Forumbattle 33
Thema: Metamorphose
*Tischtennisarm,
*rudimentär,
*Schilddrüsenunterfunktion,
*antizipieren,
*angeln,
*glorreich,
*Schmetterling,
*Universum,
*Püree,
*Mimose,
*hingebungsvoll,
*kariert.
Das Arztzimmer der internen Abteilung, das sich in der fünften Etage des hypermodernen Forschungsinstitutes befand, lag am Ende des von Neonlicht durchfluteten Korridors. Amie wartete in dem fast steril wirkenden Raum auf Dr. med. Clarke Sneyder, mit dem sie die Laborbefunde ihrer wöchentlichen Kontrolluntersuchung besprechen sollte. Der Medizinmann der Hexenküche, wie ihn die Angestellten hier insgeheim nannten, trat schwungvoll ein und positionierte seinen hageren, schlacksigen Körper in einem monströs wirkenden Lederstuhl, auf der ihr gegenüber liegenden Seite seines Schreibtisches.
" Hallo Amie, bis auf einige Hormonwerte sind die Befunde unauffällig. Thyroxin ist
erheblich erhöht, obwohl bei ihnen eine Schilddrüsenunterfunktion diagnostiziert wurde. Östrogen, HCG und Progesteron sind ebenfalls außerhalb der Normwerte. Ohne weitere Befunde zu kennen, können wir wohl antizipieren, dass sie schwanger sind."
" Was? Nein, Clarke, das ist wirklich völlig ausgeschlossen!"
" Sind sie sich sicher? Die Werte lassen nur diesen Schluss zu!"
" Ich bin mir sicher. Meinen letzten sexuellen Kontakt hatte ich vor exakt drei Monaten. Sie wissen doch genau, dass ich mich nach dem Zwischenfall im Labor von Greg Masters getrennt habe."
" Ja, das ist mir bekannt. Dennoch bedeutet es ja nicht...ähm - na, sie wissen schon."
" Es muss sie nicht verlegen machen, Clarke - dafür besteht kein Grund. Also, wie gesagt, eine Schwangerschaft dürfen wir getrost ausschließen. Was ist es dann?
Kann es etwas mit der Kontamination der Amphibien-DNS zu tun haben?"
"Normalerweise würde ich das verneinen, denn schließlich ist es schon drei Monate her und alle Befunde und Tests gaben bisher keinen Grund zur Besorgnis, wie sie wissen. Wir werden weiterführende Untersuchungen machen müssen, um die veränderten Daten abschließend beurteilen zu können, Amie. Sie sind Molekolarbiologin - ich muss ihnen die denkbaren Möglichkeiten nicht aufzeigen. Können sie sich morgen Zeit nehmen und in die Radiologie kommen? Ich werde alles
Nötige veranlassen, damit man sie komplett auf den Kopf stellt!"
" Wann morgen? "
" Egal wann, denke ich - nur bringen sie Zeit mit."
Während der lautlose Fahrstuhl Amie in die Sicherheitszone des Instituts beförderte, dachte sie über das Gespräch nach. Konnte es wirklich sein, dass diese verdammte Schlamperei von Greg doch Auswirkungen auf ihren Organismus haben sollte? Keiner der involvierten Wissenschaftler war davon ausgegangen, dass sich die genveränderten Organismen aufgrund der mikroskopischen Anzahl durchsetzen könnten.
Amie gehörte gewiss nicht zu der Art von
Menschen, die schnell die Fassung verloren, doch das Universum eines Genoms war unberechenbar. Wie hatte ihr alter Professor immer betont: Das Leben findet einen Weg! Hingebungsvoll war er bei jeder sich bietenden Gelegenheit in Teilbereiche der Chaosforschung eingetaucht, weil er der Auffassung war, dass die Nichtlineare Dynamik bzw. die Dynamischen Systeme, bei der Betrachtung des Großen Ganzen mit einbezogen werden müssten, wenn auch nur rudimentär.
Sie zog die Personalcard durch den Scanner, gab die dazu gehörige Zahlenkombination ein und passierte das Securitygate.
Draußen schien die Sonne. Ein warmer Wind umfing sie, nästelte an dem Tuch, dass sie
sich locker um die Schultern geschlagen hatte und tanzte mit ihrem langen Haar. Seltsamer Weise empfand Amie weder den Sonnenschein, noch den Wind als besonders angenehm. Aufgrund des gleißenden Lichtes tränten ihre Augen sofort, obwohl ihre Ray Ben Brille mit phototropen Gläsern und Polarisationsfiltern ausgestattet war. Eigentlich war sie noch nie lichtempfindlich gewesen. Selbst in den Hochebenen von Peru, wo Greg und sie damals an einem Feldforschungsprojekt gearbeitet hatten, waren niemals Probleme aufgetreten. Außer mit Greg.
