Nachdem sie grade der Sklaverei entkommen ist und dabei unfreiwillig den jüngsten Spross einer mächtigen Adelsfamilie entführt hat, findet sich Eden nach einigen Wirren in der Crew des grausamen und berüchtigten Piratenkapitäns Vance Livsey wieder. Dieser besitzt den Schlüssel zu einem unvorstellbaren Schatz. Eine unberührte Stadt des legendären alten Volkes, die sich auf einer Insel weit draußen im unerforschten Weltmeer befinden soll. Mit dem Erlös der gefundenen Artefakte, könnte Eden sich selbst freikaufen.
Doch sie sind nicht die einzigen, die von der Insel wissen. Der mächtig Sanguis-Orden, die Gemeinschaft der Zauberer Cantons, ist ihnen dicht auf den Fersen.
Coverbild : Wolfgang Pfensig / pixelio.de
Eden wartete. Das einzige Geräusch, das die Stille durchbrach, war das Geräusch des Schmelzwassers, das von den Wänden tropfte. Müdigkeit und Schmerzen ließen die ganze Welt um sie herum unwichtig und weit weg erscheinen. Schließlich jedoch durchbrach Andre de Immersons Stimme das Schweigen. Er stellte das Gewehr ab. „Und erklärst Du mir auch, wieso ich sie nicht einfach töten sollte?, wollte er wissen. Dieses Vieh hat jetzt wirklich genug Ärger verursacht.“ Eden hätte nie
gedacht, dass der Mann jemals freundlich klingen könnte. Aber bei dem Jungen schien sich seine Laune zumindest ein wenig aufzuhellen. „Mehr noch, sie hat einen Zauber hier herein geschmuggelt. Was hätte passieren können, wenn sie das Haus in Brand gesteckt hätte?“ Zachary zögerte mit einer Antwort. „Aber… ich habe ihr doch den Kristall gegeben.“ „Wie bitte? “ „Und ich hab sie auch aufgehalten.“, erklärte er mit fester Stimme. „Deshalb hat sie den Brief nicht überbracht. Es ist schlicht nicht ihre Schuld.“ Andre drehte sich zu Eden um. „Stimmt das? Du kannst mich nicht
anlügen, also… stimmt das?“ Sie wusste einen Moment nicht, wie sie antworten sollte. Tatsächlich konnte sie sogar sehr wohl lügen. Das wusste aber der Lord zu ihrem Glück nicht. „Es ist wahr.“ Bis auf, das sie ohne Zachary nicht bloß schlicht zu spät gekommen wäre… sie läge jetzt tot auf dem Dachboden des Herrenhauses. Und ohne den Kristall jetzt wohl im Magen einer Riesenspinne. Sie schuldete dem Kleinen was, dachte sie. Andre raufte sich die Haare, bevor er das Gewehr mit einem Tritt in die nächste Ecke beförderte. „Du lügst.“ Stellte er schlicht und ergreifend fest.
Der Faustschlag traf Eden nicht unerwartet, aber brachte sie trotzdem dazu zusammenzuzucken. Eden konnte nur noch müde darüber lächeln. Glaubte dieser Irre eigentlich immer noch, es kümmerte sie, was mit ihr geschah? Ihr Tod stand nach wie vor als wahrscheinlichste Option im Raum. Bevor Andre wieder zuschlagen konnte, stellte sich ihm jedoch Zachary in den Weg. Es war ein seltsamer Anblick, den erwachsenen Mann und das halbe Kind direkt gegenüber zu sehen. „Das ist ungerecht, hör endlich auf damit. Ich hab dir gesagt, dass sie nicht Schuld ist.“ „Von wegen. Ich werde nicht
zulassen, dass Du für irgendeinen Niemand lügst.“ Der Lord trat wie beiläufig an Zachary vorbei. „Und ich werde die Wahrheit schon erfahren…“ er machte wieder einen Schritt auf Eden zu… bevor er jedoch weit kam, schubste der Junge den stärkeren Mann zurück. Und was eigentlich nicht hätte möglich sein sollen geschah. Andre flog mehrere Schritte durch den Raum, als hätte ihn die Faust eines Riesen und nicht die eines Kindes getroffen. Der Adelige schlug hart auf dem Boden auf und schlitterte noch ein gutes Stück weiter, bis er endlich liegen blieb. „Ich habe gesagt aufhören!“ Eden hätte niemals gedacht, das sie je
