Nachdem sie grade der Sklaverei entkommen ist und dabei unfreiwillig den jüngsten Spross einer mächtigen Adelsfamilie entführt hat, findet sich Eden nach einigen Wirren in der Crew des grausamen und berüchtigten Piratenkapitäns Vance Livsey wieder. Dieser besitzt den Schlüssel zu einem unvorstellbaren Schatz. Eine unberührte Stadt des legendären alten Volkes, die sich auf einer Insel weit draußen im unerforschten Weltmeer befinden soll. Mit dem Erlös der gefundenen Artefakte, könnte Eden sich selbst freikaufen.
Doch sie sind nicht die einzigen, die von der Insel wissen. Der mächtig Sanguis-Orden, die Gemeinschaft der Zauberer Cantons, ist ihnen dicht auf den Fersen.
Coverbild : Wolfgang Pfensig / pixelio.de
Eden wirbelte herum und schlug gegen die Tore. Letztlich vergeblich. Das Holz mochte alt wirken, war aber nach wie vor stabil. Kein durchkommen. Und niemand reagierte auf ihre Rufe…. Die Gejarn hielt inne. Das brachte definitiv nichts, sagte sie sich, während sie sich umdrehte. Und ihr Gefängnis betrachtete. Oder… war es überhaupt eines? Die Felswände hier waren unbearbeitet, nur hier und da gab es Werkzeugspuren… fast so als wäre das hier eine natürliche Höhle. Die Kammer, in der sie sich befand, war vielleicht
fünfzig Schritte breit. Moose und Farne, die der eisigen Kälte trotzten, wucherten an den Wänden. Zwei Tunnels, die in Schatten lagen, führten links und rechts von ihr weiter. Und über ihr, kam Licht durch ein großes Gitter herein…. Zum klettern war es viel zu hoch, mal davon abgesehen, das ihr jeder Knochen schmerzte. Verflucht, diesmal hatte Andre sie wirklich erwischt. Das waren nicht mehr nur blaue Flecken, stellte sie beunruhigt fest. Ihr Brustkorb schmerzte bei jedem Atemzug. Eine angebrochene Rippe und das auch nur, wenn sie Glück hatte. Fühlte sich eher wie mehr an…. Vor dem Licht oben gab es eine Bewegung. Großartig, also beobachtete
sie jetzt auch noch jemand. Und wenn das nicht Lord Andre war, wusste sie auch nicht wer. Verfluchter Bastard…. „Hey, was soll das, soll ich hier unten verhungern? Habt Ihr nicht mal den Mut, es selber zu Ende zu bringen?“ Es hatte spätestens jetzt keinen Sinn mehr, sich zurückzuhalten. Sollte er nur wissen, was sie von ihm hielt, wenn sie hier schon sterben musste…. Eden erhielt keine Antwort. Sei‘s drum. Sie würde auch nicht hier sitzen bleiben. Zwei Gänge. Eigentlich war es töricht zu hoffen, dass es einen Ausgang gab. Man hätte sie sicher nicht hier herunter gebracht, wen dem so war. Aber zu warten, das wäre auch sinnlos.
Vielleicht fand sich irgendetwas. Und wenn es nur reichte um die verfluchte Tür aufzubrechen…. Blieb nur noch die Frage, ob nach links oder rechts. Beide Gänge sahen auf den ersten Blick fast gleich aus. Letztendlich ging sie nach links. Verwitterte Holzbalken stützten den Tunnel, dessen Decke so niedrig war, das sie sich ducken musste. Unter ihren Füßen knirschte Kies und im schwachen Licht, das aus der Hauptkammer bis hierhin drang, konnte sie verrostete Schienen erkennen. In den Wänden glitzerte schimmerndes Erz. Das musste eine alte Silbermine sein. Eine der Grundlagen für Silberstedts Reichtum…
aber dieser Ort sah so aus, als wäre er seit Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten, verlassen. Wenigstens wurde es wärmer. Erfrieren wurde damit schon einmal unwahrscheinlicher. Wasser lief nun an einigen Stellen die Wände hinab. Also würde sie auch nicht verdursten, dachte Eden. Rasch schöpfte die Gejarn mit einer Hand Wasser und spritzte sich eine Handvoll ins Gesicht. Es war eiskalt, aber wenigstens brachte sie das wieder etwas weiter zu Bewusstsein. Und betäubte ein wenig die Schmerzen. So schlecht sah es bisher gar nicht aus. Sicher, es gab nach wie vor keinen sichtbaren Ausgang… aber sie würde hier unten nicht sterben.
