Fantasy & Horror
Sonate der Dolche - Kapitel 4

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"Sonate der Dolche - Kapitel 4"
Veröffentlicht am 13. Juli 2014, 18 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

Wer wäre ich hier, wenn nicht jemand, der seinen Visionen ein Zuhause geben will? Tue ich das gerade nicht, studiere ich Rechtswissenschaften und bemühe mich, nicht gleich jedes damit verbundene Klischee zu erfüllen (letzteres womöglich nur mit mittelmäßigem Erfolg), oder fröne in irgendeinem Pub meinen Lastern.
Sonate der Dolche - Kapitel 4

Sonate der Dolche - Kapitel 4

Nur ein Handschlag

1. Rotwalden. 775 ÄIII n.Br. – Lothan „Lasst den Mist!“, obgleich der Mann die Worte blaffte wie ein Bär, schwelgte eine unterschwellige Bitterkeit in seinem Tonfall. Ferren kam die Stimme entfernt bekannt vor, ihr Klang echote durch den Schutt vergrabener Erinnerungen und den wabernden Nebel Rotwein durchtränkter Nächte. Dennoch gelang es ihm nicht, sie einer Person zuzuordnen und ebenso wenig wagte er es, den Blick von seinem Kontrahenten abzuwenden, dem er immer noch mit gezogenem Schwert

gegenüberstand. So laut und beeindruckt die Worte auch gesprochen worden waren, sie bewirkten nichts als eine groteske Erstarrung dieses Zustands, in dem zwei Männer bereit waren, sich bis aufs Blut zu duellieren. „Dave“, die Stimme wandte sich nun direkt seinem Rivalen zu, verlor dabei jedoch keinesfalls an Befehlsgewalt, „steckt das Schwert weg!“ Der junge königliche Gardist starrte ihm unverwehrt in die Augen, wobei Blutgier in seinem Blick tanzte. So verharrten sie noch für fast ein Dutzend Herzschläge, bis sein Gegenüber sich schließlich abwandte, auf den angebissenen Apfel

am Boden spukte und das Schwert langsam in dessen Scheide zurückschob. „Na also“, lobte die Stimme barsch. Ferren hingegen dachte nicht daran, seine Klinge sinken zulassen. Dieser Augenblick hatte alles verändert, in seinem Kopf hallten keine Selbstzweifel mehr, der Tod erschien als denkbare Gefahr, aber nicht als sehnlicher Wunsch, seine Füße ruhten sicher im schlammigen Boden, seine Augen suchten nach Schwachstellen, lediglich das Schwert lastete ungewöhnlich schwer in seiner Hand. Als er dort auf der Straße stand, umgeben von zwei königlichen Gardisten und einem Mann, den er nicht kannte, fegte jahrzehntealter

Kampfgeist alle Schatten hinfort, die auf ihm gelegen hatten. Die Vergangenheit verflog und er fühlte sich, als sei alles nicht geschehen, als hätte er den Schmerz nie erlitten. Jede Sehne war gespannt, sein Körper erwartete weiterhin den Angriff, noch als er sich dem Dritten zuwandte. Er starrte in ein wohlbekanntes Gesicht. So sicher sein Stand auch gewesen war, nun strauchelte er, das Gewicht seiner eigenen Waffe warf ihn tückisch aus der Balance, dass er rücklings gegen die Wand der Hütte prallte. All seine Sicherheit zerbrach von einem Augenblick auf den anderen und er musste einsehen, wie sehr er sich geirrt

hatte. Nichts konnte ihn vor der Vergangenheit schützen. Nichts! Den Mann, der ihm gegenüberstand, kleidete der gleiche königlich violette Wappenrock wie die Ewenett und Dave, doch hatte er ihn, wie Ferren nur zugut wusste, schon getragen, als die beiden anderen Gardisten noch in ihren Krippen gelegen hatten. Sein Gesicht war bartlos und eine gewaltige Hakenase bog sich beinahe bis über die Oberlippe. Ein Schleier dunkelgrauer Haare umrahmte sein knochiges Gesicht und fiel ihm bis auf die Schultern. Aymeric Schwarzschild, Onkel des allseits für seine Grausamkeit bekannten Renard

