Einleitung
Das Kaiserreich von Canton, versinkt im Krieg, zwischen den rivalisierenden Armeen des Zauberfürsten Simon Belfare und den Streitkräften der Herrschenden Ordeal-Dynastie.
Während beide Seiten das Land, ohne Rücksicht verbrennen, versuchen tausende von Flüchtlingen sich vor den, immer weiter um sich greifenden Kämpfen, nach Süden zu retten.
Inmitten all dieser Unruhen, möchte der wandernde Schmied Leif, eigentlich nur in Ruhe gelassen werden.
Schließlich, doch gezwungen, sich einem
der Flüchtlingstrecks anzuschließen, macht er sich auf den Weg, die Zerstörung, wie so viele, hinter sich zu lassen.
Unwissend, das der Schlüssel, zum Ausgang des Krieges, bald in seinen Händen liegen wird.
Und eine Welt, in der es keine richtige Seite mehr gibt, ist ein gefährliches Pflaster.
Bildquelle : Kurt Bouda / pixelio.de
Kapitel 36 Wendung
Leif zögerte keine Sekunde. Er riss sofort das Schwert von seinem Platz an seinem Gürtel und richtete die Klinge auf den Wolf. Ordt blieb erstaunlich ruhig und rührte sich nicht. Er zog lediglich ebenfalls das Schwert.
„Was tut Ihr hier?“ Die Stimme des Schmieds hallte durch den Thronsaal. Die anderen/ waren scheinbar auf ihren Plätzen erstarrt. Leif konnte die Anspannung in der Luft schmecken. Das Blut rauschte in seinen Ohren. Seine Sinne waren geschärft. Er wusste, wie
gefährlich der Gejarn war. Vielleicht gefährlicher als Robert. Aber diesmal war er nicht verwundet. Ruhig bleiben, sagte er sich selbst. Soweit er das sehen konnte, war der Wolf alleine. Aber wenn der König auf dessen Seite war….
Seine Augen wanderten zum Thron. Baltasar war offenbar als einziger nicht auf seinem Platz festgewachsen.
„Die Herren, das ist wirklich nicht nötig.“, erklärte er.
„Vielleicht könnt Ihr mir dann erklären, was Belfares verdammter Schoßhund hier zu suchen hat?“, fragte Kornelius.
Offenbar hatte der Mann damit einen Nerv getroffen, denn Ordt machte einen
bedrohlichen Schritt auf den Alten zu. Bevor der Wolf ihm jedoch zu nahe gekommen war, sprang Leif auch schon vor. War die Situation eben noch angespannt gewesen, so geriet sie jetzt völlig aus der Kontrolle. Ordt schlug reflexartig nach dem Schmied. Leif parierte den Hieb und stieß den Gejarn mit einem Tritt zurück. Der Mann stolperte rückwärts über die Teppiche, während Leif sofort nachsetzte. Ordt fing sich grade noch um den Angriff des Schmieds auszuweichen. Die Klinge verfehlte ihn nur knapp, der Wolf ließ sich dadurch jedoch kaum aus der Ruhe bringen und hieb mit einer Pranke nach Leif. Dieser war plötzlich seinerseits
gezwungen, zurückzuweichen um der Attacke zu entgehen, was Ordt die Gelegenheit gab, sich wieder zu fangen. Leif ließ den Gejarn nicht aus den Augen, während dieser sich wieder aufrichtete. Seine Hände klammerten sich um den Schwertgriff.
Er durfte seinen Gegner keinesfalls unterschätzen, dafür hätte er grade fast bezahlt. Ordt wandte seinerseits keinen Moment den Blick von Leif. Der Schmied konnte beinahe sehen, wie es im Kopf des Wolfs arbeitete. Wenn der Mann eines bewiesen hatte, dann das er verschlagen genug war, jeden Vorteil zu nutzen. Aber auch ohne diese Eigenschaften, Ordt war ein Kämpfer,
mit dem Leif rechnen musste.