Er war tatsächlich ein hilfloser Mensch - das wußte Amie jetzt, mit einem Rückgrat, wie ein Gummiband. Seine mimosenhafte, fragile
Persönlichkeit reagierte schon bei kleinsten Einflüssen und litt Qualen. Diese pflegte er dann vorzugsweise in einem See aus Scotch zu ertränken oder griff in die Bonbonkiste der Pharmaindustrie. Dabei war es ihm egal, was er nahm - die Wirkung war entscheidend. Sie hatte es lange nicht gewußt, dass er Pillen nahm. Seine Sauferei allerdings ging ihr schon in Peru auf die Nerven, dennoch war sie bei ihm geblieben. Heute konnte sie nicht mehr sagen, warum.
Den restlichen Tag beschäftigte Amie sich mit belanglosen Dingen - nicht denken - nur den Tag irgendwie hinter sich bringen, war die Devise. Sie verzichtete darauf, eine warme Mahlzeit zu kochen und bereitete statt dessen ein Avocadopüree auf frischem
Rukola zu, obwohl ihr eigentlich der Sinn nicht nach essen stand. Überhaupt hatte Amie den ganzen Tag über keinerlei Hungergefühl verspürt. Bei genauerer Betrachtung musste sie konstatieren, dass der doppelte Espresso am frühen Morgen wirklich das Einzige war, was sie zu sich genommen hatte. Irgendwie irritierte sie das.
Die Nacht hatte Augen. Gregs Augen, in dessen riesengroßen Pupillen sie sich spiegeln konnte. Er war völlig abgeschossen - reagierte inadäquat - was sich schon darin zeigte, dass er es unterließ, Handschuhe zu tragen, während er Reagenzien auswertete. Ihren Hinweis wischte er wütend vom Tisch und verbat sich Belehrungen dieser Art.
Er hatte wieder getrunken und wie sich erst später herausstellte, gegen die Schmerzen in seinem Tischtennisarm auch noch ein Opioid-Präperat eingenommen.
Bei der Injektion der Test - Gruppen von Laborratten war es dann passiert.
Die Injektionspistole hatte er nicht gezielt hinter dem Schulterblatt des Tieres angesetzt - rutschte ab und schoss seitlich durch den dicken Handschuh, wobei er sie oberflächlich am Daumengelenk kontaminierte.
Abrupt wachte sie schweißgebadet auf. Ihre Herzklappen flatterten wie die Flügel eines plötzlich aufgescheuchten nachtaktiven Schmetterlings. Das Stechen in der Brust verursachte ihr Übelkeit. Amie versuchte sich die Flasche Mineralwasser zu angeln, die
immer neben ihrem Bett stand. Nachdem sie getrunken hatte, ging es ihr etwas besser, doch der Schaf wollte sich einfach nicht mehr einstellen. Sie grübelte. Immer wieder kamen ihre Gedanken an den Punkt, wo sie fragten, warum SIE die Handlungsweise von Greg nicht konterkariert hatte.
Vielleicht tat sie es nicht, weil er trotz aller persönlichen Probleme, ein glorreicher Wissenschaftler war, dem eine große Karierre bevorstand. Heute bereute sie es, nicht frühzeitig reagiert zu haben, nicht gehandelt zu haben, obwohl es offensichtlich
war, dass er für sich und andere eine Gefahr darstellte.
Sie lag unter der metallischen Kuppel des MRT - Grätes und hörte das dumpfe knatternde Geräusch der bilderzeugenden Frequenzen und spürte das Ruckeln des Tisches, der ihren Körper zentimeterweise durch den Tunnel schob. Mit geschlossenen Augen lag Amie dar und wünschte sich nichts sehnlicher, als jetzt einschlafen zu können.
Die Ärzte im Nebenraum starrten wie gebannt auf einen der Monitore. Was war das? Keine normale Gewebsveränderung, kein Tumor, keine Zyste. Was war dieses Gebilde, dass sich an die Zellwand der Gebärmutter geheftet hatte und nicht größer war, als eine Walnuss? Schweigen.
Dann folgte der nächste Bildschnitt und noch
einer....Dort war Leben. In diesem Gebilde, das gänzlich anders aufgebaut schien, als die Zygote eines Menschen, schlug rasend schnell ein winziges Herz...
©roxanneworks 2014 / 07
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