Nachdem sie grade der Sklaverei entkommen ist und dabei unfreiwillig den jüngsten Spross einer mächtigen Adelsfamilie entführt hat, findet sich Eden nach einigen Wirren in der Crew des grausamen und berüchtigten Piratenkapitäns Vance Livsey wieder. Dieser besitzt den Schlüssel zu einem unvorstellbaren Schatz. Eine unberührte Stadt des legendären alten Volkes, die sich auf einer Insel weit draußen im unerforschten Weltmeer befinden soll. Mit dem Erlös der gefundenen Artefakte, könnte Eden sich selbst freikaufen.
Doch sie sind nicht die einzigen, die von der Insel wissen. Der mächtig Sanguis-Orden, die Gemeinschaft der Zauberer Cantons, ist ihnen dicht auf den Fersen.
Coverbild : Wolfgang Pfensig / pixelio.de
Der Speisesaal war eine kleine, holzgetäfelte Halle. Eine Wand wurde fast vollständig von einem gewaltigen Kamin eingenommen, in dem halbe Fichtenstämme verbrannten. Trotz der Flammen war es nach der Küche angenehm kühl hier, dachte Eden. Ein hölzerner Tisch nahm die Mitte des Raums ein. Daran saßen über die ganze Länge verteilt, Andre, Varia, Walter und schließlich als der letzte im Bunde Zachary. Es gab weitere Stühle,
die jedoch unbesetzt blieben. Entweder für Gäste oder weitere Mitglieder des Adelshauses von Silberstedt. Eden tat ihr bestes, niemanden direkt anzusehen. Achte nur darauf, wo du langgehst…. Es war ihr schnell aufgefallen, dass die meisten Menschen kaum Notiz von ihr nahmen, solange sie sich unauffällig genug verhielt. Mehr noch, die meisten taten grade so, als wären die Sklaven eines Haushalts Luft. Vielleicht funktionierte das auch hier. Zumindest die Gespräche gingen weiter. „Wir werden und dem Orden beugen müssen, fürchte ich.“, meinte Andre de Immerson grade. „Ich habe bereits einen
Termin für die Abreise festgesetzt.“ Walter sprang fast im selben Moment von seinem Platz auf. „Ihr wagte es nicht, Zachary einfach auszuliefern!“ „Ich fürchte doch. Tatsächlich dachte ich sogar, dass ich Euch dafür aussende. Aber Ihr seid zu weich, Walter.“ „Lass ihn bloß.“ , erklärte Varia. „Sei lieber froh…“ Sie verstummte im Satz und ihr Blick wanderte zu Eden Andre de Immerson schnaubte lediglich verächtlich als er die Gejarn bemerkte und sah misstrauisch zu Varia herüber. Geister, die Mienen kamen Eden mittlerweile wirklich wie die bessere Option vor. Es wäre schneller vorbei, als das Ziel des Zorns und des Streits dieser
beiden zu sein…. Eden trat vorsichtig an den Tisch heran und stellte den ersten Topf so leise wie möglich ab. Gib ihnen einfach keinen Grund überhaupt zu merken, dass du da bist. Denk nicht darüber nach, wie aussichtslos das alles ist, wag dich auch nur einen Moment daran zu denken, dass dein Leben nicht mehr dir gehört…. Sie machte einen vorsichtigen Schritt… und stolperte plötzlich über etwas. Ein Fuß… einen Moment schwankte alles, sie drehten den Kopf und sah dabei in das Gesicht einer schwach schmunzelnden Varia de Immerson. Verfluchte… Eden konnte nicht einmal den Gedanken zu Ende
bringen, als sie endgültig das Gleichgewicht verlor. Sie hatte ihr ein Bein gestellt… sie hatte…. Der Topf fiel ihr aus der Hand und der komplette Inhalt ergoss sich über Walters Hemd . Zum zweiten Mal an diesem Abend sprang der Mann auf. „Götter, verflucht nochmal.“, rief er, während Eden zu Boden stürzte. Halb erwartete sie schon, einen Tritt abzubekommen und kauerte sich instinktiv zusammen um sich wenigstens etwas vor dem zu schützen, was folgen musste. Nur lass ihn mich nicht umbringen, dachte sie. Gefolgt von der Frage, die sie nicht wagte zu stellen… warum überhaupt noch leben wollen,