„Genug.“
Die Stimme des Königs riss die beiden Kontrahenten schließlich aus ihrer Erstarrung. Leif zögerte, sich zu Baltasar umzuwenden, bis Ordt schließlich als erster die Waffe sinken ließ. Also gut… der Gejarn würde schon nicht so dreist sein, ihn hinterrücks zu töten. Nicht, wenn der Herrscher über die gesamte Stadt, in der er sich befand, etwas anderes verlangte.
Baltasar klang nun ernsthaft wütend:
„Ich werde nicht zulassen, dass sich meine Gäste gegenseitig umbringen. Was soll denn das für einen Eindruck machen? Das hier ist neutraler Grund,
kein Schlachtfeld. Wenn ihr euch unbedingt gegenseitig töten wollt, tut das vor den Toren meiner Stadt, nicht innerhalb. Und jetzt nehmt die Waffen weg oder meine Wachen werden sie sich holen!“
Leif seufzte und schob die Klinge zurück in seinen Gürtel. Es hatte keinen Sinn. Ordt zögerte kurz, folgte dann jedoch seinem Beispiel.
„Ihr habt uns eine Falle gestellt.“, rief Celani.
Baltasar schüttelte den Kopf.
„Nein. Wie ich bereits sagte, seht euch als Gäste, wie auch der Vertreter Simon Belfares sich als mein Gast betrachten kann. Solange ihr euch dem
Gesetz meiner Stadt beugt. Keine Kämpfe innerhalb der Mauern Erindals. Wer meinen Gästen etwas zu leide tut, verwirkt sein Leben. Das gilt für alle, ob grade anwesend oder nicht. “
„Warum ist er dann hier?“, fragte Sandria und deutete auf den Wolf. „Ihr wisst, dass Simon Belfare auf dem Weg hierher ist. Und verzeiht, das ich Euch das unterstelle, aber ich glaube Ihr wisst, was er hier sucht.“
„Das tue ich in der Tat. Simon Belfare sucht etwas, das ausgerechnet Ihr bei Euch habt. Wie mir Ordt hier mitteilte, nachdem man Eure Ankunft meldete. Der Adler kontrolliert mittlerweile die See und Landwege von
Canton aus zu den freien Königreichen. Zumindest, soweit das Erindal betrifft.“
Kornelius schüttelte den Kopf.
„Wenn das so weitergeht, umrunden die Armeen, Canton einmal ohne eine Entscheidung herbeizuzwingen. Könnten wir Simon und den Kaiser nicht einfach zusammen in einen Raum einsperren und die das alleine klären lassen? Nein ?“
Erik wendete sich derweil an Ordt
„Wie konntet Ihr wissen, dass wir hierher kommen würden?“
Eine gute Frage, dachte Leif. Noch wusste er nicht, in wie großen Schwierigkeiten sie steckten. Oder überhaupt, Baltasar wirkte ziemlich vernünftig… aber wenn er wirklich
wusste, wohinter Simon her war… was hinderte ihn daran, es sich zu holen? Für den Moment hieß es abwarten.
„Zufall. Bis vor einer Stunde wusste ich nicht, das ihr hier seid.“, gab der Wolf zu. „Ich bin ursprünglich aus einem anderen Grund hier. Und zwar um Baltasar hier das Angebot zu unterbreiten, seine Stadt friedlich zu übergeben, wenn Simon hier eintrifft. Das Ihr ausgerechnet hierher kommt… ist bemerkenswert, auch wenn ich wusste, dass Ihr in die freien Königreiche flieht.“
Baltasar nickte.
„Und ich muss zu meiner Schande gestehen, dass dieses Angebot durchaus
Sinn macht. Ich danke ab und erkenne Simon Belfare als neuen Oberherren an, dafür wird die Stadt und alle ihre Bewohner verschont. Die Armee kommt nicht einmal in die Nähe. Im direkten Kampf hat die Stadtgarde keine Chance. Wir sind nur ein paar Hundert.“
Mhari sah scheinbar unschlüssig zwischen dem Wolf, der Gruppe um Celani und Baltasar hin und her.
