Romane & Erzählungen
Flaschenpost - Tag 2 & 3

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"Flaschenpost - Tag 2 & 3"
Veröffentlicht am 19. Juli 2014, 18 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
© Umschlag Bildmaterial: rangizzz - Fotolia.com
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Über den Autor:

Sarah, 18, Schweiz.
Flaschenpost - Tag 2 & 3

Flaschenpost - Tag 2 & 3

Montag, 7. Juli


Die Wellen des Atlantiks schlagen heute bedrohlich hoch, woran sich zwar die unzähligen Surfer erfreuen, aber nicht ich. Zusammen mit meinem Vater sitze ich am Pool und blättere wieder in der Zeitschrift, bis mir Justin entgegenblickt und mich an den Jungen erinnert. Wie heisst er wohl? Ich will es wissen. Ich will ihn nicht gehen lassen, obwohl ich ihn nicht einmal kenne, ist das verrückt? Bestimmt hat er eine Freundin.
Die Zeit vergeht wie im Fluge, und bald haben sich dunkelgraue Wolken vor die Sonne gedrängt. „Diese Woche wird

nicht sehr schön. Es soll ein Unwetter geben“, teilt uns Ella, die finnische Kellnerin im Restaurant, in brüchigem Englisch mit, „aber das gibt es hier oft. Ihr müsst keine Angst haben.“ Ich hoffe, sie hat Recht.


Dienstag, 8. Juli


Tatsächlich scheinen Ellas Prognosen versagt zu haben, heute ist das Wetter nämlich blendend schön und sehr einladend für einen langen Strandbesuch. Mein Vater will heute nicht mitkommen, weil er sich angeblich gestern schon einen riesigen Sonnenbrand geholt hat, ist natürlich optimal, gleich am ersten richtigen Ferientag. Nun gehe ich eben alleine, vielleicht werde ich ja ein paar nette Leute kennenlernen. Meine Flip-Flops klatschen auf der kühlen Steintreppe, die ich runtergehen muss, um zur Promenade zu gelangen. Am Strand sind bereits die ersten Windsurfer

zu sehen, aber heute scheint der Wind nicht sehr stark zu – scheisse! Bevor ich diesen Gedanken fertigdenken kann, rutsche ich auf der letzten Stufe aus, falle dem Steinboden entgegen – und auf einmal ist da etwas, das mich an meinen Armen festhält. Nicht ein etwas, sondern jemand. Ich rapple mich auf und bevor ich mich umdrehe, überlege ich, wer dieser jemand sein könnte. Nein, ich muss gar nicht überlegen, ich weiss es schon, das Schicksal hat mir einen tollen Streich gespielt und es ist er, er muss es einfach sein, ich glaube schliesslich an Wunder. Mit einem erwartungsvollen Grinsen im Gesicht drehe ich mich um – und blicke dem Hausmeister entgegen.

„Estás bien?”, fragt er mich mit einem erschrockenen Ausdruck im Gesicht. Ich nicke und laufe rot an. Na dann, muss ich mein Schicksal wohl selbst in die Hand nehmen. Bis ich beim Strand angelangt bin, achte ich peinlich genau auf meine Schritte, damit mir das nicht noch einmal passiert. Ich bin nicht die Einzige hier – bei diesem schönen Wetter finden sich oft viele Einwohner des kleinen Städtchens, in dem wir wohnen, hier und geniessen das Leben für einige Stunden. Touristen hat es hier kaum. Eines der schönsten Dinge an diesem Ort ist, dass man bei guten Wetterverhältnissen die Berge Marokkos

am Horizont erkennen kann. Wir sind zwar noch in Spanien, doch dauert es mit der Fähre bloss eine halbe Stunde, bis man in Afrika ist. Mit zusammengekniffenen Augen geniesse ich es, mal keine Sorgen haben zu müssen, und schon bald gleite ich in eine andere Welt namens Schlaf, ausgerechnet am Strand. Ich erwache erst, als ich das kalte Wasser an meinen Zehenspitzen spüre. Im ersten Moment realisiere ich es gar nicht und bin geschockt, als ich all das Wasser direkt vor mir sehe, dabei ist es bloss die Flut, die langsam näherkommt. Obwohl mein Badetuch bis zur Hälfte klatschnass ist und ich keine Ahnung

habe, wo sich der Schlüssel zu unserer Ferienwohnung befindet, bin ich so glücklich wie schon lange nicht mehr. Nun sollte ich mich aber trotzdem langsam auf den Weg machen, ich bin fast die einzige an diesem endlos langen Strand. Nein-ich warte noch auf den Sonnenuntergang. Die Sonnenuntergänge hier sind so schön, als würde die Sonne zu einer Orange, die im warm gefärbten Ozean versinkt und immer stärker glüht, bis sie fast rot ist. Schade, dass ich meine Kamera vergessen habe, es hätte bestimmt ein paar eindrückliche Bilder gegeben. Tja, manche Momente muss man einfach geniessen, ohne sie

festzuhalten. Je tiefer sie sinkt, desto höher schlagen die Wellen – ich habe an diesem Ort noch nie so hohe Wellen gesehen, deshalb entscheide ich mich, das Spektakel besser aus sicherer Ferne zu betrachten, und setze mich auf eine Mauer, die die Grenze zwischen dem Gehweg und des Strandes bildet. So schön dieser Moment auch ist, irgendwie fühle ich mich alleine. Ich bin eher eine Einzelgängerin, es gibt oft Momente, in denen ich froh bin, wenn ich nicht reden muss. Zuerst muss ich meine eigenen Gedanken ordnen, bevor ich es für jemand anderen tun kann. Als hätte jemand meine Gedanken erhört,

