Nachdem sie grade der Sklaverei entkommen ist und dabei unfreiwillig den jüngsten Spross einer mächtigen Adelsfamilie entführt hat, findet sich Eden nach einigen Wirren in der Crew des grausamen und berüchtigten Piratenkapitäns Vance Livsey wieder. Dieser besitzt den Schlüssel zu einem unvorstellbaren Schatz. Eine unberührte Stadt des legendären alten Volkes, die sich auf einer Insel weit draußen im unerforschten Weltmeer befinden soll. Mit dem Erlös der gefundenen Artefakte, könnte Eden sich selbst freikaufen.
Doch sie sind nicht die einzigen, die von der Insel wissen. Der mächtig Sanguis-Orden, die Gemeinschaft der Zauberer Cantons, ist ihnen dicht auf den Fersen.
Coverbild : Wolfgang Pfensig / pixelio.de
Wenigstens konnte der Tag nicht mehr viel schlimmer werden, dachte Eden. Ein besonders aufmunternder Gedanke jedoch, war das nicht. Die Kälte, die durch die Ritzen im Holz drang lies ihre Hände und Füße bereits taub werden und in der Dunkelheit aufzustehen und umher zu laufen, war keine gute Idee. Sie wusste nicht, wie viele andere hier waren, aber bei ihrem ersten Versuch, aufzustehen, war sie über mehrere Gestalten gestolpert. Eden konnte nur raten, aber sie musste sich wohl in einem
Wagen befinden. Das poltern der Pflastersteine war das einzige Geräusch, das neben gedämpften Gesprächsfetzen bis zu ihr drang. Dünne Lichtbahnen fielen durch die Lücken im Holz des Verschlags und erlaubten ihr, zumindest einen kleinen Blick nach draußen. Sie fuhren durch eine Straße, an deren Rand sich Blockhütten vor dem grauen Himmel abzeichneten. Die schweren Holzbalken waren mit Schnitzereien verziert und trugen hier und dort auch Schriftzeichen, die ihr jedoch wenig sagten. Schnee lag als feine Schicht auf Dächern und Gehwegen und in der Ferne konnte die Gejarn Berge erkennen. Zum
Himmel hoch aufragende Granitgipfel, deren Spitzen mit Eis bedeckt waren. Geister, wo war sie bloß? Ihr Verstand war wie leergefegt. Aber eigentlich war die Antwort auf diese Frage ganz simpel… es hatte sie nicht zu interessieren, wo sie war. Sie waren alle verkauft worden, so einfach war das…. Als der Wagen langsamer wurde, konnte sie Mauern erkennen. Eine Stadt und offenbar durchfuhren sie im Augenblick grade einmal die Außenbezirke. Sie hielten an. Eden konnte einen Blick auf eine Reihe Wächter erhaschen. Männer in, mit Pelzen besetzten Uniformen, die vor den Stadttoren auf und ab liefen, um sich
warm zu halten. Ein paar hatten ein Feuer in einem Kohlebecken entzündet und wärmten sich daran. Einer jedoch musste sich mindestens mit dem Fahrer des Wagens unterhalten. Eden versuchte, zumindest einen Teil des Gesprächs, aufzuschnappen. „..schon wieder?“ , wollte grade eine der Stadtwachen wissen. „Ihr wisst, wie Lord Andre ist. Dem sterben die Leute weg wie nichts, wenn es ihm passt.“ „Das ist schon fast gesetzwidrig und Ihr wisst das genau so gut wie ich. Ich kann für de Immerson nur hoffen, das in Silberstedt nie ein kaiserlicher Agent rein
schneit.“ Silberstedt… Das musste wohl der Name der Stadt sein. Sie wusste wo sie sich befand. Das war immerhin schon mal etwas. „Keine Sorge, der Kaiser hat momentan andere Probleme, als die Rechte von Sklaven. Und selbst wenn… in dem Moment wo Konstantin Belfare hier einen Beobachter hinschickt, verfüttert der alte Herr seinen gesamten Hausstand, vermutlich an sein Schoßtierchen. Apropos Schnee, sieht aus, als bekommen wir heute Nacht einen Sturm.“ „Und ich muss oben an den Minen Dienst schieben. Ich verlier noch meine