„Ich wusste nicht, dass die Dinge hier so stehen.“
„Ihr wart eine Weile nicht hier.“, antwortete der König lediglich.
„Das ist wohl wahr. Wo ist Euer Kampfgeist hin?“, fragte die Löwin.
Baltasar lachte.
„Ich habe andere Möglichkeiten. Dank Euch, wie mir scheint.“
Erik trat vor.
„Lasst mich raten. Stein gegen Stadt ? Und Ihr behauptet noch, das hier wäre keine Falle.“
„Nein, wenn Ihr mir doch kurz zuhören würdet. Ich würde niemals einen Gast in Gefahr bringen. Aber versteht mich, Ihr seid das einzige, was ich anzubieten habe um diesen Ort zu retten. Denkt wenigstens darüber nach. Ich werde Euch nicht festhalten, das schulde ich jemanden, dem ich Zutritt zu meiner Stadt gewähre.“
„Und wer versichert uns, das Ihr Euren Ehrenkodes nicht plötzlich über
Bord werft, wenn wir uns entscheiden euch nicht zu helfen?“ , wollte Celani wissen.
„Mhari.“, erwiderte der König nur.
Die graue Gejarn legte fragend den Kopf auf die Seite.
„Vermutlich würde ich Euch nicht erlauben, sie hier festzuhalten.“
Und wie bitte würde sie das? , fragte Leif sich einen Moment. Die Löwin war alleine und sie im Herzen einer Stadt, die dem Mann vor ihnen unterstand. Einer Stadt mit geschossenen und bewachten Toren.
„Ich will die Gelegenheit nutzen um zu verhandeln. Ich kann Euch immerhin jederzeit... gehen lassen, dann verliert
Simon, was er will. Oder wir können darüber verhandeln, ob und unter welchen Bedingungen er das Juwel bekommt, das er haben will. Ich werde in diesem Konflikt neutral bleiben. Das ist, was ich plane. Diese Stadt, wird neutral bleiben. Im Gegenzug dafür, verlange ich von Euch nur, dass Ihr Simon Belfare anhört… und darüber nachdenkt, was Ihr mit diesem Stein tut. Meine Stadt brennt sonst. Ist das zu viel verlangt?“
„Und Ihr versprecht, das wir jederzeit gehen können?“
„Das ist Teil meiner Bedingungen, die Ordt hier zurück zu Simon bringen wird, Euch nicht sofort weiter in die freien
Königreiche zu schmuggeln. Simon Belfare wird alleine oder mit einer minimalen Garde hierher kommen. Somit bleibt Erindal selbst frei und Ihr könnt das Umland verlassen. Welches Druckmittel hätte ich schließlich, wenn er einfach einen Belagerungsring um mein Reich schließt? Kein sehr gutes.“
„Könnte ich mich bitte kurz mit den anderen absprechen?“, fragte Leif.
Baltasar deutete nur auf die Tür, durch die Ordt hereingekommen war.
„Lasst euch Zeit.“
Der Schmied nickte lediglich, bevor er die anderen hinter sich her winkte und durch die Tür trat.
Mhari blieb derweil im Thronsaal
zurück. Auf der anderen Seite befand sich ein kurzer Flur, von dem weitere Gänge abzweigten. Ihre Schritte hallten auf den aus gelbem Sandstein gefertigten Fliesen, ansonsten jedoch, war es überraschend still. Leif hielt erst an, als er sicher sein konnte, weit genug vom Thronsaal entfernt zu sein, um nicht belauscht zu werden.
„Celani… ich will als erstes Wissen, was Du von der Sache hältst. Letztlich geht es darum, was Du mit diesem Armband tust.“
„Ich… weiß es nicht.“, erklärte die Gejarn. „Wir haben einen Kontinent durchquert, nur um Simon und dem Kaiser zu entkommen. Mein Clan hat
sich freiwillig dafür entschieden, sich gegen Simon zu stellen und offenbar hat er sie dafür aus ihrem Land vertrieben. Aber ich kann doch keine ganze Stadt opfern, vorausgesetzt, Baltasar lässt uns wirklich einfach so ziehen….“
„Erik ?“ Der Arzt stützte das Kinn auf die Faust.