Angst vor einem Kind haben könnte. Doch Zachary war etwas mehr als das. In seinen Augen tanzten wilde Funken und seine geballten Fäuste zitterten. Flammen tanzten über seinen Handrücken, so als könnte er den Strom der Magie, der durch seine Adern floss nur mühsam unter Kontrolle halten. Andre richtete sich schwerfällig wieder auf und noch während der Lord wieder auf die Beine kam, tauchten Varia und Walter im Gang hinter den Toren auf. „Götter, was ist denn hier los?“ , wollte der junge Mann wissen. Offenbar kam Walter direkt von draußen, denn neben einem schweren Wollmantel, der
über seine normale Kleidung fiel, trug er noch ein Barett, auf dem sich Schnee gesammelt hatte. „Nichts, dass irgendjemanden von Euch etwas angeht.“, erklärte Andre entnervt, bevor sich sein Blick auf Eden fokussierte. Die brennende Wut darin hätte jemand anderen zum wegsehen gebracht. Die Gejarn jedoch hielt dem Blick stand und sah direkt zurück. Schließich war es Andre, der sich abwandte. „Also gut. Sieht wirklich aus, als hättest Du nochmal Glück gehabt. Fürs Erste….“ „Andre, was ist passiert?“ , verlangte Varia nun zu wissen. „Nichts.“, wiederholte er nur noch
einmal. „Und Ihr reist in ein paar Tagen mit Zachary ab. Zur Festung des Sangius-Ordens. Die verfluchten Zauberer warten nicht ewig. Und wenn Ihr das tut…“ er deutete auf Eden. „Nehmt dieses… Ding da bloß mit.“ Mit diesen Worten drehte Andre sich um und stürmte, in Begleitung seiner Wachen, aus dem Raum. Eden versuchte aufzustehen und stellte fest, das ihr das nur mit Schwierigkeiten gelang. Der Boden schien viel zu weit entfernt, als die Gejarn sich schließlich aufrichtete. Sie schwankte, doch bevor sie stürzen konnte, hielt Walter sie am Arm fest. „Hey, Hey, ganz vorsichtig.“
Zu ihrer eigenen Überraschung empfand Eden tatsächlich einen kurzen Anflug von Dankbarkeit. Gleich gefolgt von dem Gedanken, ob es den Versuch wert wäre, den Kopf des Mannes gegen die Felsen zu schmettern. Dankbarkeit… für etwas, auf das jeder ein Anrecht haben sollte. Sie wehrte die Hand des Mannes ab und machte einige stolpernde Schritte in Richtung der Türen. Varia sah sich mit versteinerter Miene zwischen den Versammelten um. „Nun wenn das geklärt wäre, zurück mit ihr in die Küche. Das Abendessen wartet nicht.“ Eden erwiderte nichts. Wozu auch. Es hatte sich absolut nichts geändert. Nicht
das Geringste… mit den anderen kehrte sie über Treppen und Gänge wieder in das Herrenhaus über den alten Minen zurück. Der Koch sagte kein Wort, als sie in ihrem Zustand in die Küche stolperte. Er bedeutete ihr lediglich sich in eine Ecke zu setzen und zu warten. Vermutlich konnte ihr jeder ansehen, was sie durchgemacht hatte. Und die geflüsterten Gerüchte, dass jemand die Katakomben überlebt hatte, begleiteten sie, seit sie wieder die belebteren Teile des Hauses betreten hatte. Eden kümmerte das alles nicht. Sie schloss einfach die Augen und schlief schließlich ein, ohne es zu wollen. Das hier nahm einfach kein Ende….