Füße bei der verdammten Kälte.“ Eden schlich vorsichtig durch das Halbdunkel, um über niemanden zu stolpern. Jetzt konnte sie zumindest die Wache sehen, mit der sich der Kutscher unterhielt. Er trug eine hellblaue Uniform, die am Hals und an den Ärmeln mit Pelz verbrämt war. Der Kutscher warf ihm irgendetwas zu und der Mann fing es mit einer behandschuhten Hand auf. Eine kleine, silberne Flasche. „Sollte Euch warmhalten. So was jetzt? Lasst Ihr uns jetzt durch, ich hab‘s eilig.“ „Ja, klar, seht schon zu, dass Ihr verschwindet.“ Der Wachmann hatte die
Flasche bereits geöffnet und nahm einen tiefen Schluck. „Alter Bandit…“, konnte Eden den Kutscher murmeln hören, bevor der Wagen sich mit einem Ruck wieder in Bewegung setzte. Violette Banner fielen vom Torhaus herab, darauf zu sehen, das Abbild einer silbernen Spinne. Sie konnte sich definitiv schönere Wappentiere vorstellen. Die Holzbauten wurden durch Steinhäuser aus großen, grauen Blöcken abgelöst. Rauch stieg aus einer Unzahl Kamine in den Abendhimmel und sammelte sich in einer Dunstwolke über der Stadt. Der Geruch von brennendem Fichtenholz war praktisch
allgegenwärtig. Eden ließ sich an der Wand der Kutsche zurücksinken. Jetzt hieß es abwarten, was geschehen würde. Irgendwann mussten sie ihr Ziel zwangsläufig erreichen. Und dann… dann würde ihr nur übrig bleiben, zu tun was man ihr sagte. Sie war nicht frei, das war der simple Fakt, um den sie nicht herum kam. Die Metallringe an ihren Armen und Füßen sprachen Bände darüber. Und ihr Verstand… nach wie vor war alles verschwommen. Eine Nachwirkung der Rituale. Sie war sich nicht sicher, ob es Magie war, oder nicht. Aber es hatte genau ein Ziel, das noch nie versagt hatte: Konditionieren, brechen, den
freien Willen vernichten. Aber zumindest für den Moment gehörte ihr Geist noch ihr. Als sie schließlich anhielten, wappnete sie sich innerlich, für was folgen musste. Trotzdem wurde Eden einen Augenblick geblendet, als die Türen aufflogen. Schnee schlug ihr zusammen mit schneidend kaltem Wind entgegen. „Raus hier, na los.“, verlangte eine Stimme. Nicht die des Kutschers, da war sie sich sicher. Die Gejarn musste sich dazu zwingen, aufzustehen. Sie warf nur einen flüchtigen Blick auf ihre Mitreisenden. Gejarn und Menschen gleichermaßen, die
mit gesenktem Kopf, einer nach dem anderen, in die Kälte hinaus traten. Ihre zerlumpte Kleidung bot nicht einmal vor dem Schnee Schutz, mal davon abgesehen, das manchen die, durch Licht und Verzweiflung erzeugten, Tränen in den Augen gefroren. Sie stolperte, als sie auf einen gepflasterten Innenhof hinaus trat. Eine niedrige Mauer umgab einen großen Aufgang. Abgewetzte Steinstufen führten zu einer, von schweren Holzsäulen getragene Halle mit Vordach hinauf. Weitere Gebäude erhoben sich links und rechts auf dem kleinen Hügel, auf dem die Anlage stand. In mehreren großen Becken brannten Holzfeuer, die die
hereinbrechende Abenddämmerung verdrängten. Der Himmel hatte seine Farbe mittlerweile von grau zu einem blassen Rosa gewechselt. Jemand versetzte ihr einen großen Stoß. Eine kleine Gruppe Wachen, die ebenfalls mit Pelz besetzte Uniformen trugen hatten ein Auge auf das Dutzend abgerissener Gestalten. Weitergehen, erinnerte Eden sich selbst. Einfach weitergehen und bloß nicht so aussehen, als würde ich mich für irgendetwas interessieren. „Wartet hier.“ , kam die barsche Anweisung von einem der Soldaten. Und das taten sie schließlich auch. Sie wusste nicht zu sagen, wie viel Zeit verging.
