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Wenn einer eine Reise tut - Forumsbattle 33

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"Wenn einer eine Reise tut - Forumsbattle 33"
Veröffentlicht am 27. Juli 2014, 18 Seiten
Kategorie Sonstiges
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Wenn einer eine Reise tut - Forumsbattle 33

Wenn einer eine Reise tut - Forumsbattle 33


Alle Jahre wieder, so sicher wie Weihnachten kommt auch die Urlaubszeit und vorher die leidige Frage nach dem Urlaubsziel.  Und ich muss gestehen, da hatte ich heuer ganz schlechte Karten.

Ich war eben nicht gut genug vorbereitet und hatte keinen Joker im Ärmel.

 

„Kein Strand - denk an den Sonnenbrand vom Vorjahr,

keine Alm - mein Bedarf an Kühen ist gedeckt,

und auf keinen Fall der eigene Garten - ich muss hinaus.

Angeln ist auch langweilig, die Karpfen sind heuer viel zu fett geworden.

Wie wäre es mit einem Städtetrip, ein Hauch von Kultur würde uns nicht schaden und es wäre auch nicht so anstrengend, wie unsere Bergtouren. Du weißt doch, dein Knie.“

Meine bessere Hälfte säuselte plötzlich verdächtig mild und versuchte mir stundenlang  die schönsten Städte Europas schmackhaft zu machen.

Paris und Florenz konnte ich gerade noch abwehren, obwohl  Michelangelos David durchaus einen kurzen Gedanken wert war. „Doch denk an die Hitze und die vielen Touristen“, hob ich beschwörend die Hände. Auch Rom schien mir im Moment nicht allzu verlockend.

Wir einigten uns auf Warschau. Als sehr junges Mädchen war ich schon einmal dort gewesen. Erinnerungen stiegen hoch und ich freute mich wirklich, diese Stadt nach vielen Jahren wieder neu  entdecken zu dürfen. Sicherlich würde es nicht allzu heiß werden und Unmengen von Touristen waren dort auch nicht zu erwarten, so dachte ich zumindest.

Keine Sterne in Athen, auch kein Schnaps in St.Kathrein,  ich hab den Urlaub nicht gewollt, er hat gesagt, es müsse sein…. frei nach Stephan Remmler, machte ich mich mit der neuen Situation vertraut.

Schnell war eine Pauschalreise gebucht und

Stadtplan und Reiseführer studiert. Es würde ein wundervoller Urlaub werden, ich war mir bereits sicher. Zum Abschluss war noch ein kurzer Abstecher an die Ostsee geplant. Wir würden auch Danzig kennenlernen, wunderbar. Ich träumte bereits von einer Bernsteinkette.

Die Zeit verging schneller als gedacht und eines Tages fanden wir uns in einem gemütlichen Hotel im Zentrum Warschaus, inmitten einer bunt zusammengewürfelten Reisegruppe wieder. Das Abenteuer Städtereise konnte beginnen.

Da waren einige ältere Ehepaare, die ruhig und gelassen die Ausstattung des Hotels

begutachteten. Wie bei jeder Reise schien es auch hier einen Herrn Klug oder vielleicht sogar Überklug zu geben.   Nach einigen Minuten kannten wir alle seine Urlaubsziele, die er schon einmal bereist hatte, eben ein Mann von Welt, oder einfach ein Angeber. Er schien aber an einem Tischtennisarm zu laborieren, denn mit den Koffern mühte sich seine Gattin ab. Etliche ältere Damen mit sehr vielen Taschen und Täschchen sortierten in der Halle ihr Gepäck.  Als Blickfang flatterte noch ein bunter Schmetterling -  Marke: Wie angle ich einen Millionär? - von Tisch zu Tisch, immer auf der Suche nach einem strategisch günstigen Sitzplatz. Die Tage versprachen abwechslungsreich zu werden. Den Damen,

sieben an der Zahl, hatte ich bereits im Geheimen den Namen: ‚Die glorreichen Sieben verpasst. Werde sie der Größe nach einfach durchnummerieren, um sie leichter unterscheiden zu können.