Die nächsten Tage verliefen erstaunlich ruhig. Eden begegnete kaum noch einem der Familienmitglieder, vom Abendessen abgesehen, um das sie sich nach wie vor kümmern musste. Offenbar rückte der Tag von Zacharys Abreise nun immer näher. Eine Unmenge fremder Leute tauchten im Herrenhaus auf und verschwanden wieder. Pferde, Schlitten und Kutschen fuhren im Innenhof auf und wurden überprüft, während es in der Küche geschäftiger wurde denn je. Vor allem die Frage, wie viele und ob man überhaupt Vorräte für die Reise brauchte wurde schnell zum einzigen Thema, das die Verwalter und Köche beschäftigte. Eden hielt sich aus allem raus. Wenn
Andre seine Aufforderung wahr machte, sie mit Walter und Varia zu schicken, würde sie zumindest nicht alleine mit dem Lord hier zurück bleiben. Auch wenn der Mann mittlerweile darauf achtete, das Zachary nicht mitbekam, wenn er sie schlug… hier zu bleiben wäre ihr Tod, da war sie sich ganz sicher. Hingegen mit dem Rest des Adelshauses in die Berge zu reisen, in denen der Sitz des Sangius-Ordens lag, das war vielleicht genau das, auf was sie gewartet hatte. Entkommen… jetzt wo sie den Plan einmal gefasst hatte, würde sie auch einen Weg finden, da war Eden sich sicher. Auch wenn sie vielleicht nicht weit kam, sie musste es einfach
versuchen. Und eine solche Gelegenheit würde so schnell nicht wieder kommen. Die Wächter, die sie begleiten würden, hatten sicher besseres zu tun, als auf eine einzelne Sklavin zu achten, deren verschwinden, Lord Andre vermutlich noch belohnen würde. Nur um Zachary würde es ihr irgendwie leidtun. Der Orden war dafür berüchtigt, das er kaum Rücksicht auf seine Mitglieder nahm, wenn das irgendwie seinen Zielen diente. Magie war die Faust des Kaisers. Eine Waffe, die vor allen im Krieg mit Laos gebraucht wurde. Hier oben im Norden, hörte man bestenfalls Gerüchte über die Bemühungen des Imperiums, sich die
Wüsten und Steppen einzuverleiben, die das Reich der Laos-Kultisten bildeten. Im Augenblick waren die Fronten wohl eingefroren und keine Seite konnte mehr Boden gutmachen oder zurückgewinnen. Kaiser Konstantin Belfare hatte es sich offenbar zum Ziel gemacht, die südlichen Länder hinter den großen Grenzflüsse, unter seine Kontrolle zu bringen. Etwas, an dem seine Vorgänger bisher gescheitert waren. Und Eden konnte es egal sein, ob diese Pläne aufgingen, oder ob das Kaiserreich von Canton einen Schlag einstecken musste. Viel interessanter war, dass ihr Aufbruch nun endlich in greifbare Nähe rückte. Wie es aussah,
klarte das Wetter in den Bergen jenseits von Silberstedt langsam auf und die Pässe wurden jetzt jeden Tag zugänglicher. Und dann war es schließlich soweit. Der Aufbruch erfolgte frühmorgens, als die Welt draußen noch in grau gehüllt war. Eden war schon seit einigen Stunden auf den Beinen, erledigte Botengänge und leichtere Arbeiten und wartete darauf, dass es losging. Ihre Wunden waren noch nicht richtig verheilt und schmerzten nach wie vor. Vor allem die Fänge der Spinne hatten tiefe Narben auf ihrem Rücken hinterlassen. Aber wenn sie erst einmal hier raus wäre….
