Journalismus & Glosse
Marktplatz

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"Marktplatz"
Veröffentlicht am 21. Juli 2014, 10 Seiten
Kategorie Journalismus & Glosse
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Über den Autor:

Bisher von mir erschienen im Verlag neun9zig Liebe mbH ISBN 978-3-944907-00-0 Querfeldein ISBN 978-3-944907-02-4 Beide Bücher leider komplett ausverkauft. Noch erhältlich bei Amazon, Verlag neun9zig oder direkt bei mir: Quertextein und hinterm Komma links ISBN 978-3944907215 Kontaktaufnahme über meine Homepage: http://quertextein.jimdo.com/
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Ich gebe zu, ich gehöre zu den Menschen, die der mit „Auto“ überschriebenen Wochenendbeilage ihrer Tageszeitung nicht dieselbe Aufmerksamkeit entgegenbringen wie dem Rest der Gazette. Anders gesagt: Ich überfliege lediglich das Fettgedruckte, und das auch erst, nachdem ich mich, weitaus intensiver, dem politischen, dann dem wirtschaftlichen Teil und letztlich den lokalen und kulturellen Seiten gewidmet habe. Im Allgemeinen fühle ich mich durch das selektive Lesen auf diesem Gebiet ausreichend informiert, eine Annahme, in der ich durch den gelegentlichen tieferen Einstieg in den einen oder anderen Artikel

durchaus bestärkt werde.

Aus Gründen, deren Erörterung den Rahmen sprengen würde, stand mir an diesem Morgen als Frühstückslektüre aber ausschließlich jener weniger von mir geliebte Teil der Zeitung zur Verfügung, so dass ich tatsächlich die Artikel von der ersten bis zur letzten Zeile las. Ich glaube, ab sofort gehört diese Beilage zu meinem bevorzugten Lesestoff, wobei es weniger die technischen Neuerungen für fahrbare Untersätze waren, die mich daran faszinierten. Interessant wurde es nämlich erst, als ich zur letzten, mit „Marktplatz“ überschriebenen Seite vorgedrungen war, die mit Autos nicht mehr auch nur das Geringste zu tun hatte. Gut,

dass über die sattsam bekannten digitalen Verkaufsplattformen im Internet allerlei Schnickschnack angeboten wird, ist bekannt. Dort sucht man aber für gewöhnlich gezielt nach den Dingen, für die man sich interessiert. Der Blick auf eine gedruckte Anzeigenseite offenbart einem hingegen auf  Anhieb eine solche Vielfalt an skurrilen Angeboten und Gesuchen, dass es einen glatt erschlägt. Hochinteressant fand ich zum Beispiel, wie viele Menschen es anscheinend gibt, die sich erst ein altes Bauernhaus zulegen und dann „zwecks Einrichtung desselben“ per Inserat nach den dazu passenden Möbeln suchen, möglichst antik und gern auch renovierungsbedürftig, vor allen Dingen aber günstig. Es gibt Offerten

„für Ofensammler“ (Wer, zum Teufel, sammelt ÖFEN?), Kaufgesuche für alte Familienportraits („Und DAS ist Freiherr von Klitzebüx, ein DIREKTER Vorfahr meiner Gattin ...“) sowie „private Sammler“ auf der Jagd nach Pelzmänteln, Nähmaschinen, Porzellanfiguren und Militaria jeder Art. Wobei die so gesuchten Gegenstände unter ein und derselben Telefonnummer angeboten werden dürfen. Erstaunlich ist dabei allerdings, dass es offenbar unterschiedliche Sammler mit haargenau denselben Interessengebieten gibt … Diese „privaten“ Sammlungen möchte ich gerne einmal in Augenschein nehmen, habe ich doch den Verdacht, dass nicht etwa besonders wertvolle Exponate in Vitrinen

ausgestellt das Auge des Betrachters erfreuen, sondern dass sie samt und sonders in Pappkartons mit der Aufschrift „Flohmarkt“ landen. Dann fand ich noch ein Angebot über einen „befristeten, bereits angezahlten Fitnessvertrag für Frauen“. Genialer Werbeschachzug eines Sportcenters, oder die Hoffnung einer Dame, sich auf elegante und Gewinn bringende Weise eines unliebsamen Geschenkes zu entledigen? Unter „Verschiedenes“ bot ein „Schmalfilmretter“ seine Dienste ebenso an wie der „devote Er“, der gerne nackt für mich putzen würde. Wäre glatt eine Überlegung wert, wenn ich mich in der Wohnung so umschaue.