Kurz  nachdem wir uns einigermaßen bekannt gemacht hatten, erschien auch schon Maximilian, unser Reiseleiter. Kariertes Hemd, sportliche Figur, braungebrannt, in perfektem Hochdeutsch stellte er uns das Programm der nächsten Tage vor. Warschau hätte einiges zu bieten und ich hatte sofort den Eindruck, er würde uns seine Stadt von der schönsten Seite präsentieren und garantiert keine Sehenswürdigkeit auslassen. Wir wurden mit

Kopfhörern ausgestattet und zur Sicherheit gab er auch für Notfälle seine Handynummer preis. Er antizipierte scheinbar bereits damals sämtliche Vorkommnisse der kommenden Woche. Abschließend teilte er blaue Schirmkappen aus.  Ein Geschenk unseres Veranstalters, wie wir erfuhren.

Nein, das ging entschieden zu weit. Ich bin ja nicht im Kindergarten, rief ich mir in Erinnerung. Ich würde mich sicherlich nicht wie eine Durchschnittstouristin ausstatten lassen. Um Land und Leute kennen zu lernen bedarf es doch nicht solcher Maskerade. Mein Entschluss stand fest. Eine gepflegte Frisur und Schuhe mit einer Spur von Absatz, keine high heels, aber doch ein

 einigermaßen gut aussehendes Modell. So würde ich Warschau die Ehre geben und so würde ich mich auch wohlfühlen. Ein leichtes Sommerkleidchen oder wenn es das Wetter erfordern sollte, ein schickes Kostümchen, keinesfalls eine dieser sackartigen Windjacken, die zwar jedes Pfund verschwinden lassen, aber wirklich nicht schick aussehen. Ich würde mich nicht gehen lassen, nahm ich mir fest vor.

Den nächsten Tag begrüßten wir vom 30.Stock des Kulturpalastes. Hier hoch über den Dächern der Stadt bekamen wir einen ersten unvergesslichen Eindruck von dieser modernen Metropole Polens.

Der Kulturpalast war mir noch von meinem

ersten Besuch in dieser Stadt in guter Erinnerung geblieben, denn er war für mich immer Orientierungspunkt gewesen.  Dieses monumentale Bauwerk konnte man von jedem Punkt der Stadt aus gut erkennen.  Inzwischen haben sich unzählige Hochhäuser dazu gesellt und verbreiten weltstädtisches Flair. Schlösser, Paläste und unzählige Kirchen runden das Bild ab. Noch ein kurzes Erinnerungsfoto auf den Stufen des Eingangs und dann ging es los. Ich hielt mich immer dezent im Hintergrund und vermied es tunlichst, mich in die endlose Schlange vor den öffentlichen Toiletten einzureihen, obwohl…

Schritt für Schritt eroberten wir die

Häuserzeilen. Wir kamen flott voran. Allerdings hatte ich bei der Wahl meines Schuhwerks nicht gerade das beste Händchen gehabt. Irgendwie schien es, als wenn die beiden nicht die selbe Größe hätten. Während unseres Rundganges blickte ich andauernd neidisch auf Mädchen in luftigen flip-flops. Ach, wie locker die nur dahin stiefelten, doch einen letzten Rest von Würde wollte ich mir doch noch erhalten.

Nachmittags kam es doch noch so, wie es muss. Ich war dankbar für meine geschlossenen Schuhe, denn ein wahrer Platzregen ereilte uns. Gegen Wetterkapriolen ist man machtlos und so marschierte ich hurtig weiter, in einer Hand

den Schirm, in der anderen meine schicke Tasche, die bald einen etwas ramponierten Eindruck machte, doch meine Füße blieben trocken.

