Die Gesamtausgabe wird laufend unter http://www.mystorys.de/b113998-Romane-und-Erzaehlungen-Lebensretter--Vorlaeufige-Gesamtausgabe.htm aufgefüllt! Oder einfach nach 'Lebensretter' fitern :-)
Sie lebt - nicht ganz freiwillig - auf der Straße, hat ein immer weiter wachsendes Problem und nur noch ihren Stolz …
Doch der wird auf eine harte Probe gestellt, als ihr der große Blonde, der sie nach einem Unfall aus dem Wasser zieht, immer wieder ungefragt seine Hilfe aufdrängt
Irgendetwas fesselte mich! Panisch schrie ich auf. Es war wir damals, als mich derbe Hände packten, mich in schraubstockartiger Umklammerung fest hielten und auf das Bett hinter mir pressten, wo dann Toni- „NEIN!”, kreischte ich, strampelte und fühlte mich gottseidank auf einmal befreit, als mich plötzlich zwei Arme packten und tatsächlich fest hielten. Wieder schrie ich, wehrte mich aus Leibeskräften und kam frei. Sofort rutschte ich hinten von der Liege und wich zurück, wurde aber von der Brüstung gestoppt. Meine Ohren dröhnten, weil das Blut in meinen Adern rauschte und ich sah bloß einen Schleier vor meinen Augen, der sich nur langsam lichtete. Wie ein Tier in der Falle hörte
ich mich selber knurren, fasste schon instinktiv nach der Abgrenzung hinter mir und richtete mich auf- „STOPP!!!”, drang es da in meine Ohren, „Catherine, CAT, nein, bitte spring nicht, ich bin es doch nur!!” Jetzt hob sich endlich der Schleier vor meinen Augen und ich sah einen entsetzten Rollen, der sich mit abwehrender Geste so weit wie möglich von meiner Liege entfernt hatte, sich nun dort intuitiv hin kauerte, um sich so klein wie möglich zu machen. Eindringlich redete er auf mich ein, was ich erst jetzt so richtig wahrnahm. Eine Welle der Erleichterung überlief mich. Es war nicht Toni, nicht seine Schergen. Sie hatten mich nicht gefunden! Ich war auf meinem Balkon, ich war immer noch in Sicherheit. Zitternd erfasste ich die Situation, sah die
mollige Decke auf dem Boden, die vorher noch nicht da gewesen war, fühlte die leichte Kälte von unten aufsteigen. Und ich sah das leichenblasse Gesicht vor mir, in dem sich meine Panik und meine Angst widerzuspiegeln schienen. „Rollen … Jens! Was … Was ist passiert?”, fragte ich mit wackeliger Stimme und hörte ihn merklich aufatmen. „Cat, bist du in Ordnung? Bitte hab keine Angst, ich wollte dir nichts tun! Nur zudecken. Cat?” Für einen Moment schloss ich die Augen, versuchte mein wild klopfendes Herz zu beruhigen. „Ich … Du …” Ich brachte immer noch keinen zusammenhängenden Satz heraus, richtete mich erst mal auf. Vorsichtshalber blieb Jens hocken. „Du wolltest mich zudecken?”, war das erste was mir einfiel und er
nickte. „Ja. Die Jungs sind weg und als ich nach dir schaute, hast du geschlafen, hattest aber eine dicke Gänsehaut. Ich wollte dich nicht stören und hab die Decke geholt. Und weil es von unten so kalt her kam, hab ich sie, also”, er schien etwas verlegen, „naja, ich hab sie um dich herum fest gestopft, damit du es schön warm hast ...” °Wie süß!°, zuckte mir durch den Kopf. Das also war dieses unangenehme Gefühl der Lähmung gewesen. „Und dann-” „Dann bist du plötzlich ausgeflippt! Und noch mehr, als ich dich kurz an den Armen festgehalten hab, damit du nicht von der Liege fällst.” Er verstummte und sah mich von schräg unten an. „Alles in Ordnung?” Tief durchatmend nickte ich. „Ja, ist okay. Du
kannst dich auch jetzt wieder aufrichten, mein Großer.” Selber hockte ich mich wieder auf die Liege, weil mir die Beine schwach wurden, jetzt, wo das Adrenalin nachließ. Gleichzeitig kämpfte ich gegen die Tränen an, die mir ungebeten in die Augen traten. Langsam kniete Jens sich auf der anderen Seite neben mich. Seine Hand tastete nach meiner, zuckte dann zurück. „Catherine?” Der liebevolle Tonfall und seine Fürsorglichkeit waren nicht dazu geeignet, meine Tränen zurück zu drängen, im Gegenteil. Freiwillig griff ich nach seiner Hand und drückte sie fest. „Es ist alles in Ordnung”, bestätigte ich ihm, „ich muss mich nur ein wenig von dem Schreck erholen, mehr nicht.” „Mehr nicht?!”, raunte Jens leise und legte auch die andere Hand auf meine. „Cat, du flippst aus,
weil du von der Decke fixiert wirst. Du bist fast durchgedreht, als ich dich kurz festgehalten habe. Du wärst fast vom Balkon gesprungen vor lauter Panik! Also sag doch nicht, dass da nichts ist.” Inzwischen hatte ich mich ein wenig gefasst und legte die andere Hand auf meinen Bauch. Da schien alles in Ordnung zu sein, allerdings war Judith jetzt durch den Hormonstoß äußerst wach. Ihr Gestrampel brachte meine Gedanken wieder zurück. Schließlich hatte sie ja indirekt damit zu tun, dass ich so panisch reagierte. Hatte mich diese Situation doch ganz furchtbar an damals erinnert, als … Ich weiß nicht, was mich da ritt, aber plötzlich warf ich aufschluchzend die Arme um Jens' Hals. Ich brauchte Trost und er war da, ihm konnte ich vertrauen. Natürlich war er total überrascht von meiner Anwandlung und zögerte,
