Einleitung
Das Kaiserreich von Canton, versinkt im Krieg, zwischen den rivalisierenden Armeen des Zauberfürsten Simon Belfare und den Streitkräften der Herrschenden Ordeal-Dynastie.
Während beide Seiten das Land, ohne Rücksicht verbrennen, versuchen tausende von Flüchtlingen sich vor den, immer weiter um sich greifenden Kämpfen, nach Süden zu retten.
Inmitten all dieser Unruhen, möchte der wandernde Schmied Leif, eigentlich nur in Ruhe gelassen werden.
Schließlich, doch gezwungen, sich einem der Flüchtlingstrecks anzuschließen, macht er sich auf den Weg, die Zerstörung, wie so viele, hinter sich zu lassen.
Unwissend, das der Schlüssel, zum Ausgang des Krieges, bald in seinen Händen liegen wird.
Und eine Welt, in der es keine richtige Seite mehr gibt, ist ein gefährliches Pflaster.
Bildquelle : Kurt Bouda / pixelio.de
Kapitel 15 Jagdausflug
Leif kam an diesem Tag nicht mehr weit. Vor allem, weil er keine Ahnung hatte, wo sein nächstes Ziel lag. Ohne Celani weiter nach Süden zu gehen, war sinnlos. Und zurück nach / Goldbrück zu gehen war, nach allem was geschehen war, Selbstmord. So blieb ihm erst einmal nichts anderes übrig, als der verlassenen Straße, die von der Geisterstadt weg führte zu folgen. Ein gebrochenes Wagenrad lehnte an einer heruntergekommenen Umzäunung.
Offenbar etwas, das die Flüchtlinge der verlassenen Ortschaft zurückgelassen hatten. An deren Ende stand ein kleiner Wegweiser. Mit den meisten Namen konnte der Schmied nur entfernt etwas anfangen. Vara erkannte er, aber das war genau die Richtung, in die er ganz sicher nicht gehen würde.
Vielleicht fand er ja irgendwo ein paar Flüchtlinge, denen er sich anschließen konnte. Immerhin, sein Handwerk beherrschte er nach wie vor. Und somit konnte er wohl nützlich genug sein das….
Ach verdammt, was redete er sich eigentlich ein? Das war`s. Leif tat etwas, was er seit nunmehr über acht Jahren,
nicht mehr getan hatte. Er ließ seiner Wut freien Lauf. Mit der Faust ausholend, schlug er gegen den alten Wegweiser, der dem Faustschlag des kräftigen Schmieds, kaum etwas entgegenzusetzen hatte. Das Holz splitterte und dass sich mehrere Bruchstücke in seine Haut gruben, spürte Leif kaum. Blut sammelte sich in seiner geballten Faust.
Was konnte er für die Entscheidungen, die er als ein viel Dümmeres und jüngeres Selbst getroffen hatte. Eines, das geglaubt hatte, Ruhm und Ehre könnten jeden Verlust aufwiegen?
Und jetzt fühlte er sich auch noch
mies, weil er das Schild zerstört hatte. Irgendjemand hätte es gebrauchen können. Sein Leben war zum zweiten Mal völlig aus den Fugen gelaufen. Und wozu ?
Götter vielleicht wurde er einfach Verrückt. Er hatte einmal geglaubt kurz davor zu stehen.
Ein Blick zur Sonne zeigte ihm, dass der Feuerball, grade erst seinen Weg zurück zum Horizont begann. Viel zu früh um sich ein Lager zu suchen, und die Frage wohin als Nächstes, damit wenigstens erst mal zu verschieben.
Leif hasste diese Unsicherheit. Bisher hatte er seine Entscheidungen immer recht spontan getroffen. Es war leichter
das zu tun, mit dem man nachher am besten Leben konnte. Egal was das war. Eine Lektion, die er auf die harte Art gelernt hatte. Aber hier gab es nicht nur kein richtig oder falsch, sondern auch keine ungefähre Richtung mehr.
Der Schmied folgte also einfach weiter den Weg, den er eingeschlagen hatte. Im Kopf ging er durch, was er noch bei sich hatte, nachdem Celani mit einem ihrer Rucksäcke auf dem Rücken, abgehauen war. Noch einmal fluchte er halblaut. Die Gejarn hatte natürlich den Großteil ihrer Vorräte dabei haben müssen. Es war ohnehin nicht mehr viel gewesen, sagte er sich selbst. Und sie könnte es besser gebrauchen, als er...
eigentlich sollte er wütend auf sie sein. Wenn die Gejarn ihm einen Moment zugehört hätte, dann… ja, dann was? Er wäre immer noch, was er in ihren Augen war. Ein auf den Kaiser eingeschworener Prätorianer. Genau die Art von Person, der Celani ausweichen wollte und musste.