warum nicht hoffen, das gleich alles vorbei war? Sie fürchtete die Antwort, fürchtete, dass es keinen Grund gab, noch mehr als die Schläge. „Das sowas auch mir immer passieren muss.“, murmelte Walter lediglich, während die Gejarn es nach wie vor nicht wagte, sich zu bewegen. Eine Spur Selbstironie schwang in seiner Stimme mit.Eden blinzelte verwirrt, als eine ausgestreckte Hand vor ihrem Gesicht auftauchte. „Komm, auf die Füße mit Dir.“ Sie zögerte einen Moment. Das war ein Trick. Das musste fast schon einer sein…. „Nein.“, murmelte sie lediglich
kraftlos. So leise, das es wohl keiner der Anwesenden hören konnte. Und das war auch gut so. Die plötzliche Erkenntnis traf sie heftiger, als der Tritt Andres, der Walter zurückriss. Tatsächlich spürte sie die neuen Schläge kaum noch. Sie merkte nur noch, wie sie von zwei Wachen wieder auf die Füße gezogen wurde. Die nur verschwommen sichtbaren Gestalten, jagten sie nur unter mehr Schlägen und Tritten, aus dem Raum und durch die Hallen. Wohin auch immer, es war egal… der Schock machte alles dumpf und grau. Ihr wurde nur langsam bewusst, was sie da grade getan hatte.
Was hatte sie da grade getan… sollte nicht möglich sein. Sie hatte Nein gesagt. Sie hatte eine Aufforderung ausgeschlagen. Ohne, das irgendetwas passiert war. Nach wie vor wartete Eden auf den Schock, die Wirkung des Zaubers. Aber es geschah nichts. Nichts zumindest, das sie spüren würde. Das war das eine, das nicht möglich sein konnte. Das , was nicht vorstellbar gewesen war. Das sie…. das sie frei war. Das sie noch einen freien Willen hatte… um sie herum brach eine Welt zusammen. Ruhig, bleib ruhig, sagte sie sich selbst, kaum darauf achtend, wohin die Wachen sie brachten. Die unendliche Panik, die nach ihr griff, blendete alles Denken,
alle bewusste Wahrnehmung aus. Erst die schneidende Kälte, als sie in einen Innenhof hinaus gestoßen wurde, brachte sie wieder halb zu Bewusstsein. Eden stürzte in den Schnee und blieb einige Herzschläge einfach liegen. Die Türen zum Herrenhaus wurden mit krachendem Ton zugeschlagen. Alles tat ihr weh. Sie musste praktisch überall blaue Flecken haben. Rücken, Schultern Arme… eine Platzwunde an ihrem Kopf färbte den Schnee unter ihr rot. Und sie hatte mehrere Schnitte, auch wenn sie keine Ahnung hatte, wovon die stammen mochten. Nur vereinzelte Schneeflocken segelten vom Himmel. Offenbar hatte der Schneesturm, der vor ein paar
Stunden noch getobt hatte, mittlerweile nachgelassen. Statt dunkler Wolken schillerten jetzt bunte Lichtbahnen am Himmel. Eden wusste einen Moment nicht, ob sie lachen oder weinen sollte und blieb einfach liegen. Das Farbenspiel über ihr war… wunderschön. Sie fragte sich einen Moment, ob sie grade nicht einfach starb und das der Tod war…. Die Lichter brachen sich in einem bunten Kaleidoskop, als sich ihre Augen mit Tränen füllten. Schließlich jedoch, zwang sie sich zumindest hinzuknien, als die Kälte unerträglich wurde. Schritte, die hinter ihr im Schnee knirschten, veranlassten
sie dazu, sich umzudrehen. Sie wusste nicht, wen sie erwartet hatte. Auf jeden Fall nicht den Koch. Der Mann stellte einfach eine Schale an den Stufen ab, die hinein ins Haus führten und setzte sich auf die Treppe. „Essen.“, meinte er lediglich und stellte eine Schale neben sich ab. Dampf stieg über dem Gefäß auf. „Habe von Eurem… soll ich es Missgeschick nennen, gehört. Keine Sorge, irgendwann holen sie Euch wieder rein. Dafür sorgt spätestens Varia. Ihr seid offenbar doch ein wenig zu teuer gewesen, als das sie Euch einfach erfrieren ließen. Oder an Andres Haustierchen verfüttern… da passen sie
schon auf.“ „Ich bin frei.“, murmelte sie lediglich. Der Koch war bereits wieder aufgestanden und hielt kurz inne. „Was ?“ „Ich bin frei.“ Die Verzweiflung schlug endgültig wie eine Welle über ihr zusammen. Der Koch jedoch zuckte nur mit den Schultern und verschwand im Inneren des Herrenhauses. „Schön für Euch.“, meinte er noch. Offenbar hielt er sie jetzt schlicht für verrückt. Und Eden war tatsächlich kurz davor, genau das zu werden…. Das machte nichts besser. Gar nichts.