Zumindest nicht direkt. Verhungern war nach wie vor ein Problem, aber Eden hatte schon Tage ohne Essen überstanden. Sie kam an einer verlassenen Lore vorbei, die mitten auf den zerfallenen Schienen stand. Mehrere leckgeschlagene Behälter standen im Inneren des Gefährts. Eine dunkle Masse war daraus ausgelaufen und bedeckte den Boden. Petroleum oder Walöl…. Das Zeug stand in Pfützen auf dem Boden und schien sich über den ganzen Tunnel zu verteilen. Der Geruch zumindest, war überall. Hier war wirklich seit Ewigkeiten niemand mehr gewesen. Mal von Krabbelvieh ausgenommen….
Eden wischte ein paar Spinnweben beiseite, die die Tunnelwände bedeckten und wie Tropfsteine von der Decke hingen. Und selbst der Boden schien damit bedeckt. Die klebrigen Fäden wieder von ihren Füßen abzuschütteln wurde eine echte Herausforderung, während sie ihren Weg fortsetzte. Wenigstens wichen die Tunnelwände jetzt weiter zurück und gaben nach einem Stück weiteren Weg den Blick frei in eine weitere Höhle. Auf der anderen Seite führte ein weiterer Tunnel wieder hinaus. Die Ölspur und die verrosteten Schienen führten dazwischen weiter. Aber Geister, was war das für ein Ort? In den Wänden schimmerte, überzogen
von weiteren Spinnweben, erneut Silbererz. Aber diesmal in großen Lagerstätten, die sich, hoch und breit wie Häuser, im Stein abzeichneten. Hier unten lag noch ein kleines Vermögen, eingebettet im Fels. Warum sollte das jemand hier zurücklassen? Eden erhielt ihre Antwort wenige Schritte später, als etwas unter ihrem Fuß zersprang. Unter dem weißen Gewebe am Boden hatte sie es nicht rechtzeitig erkannt…. Knochen… sie drehte sich im Kreis. Überall. Die gesamte Kammer war voll mit Überresten, wenn man sie denn einmal bemerkte. Kleine Hügel, die sich unter den Spinnweben abzeichneten. Wie
viele?, fragte sie sich heimlich. Hundert, zweihundert Körper ? Eden wollte es überhaupt nicht wissen. Und noch weniger wollte sie herausfinden, was dafür verantwortlich war…. Die waren hier sicher nicht alle einfach verhungert oder sie hätte schon vorher welche gefunden. Eden hielt den Blick jetzt streng auf den zweiten Tunnel gerichtet. Nichts wie raus hier, sagte sie sich. Es fiel ihr schwer ruhig zu bleiben und obwohl sie es besser wusste, fing sie an zu rennen. Alles war besser, als eine Sekunde länger hier zu bleiben. Die Schatten schienen sich plötzlich zu verschieben. Über ihr…. Eden zwang sich, nicht hinzusehen.
Ein paar Schritte noch und sie könnte in den Gängen verschwinden. Dann jedoch geschah es. Sie trat auf einen weiteren Knochen. Doch dieses Mal zerbrachen die Überreste nicht. Stattdessen rollten sie unter ihr weg. Eden strauchelte… und schlug der Länge nach auf dem Boden auf. Jetzt war ihr Blick zwangsweise genau nach oben gerichtet. Geister, Götter und Ahnen… im Geist ging sie alle göttlichen Wesen durch, die sie kannte. Das war doch ein böser Scherz. Was sich da an der Decke bewegte, war eine Spinne… aber eine, die einem ausgewachsenen Schlachtross der kaiserlichen Armee Konkurrenz hätte machen können. Eden hatte niemals
Angst vor Spinnen gehabt. Bis zu genau diesem Augenblick. Die Fänge des Dings troffen voller Gift. Dunkle Borsten bedeckten den Körper und hatten es, bis es sich bewegt hatte, eins mit den Schatten werden lassen. Sie musste hier weg. Sofort. Das waren die einzigen klaren Gedanken, die sie noch formulieren konnte. Eden wollte aufspringen, wurde aber von den Spinnweben am Boden zurück gehalten. Geister, das Zeug band einen wie Stahlseile. Nur langsam, zäh wie Teer, rissen die einzelnen Seile. Viel zu langsam, wie ihr mit einem Blick nach oben klar wurde. Die verdammte Kreatur kletterte grade die Wand zu ihrer
Rechten hinab. Sie hatte was? Noch ein paar Herzschläge, bevor es über ihr wäre? Sie würde hier sterben. Der Gedanke durchzuckte sie wie ein Stromstoß. Sie konnte nicht weglaufen. Das einzige, was sie bewegen konnte, war eine Hand…. Der Feuerstein den Zachary ihr gegeben hatte. Das Juwel war nach wie vor in ihrer Tasche. Wenn sie schnell war und die Fäden einfach wegbrannte, die sie an den Boden fesselten…. Ihre Hand schloss sich um den Kristall. Der Geruch von Öl stieg ihr in die Nase. Die Höhle war, wie die Tunnel, voll davon. Genau wie die Fäden, die sich sicher damit vollgesogen hatten.