So oder so, Leif würde sich überlegen müssen, wo er neue Verpflegung hernehmen sollte. Geld hatte er praktisch keines dabei. Die Handvoll Silbermünzen, die er ganz am Boden seines Rucksacks aufbewahrte, würden in einem Gasthaus, grade mal für eine Mahlzeit reichen. Leif konnte mit einem Bogen umgehen und im Herzland war die
Jagd jedem gestattet. Nicht wie in den nördlicheren Fürstentümern Cantons. Trotzdem löste das sein Problem nicht wirklich. Er hatte nichts, woraus er einen Bogen hätte machen können.
Er könnte seinen Schmiedehammer verkaufen. Der war sicher etwas wert. Aber so hielt er dann vielleicht eine Woche länger durch. Wie es aussah gab es keine unmittelbare Lösung….
Wenigstens lenkte es ihn ab, darüber nachzudenken. Es musste irgendeine eine praktische Lösung geben. Die gab es immer.
Er könnte Schlingen legen. Das könnte funktionieren. Dazu musste er jedoch bis heute Abend warten. Fallen
auf dem Weg aufzustellen wäre Verschwendung. Die Dämmerung wäre ohnehin die beste Zeit, wenn sich die Wildtiere aus ihren Verstecken wagten.
Leif ging also einfach weiter die verlassene Straße entlang, bis es langsam anfing, dunkel zu werden. Die verwahrlosten Äcker gingen, langsam aber sicher, wieder in Wälder über, deren Schatten zumindest etwas die Sommersonne abhielten. Ein kaum wahrnehmbarer Windhauch ging durch die Blätter und Leif meinte ein beinahe schon vertrautes Glockenspiel irgendwo in der Ferne zu hören. Aber wenn, dann musste der Baum irgendwo, weit abseits der ausgetretenen Wege und Pfade stehen.
Die tieferen Schatten des Waldes gefielen ihm gar nicht. Zumindest nicht jetzt, wo er alleine war.
Angst hatte der Schmied keine. Er konnte auf sich aufpassen. Trotzdem lauschte er immer wieder, wenn er irgendetwas im Laub rascheln hörte. Vermutlich irgendwelche kleineren Tiere. Kaninchen oder vielleicht Mäuse. Nichts um das er sich Sorgen machen musste. Im Gegenteil. Es bedeutete er hätte tatsächlich Aussicht darauf, etwas zu fangen.
Der Weg kreuzte einen Bachlauf, der die Straße überspült hatte, so dass Leif ein Stück durch das knietiefe Wasser waten musste. Das Nass war kälter, als er
erwartet hatte und nahm ihm ein wenig das Gefühl in den Beinen. Der Schmied musste vorsichtig sein, um nicht ausversehen, auf einem Stein oder etwas ähnlichem auszurutschen. Ein unfreiwilliges Bad würde ihm grade noch fehlen….
Als er das andere Ufer erreichte, begann er sich nach einem günstigen Lagerplatz umzusehen. Nicht direkt an der Straße, das war zu auffällig. Leif verließ den Pfad ein Stück weiter, wo der Wald auf einer Seite leicht abfiel. Eine kleine Ansammlung aus Fichten, hatte seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Die Bäume standen dicht genug zusammen, um einen Sichtschutz in
Richtung Straße abzugeben. Das hieß solange er kein großes Feuer machte.
Das jedoch würde ganz von seinem Glück abhängen. Und das war momentan scheinbar nicht vorhanden, dachte Leif, als er zwischen den Bäumen hindurchtrat. Wie der Schmied gehofft hatte, wäre es fast unmöglich, ihn von der Straße aus zu entdecken
Leif stellte seinen Rucksack am Fuß einer der Fichten ab und begann, das wenige an Ausrüstung, das er dabeihatte, zu durchsuchen. Neben einem halben Laib Brot, der ihm geblieben war, förderte er eine Zeltplane zu Tage, dazu Feuerstein und ein Stück Stahl, eine Handvoll Reisig … und ein paar stabil
wirkende, dünne Seile.
