson. Eden brauchte nur einen Blick auf sie zu werfen, um zu wissen, dass die Frau kaum noch am Leben war. Ein Dolch ragte aus ihrer Brust. Die Waffe hob sich bei jedem Atemzug mit und schnitt sich dabei etwas tiefer ins Fleisch. Ihr komplettes Kleid war von Blut durchtränkt. Die Gejarn trat vorsichtig weiter. Varia war tot. Sie wusste es nur noch nicht. Eden empfand kein Mitleid mit
dieser Frau, die sie zum Spielball ihrer Launen gemacht hatte. Ein Teil von ihr sagte ihr, dass es sogar richtig war, dass Varia genau das hier verdiente. Aber langsam und qualvoll zu verbluten… Eden schüttelte den Kopf. Niemand verdiente so etwas. Sie kniete sich vor die Gestalt, die sie nur langsam überhaupt wahrzunehmen schien. Und als Varia schließlich zu ihr aufsah, war ihr Blick glasig und leer. Bevor Eden jedoch etwas tun konnte, hatte die Frau sie schon gepackt. Schmerzhaft gruben sich ihre Hände in ihre Schultern und rissen dabei bestimmt mehrere Fellbüschel aus. Die Gejarn versuchte sich loszureißen, aber Varia
hielt sie wie in einem Schraubstock fest. „Ihr…. warum von allen überlebt ausgerechnet ihr …“ „Ich weiß es nicht.“, gestand Eden. „Aber ich bin hier um Euer Leid zu beenden.“ Varia lachte und hustete gleichzeitig Blut. „Schwört mir…“ Eden zuckte zurück. „Was ?“ Selbst in ihren letzten Augenblicken, fiel dieser Frau nichts Besseres ein, als sie ein letztes Mal herumzukommandieren. Einen letzten Befehl zu geben…. „Schwört mir, dass Ihr auf Zachary
achtet. Ich weiß, dass er noch lebt….“ Eden hätte sie am liebsten gefragt, wie sie auf die Idee kam, dass Eden nach all dem auch nur darüber nachdenken würde, was mit irgendjemanden aus dieser kranken Familie geschah…. Stattdessen jedoch nickte sie nur. Den Jungen traf keine Schuld. Im Gegenteil. Und wie groß waren ihre Überlebenschancen ohnehin? Wenn kein Wunder geschah, hielten sie vielleicht noch ein paar Stunden durch. Varias Griff um ihre Schultern lockerte sich und die Adelige sank mit brechendem Blick in den Schnee zurück. „Mögen die Götter Euch verfluchen, wenn Ihr jemals auch nur darüber
nachdenkt diesen Schwur zu brechen.“ „Ich halte meine Abmachungen. Und was Eure Götter angeht, so hassen diese mich schon.“, erklärte Eden nur kalt. Mit diesen Worten griff sie nach dem Dolch, der aus Varias Brust ragte… und drehte die Klinge um. Varia zitterte noch einen Augenblick und lag dann still. Eden stand auf und ging wieder um den Wagen herum. Halb erwartete sie, das Zachary verschwunden wäre. Doch der Junge saß nach wie vor genau da, wo sie ihn eben zurückgelassen hatte. Im Windschatten des langsam herunterbrennenden Wagens. Eden zögerte. Sie konnte sich nicht zurück auf den Weg nach Silberstedt
machen. Nie wieder. Mal ganz davon abgesehen, das sie überhaupt nicht wusste, wo zurück in diesem Fall überhaupt wäre. Aber sie konnte Zachary auch nicht hier lassen. Selbst ohne den Schwur Varia gegenüber, hätte sie auch nur darüber nachgedacht, den Jungen einfach im Eis zurück zu lassen? Nein. Und das wäre ein Todesurteil, vollstreckt um sich an einem Mann zu rächen, der für sie außer Reichweite war. Und an einer Frau, die sich nun jenseits aller irdischen Verantwortung befand. Eden streckte eine Hand aus. „Komm mit. Wir… wir verschwinden beide von hier, ja?“
Zuerst glaubte sie, Zachary würde sie nicht verstehen, oder es nicht einmal wagen, sich zu bewegen. Er sah sie nur weiterhin aus diesen seltsamen Augen an, die einem Angst machen konnten. Aber nicht ihr. Sie hatte Schlimmeres hinter sich, als den Blick eines Zauberers. Schließlich jedoch stand er auf und nahm ihre Hand. Eden lächelte, obwohl dafür kein Anlass bestand. Wann hatte sie das letzte Mal eine Berührung gespürt, die nicht mit Schmerz verbunden war, sondern simpler… Menschlichkeit. Als sie den ersten Schritt aus dem Schutz der Kutsche machte, schlug ihr der Wind sofort wieder eisig entgegen und machte die Wärme des Feuers im Nu zunichte.
Sie bedeutete Zachary hinter ihr zu bleiben, soweit das ging. Es reichte, wenn einer von ihnen durch den Sturm auskühlte. Sie würden so oder so nicht weit kommen, dachte Eden. Sie würde alles tun, außer Zachary das zu sagen, aber... es sah nicht gut aus. Schon bald blieb die überfallene Karawane hinter ihnen zurück und das Feuer wurde zu nichts, als einer bloßen Erinnerung. Eine Erinnerung, die die Kälte jetzt umso grausamer machte. Eden verlor bald die Kraft, mehr zu tun, als weiter einen Fuß vor den anderen zu setzen. Sie wusste nicht, wie weit sie gekommen waren, als ihr Ende besiegelt wurde. Die Landschaft sah hier überall
gleich aus. Aber als sie anhielt und sich zu Zachary umdrehte, schwankte dieser plötzlich. Bevor er in sich zusammenbrach, war sie schon bei ihm und fing den bewusstlosen Jungen auf. Einen Herzschlag lang wusste sie nicht, was sie tun sollte. Und so stand sie, Zachary im Arm, mitten im Sturm. In einer Welt, die nur aus ihnen und endlosem Weiß zu bestehen schien… Eden wich bis an eine Schneewehe zurück, die wenigstens etwas Schutz vor dem Wind bot und grub rasch eine kleine Mulde. Ihre Finger waren taub und sie fürchtete, nun auch einige davon einzubüßen. Was ihre Zehen anbelangte, war sie sich mittlerweile sogar sicher,
dass mehrere davon gefroren sein mussten.
Sie duckte sich in den notdürftigen Unterschlupf und zog Zachary an sich.
Sie würden hier draußen sterben.
EagleWriter So in der Richtung wie ? Wobei Eden noch genug eigene Probleme hat. Jetzt kommt die Story mal ein wenig ins Rollen. lg E:W |
abschuetze Natürlich würden sie nicht sterben, denn wie hast du letztens gesagt, dann wäre das Buch zu Ende.^^ |
EagleWriter ^^ Sicher. Aber jetzt lass es mich doch mal Spannnend machen ^^ lg E:W |
abschuetze aprpos spannend, es hatte nicht zufällig Walter etwas mit dem "Überfall" zu tun? |
abschuetze musst mir nix verraten |
EagleWriter Ich darf sagen . Definitiv nicht. Vor allem, weil er seine Flucht für den Rest seines Lebens bereut. ( Er tauch noch in einem anderen Roman wieder auf, der um die 5 Jahre später spielt) |