Die Entdeckung des Tages schlechthin waren aber diese Zeilen: „Mein Herz, deine Träume sind auch meine Träume“ und „Wenn du da bist, werden solche Zeilen hier zur Kunst“ oder „Ich liebe dich, nur dich kann ich lieben“. Jeweils der erste Teil der Bekenntnisse fettgedruckt, aber - und das brachte mich ins Grübeln - ohne dass die dazugehörige Telefonnummer des Inserenten oder gar der Name des oder der Angebeteten genannt wurde. Das ließ mir natürlich keine Ruhe. Wer, zum Teufel, gibt das Geld für fünf (!) dieser ein- bis dreizeiligen Inserate aus, statt einfach zum Telefon zu greifen oder - wesentlich Erfolg versprechender - das persönliche Gespräch mit dem Du zu suchen? Dubios, dubios.

Geheime Verständigungszeichen zwischen Erpresser und Erpresstem? Der kleine Kriminalist in mir schüttelte den Kopf. Zu aufwändig. Da hätte eine schlichte Zeile gereicht: „Katharina kotzt Kröten“ beispielsweise. Oder „Ankomme abends,  Aktiva anbei.“ Also doch Liebesschwüre. Aber WER IST „mein Herz“?  Vorsichtig schiele ich über den Zeitungsrand, ob mich mein Gegenüber eventuell gespannt bei meiner Lektüre beobachtet. Nicht? Schade eigentlich, aber einerseits hätte mich das auch mehr als verwundert, andererseits hätte ich wohl ohnehin dezent darauf hingewiesen, dass ich das für derlei Offenbarungen ausgegebene Geld besser zu investieren gewusst hätte. Meine Küchenfliesen,

beispielsweise, schreien geradezu nach einer devoten Reinigung ...

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Gunda



Bisher von mir erschienen im Verlag neun9zig

Liebe mbH
ISBN 978-3-944907-00-0
Querfeldein
ISBN 978-3-944907-02-4

Beide Bücher leider komplett ausverkauft.

Noch erhältlich bei Amazon, Verlag neun9zig oder direkt bei mir:
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marketwizard Ja, wirklich genial. Man ist gespannt von Seite zu Seite und kann nicht aufhören zu lesen...
Irgendwie glaube ich, dass es noch viele Seiten gefüllt hätte.
Aber das Finale ist grandios.
Danke und lg,
Wizard
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Jo, derlei Anzeigen habe ich schon öfter entdeckt, aber sie mir natürlich säuberlich eingeteilt, damit ich sie in unterschiedlichen Texten verwursten kann :o)
Danke, Wizard.
Lieben Gruß
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
KarinB Oh Gott Gunda......Du schreibst einfach so genial.....ich sage Dir....Dich würd ich echt auf die einsame Insel mitnehmen......da hätt ich immer gute Unterhaltung :)
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Grins: Dann müssten wir aber eine Zeitung mitnehmen als Inspirationsquelle :o)
Danke dir, Karin!
Lieben Gruß
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas Na den Putzteufel solltest du mal ordern. Hinterher wäre vermutlich das Haus sauber, aber sein Segen hinge schief. ;-) Ich frage mich ja schon länger, welche Daseinsberechtigung gedruckte Zeitungen eigentlich heutzutage noch haben, aber ja, diese Anzeigen sind definitiv eine. Also nicht, sie aufzugeben, wie du ja zweifelsfrei dargelegt hast, sondern sie zu lesen.

Liebe & amüsierte Grüße
Thomas
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Laut gelacht ... Ja, mit dem schiefhängenden Segen könntest du wohl Recht haben, Thomas. Fast noch interessanter sind die Kleinanzeigen in diesen kostenlosen Wochenblättern, die mehr einem Anzeigenwald als einer informativen Zeitung ähneln. Die scheint kein Mensch gegenzulesen ...

Lieben Gruß
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
erato 
Schreibe dir auch nur - ein
devotes Kompliment,,,,,, liebe Gunda

Herzliche Grüße
vom Thomas
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Grins ... Ich nehme es herrisch an. Danke.
Lieben Gruß
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR 
Im Inseratenteil der Zeitungen scheint es nichts zu geben, was es nicht gibt!
Ich habe mich da auch schon köstlich amüsiert .... besonders über private Kontaktanzeigen. Inzwischen sind die anscheinend auch alle in gewerblicher Hand, da ist es nicht mehr so spannend.
Was noch erwähnenswert wäre, war der Ideenreichtum während der DDR-Jahre, Zeit der absoluten Mangelwirtschaft ... Was da gesucht und zum TAUSCH angeboten wurde, übertraf mitunter die kühnste Fantasie!
Und dann die Abkürzungen und Geheimcodes, wenn es z.B. um DM-Preise ging!
Am beliebtesten war die "Wochenpost", kam überregional immer mittwochs, konnte aber in den 80ern schon gar nicht mehr abonniert werden (Papierknappheit!).....

Deine Glosse hat natürlich wieder Gundaklasse, was sonst!
Liebe Grüße
fleur
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Lächel ... Ich finde es immer herrlich, wenn ich mit meinen Texten zu weitergehenden Überlegungen "anstiften" kann. Danke für das Teilen deines Erfahrungsschatzes, fleur.

Lieben Gruß
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
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