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Vor 45 Jahren geschrieben - An meinen geistig behinderten Sohn

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"Vor 45 Jahren geschrieben - An meinen geistig behinderten Sohn"
Veröffentlicht am 12. Juli 2014, 6 Seiten
Kategorie Sonstiges
© Umschlag Bildmaterial: brat82 - Fotolia.com
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Über den Autor:

Ich bin zum Schreiben gekommen durch einen Schicksalsschlag. Mein gesund geborener Sohn wurde durch die damals noch gesetzliche Pockenschutzimpfung geistig behindert. Das hat mich völlig aus der Bahn geworfen und ich fing an zu Schreiben. Am Anfang schrieb ich Gedichte über ihn und später kamen dann andere Themen dazu.
Vor 45 Jahren geschrieben - An meinen geistig behinderten Sohn

Vor 45 Jahren geschrieben - An meinen geistig behinderten Sohn

Brief an meinen Sohn Mein lieber Sohn, Du weißt ja nicht, in welcher Welt Du lebst. Manchmal denke ich, dass es gut ist, dass Du es nicht weißt. Ein anderes Mal habe ich das Gefühl, dass Du es doch merkst, wenn auch nicht so deutlich wie ein gesunder Mensch. Ich glaube, der einzige Mensch, der Dich so liebt wie Du bist, bin ich, Deine Mutter. Aber auch ich habe erst lernen müssen, mit Deiner Krankheit fertig zu werden. Es war nicht immer leicht und ich habe auch jetzt noch Momente, in denen ich vor Verzweiflung schreien könnte. Aber Du sollst es nicht merken, wie

unglücklich ich bin, dass Du geistig niemals ein vollwertiger Mensch sein wirst. Du bist ein so wunderbares kleines Wesen mit reiner Seele und einem guten Charakter. Wenn Dich andere Kinder ärgern, sind sie viel dümmer als Du. Es ist so einfach, einem Schwächeren seine Überlegenheit zu zeigen. Selbst für Deinen Vater bist Du eine Enttäuschung. Glaube mir, er kämpft mit sich selbst, aber die Scham und sein verletzter Stolz liegen mit sich und der oberflächlichen Umwelt ständig in Streit. Er blickt nicht tief genug, um Deinen guten Charakter zu erkennen,

aber er wird es lernen. Eines Tages hat er es geschafft, glaube es mir und verzeihe ihm. Du kannst uns uneingeschränkt lieben trotz unserer vielen Fehler, die wir täglich an Dir begehen. Du bist auch nicht der Enkel, den Deine Großeltern sich wünschten. Wie Du schon gemerkt hast, versuchen sie durch Geschenke oder Geldgaben, die sie Dir reichlich geben, ihr Gewissen zu beruhigen, unwissentlich. Sie holen Dich auch einmal aus Pflichtgefühl zu sich, aber sie sind dann froh, wenn Du wieder gehst, denn Du bist anstrengend und eine ständige Herausforderung für den

Menschen. Es werden Seiten angerührt, die man am liebsten verschlossen hält. Niemand will mit dem Kummer anderer, etwas zu tun haben. Ich kämpfte auch manche Stunde mit mir selbst und meinem schlechten Gewissen, denn auch ich bin froh, wenn Du einmal verreist bist und ich mich erholen kann. Gleichzeitig habe ich aber Angst, es könnte Dir dort, wo Du bist, nicht gut gehen und ich habe Dich weggeschickt! Doch ich kann Dir nicht alle Steine aus dem Weg räumen. Du musst lernen in dieser Welt, so wie sie ist, zu leben. Du wirst sicher noch manche Grausamkeit erleben, mein Kind, und

leider kann ich Dich nicht immer beschützen. Ich will es so lange versuchen, wie mir Zeit bleibt auf dieser Erde und ich Kraft genug habe. Bis dahin musst Du es gelernt haben, auch ohne Hilfe, Deinen Platz in der Gesellschaft zu finden. Das ist sehr schwer, doch Du wirst es schaffen . Ich bete für Dich.