„Wir sind an einem Ende angelangt, fürchte ich. Entweder, wir nehmen Baltasars Angebot an und treffen uns mit Simon und sehen was das bringt… oder wir rennen immer und immer weiter.“
Leif nickte.
„Sandria ?“
„Ich kann nicht behaupten, dass ich wüsste, was passiert, wenn Simon die
Träne in seinen Besitz bringt. Aber ich kann auch nicht behaupten, dass wir noch viel länger weglaufen können. Es war einfach, schlicht nur nach Süden zu gehen und einfach zu hoffen. Aber jetzt sind wir im Süden und sind keinen Schritt weiter.“
Kornelius seufzte.
„Statt dem Krieg zu entkommen, haben wir ihn mit uns gebracht. Leif… ich bin der letzte der glaubt das man dem Kaiser oder Simon trauen könnte... aber lass es uns wagen.“
Als sie in die Halle zurückkehrten, wartete der Stadtkönig nach wie vor in der Halle, zusammen mit Ordt und
Mhari, die an einem der Fenster stand und auf die Stadt hinaus sah.
Die Sonne stand nach wie vor hoch am Himmel und brannte auf die Straßen hinab aber in den steinernen Hallen war es angenehm kühl.
„Fürs Erste… bleiben wir. Und wir sind bereit mit Simon zu reden.“, erklärte Leif, bevor er sich an Ordt wendete.
„Unter der Bedingung, dass Ihr Euch an alles haltet. Keine Soldaten, Erindal bleibt unangetastet und zwar egal, wie das hier ausgeht und wenn ich auch nur das Gefühl haben sollte, das ihr uns hintergeht….“
Der Wolf gab zum Erstaunen des
Schmiedes keinerlei Widerworte. Er nickte lediglich und tatsächlich huschte kurz ein Lächeln über seine Züge. Das Grinsen des Gejarn offenbarte viel zu viele Reißzähne für Leifs Geschmack, aber seine Worte waren ungewohnt freundlich:
„In diesem Fall breche ich sofort auf. Und ob Ihr mir glaubt oder nicht, ich respektiere, was Ihr hier tut. Ich wüsste nicht ob ich das könnte. Celani. Leif. “Er nickte den beiden kurz zu. „Wir sehen uns in ein paar Tagen.“
„Man wird Euch bis vor die Stadttore eskortieren.“, erklärte Baltasar.
„Nur um sicherzugehen, dass Ihr uns wirklich verlasst.“
„Keine Sorge.“, erwiderte Ordt nur, während er von zwei Soldaten in schwarzen Wappenröcken aus der Halle gebracht wurde. „Ihr habt Zeit nachzudenken, bis Simon hier eintrifft. Ich würde raten, sie zu nutzen.“
Mhari hatte sich derweil vom Fenster abgewandt. „In diesem Fall, werde ich hier nicht mehr benötigt.“
„Ihr wollt uns schon verlassen?“ , fragte Erik betrübt.
„Nehmt es mir nicht übel, aber Ihr sucht das Chaos, wie eine Motte das Licht, alter Freund.“ Sie zwinkerte. „Und ich wäre dann gerne aus dem Schussfeld.“
Mhari wendete sich zum gehen, hielt
dann aber noch einmal an.
„Nur ein Wort noch. Es kann alles gut werden, glaube ich. Aber das wird seinen Preis haben.“
Leif sah der Gejarn einen Augenblick nach, bevor sie in den Fluren des Stadtpalasts verschwand. Wenn es eines gab, womit er nichts anfangen konnte, dann waren das kryptische Warnungen.
Er drehte sich zu den anderen um. Götter, hoffentlich trafen sie die richtige Entscheidung. So oder so… die Zeit des Weglaufens war fürs erste
vorbei.