Minuten oder auch nur Augenblicke, Zeit existierte nicht, wenn man dagegen ankämpfte, in der Kälte nicht zu zittern… und dem Drang zu widerstehen, auf und ab zu laufen um sich aufzuwärmen. Gib ihnen keinen Grund, sich auf dich einzuschießen, sagte Eden sich. Das war die Kälte nicht wert. Es gab viel, viel Schlimmeres als bloße Kälte. Die Narben auf ihrer linken Hand sprachen Bände davon. Es war ihrem ersten Meister in den Sinn gekommen, ihre Handfläche für mehrere Stunden an eine Tür zu nageln. Nicht weil sie etwas verkehrt gemacht hätte. Zumindest nichts, dessen Eden sich bewusst gewesen wäre. Sondern aus
simpler Grausamkeit. Die Wunde hatte sich entzündet und es grenzte an ein Wunder, das sie noch alle Finger hatte… oder die Hand auch nur wieder richtig bewegen konnte. Ein Sklave, der nicht mehr arbeiten konnte war Tod, so einfach war das. Letztlich aber hatte sich das Ganze anfangs als Glücksfall erwiesen. Es hatte einige kaiserliche Beamte veranlasst, sie zumindest vorübergehend zu befreien. Sie hatten nicht viele Rechte, aber sie hatten welche. Sinnlose Grausamkeit war so ziemlich das einzige, was dem Adel Cantons verboten war. Am Ende jedoch, war das offenbar kein Grund, sie frei zu lassen, dachte Eden bitter. Sie war
erneut verkauft worden und schlimmer noch, diesem verdammten Ritual unterzogen worden. Sobald sie die Augen schloss, tanzten immer noch bunte Schatten vor ihren Lidern. Schmerzendes Licht. Das war alles, woran sie sich erinnerte. Sie fühlte sich nicht anders, aber das würde kommen. Eden hatte es bei anderen gesehen. Der Tod wäre die bessere Option gewesen. Doch diese Wahl blieb ihr nicht mehr. Und hier war sie jetzt also. Wartend in der aufziehenden Dämmerung. Eine Bewegung auf der Treppe, die hinauf zum Herrenhaus führte, zog ihre Aufmerksamkeit auf sich.
Soeben hatte eine Frau die Gebäude verlassen und kam rasch die Stufen zum Hof hinab. Sie hatte kurzes, an den Schläfen graumeliertes Haar. Einige braune Locken lugten unter einer schlichten Haube hervor, ansonsten entsprach ihre Kleidung jedoch ganz der des hohen Adels. Ein rotes Kleid, das in der mit Schnee überzuckerten Landschaft, fast surreal fehl am Platz wirkte. Ganz offenbar fror sie ebenfalls furchtbar und der ungehaltene Ausdruck auf ihrem Gesicht war auch alles andere als vielversprechend. „Ach, immer dasselbe.“, polterte sie los, sobald sie die Wachen und das Dutzend Sklaven erreichte. Sie musterte
die Gruppe abfällig. „Hässlich, ungepflegt, krank… die Hälfte von denen könnt ihr gleich weiter in die Minen schicken.“ Sie deutete scheinbar willkürlich auf einige Leute in der Gruppe, die sofort von zwei der Soldaten bei Seite geführt wurden, zu einem kleinen Verschlag, auf der anderen Seite des Geländes. Offenbar eine nur notdürftige Unterkunft. Holzbretter, die kaum Schutz vor der Kälte bieten dürften… Geister, die würden alle schon in der ersten Nacht erfrieren, wenn sie Pech hatten. Das war ein Todesurteil… jemand schubste sie ebenfalls in die Richtung der Barracken. „Moment.“, hallte die Stimme der
Frau wieder über den Platz. „Die da nicht.“ Eden war einen Moment unsicher, ob sie erleichtert sein sollte, oder nicht. Bisher kannte sie nur eines ihrer möglichen Schicksale. Minenarbeit. Das überstand niemand lange, aber wenigstens wäre es auch gnädig schnell vorbei. „Die ist für den Haushaltsdienst.“ Eden wurde an der Schulter angehalten. Sie hatte sich schon eine Weile daran gewöhnt, mehr wie ein Gegenstand behandelt zu werden, den nicht interessierte, wenn man über ihn sprach. „Herrin, Ihr wisst, das Lord
Immerson keine Gejarn im Haus wünscht.“, wagte es einer der Wächter anzumerken. „Andre wird schon drüber hinweg kommen.“, erklärte sie lediglich. „Außerdem ist sie hübscher, als die üblichen Flohfänger, die ihr anschleppt. Also hopp. Sie und der Rest ins Haus. Lasst sie kurz überprüfen. Aber Beeilung. Ich friere und das Abendessen muss noch serviert werden. Dann können wir gleich sehen, wer bleibt.“ Eden atmete einen Moment erleichtert auf. Haushaltsdienst. Das konnte nicht zu schlimm werden. Im Gegenteil. Das konnte man vor allen Dingen überleben. Sie war sich unsicher, was sie gerettet