Auf dem Hof sammelten sich neben einer kleinen Gruppe Wächter, alle, die sie auf der Reise begleiten würden. Einige Diener und Beamte… und natürlich Walter, Varia und Zachary. Andre, der auf den Stufen am Eingang zum Herrenhaus zurück blieb, schien froh zu sein, dass sie endlich verschwanden. Etwas, das auf Gegenseitigkeit beruhte, dachte Eden, als sie schließlich aufbrachen. In einer langen Kolonne, zog das Gefolge durch die Straßen Silberstedts. Die Gejarn sah sich mit einer Spur Neugier um. Bisher hatte sie die Stadt nur aus der Ferne gesehen und einmal bei ihrer Ankunft hier. Der allgegenwärtige
Geruch von brennendem Fichtenholz war nach wie vor allgegenwärtig und zog durch die gepflasterten Straßen. Einige Bewohner, die als Schutz vor der schneidenden Kälte in dicke Pelzmäntel gehüllt waren, sahen den Vorbeiziehenden nach. Auch wenn ihr nach wie vor jeder Schritt weh tat und ihre Muskeln rasch anfingen zu brennen, es tat gut unterwegs zu sein. Endlich etwas zu tun, von dem sie glaubte, es könnte sie weiterbringen hatte etwas unglaublich befreiendes. Die Gejarn ging mit den letzten Nachzüglern und versuchte sich wieder einmal so unauffällig wie möglich zu verhalten. Am besten wäre
es, wenn die meisten gar nicht wirklich registrierten, dass sie sie begleiten sollte. Dann würde auch ihr späteres Verschwinden nicht so schnell auffallen. Als sie die Tore der Stadt passierten begann es zu schneien. Anfangs nur einzelne Flocken, die vom grauen Himmel fielen. Die im Wind tanzenden Eiskristalle segelten bald überall um Eden herum zu Boden und bedeckten die Straße der sie folgten unter einer feinen Pulverschicht. Die vereinzelten Wälder um Silberstedt waren ruhig und verlassen. Tannen standen dicht an dicht und hüllten alles jenseits des schmalen Wegs, dem sie folgten, in Finsternis. Nur ab
und an ächzte ein Ast unter der Schneelast auf seinen Zweigen. Eden sog die klare Luft ein und sah einen Moment zurück nach Silberstedt. Der Weg dem sie folgten, verlief in Serpentinen immer weiter nach oben und die Stadt wirkte aus der Ferne nun schon beinahe winzig. Die Berggipfel, die vor ihnen und um die Metropole herum aufragten hingegen, hatten etwas Ehrfurcht gebietendes. Als würde man einen Blick auf die Stützen der Welt werfen. Wenn es nach ihr ginge, dachte die Gejarn, wäre das hier das letzte, was sie je von diesem Ort sah. Und wenn sie doch noch einmal hierhin zurückkehrte,
dann nur mit einem Dolch, der für Andre de Immerson bestimmt wäre. Und einem zweiten für Varia…. Die Straßen wurden nun schnell steiler, während die Täler Silberstedts endgültig hinter ihnen zurück blieben. Felsen ragten auf einer Seite des Wegs in die Höhe, während auf der anderen, Klippen in die Tiefe führten. In Stein geschlagene Stufen zogen sich scheinbar endlos die Granitflanken der Berge hinauf. Eden geriet schnell außer Atem und die Kälte begann sich bemerkbar zu machen. Zwar trug sie einen zerlumpten Wollmantel, den irgendjemand für sie aufgetrieben hatte, aber der hatte mehr Löcher als Stoff. Und damit dem
Bergwind leider nicht viel entgegenzusetzen. Hinzu kam, dass der Schneefall nun zunehmend dichter wurde, je höher sie kamen. Eden konnte die Rufe der Zugführer hören, die den anderen den Weg wiesen. Und doch schloss sich langsam aber sicher ein Vorhang aus weiß um Eden und die kleine Gruppe, die sie schließlich noch sehen konnte. Der Wind peitschte den Schnee zu kleinen Hügeln auf der Straße auf, über die sie hinweg klettern musste. Ihre Füße sanken im pulvrigen Untergrund ein und jeder Schritt kostete mehr und mehr Mühen. Irgendwann blieb sie schließlich stehen und sah sich um. Die
Straße war vollständig unter den Schneemassen verschwunden. Eden schirmte die Hand mit den Augen ab. Sie konnte bestenfalls ein paar Schritte weit sehen. Sie lauschte, ob sie irgendwo die Rufe der anderen hörte. Nichts… Nur das Heulen des Winds. Keine Pferde, keine gesprochene Worte, nicht einmal Schritte.
Eden zog den löchrigen Mantel enger um sich. Sie war alleine….
EagleWriter Zählt der dann eigentlich als eine Gejarn-Variante ?^^ lg E:W |
abschuetze Aber sicher. Der Bigfoot lebt und ein Yeti ist die nordische Variante davon^^ PS: Vielleicht nochmals drüberlesen? Zwei Kapitel hintereinander und der Fehlerteufel schlägt besonders oft zu ;-) |
EagleWriter mach ich gleich mal. lg E:W |