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Hörbuch

Über den Autor

Habibi
Ich bin zum Schreiben gekommen durch einen Schicksalsschlag. Mein gesund geborener Sohn wurde durch die damals noch gesetzliche Pockenschutzimpfung geistig behindert. Das hat mich völlig aus der Bahn geworfen und ich fing an zu Schreiben. Am Anfang schrieb ich Gedichte über ihn und später kamen dann andere Themen dazu.

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GertraudW 
Grüß Dich liebe Barbara,
ich habe Dich eben beim "herum stöbern" entdeckt und diesen Brief an Deinen Sohn gelesen. Deine Zeilen haben mich sehr berührt - wirklich beeindruckend geschrieben, mein Kompliment.
Liebe Grüße an Dich und ich hoffe, wir "hören" noch Einiges von einander
Gertraud
Vor langer Zeit - Antworten
Habibi Liebe Gertraud,
vielen Dank für Deine lobenden Zeilen, die mich wirklich sehr erfreut haben. .
LG Habibi
Vor langer Zeit - Antworten
niki013 liebe barbara
ich habe die lieben zeilen von rainer gelesen und bin auch der meinung mache doch werbung für dieses buch ,,
hast bestimmt coins in reserve ? geht ganz einfach, stelle es doch nochmal rein ,,,,
gg. liebe gruss dieNiki
Vor langer Zeit - Antworten
Habibi Ich bin zu dumm dazu, liebe Niki, ist auch nicht so wichtig. Danke Dir.
Liebe und herzliche Grüße von
Babs
Vor langer Zeit - Antworten
derrainer liebe barbara ,
es ist nicht nur ein text , der hier geschrieben ist , es sind gefühle die mitleid liebe aussprechen.
es ist schwer für dich , und es wird nicht einfacher ,,,,,
ich bewundere dich , und es zeigt sich immer wieder der mensch kann über sich heraus wachsen , er opfert sich sein leben um andere wie kinder ein angenehmes leben zu ermöglichen .
was ich hier bedauere , dass es von so wenigen gelesen wird , wurde ,ich zolle dir meinen respekt und wünsche dir , dass du noch lange deinen sohn zur seite stehen kannst fit und munter
lieben gruß rainer
Vor langer Zeit - Antworten
Habibi Lieber Rainer,
danke für Deine so lieben Worte, die mich sehr berührt haben. Das tun Deine Zeilen aber immer, weißt Du ja "lach"
Liebe Grüße von
Barbara
Vor langer Zeit - Antworten
niki013 liebe Barbara
wunderbar traurig berührende Zeilen ,,,,
finde keine Worte , Bewunderung für dich , wollte
ich wäre auch so stark ,,,,,,
herzlich mein Gruss
dieNiki
Vor langer Zeit - Antworten
Habibi Vielen lieben Dank liebe Niki und weißt Du, ich bin auch nicht stark. Ich habe lernen müssen damit zu leben und es fällt mir auch heute noch nicht leicht. Bin seelisch auch ein Wrack aber versuche zu lächeln um nicht meine Mitmenschen mit herunter zu ziehen.
Lieben Gruß nach Wien von
Deiner Babs
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR 
Ein total berührender Brief, liebe Barbara!
Wer weiß schon, wie es ist, ein behindertes Kind groß zu ziehen, der nicht selbst betroffen ist ...

Liebe Grüße an dich
fleur
Vor langer Zeit - Antworten
Habibi Da hast Du Recht, liebe fleur. Es ist nicht einfach aber es gibt auch Glücksmomente, z.B. als mein Sohn den Freischwimmer gemacht hat, ich habe ihn nicht. Ich war soooo stolz. Meine Ehe ging auch in die Brüche und es wurde mit meiner Freundin ein neues Kind gezeugt. Unser Sohn war ein kluger Bursche bevor die Pockenimpfung ihn zerstörte.Ich konnte jahrelang gar nicht darüber reden und habe mühselig gelernt, damit zu leben. Vielen Dank für Deine Worte und herzliche Grüße zur Nacht
Habibi
Vor langer Zeit - Antworten
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