Im Gegenteil. Es zerstörte alles. Den kleinen Frieden, den sie mit ihrem Schicksal geschlossen hatte, gab es nicht mehr. Die Mauern, die sie errichtet hatte, bröckelten innerhalb von wenigen Herzschlägen zu weniger als nichts…. Sie war frei… und damit so gut wie tot, wenn es jemand bemerkte. Zumindest wenn sie Glück hatte. Und das würden sie zwangsläufig. Und was dann folgen musste… das Ritual wiederholen, wenn sie Pech hatte. Nein. Nein. Und noch einmal Nein. Das würde sie nicht erlauben. Hass flammte in ihr auf. Alle Gedanken, die sie sich bisher nicht erlaubt hatte, stürzten auf sie ein. Die kleinen Lügen,
die sie erschaffen hatte, um bei Verstand zu bleiben. Das es Hoffnung gab. Das sie leben könnte. Das… das das nicht das Ende war…. Sie schrie auf. Ihre Worte verhallten unbeantwortete im Schnee, der sich unter ihren Fingerspitzen nach wie vor dunkel färbte. Eden stand endgültig auf und wankte unsicher zu den Stufen. Sie setzte sich vorsichtig, um keine ihrer Verletzungen wieder aufzureißen. Sie nahm die Schüssel, die der Koch dagelassen hatte. Wässrige Suppe. Eigentlich hatte sie nicht wirklich etwas anderes erwartet. Aber wenigstens war es etwas Warmes. Eden zögerte einen Moment zu Essen, sondern ließ die
Wärme der Schale ihre Finger wieder etwas auftauen. Erst dann trank sie einen Schluck. Es war praktisch aufgeheiztes Wasser, in das jemand sämtliche Küchenabfälle geworfen hatte. Kartoffelschalen, Knorpel, Knochen und Reste von Gemüse. Aber fürs Erste, stillte es den gröbsten Hunger. Eden stellte die leere Schale beiseite. Sie war frei… und es würde nicht lange dauern, bis das irgendjemanden auffiel. Und es gab nur eine Möglichkeit, das zu verhindern. Das Letzte, über das sie selbstbestimmen konnte, war ihr Leben. Alles andere war weg. Und sie würde es nie zurückbekommen, egal wie lange sie sich
bisher darüber hinweggetäuscht hatte. Und wenn sie nicht wollte, dass sie das auch noch verlor, blieb ihr genau eine Möglichkeit: Sie musste einen Weg finden zu sterben. Bald…. Sich einfach wieder in den Schnee zu legen war keine Option. Wie der Koch gesagt hatte. Man würde sie nicht einfach hier draußen sterben lassen. Irgendjemand würde genau darauf achten. Und das war das Problem…. Es war leicht, einmal den Entschluss zu fassen. Etwas ganz anderes war es, das auch umzusetzen. Wenn man ständig unter Beobachtung stand, wenn man nie alleine war und schlimmer, man jeden Moment spuren
musste, um sich keine weiteren Hiebe einzuhandeln, dann blieb einem wenig Zeit, über den Tod nachzudenken. Oder über irgendetwas, als die vor einem liegende Aufgabe, was das anging. In der gesamten nächsten Woche gab es keine Gelegenheit, bei der sie nicht irgendjemanden im Nacken gehabt hätte, ob das nun Lord Andre war, der nach wie vor keine Gelegenheit ausließ, sein Missfallen an Varias Entscheidung an ihr auszulassen… oder einer der Aufseher des Hauses, wie Frank. Putzen, Essen servieren oder kleine Botengänge erledigen. So seltsam es war, die Arbeit kam Eden schon beinahe angenehm vor. Es gab viel, viel Schlimmeres, hätte sie