Zu einem Kulturtrip gehört natürlich auch ein Konzertbesuch. Mein Mann hatte wirklich an alles gedacht und vorsorglich Karten bestellt. Ich hatte Mühe meine Augen offen zu halten, der Tag war sehr anstrengend gewesen und nur meine schmerzenden Füße hinderten mich am Einschlafen, doch das hätte ich nie zugegeben.

Maximilian unser Reiseleiter verstand es sehr gut meine etwas rudimentären Geschichtskenntnisse aufzufrischen und bald hielt ich Sobieski nicht mehr für ein türkisches

Cafe in Istanbul, sondern lauschte gerne den Berichten über diesen hervorragenden Feldherrn, der auch als Retter Wiens galt, da er sich einst mit seinem Heer mutig den angreifenden Türken entgegen stellte.

Am dritten Tag, nach einem anstrengenden Tag in der Altstadt, beschloss ich einen kleinen Einkaufsbummel zu wagen. Was sein muss, muss sein.  Ich wollte mir einfache, bequeme Schuhe kaufen, schön oder weniger schön, es war nicht mehr so wichtig. Gesagt, getan, mit ein paar wüstentauglichen Latschen kam ich zurück. Der Spott meines Mannes war nicht zu überhören, doch meine glorreichen Sieben verstanden mich sofort. Mit zwei von ihnen hatte ich fast Freundschaft

geschlossen, da wir uns ja immer wieder  in den Schlangen vor den besagten Örtchens trafen. Meine Individualität war bereits  auf ein Minimum geschrumpft, denn ich hatte nebst den Schuhen auch eine rote Regenjacke und einen geräumigen Rucksack erstanden. Letzterer wurde sofort mit einigen Wasserflaschen und grünen flip-flops bestückt. Doch, oh Schreck, als ich den Laden verließ, war meine Orientierung  dahin. Die Straße hatte sich total verändert und der Stadtplan lag im Hotel. Doch das Handy hatte ich dabei und auch Maximilians Nummer gespeichert. Lachend gab er mir Instruktionen und bald war ich wieder im Hotel.

Meine Metamorphose war scheinbar nicht mehr zu bremsen. Ich entwickelte mich rasant zu einem dieser billigen Massentouristen, die sich nur in Scharen von Gleichgesinnten wohlfühlen und in drei Tagen sieben Länder bereisen wollen. Doch ich hatte dabei kein schlechtes Gefühl und als wir abends noch durch einige Kneipen zogen, fand ich direkt Gefallen an meinem Touristendasein. Ich war in diese Gruppe hinein gewachsen und bei näherem Hinsehen entdeckt man doch viele Gemeinsamkeiten mit den anderen Reiseteilnehmern.

Unser Herr Klug erklärte uns genauestens seine Schilddrüsenunterfunktion, die ihm aber beim Trinken keinerlei Probleme zu

bereiten schien, eher später beim Bezahlen seiner Rechnung. Da er aber keinerlei Ähnlichkeiten mit einem ‚Mister Universum aufzuweisen hatte, fand sich leider kein Sponsor. Unser Schmetterling entpuppte sich als zarte Mimose, der angeblich das Kartoffelpüree vom Vortag schwer im Magen lag. Hingebungsvoll kümmerte sich Maximilian um das arme Wesen, das ihn dankbar anhimmelte. Er war eben ein guter Reiseleiter und fühlte sich für alle Gruppenmitglieder verantwortlich.

Als mir ein kleiner Junge tags darauf ein paar billige Ansichtskarten zum Kauf anbot, griff ich dankbar zu. Ich lächelte ihn an und legte noch ein ordentliches Trinkgeld dazu. Die

Erinnerung an diese Reise war mir das wert. Meine Mutation zur Touristin schien abgeschlossen und war sogar für diesen kleinen Jungen sofort erkennbar.