Schwarzschild, aber vor allem Vater jener Frau, die er einst geliebt hatte, immer noch liebte. In sein Gesicht zu blicken, hieß, in die Erinnerung an sie zu blicken. In seinem Geist flackerte erneut die Iris auf, das strahlende Azur, das nur einen Herzschlag später in Fluten purpurnen Blutes ertrank. „Was wollt Ihr hier?“, schrie er, dass es in seiner Kehle brannte, während ein Schwall blinder Verzweiflung die Worte einfach so heraustrieb, „Mich verspotten? Habe ich nicht genug gelitten? Wenn Ihr mich töten wollt, dann bitte!“ „Ferren…“, aus Aymerics Stimme war jeder Befehlston gewichen, „Ich bin

nicht hier, Euch zu töten.“ „Was dann?“, blafft er, wobei er sein Schwert entkräftet nach unten gleiten ließ, bis die Spitze im Schlamm versank. „Seht Euch an…“, der Alte schüttelte den Kopf und doch sprach kein Spott, keine Häme aus seinen Worten, „Glaubt Ihr, sie hätte das gewollt?“ „Ob sie das…?“, die Worte blieben ihm in der Kehle stecken und er fragte sich, wie er je hatte glauben können, es gäbe eine Möglichkeit, der Vergangenheit zu entfliehen. Sie holte ihn stets wieder ein, sie hatte ihn nie verlassen, und doch, so wurde ihm klar, hatte er es glaubt. So tief er auch gefallen war, hatte er geglaubt, in der Umhüllung von

Alkohol und seinem Selbsthass einen brüchigen Frieden gefunden zu haben, einen Zustand, in dem man überdauern konnte. Aber Aymeric Schwarzschild hatte hier auftauchen müssen, beseelt von der Unverfrorenheit, ihn in eben jene Vergangenheit zurückzustoßen. So wünschte er nichts mehr zurück als den Kampf und die Gelegenheit, ein Ende zu finden. „Ferren, was auf Fiondral geschah, war…“, begann Aymeric, doch er peitschte seine Worte mit gebrochener Stimme hinfort. „Ihr wisst nichts davon!“ „Nicht?“, Schwarzschild zuckte mit den Schultern, während Bitterkeit seine Züge

entstellt, „Auch ich liebte sie, Ferren. Sie war meine Tochter!“ „Sie war…“, er verstummte. Er konnte nicht von ihr sprechen. Jedes Mal, wenn sein Geist sie nur berührte, flackerten die Bilder wieder durch ihn hindurch. Er kniete in Mitten erschlagener Orks, während am Boden das purpurne Blut mit den Tränen verschmolz, die unaufhaltsam aus seinen Augen quollen, denn vor ihm lagen nicht nur die Orks, sondern auch sie… Es zerriss ihm das Herz, das Schwert glitt ihm vollends aus der Hand und er fiel erneut auf die Knie, in den Schlamm. „Ich konnte…sie nicht beschützen“, hörte er das Schluchzen aus seinem

Mund brechen, worauf Sir Dave nur höhnisch die Nase rümpfte, doch auch das konnte ihn nicht mehr schneiden. „Niemand hätte das gekonnt, Ferren“, die Stimme drang nun aus nächster Nähe zu ihm. Er hatte nicht bemerkt, dass Aymeric zu ihm hinüber getreten war und nun neben ihm im Schlamm kniete, wo der braune Dreck seinen violetten Rock beschmutzte, „Niemand hätte sie retten können. Sie ist tot, Ferren, aber du lebt noch.“ „Ich wünschte, es wäre umgekehrt“, heulte er. „Glaube mir, wenn ich mein Leben geben könnte, sie zurückzuholen, ich läge jetzt in einem Sarg. Aber niemand

vermag das zu tun“, er hielt inne, „Du bist eine wandelnde Leiche.“ „Weil es keinen Sinn mehr macht“, blaffte er bitter heraus. „Du weißt, dass das nicht stimmt“, der Alte schürzte die Lippen, „Wenn das wirklich so wäre, hättest du dem längst ein Ende gemacht.“ Ferren konnte das nur mit einem Zischlaut quittieren und in den Schlamm speien. Er starrte in die grauen Augen seines Gegenübers, in denen noch ein Hauch jenes Azurs funkelte, das die ihren gänzlich ausgefüllt hatte. Sein Inneres zersplitterte, bis sich die Ruine zu einem Scherbenhaufen verwandelt hatte. Die Qualen, die aus seinen