Verflucht, vermutlich würde sie sich selbst verbrennen. Aber… ein Blick herauf zu dem, nun gefährlich nahen Monster sagte ihr, das das besser wäre, als die Alternative. Sie schnippte gegen den Stein, der sofort lichterloh in Flammen stand. Das Licht des Feuers war in der Dunkelheit gleißend und blendete sie einen Moment. Jetzt. Sie hatte keine Zeit mehr zu warten. Eden hielt den brennenden Stein an die Netze, die sie gefangen hielten. Wenn sie hier irgendwie wieder herauskam, würde sie Lord Andre de Immerson mit bloßen Händen erwürgen. Die Flammen fraßen sich sofort durch die Spinnweben und Eden sprang noch im gleichen
Augenblick auf. Feuer griff nach ihrem Fell und versengte ihr Haar, das teilweise in Brand geriet. Egal, sagte sie sich. Nur weiterrennen. Und nicht umdrehen…. Das nun einmal entfachte Feuer griff auf die Ölspur über und breitete sich mit rasender Geschwindigkeit in der Kammer aus. Eden konnte hinter sich einen grauenhaften Schrei hören. Gut so. Hoffentlich verbrannte das Vieh langsam. Nun drehte sie sich doch um. Statt ihr den Gefallen zu tun und einfach zu verbrennen, war ihr die Spinne jetzt wieder dicht auf den Fersen. Giftzähne, so groß wie ihr Unterarm schnappten
nach ihr. Eden warf sich zur Seite, konnte dem Angriff aber nicht ganz entgehen. Die Klauen trafen sie nicht direkt, schlugen sich aber trotzdem noch in ihren Rücken und hinterließen tiefe, blutende Wunden. Brennender Schmerz schoss sofort durch ihren ganzen Körper, aber sie achtete nicht darauf. Weiterlaufen hatte keinen Zweck mehr. Sie packte den nach wie vor lodernden Feuerstein und wirbelte herum. Das Monster war keine Armlänge mehr entfernt und so schmetterte sie dem Ding das brennende Juwel direkt gegen den Kopf. Das glühend heiße Kristall steckte die Borsten der Kreatur sofort in Brand und
mit einem Heulen wich sie endlich zurück. Durch die mittlerweile die halbe Höhle ausfüllende Flammenwand…. „Dein Abendessen musst du dir schon verdienen.“, knurrte Eden. Es reichte ihr endgültig. Und tatsächlich wich die Spinne jetzt vor ihr zurück, als die Gejarn einen Schritt auf sie zumachte. Dieses Ding hatte Angst vor ihr. Gut so… um sich vor dem Feuer zu retten kletterte das Monster jetzt langsam wieder die Wand hinauf. Die Gejarn wendete sich ab. Sie musste hier raus. Sie hatte leider nicht den Luxus einfach nach oben zu verschwinden. Stattdessen hielt sie wieder auf den zweiten Tunnel zu, der
aus der Höhle führte. Das Feuer war jetzt überall und die Flammen griffen nach ihrer Kleidung. Eden machte einen letzten Satz nach vorne… und landete schmerzhaft auf dem sicheren Tunnelboden. Sie rollte sich rasch ab um alle eventuellen Flammen zu löschen, bevor sie einen Moment auf dem Rücken liegen blieb. Ihr Blickfeld verengte sich und die Welle aus Müdigkeit, die über sie schwappte war mehr als nur schlichte Erschöpfung. Hatte sie vorher jeden Knochen gespürt, so fühlte sie jetzt bestenfalls ein Gefühl tiefer Ruhe. Alles war schon so weit weg…. Eden zwang sich mit purer
Willenskraft, die Augen offen zu halten. Und stand schwankend wieder auf. Entweder war der Biss der Spinne giftig oder der Rauch nahm ihr langsam das Bewusstsein. Aber wenn sie jetzt stehen blieb… dann war es vorbei. Unsicher setzte sie einen Schritt vor den anderen. Der Tunnel beschrieb einen weiten Bogen nach rechts, wie sie schnell feststellte. Und sie fürchtete bereits, was das bedeuten konnte…. Trotzdem schleppte die Gejarn sich weiter. Doch nach einer Weile gab es schließlich keine Zweifel mehr. Wenigstens wusste sie jetzt, wohin der zweite Tunnel geführt hätte. Sie war wieder genau da, wo sie angefangen