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ulla

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Phil_Humor Mutation vom Modell-Styling zur Touristin. Man sträubt sich, will das Besondere sein - und erliegt dem Notwendigen, dem Charme des Banalen und Unangestrengten. Super Idee.
Vor langer Zeit - Antworten
ulla Danke, genau so ist es
Liebe Grüße
Ulla
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR 
Liebe Ulla,
deine Metamorphose von der schicken Dame zur Pauschaltouristin im Bequemschuh war wirklich sehr amüsant zu lesen. 'Schlau' und 'Oberschlau' haben wir tatsächlich in jeder Reisegruppe - aber nicht nur dort. ;-))
Ich kenne Warschau leider nicht, nur ein bisschen Pommern an der Ostseeküste und den polnischen Grenzposten auf der Schneekoppe. Aber wir suchen ja noch nach einem Reiseziel für nächstes Frühjahr ....

GlG fleur
Vor langer Zeit - Antworten
ulla So eine Städtetour ist jedenfalls sehr anstrengend, zumindest für mich, die ich doch auch sehr gerne irgendwo in der Sonne liege, doch es war eben einmal etwas anderes und ich war überrascht, wie modern diese Stadt geworden ist, kein Hauch vom ehemaligen Ostblock mehr zu verspüren, so wie ich es in Erinnerung hatte
Danke fürs Lesen und noch einen netten Abend
lg
ulla
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR Wem sagst du das!
Bei unseren Flusskreuzfahrten haben wir immer Stadtbesichtigungen dabei ... Und auch in Krems und Dürnstein war es anstrengend - wegen der Hitze ... Bequeme Laufschuhe kommen als erstes in den Koffer.
Nun habe ich tatsächlich nach einer Fahrt auf der Wisla Ausschau gehalten, aber noch nichts gefunden, wo Warschau mit im Programm ist...
LG fleur
Vor langer Zeit - Antworten
ulla Angeblich ist die Weichsel in Warschau nicht mehr beschiffbar , versandet leider. Bleibt nur der Luft oder Landweg, wir kamen mit dem Flieger.
Glg
Ulla
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR 
Danke dir für die Info, dann müssen wir uns anders orientieren ...
GlG fleur
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Warschau kenne ich auch noch als ständig hastende lärmende Stadt. Hier verläuft das Leben noch in etwas anderen Bahnen. Wir haben damal bei Freunden in der Innenstadt übernachtet und ich war erstaunt, dass selbst in der Nacht reges Treiben auf den Straßen herrschte. 2002 bin ich dann mit dem Auto durch Warschau gefahren, aber das war der blanke Horror, bei dem regen Verkehr. Hoffentlich habt ihr auch die Altstadt besucht, die ist ja wirklich wunderschön. War gerne nochmals mit Dir da und drück Dir die Daumen.

Liebe Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
ulla Laut ist es noch immer, in der Altstadt waren wir bummeln und natürlich im Königsschloss. jedenfalls war Warschau eine Reise wert, wenngleich Danzig für mich als Binnenländerin auch eindrucksvoll war.... das Meer....
War schön, dass du mich begleitet hast, Danke
lg
ulla
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Das Königsschloß habe ich damals auch gesehen, wenngleich ich mich nicht mehr so recht erinnern kann, weil das ja schon fast 40 Jahre her ist, aber schon zu "sozialistischen Zeiten" war Warschau beeindruckend. War auch im Kulturpalast, damals nach russischem Vorbild erbaut.
Gdansk (Danzig) hat natürlich auch ein ganz besonderes Flair mit seinen Künstlern am Langen Markt, aber es ist auch schon lange her, dass ich dort war, so in den 80ern. Vielleicht hat man Euch auch Malbork gezeigt, die berühmte Kreuzritterburg. Damals hat sie sehr gelitten unter den ständigen Schallmauerdurchbrüchen der jagsflieger, bekam Risse in den Wänden, so dass man schon provisorisch abstützen musste. Da wir Freunde in Polen haben, sind wir dort schon viel herumgekommen, nur leider Krakau haben wir noch nicht gesehen.

LG Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
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