setzt er sich neben mich auf die Mauer. Ich habe zwar keine Ahnung, wer es ist, aber das spielt im Moment auch keine Rolle. Zusammen sehen wir der Sonne zu, wie sie das macht, was sie jeden Abend macht, was die Einwohner hier schon tausendmal gesehen haben und trotzdem immer noch schön finden, was die Abende hier einzigartig macht und viele Erinnerungen hervorruft. Und plötzlich – wie aus heiterem Himmel – beginnt der Fremde, auf seiner Gitarre zu spielen, die ich bis vorhin noch gar nicht bemerkt hatte. Ich erkenne das Lied sofort, es ist “Hey Joe”, ein Klassiker. Er spielt wirklich

gut. Unglaublich. Ich muss lachen, keine Ahnung, wieso. Es ist einfach so schön. Er spielt weiter und singt dazu. Ich singe mit, ohne Hemmungen, ich werde den Typ ja eh nie wieder sehen. Nun, wie ich so bin, habe ich mich nicht mal umgedreht, um zu sehen, wie er aussieht, sondern immer nur aufs Meer gestarrt. Ein kleines Fünkchen Hoffnung ist noch da, trotz dem Hausmeister. Also wage ich es, mich umzudrehen, als er fertig gespielt hat. Ich kann es kaum glauben. Sein Anblick zaubert mir ein breites Grinsen aufs Gesicht, so peinlich das auch sein mag. Er hat dieses Strahlen und das Verständnis in seinen Augen, wie ich es

auch gerne haben möchte. Seine Haare wehen ihm ständig ins Gesicht, weshalb er sie immer mit der Hand zurückstreichen muss. Auch heute könnte man ihn nicht als schön bezeichnen, doch in meinen Augen ist er das. Er hat Stil. Er ist vielleicht nicht so gewöhnlich, aber gerade diese Tatsache macht ihn aus. Wieso urteile ich überhaupt über einen Menschen, den ich noch gar nicht kenne? Alles was er tut, ist, mich anzulächeln, und darin ist er ziemlich gut. Kurz kommt mir der Gedanke, ob ich ihn fragen soll, ob er vielleicht auch reden kann, doch ich verwerfe ihn mit einem Kopfschütteln und einem Blick auf den

Boden. “Hi”, sagt er mit einer warmen, etwas rauchigen Stimme, die schöner klingt als in all meinen bisherigen Vorstellungen. “Hi...” “Was für ein Zufall, dass wir uns hier wieder treffen. Ich hatte gedacht, dieser Ort wäre einigermassen unbekannt.” “Ist er auch, aber wir kommen jedes Jahr hierhin. Langsam wird es langweilig.” “Ach ja? Ich bin zum ersten Mal hier. Mein Kumpel wohnt in der Altstadt.” Ich verschweige ihm die Tatsache, dass ich die engen, langen Gässchen in der Altstadt überhaupt nicht leiden kann, da bekomme ich fast Platzangst. Auf einer Postkarte sehen sie jedoch ganz

romantisch aus. “Oh, das ist cool... Ich könnte dir ja die Stadt ein bisschen zeigen, falls du das möchtest...”, rutscht es mir raus. Das ging zu schnell, nun habe ich es mir endgültig verbockt. “Klar. Morgen?” “Mhm. Wann hast du Zeit?” “Um fünf Uhr am selben Platz?” “Ja, das wäre toll.” “Ich freue mich. Bis dann.” Mit diesen Worten steht er auf, geht mit seiner Gitarre in der Hand und den wehenden Haaren langsam davon, wirft noch einen kurzen Blick zurück und lächelt. Ein solch breites Grinsen trug ich schon

lange nicht mehr auf meinem Gesicht. Später an diesem Abend sitzen mein Vater und ich im Restaurant und essen eine Paella. Ich bin damit beschäftigt, alle Meeresfrüchte aus meiner Portion zu fischen, weil ich diese nicht ausstehen kann. “Mein Sonnenbrand ist ein bisschen zurückgegangen. Ich denke, morgen geht es mir schon viel besser. Hast du Lust auf einen Tag am Strand? Die Wetterprognosen haben sich gebessert und der Wind soll nicht stark sein.” Warum ausgerechnet morgen? “Könnten wir nicht mal in die Stadt gehen?”, frage ich ihn mit bittendem

Unterton in meiner Stimme. “Natürlich, wenn du das so willst.” Nun wäre auch diese Sache geregelt. Auch in dieser Nacht fällt es mir schwer, einzuschlafen, aber nicht, wegen meiner Sorgen, sondern wegen meiner Freude auf morgen. Ich kann es immernoch kaum glauben, dass der Mann meiner Träume durch einen seltsamen Zufall am gleichen Ort Urlaub macht, wie ich, mir ein Lied perfekt vorgespielt – und mich angesprochen hat. Und nun gehe ich morgen mit ihm in die Stadt! Was für ein Glück ich doch habe. Meinem Vater werde ich noch nichts davon erzählen, ich kann ja nicht wissen, wie die Sache morgen ausgeht. Aber eines steht fest:

Ich habe mich verliebt, in jemanden, den ich noch nicht einmal richtig kenne.

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Über den Autor

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Sarah, 18, Schweiz.

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TaraMerveille So kurz vor dem Urlaub hat mir deine Geschichte sehr gefallen.
Witzig fand ich die Stelle mit dem Hausmeister. (Alles andere wäre ja auch seeehr unrealistisch gewesen ;) ). Aber dann war ER ja doch da. Freue mich darauf, wie es weiter geht.
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