die Umarmung zu erwidern und mich damit wieder zu 'fixieren'. „Bitte halt mich fest!”, bestätigte ich ihm, „Lass mich nicht los!” „Alles, was du willst, kleine Cat”, hörte ich ihn murmeln und spürte, wie er mich sanft an sich drückte. Vorsichtig schob er dann einen Arm unter meine Beine, hob mich an und trug mich ins Zimmer, wo er mich langsam auf mein Bett gleiten ließ. Die ganze Zeit klammerte ich mich an ihn wie eine Geistesgestörte und ließ ihn auch auf dem Bett nicht los, so dass er sich notgedrungen neben mich setzte. Erst allmählich ließ der Krampf nach und ich lockerte meinen Griff. Langsam zog ich meine Arme zurück, nuschelte dabei ein verlegenes „Danke”. Jens hielt meine Hand kurz auf und küsste spontan meine Handfläche, bevor er sie
losließ. „Nicht dafür. Aber immer wieder gern!”, sagte er leise mit einem kleinen Lächeln. Die Situation schien plötzlich zu knistern und ich fühlte mich gezwungen, irgendetwas dagegen zu tun. „Da siehst du mal wieder, was dabei rum kommt, wenn du mich zu sehr bemutterst!”, grinste ich ihn an. In seinen Augen glimmte etwas auf, um sofort zu verlöschen. „He, in meinem Haus soll keiner frieren! Konnte ich denn ahnen, dass du da gleich durchdrehst? Mir fast in den Garten hüpfst?! Übrigens, wenn du gesprungen wärst, dann hätte ich dir aber sowas von den Hintern versohlt!”, schaltete er auf Witz um. „Nana, so schlimm war es schließlich auch nicht”, wiegelte ich ab. Gleich wurde Jens da wieder ernst. „Nein, mal ganz im Ernst, Catherine, das kannst du mir
nicht weismachen! Da steckt doch mehr dahinter.” Seine Stimme war wie eine warme Decke, sein Arm, der, wie ich gerade feststellte, noch immer um meine Schulter lag, so angenehm weich und stark zugleich. Leider begann er nun langsam, diesen Arm fort zu ziehen und seufzte. „Aber wie immer wirst du all deinen Kummer tief in dir verschließen und alles mit dir selber ausmachen, stimmt's?!” Ich starrte ihn an, fast ohne ihn zu sehen. Ja, mit dieser Taktik war ich bisher immer gut gefahren, warum sollte ich das jetzt ändern? Jens schien mein Schweigen Antwort genug zu sein und er rückte langsam von mir ab, wollte mich anscheinend in Ruhe lassen, ein Gedanke, der mich in meiner momentanen Gemütslage erschreckte. Was war ich hier in dieser gemütlichen Oase
doch schon verweichlicht! Trotzdem sagte ich: „Hey, du mein großer blonder Schutzengel, bleibst du noch ein wenig bei mir? Ich … Ich möchte jetzt nicht allein sein. Und du hast ja Recht, ich bin es gewohnt, keinen mit meiner Schmach zu nerven ...” Etwas überrascht blieb er auf der Bettkante sitzen und schüttelte tadelnd den Kopf. „Allein schon wieder diese Formulierung!” „Sorry, Macht der Gewohnheit”, murmelte ich erschöpft und rückte mich näher ans Kopfende ran. Vorsichtig platzierte Jens sich neben mich und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. „Na ist doch wahr! Du bist, soweit ich dich bisher kennen lernen durfte, so ein wundervoller Mensch! Freunde stehen einander bei. Warum sollte es also jemanden nerven, was du zu
erzählen hast?!” Freunde … Ich schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken. „Weil es einfach eine Scheiß-Geschichte ist.” „Ich verstehe.” Er meinte es gut, aber … „Verstehst du wirklich?”, murmelte ich. Plötzlich drehte Jens sich zu mir. „Cat, mir geht nicht aus dem Kopf, was du vor Kurzen zu mir gesagt hast … 'das hat mir alles genommen. Ich kann mir nicht vorstellen, DAS jemals freiwillig mit einem Mann zu tun'”, zitierte er aus dem Gedächtnis. „Das muss so furchtbar für dich sein! Und ich fände es traurig, wenn es stimmt, denn ich finde”, seine Augen zwinkerten, „dass Sex an sich eine der schönsten Nebensachen der Welt ist.” Warum krampfte sich nur mein Magen so
seltsam – und beileibe nicht unangenehm – zusammen, als er das sagte?! Vielleicht war es doch keine so gute Idee, ihm zuviel zu erzählen. „Du willst wissen, was ich mit mir herum schleppe? Du willst es wirklich wissen?! Ich warne dich, das ist nicht schön!” Ich meinte diese Ansage gar nicht mal als Provokation, sondern todernst. Und er schien es auch so aufzufassen. „Ja, Catherine, ich möchte einfach wissen, was dir genau zugestoßen ist. Ich will noch mehr von dir verstehen …” Lag es an ihm, dass ich plötzlich das Gefühl hatte, mir alles von der Seele reden zu müssen? Oder daran, dass ich das alles tatsächlich schon viel zu lange mit mir herum schleppte?!
Jedenfalls begann ich plötzlich zu reden. Die Worte sprudelte auf einmal nur so aus mir heraus.