hatte. Vermutlich ihr Pelz. Schneeweiß zog sie damit scheinbar die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich. Was in ihrer Situation alles andere als Wünschenswert war. Diesmal hatte ihr das aber offenbar einmal Glück gebracht. Zusammen, mit den übrigen vier Neuankömmlingen, wurde sie auch schon die Treppe hinauf gejagt. Sie musste aufpassen, nicht zu stolpern. Die Stufen waren mit Eis überzogen und ihre Beine nach wie vor halb erfroren. Zuerst dachte sie, man würde sie in irgendeines der Nebengebäude bringen. Umso mehr staunte sie, als die Wachen ihnen bedeuteten, durch den Haupteingang zu treten. Das war allerdings ungewöhnlich,
aber Eden hinterfragte es nicht. Solange das hieß, das sie endlich aus der Kälte kamen…. Sie betraten eine dunkle, weitläufige Halle. Schwere Säulen, die über und über mit Schnitzereien verziert waren, stützten eine hohe Decke. Dicke Wandteppiche isolierten die Wände gegen die Kälte und über den ganzen Raum verstreut brannten Kohlebecken. Der plötzliche Temperaturwechsel war ein kleiner Schock. Es waren die kleinen Dinge. Die wohltuende Wärme sorgte dafür, dass langsam das Gefühl in ihre Finger und Füße zurückkehrte. „Na los, etwas Beeilung.“ Sie wurden schnell weiter geführt, aus der großen
Halle hinaus in einen kurzen Gang, der schließlich vor einer verschlossenen Tür endete. Einer der Wachmänner klopfte an. „Die Neuen.“, rief er nur. „Die müsste sich mal jemand ansehen.“ Die Tür wurde aufgerissen und ein ziemlich ungehalten wirkender Mann trat heraus. Er trug einen grünen Mantel, der ihm bis über die Knie fiel und war definitiv schon Älter. Leicht gebeugt gehend, besah er sich die stumm wartenden Sklaven. Er nickte ein paar Mal, blieb aber abrupt stehen, als er bei Eden angelangt war. Er schüttelte ungläubig den Kopf. „Wer von euch Hohlköpfen hat die
denn rein gelassen? Wollt ihr, dass Andre uns alle einen Kopf kürzer macht? Oder Schlimmeres? “ Eden zögerte. Sollte sie etwas sagen… oder einfach darauf vertrauen, dass die Wachen den Mann schon darauf hinweisen würden, dass sie auf Wunsch von jemanden hier waren. Zumindest eines wusste sie: Raus, in die Kälte, wollte sie jetzt nicht mehr zurück. „Ich…“ Ihre Stimme versagte direkt wieder. Der Mann machte beinahe einen Satz. „Hey, die kann ja sprechen.“ „Ich wollte es grade sagen. Sie ist hier, weil Lady Varia sie offenbar unbedingt haben will. Fragt mich nicht,
was die Frau damit bezwecken will. Vermutlich den Lord zur Weißglut treiben.“ „Mhm.“ Offenbar war die Sache für den Mann damit erledigt, denn er wandte sich wieder Eden zu. „Pfoten her.“, verlangte er barsch. „Was ?“ „Pfoten, Hände, Gliedmaßen halt. Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit.“ Unsicher streckte sie die Hände vor. Der Fremde warf nur einen kurzen Blick darauf, bevor er sich wieder zu den Wachen umdrehte. „Wollt ihr mich verarschen, Herrschaften? Oder wollt ihr jemanden tot sehen?“ „Was…“ Der Wachmann, der sich als
Ziel seines Zorns wiederfand zuckte nur mit den Schultern. „Die hat noch Krallen. Habt ihr mal gesehen, was ein Gejarn damit anrichten kann? Fragt den Obersten des Sangius-Ordens, dem armen Kerl haben sie fast den Arm amputiert. Wenn ich nicht wüsste, dass ihr alle nicht die Hellsten seid, würde ich echt sagen, ihr schmuggelt mir hier grad ‘nen Attentäter ins Haus. Auf alles muss man selber achten.“ „Und was bitte sollen wir jetzt machen? Sie wieder rauswerfen und uns von Varia anschnauzen lassen? Das geht dann aber auf eure Rechnung, Frank.“ „Von wegen, da gibt’s einfachere
Methoden. Die Krallen müssen schlicht entfernt werden. Einfach ziehen lassen. Hat jemand eine Zange? Ansonsten such ich schnell den Hofschmied.“
Eden musste sich anstrengen, einfach still stehen zu bleiben. Weglaufen war sinnlos. Das machte die Sache bestenfalls schlimmer bei dem Aufgebot an Wachen. Verflucht… hatte sie an den Stadttoren wirklich noch gedacht, der Tag könnte nicht mehr viel schlimmer werden? Offenbar konnte der Tag sogar noch um einiges schlimmer werden….
EagleWriter Letzenendes entwickelt Eden ja nicht nur deshalb einen recht ungesunden Hass auf ihre Herren. Wie gesagt, wird eher düster. lg E:W |
abschuetze Was für eine Gejarn ist Eden? Hab ich das vielleicht überlesen oder hattest du das noch nicht gesagt? Mal was anderes. Du schreibst und schreibst... gehen dir nie die Ideen aus? Meine Hochachtung, sehr beneidenswert :) |
EagleWriter Hatte ich noch nicht geschrieben. Und ich hatte gestern Abend schlicht Schwierigkeiten einzuschlafen und heraus kam... dieses Kapitel ^^ lg E:W |