Erinnerungen hervorbrachen, überstiegen jeden körperlichen Schmerz, doch in jenem Moment, da er endgültig zu brechen glaubte, empfand er nur ein geradezu makabres Gefühl der Erlösung. „Ich will dich nur aus diesem Loch ziehen“, sprach Aymeric, erhob sich und reichte ihm seine behandschuhte Rechte. Sein Blick sank auf die gepanzerte Hand und ein letzter Hauch von Vernunft schrie ihn an, sie zu ergreifen. Dies würde seine letzte Chance sein, jene unerträgliche Grauzone zu verlassen, der quälende Pfad zwischen Leben und Tod, auf dem er früher oder später nur letzteren finden würde. Es ist

Zeit! Er wusste nicht, was in ihm handelte oder ob es seinem Verstand tatsächlich ein einziges Mal gelungen war, dem gähnenden Abgrund seiner Gefühlswelt zu entfliehen. Er wusste nur, dass er die Hand ergriff und von Aymeric mit einem Ruck wieder auf die Beine gerissen wurde. „Willkommen in königlichen Garde von Mara Lemorgant I.“, ein wölfisches Lächeln rankte sich über das Gesicht des Alten. „Darüber ist das letzte Wort auch noch nicht gesprochen“, höhnte der Mann, der zuvor sein Schwert gegen ihn gezogen

hatte. „Aber so gut wie“, knurrte Aymeric, bevor er auf den Sprecher deutete, „Dieser vorlaute Bengel ist Sir Dave Valentin, genannt Dave der Glückspilz. Heute hatte er wohl Glück, dass ich dich davon abhielt, ihn zu Brei zu schlagen.“ Sir Dave rümpfte abwertend die Nase. „Und hier haben wir“, Aymeric wandte sich dem dritten Mann zu, der immer noch wie ein Bär am anderen Ende der Straße aufragte, dabei aber einen Ausdruck fortwährender Freundlichkeit auf dem Gesicht trug, „Sir Norman Ewenett.“ „Sehr erfreut“, gab dieser zurück, wobei er eine Verbeugung andeutete.

„Königliche Garde“, murmelte Ferren, „Was habt Ihr vor?“ „Das erfährst du unterwegs“, Aymerics Lächeln schwand keineswegs. „Krieg?“, wollte er wissen, bekam jedoch demonstrativ keine Antwort. Sie war ohnehin nicht nötig, er hatte selbst von den Gerüchten gehört und diesen zufolge gab es keinen besseren Zeitpunkt als eben jetzt. Dass die vertrieben Royalisten sich nicht mit ihrem Schicksal abfinden würden, war an jenem Tag klar gewesen, an dem sich Aldrin Lemorgant II. im Ewigen Palast von Velorien selbst die Kehle durchgeschnitten hatte. Ein Sturm braute

sich zusammen und wenn er Bitterweid mit Aymeric, Dave und Ewenett verließ, würde er direkt in diesen hineinziehen. Die Vorstellung verlangte ihm nicht einmal ein Schulterzucken ab. Kein Krieg konnte schlimmer sein als jener, den er schon in sich selbst ausfocht, und er hoffte, dass der Klang echten Stahls die Schreie in seinem Geist endlich übertönen konnte. Ich habe nichts zu verlieren. Alles ist besser als das.

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Crawley
Wer wäre ich hier, wenn nicht jemand, der seinen Visionen ein Zuhause geben will?
Tue ich das gerade nicht, studiere ich Rechtswissenschaften und bemühe mich, nicht gleich jedes damit verbundene Klischee zu erfüllen (letzteres womöglich nur mit mittelmäßigem Erfolg), oder fröne in irgendeinem Pub meinen Lastern.

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EagleWriter Wie war das noch.... Die gefährlichsten menschen sind die, die nichts zu verlieren haben ? Mal sehen ob Ferren wirklich wiederauf die Beine kommt und wozu er in die Garde soll. Und offenbar hat er sich mit Dave ja schon eine ersten Gegenspieler geschaffen. Bleibt auf jeden Fall spannend.
lg
E:W
Vor langer Zeit - Antworten
Crawley Das sind sind, wenn auch manchmal nur für sich selbst. Ich schätze, er und Dave werden sich ihre Rivalität auf Dauer kaum leisten können.
Danke fürs Lesen und Kommentieren.

LG
Crawley
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