hatte. Sie war nach links gegangen… und kam nun von rechts zurück. Die Lichtstrahlen, die von oben durch die Gitter fielen, waren nun schon deutlich schwächer. Es musste endgültig dunkel werden. „Hey!“ Eden musste sich anstrengen um sich verständlich zu machen. Ihr Hals war trocken und mittlerweile zitterte sie nicht nur vor Kälte, endlose Müdigkeit, Schmerzen, Todesangst und das Dutzend kleinerer und größerer Verletzungen, die sich über ihren ganzen Körper zogen, das alles hatte seinen Tribut gefordert. „Ich glaube Euer verdammtes Haustier hat grade ein wenig den Appetit verloren, Andre!“
Eden war unsicher, was geschehen würde. Ob man sie einfach ignorieren würde. Oder ob der Lord nicht einfach eine Handvoll Wachen hier runter schickte, um es selbst zu Ende zu bringen. Nur über eines war sie sich ganz sicher. Sie wollte hier raus… und besser noch, wenn sich ihr die Gelegenheit bot, weg von hier. Jeder Fluchtversuch würde vermutlich nur mit ihrem Tod enden. Aber es wäre besser, es wenigstens zu versuchen, als einen Augenblick länger als nötig in diesem Haus zu bleiben. Sie wollte leben. Überleben. Sie konnte nicht darauf hoffen, das innerhalb dieser Mauern zu tun. In jedem anderen Haushalt, selbst
beider zerstörerischen, brutalen Minenarbeit hätte sie eine Chance. Aber nicht hier…. Nach einiger Zeit des Wartens, wurden schließlich die Tore aufgerissen und acht oder mehr uniformierte Wächter strömten in die Höhle. Gewehrmündungen wurden zusammen mit Klingenspitzen auf sie gerichtet. Eden umklammerte den brennenden Stein in ihrer Hand. Andre de Immerson folgte in kurzen Abstand. „Fallen lassen.“, verlangte einer der Soldaten und deutete auf den Zauber. Sie reagierte nicht. Sicher, der Kristall war keine Waffe, aber besser als nichts.
Schließlich jedoch, ließ sie das Juwel los, das auf den Boden fiel und in tausend Scherben zersprang, die noch einmal kurz aufleuchteten… und dann zu Asche zerfielen. Bevor Eden noch reagieren konnte, bekam sie einen Tritt in die Kniekehlen, der sie auf die Knie zwang. Andre riss derweil einen seiner Wächter die Muskete aus den Fingern. „Es war wohl sogar noch zu viel verlangt, darauf zu hoffen, dass Ihr einfach sterbt wie all die anderen. Nein, man muss Euch erschießen wie einen tollwütigen Hund.“ Der Lord legte mit der Waffe auf sie an. Auf die Entfernung konnte er gar
nicht verfehlen.
„Wartet.“ Andre drehte den Kopf zu der unerwarteten Stimme herum und auch Eden blinzelte verwirrt, als die Gewehrmündung vor ihrem Gesicht verschwand. Zumindest für den Moment.
Zachary ? Wussten die Ahnen, was den jungen Magier hier herunter trieb, Eden war nur froh, dass ihre Hinrichtung scheinbar noch einmal verschoben war. Die Frage blieb nur… für wie lange.
EagleWriter Es wird zumindest nicht sehr viel besser, auch wenn zumindest riesige Arachnidae in Canton eher selten sind :-) lg E:W |
abschuetze Zachary ist ein sympathisches Kerlchen..., denke ich^^ |
EagleWriter An sich ja. :-) Auch wenn des ebenfalls nicht zu einfach hat. lg E:W |