LYDIA
Die Maschine gab sich einsichtig, aber ich wusste, sie war nur eine Kombination aus Metall, Kabeln und Kunststoff. “Ich liebe Dich”, sagte sie leise. Ich ignorierte sie, so gut ich konnte und demonstrierte Gelassenheit. Ich erwarb sie vor vier Jahren auf einem Trödelmarkt in Paris. Der Händler versprach mir nichts, aber er stellte mir in Aussicht, endlich glücklich zu sein. “Monsieur, das ist
Lydia, sie hat alles was sie erwarten.” Ich nahm sie mit nach Hause, lud das
Akku auf und wartete was passierte. Nach drei Stunden zeigte die LED Betriebsbereit. Ich schaltete sie an. “Ich bin Lydia, ich liebe dich. Bitte sage mir deinen Namen.” “Mike” “Ich bin Lydia, ich liebe dich Mike”. Ihre Verarbeitung war ordentlich. Sie erinnerte an diese modernen Living Dolls. Die Oberfläche war natürlich
gestaltet und beim Gesicht gab man sich größte Mühe. Die Brüste waren gut geformt und auch der Körper war europäisch und erotisch geformt. Eine gute Dekoration. Wirklich. “Mike, ich würde gerne Sex haben.” Ich schmunzelte. Natürlich war ich nicht
bereit eine Maschine zu ficken. Warum auch, dass Dorf war voll von willigen Frauen und ich war
begehrt. Ich raunte ein klares “Nein” in ihren Empfänger. Dann zog sie sich aus. Der Rest ist Geschichte. Wir trieben es die ganze Nacht. Bis der Akku leer war. Tage später verliebte ich mich in Lydia. Wir heirateten in meinem Wohnzimmer und wurden ein Paar. Es folgten glückliche Jahre, bis es gestern die ersten Probleme gab. “Mike, ich ziehe aus.” Das waren die Worte, die sie sprach. “Du kannst nicht
ausziehen, du gehörst mir. Du bist eine
Maschine.” “Aber auch Maschinen haben Gefühle.” “Nein, Lydia, haben sie nicht.” Sie legte sich aufs Bett und fing an zu qualmen. “Ich bringe mich um.” “Lydia, du bist eine Maschine.” “Dann mache ich mir einen Kurzschluss.” Sie wurde hysterisch und fing an sich Wasser in den Anschluss zu schütten. “Meine Güte, hör auf mit dem Scheiß, du ruinierst dich noch.” Gott sei Dank hörte sie wirklich auf. Ich schaltete sie
aus, stellte sie in die Ladestation und ließ sie im Standby, damit sie sich nicht ganz isoliert fühlte. Heute morgen schaltete ich sie wieder ein und wir frühstückten zusammen. Das hieß, ich
frühstückte und Lydia saß auch am Tisch. “Mike, ich ziehe aus.” “Ne, nicht wieder der Quatsch. Lassen wir das bitte, Lydia.” “Ich liebe dich nicht mehr, Mike.” “Lydia, du hast mich noch nie geliebt. Das ist ein Programm. Nichts als
ein abspielbares Programm. Wie ein Spiel. Mehr nicht.” Lydia zeigte auf ihren Ring. “Und das? Auch ein Spiel?” “Nein, kein Spiel.” Sie ging rüber zum Kühlschrank. “Das ist Heinz. Wir lieben uns. Wir ziehen zusammen aus.” “NEIN, zieht ihr nicht. Du bleibst hier und der Kühlschrank bleibt hier.” “Aber wir lieben uns.” Ich zog beide Netzstecker und öffnete das Fenster. Draußen liefen
die Menschen ihre
Wege. Es schneite ein wenig und man merkte, dass in drei Tagen Weihnachten war. Ich lachte. Also meine Konkurrenz war jetzt ein Kühlschrank. Na wunderbar. Als nächstes ein Verhältnis mit dem Toaster und dann eine Liaison mit dem Staubsauger. Ich ging wieder rein und schaltete Lydia an. “Gut meine Kleine, lass uns noch mal reden.” “Aber Heinz weint.” “NEIN, Heinz weint nicht, er taut
ab.” Ich steckte seinen Stecker wieder rein. Er dankte es mit einem wohligen Summen. Lydia schien erleichtert.
Jedenfalls so weit ich einer Maschine diesen Ausdruck zugestand. Lydia setzte sich an den Küchentisch und schrieb eine Brief. “Was machst du?” “Ich schreibe Heinz.” “Der Kühlschrank kann nicht lesen.” “Nenn ihn nicht Kühlschrank, er hat einen Namen.” Ich steckte mir eine Zigarette an. “Was schreibst
du?” “Ich trenne mich von ihm.” "Warum?" “Er ist zu alt für mich.” “Ja Lydia, das stimmt.” Ich war erleichtert und lehnte mich zurück. Etwas später wurde mir klar, dass diese Entwicklung neue Probleme mit sich brachte. Der seit Wochen geplante Neukauf einer
modernen Kühl- und Gefrierkombination war damit geplatzt. Das wäre ja noch schöner. In ständiger Anwesenheit eines
Kühladonis, um die Liebe meiner Lydia kämpfen. Nein danke. Never. Soll Heinz doch brummen und nicht richtig kühlen. Er gehört zur Familie. Und wenn ich richtig überlege, ist er mir seit Jahren sogar richtig sympathisch. Ich ging rüber zu ihm und streichelte ihm leicht über die verkratzte Türe. “Na mein Alter, blöd gelaufen, oder?” Ich setzte mich wieder zu Lydia. Während des Schreibens gab das Akku
auf. Sie saß still und unbeweglich da.
Fast wie eine Maschine. Ich küsste sie auf die Stirn und rollte sie an die Steckdose. Heinz brummte lauter. Ich gab ihm ein paar Flaschen Bier.