nicht im Zentrum des Streits der Hausherren gestanden. Während des Küchendiensts spielte sie einmal mit dem Gedanken, einfach eines der Messer zu nehmen und es sich in den Bauch zu rammen. Ihr würde niemand zur Hilfe kommen, da war sie sich sicher. Aber das war zu unsauber, die Klingen praktisch stumpf… sie könnte am Ende noch überleben und dann wäre endgültig heraus, dass das Ritual bei ihr versagt hatte. Sie musste sicher gehen, dachte Eden. Ihr blieb nur ein einziger Versuch. „Hey, nicht träumen, verflucht !“ Andres Stimme hallte durch den Raum und bevor sie sich ganz herumgedreht
hatte, traf sie auch schon eine Faust. Eden lief dem Lord viel zu oft über den Weg. Es schien so, als wollte der Mann sie schlicht kontrollieren. Die Gejarn ließ beinahe das Messer fallen. Aber nur beinahe. Ihre Hände schlossen sich um den Holzgriff der Klinge, während sie zu dem Hausherren aufsah. Sie könnte einfach zustoßen, schoss es ihr durch den Kopf. Warum nicht. Andre stand viel zu dicht, als das er entkommen könnte. Sie war nicht die kräftigste und kaum mehr als Fell und Knochen. Aber auf die Entfernung spielte das keine Rolle. Nur mühsam konnte sie verbergen, dass ihre Hand anfing zu zittern. Sie hasste diesen
Mann. Sie hasste alle hier… mühsam zwang sie die brodelnde Wut nieder und atmete ruhig weiter. Nein, sagte sie sich. Das war es nicht Wert. Ach? Wollte eine zweite Stimme in ihrem Kopf wissen. Wäre es das nicht? Rache nehmen. Die Idee schwirrte einen Moment in ihrem Kopf herum. Das war es wirklich nicht wert, sagte sie sich wieder. Nicht bei dem, was dann folgen würde. Wenn man ihren freien Willen entdeckte, dann würden sie nur diesen endgültig auslöschen. Aber wenn sie jetzt den Lord tötete… sie würde ihr Ziel erreichen, oh ja, sie würde sterben. Aber nicht schnell. Sie könnte Andre sicher leicht
provozieren, doch zweifelte sie daran, dass der Mann sie wirklich töten würde. Das schien immerhin genau das, auf das Varia abzuzielen schien, warum auch immer. Und der Lord würde ihr sicher ungern auch nur diesen kleinen Sieg gönnen. Geister, alles wäre besser, als zwischen die Fronten dieser beiden geraten zu sein. Aber sie brauchte nur eine kurze Gelegenheit… „Seht zu das Ihr Varia das hier bringt.“ Der Lord warf eine Schriftrolle vor sie auf dem Boden und verschwand wieder aus der Küche. Eden stand einen Augenblick wie betäubt da und wagte nicht, sich zu
rühren. Erst als sie die Schriftrolle aufhob, wurde ihr langsam bewusst, welche Gelegenheit sich ihr bot. Halb erwartete sie, dass sie irgendjemand begleiten würde. Das wieder eine Wache, oder ein Hofdiener, oder sonst jemand mit ihr die Küche verlassen würde. Aber nichts dergleichen geschah. Als die Gejarn auf einen der Flure des Herrenhauses hinaus trat, war sie allein. Einen Moment wog sie den Brief unentschlossen in einer Hand. Dann ließ sie ihn einfach auf einer Fensterbank liegen. Es würde etwas dauern, bis man sie vermisste, dachte Eden. Also jetzt oder nie….
EagleWriter Sagen wir einfach, auch wenn du in dieser Richtung natürlich nach wie vor schon gespoliert bist^^, es wird nach wie vor ein Stück Schlimmer, bevor es besser werden kann. lg E:W |
abschuetze jetzt oder nie... schaun wir mal, ob's gelingt :)) |
EagleWriter Das Buch wäre in diesem Fall allerdings vorbei. lg E:W |
abschuetze ... und woll'n wir das? Na auf gar keinen Fall. Sie legt also den Brief dahin und es bietet sich ihr plötzlich einen ganz andere Chance ... :)) |
EagleWriter Das ist ... sehr optimistisch^^ Ich spoiler nix, aber wie gesagt, das ganze wird düster. lg E:W |