Mittwoch, 9. Juli Als ich heute Morgen aufwachte und die Sonne bereits ihre ersten warmen Strahlen auf meine geblĂŒmte Bettdecke warf, wusste ich, dass es ein guter Tag werden wĂŒrde.
Jetzt sitze ich in einem CafĂ© in der Stadt und trinke einen Schluck Cola. Ich war zwar in gefĂŒhlten tausend Hippie â LĂ€den und Souvenirshops, habe mir aber noch nichts gekauft. Was solls â ich bin ja noch einige Tage hier. Mein Vater ist vor ein paar Minuten gegangen, weil in der NĂ€he noch ein kleines Konzert ist. Das machtâs wiederrum fĂŒr mich leichter,
unbemerkt diesen Jemand wieder zu treffen, dessen Name ich nicht einmal weiss. Es ist kurz vor zwei Uhr, bald ist Siesta. Ich entscheide mich dazu, langsam nach Hause zu gehen. Mein Weg fĂŒhrt durch die angsteinflössenden GĂ€sschen, dann am Hafen vorbei, einige Minuten am Strand entlang, und dann bin ich auch schon zurĂŒck. Es ist komisch, so ganz alleine hier zu sein. Heute hĂ€tte ich keine Lust, zu baden, denn das Meer hat Seegras angeschwemmt. Als ich noch jĂŒnger war, habe ich es als Rock angezogen und es in den Teig meiner âSandkuchenâ gemischt. Igitt. Ich gehe zurĂŒck in die Wohnung und
verbringe die restliche Zeit damit, irgendeine Quizshow im Fernsehen zu gucken und drei Dosen Cola zu trinken. Kurz vor vier Uhr ziehe ich mir noch schnell ein frisches, weisses Top und Jeansshorts an, nehme meine Ledertasche, ziehe mir meine alten Sandalen an, die schon fast auseinanderfallen, und verlasse die Wohnung mit einem unausstehlichen Herzklopfen, dass ein Chaos in meinem Bauch auslöst. Er sitzt bereits auf der Mauer, diesmal ohne Gitarre. Als er mich sieht, nickt er mir zu und lÀchelt. Ich kann es nicht oft genug erwÀhnen, aber sein LÀcheln ist verdammt schön und macht mich selbst
glĂŒcklich. Aber schon eröffnet sich die nĂ€chste Schwierigkeit: Wie soll ich ihn bloss begrĂŒssen? Ich meine, wir kennen uns ja schon ein kleines bisschen, aber irgendwie auch gar nicht... Das Problem löst sich von selbst, es passiert einfach nichts. Er steht auf und wir gehen zusammen in Richtung Stadt. âIch habe festgestellt, dass ich noch nicht mal deinen Namen weissâ, sagt er. âOlivia. Und wie lautet deiner?â âJoel. Dein Name gefĂ€llt mir. Er passt zu dir.â âFindest du? Danke...â Unser kurzes GesprĂ€ch wird von einem lauten Ton unterbrochen, der ein bisschen tönt wie der einer
Sirene. âWas ist denn das?â, fragt er irritiert. âAch, das ist bloss das Horn dieser Fabrik, ich glaube, es ist eine Thunfischfabrikâ, beginne ich mit meinem Gelaber. Als wĂŒrde ihn Thunfisch interessieren. âIch liebe Thunfischâ, lacht er. âIch auchâ, gestehe ich ihm. Wir lachen. Langsam beginnt sich die Situation aufzulockern. Wir gelangen zum Zentrum der Stadt. âOh, da will ich reinâ, sagt er begeistert beim Anblick eines Plattenladens, der mir bisher noch gar nicht aufgefallen ist. Als wir drin sind, guckt er sich konzentriert um, bis er plötzlich eine Platte hervorzieht und mich fragt: âKennst du
Pink Floyd?â Ich ziehe die Augebrauen hoch und grinse. âErnsthaft jetzt? Du fragst mich, ob ich Pink Floyd kenne? Nein, ich besitze die zwei Shirts bloss, weil mir der Aufdruck gefĂ€llt. Na ja, das ist auch einer der GrĂŒnde. Aber ich bin bin nicht so unerfahren in Sachen Musik, wie du wahrscheinlich denkst.â Er wirft mir einen anerkennenden Blick zu. âLangsam beginne ich, sie zu verstehen. Meine Eltern spielten immer die Platten ab und ich fragte sie immer, was sie denn an dieser Musik so aussergewöhnlich finden. Aber nun habe ich realisiert, dass man die Leidenschaft nicht erzwingen kann, sie kommt von selbst.â Ich ernte
einen noch anerkennenderen, fast erstaunten Blick und lache. âWillst du mich verarschen?â, fragt er mich mit ironischem Unterton. âNö, so bin ich.â Ich wende mich wieder der Nirvana-Platte zu und sehe aus dem Augenwinkel, wie er zufrieden und immer noch erstaunt den Kopf schĂŒttelt. Wir verlassen den Laden mit einer grossen Tasche. Ich habe mir die Pink Floyd â Platte gekauft, obwohl wir sie bereits besitzen, sozusagen als Andenken. Ausserdem habe ich mich von Joel ĂŒberreden lassen, Led Zeppelin - Platteâ zu kaufen. Er begleitet mich noch in einige Hippie â LĂ€den, in denen ich zwar heute Morgen schon war, aber
dieses Mal finde ich tatsĂ€chlich ein Kleid, das mir gefĂ€llt. Es ist weiss, wie viele meiner Klamotten. Sobald ich es anhabe, öffne ich den Vorhang der Kabine und drehe mich im Kreis. âJetzt fehlt bloss noch der Blumenkranz. Du könntest aber auch einfach Seegras nehmen...â, bemerkt er sarkastisch. Ich lache und strecke ihm die Zunge raus. SpĂ€ter setzen wir uns auf eine Bank in einem kleinen Park in der Stadt, um unsere brennenden FĂŒsse ein bisschen zu beruhigen und den Einkaufsabend ausklingen zu lassen. âSo, Joel, kannst du mir mal erklĂ€ren, weshalb du ausgerechnet mit mir einen Trip in die Stadt machen
wolltest?â âWeil ich dich kennenlernen wollte. Du bist etwas besonderes.â âDu auch.â âDu bist noch viel besser, als ich gedacht hatte. Dein Aussehen, dein Humor, dein Musikgeschmack. Du bist perfekt.â Ich bemerke, wie ich rot anlaufe. âJetzt hörâ mal auf mit den Komplimenten. Du machst mich ganz verlegen.â âOh, sorry, war nicht meine Absicht.â Er legt seinen Arm um mich. âIch kann es nicht fassenâ, gestehe ich ihm, âdass so einer wie du sich fĂŒr mich interessiert.â âWarum?â, fragt er verwundert. âIch sehe keinen Grund, sich nicht fĂŒr dich zu
interessieren. Aber ich schweige jetzt besser, sonst mache ich dir nur weiterhin Komplimente.â Ich rĂŒcke nĂ€her zu ihm. Noch nie war
schweigen so schön wie jetzt. Den LÀrm der Stadt im Hintergrund, das PlÀtschern des Brunnens neben uns, das Rauschen der BlÀtter. Ist es ein Traum?