Er war etwas aus der Übung, aber nach ein paar Versuchen, bekam er doch eine funktionierende Seilschlinge zusammen. Leif beschloss, sein Glück zu versuchen und trat wieder unter den Bäumen hervor. Den Rucksack und seine übrige Ausrüstung ließ er zurück, während er nach ein paar guten Plätzen suchte, um die improvisierten Fallen auszulegen. Nicht zu nah an seinem Lager oder der Straße. Die meisten Tiere würden sich wohl eher davon fern halten. Im schwindenden Tageslicht suchte er sich einen Weg, tiefer in die Wälder hinein. Leif versuchte möglichst, in einer graden Linie zu gehen und die
Schlingen in regelmäßigen Abständen auszulegen. So wüsste er später sicher, wo er suchen musste.
Als er die Straße nicht einmal mehr erahnen konnte und die Sonne ihren letzten, roten Schein zwischen den Bäumen hindurch warf, entschied er, dass er weit genug gegangen war und machte sich auf dem Rückweg.
Leif hatte sich grade halb umgedreht, als es irgendwo im Laub raschelte. Normalerweise hätte er nichts darauf gegeben, aber irgendetwas sorgte dafür, dass sich die Haare in seinem Nacken aufstellten. Das war etwas sehr viel größeres, als ein Eichhörnchen gewesen. Ein Reh ? Der Schmied blinzelte ins
Halbdunkel. Seine Instinkte sagten ihm, dass es kein Reh war. Das Geräusch hatte sich nicht wiederholt. Ein Reh hätte vermutlich Reißaus genommen. Aber was immer da draußen war, hatte angehalten. Angehalten um zu beobachten? Oder zu lauern?
Der Schmied kam sich plötzlich unglaublich verwundbar vor. Das Tageslicht verging jetzt rasch und er konnte bereits kaum mehr etwas unter den Schatten der Bäume erkennen. Ein Raubtier hätte dieses Problem nicht.
Etwas war da. Und was immer es war, es hielt sich ziemlich gut versteckt….
Leif machte vorsichtig einen Schritt rückwärts, während seine Hand zum
Hammer an seinem Gürtel wanderte. Gab es in diesen Wäldern Bären oder Wölfe? Letztere machte ihm noch am wenigsten Sorgen. Die Tiere waren scheu genug auch einen einzelnen Menschen nur selten anzugreifen. Aber wenn er, ohne es zu wissen, in das Revier eines Bären geraten war, hatte er ein Problem….
Vorsichtig entfernte er sich rückwärtsgehend ein Stück. Als er glaubte, weit genug weg zu sein, drehte er sich um… und wurde von den Füßen gerissen.
Leif ruderte einen Moment mit den Armen, bevor er, sich überschlagend, ins Laub stürzte. Er rollte eine kleine Böschung hinab, während ihm die Waffe
aus der Hand geschleudert wurde und kleinere Zweige sich in seinen Körper bohrten. Als sein kurzer Absturz schließlich zu einem Halt kam, sah er sich nervös um. Nichts rührte sich, wofür er allen Göttern still dankte. Wenn in diesem Moment ein Wolf oder etwas Ähnliches aus dem Dunkel getreten wäre, er hätte sich vermutlich nicht einmal mehr gewehrt.
Sein Blick wanderte von dem ihm umgebenden Wald, zu seinen Füßen.
Verflucht, wie hatte er so dämlich sein können? Die Fallen natürlich. Wenigstens wusste er jetzt, dass sie funktionierten, dachte er und grinste dabei düster. Die Schlinge hatte
zugeschnappt und das hatte ihn das Gleichgewicht gekostet. Nach mehreren Versuchen gelang es ihm schließlich, den Knoten wieder zu lösen und er rappelte sich auf. Laub hatte sich in seiner Kleidung verfangen und er zupfte sich mehrere Blätter aus den Haaren.
Leif sah die kurze Böschung hinauf, die er heruntergefallen war… und erstarrte. Am Rand des kleinen Abgrunds stand eine, ihm nur zu vertraute Gestalt in grüner Waldkleidung, und sah zu ihm herab.
„Wie lange stehst Du schon da?“
Celani antwortet einen Moment nicht.
„Ich hatte Angst Du brichst Dir noch das Genick.“ Ihre Ohren waren
aufgestellt und der Schweif fegte über den Waldboden, der mittlerweile schon freigefegt von Blättern war.
„Bessere Frage.“ Leif klopfte sich einige letzte Blätter aus der Kleidung.
„Wie lange folgst Du mir wieder und warum?“
Er konnte den Anflug von Wut in seiner Stimme nicht verbergen. Ein Teil von ihm wollte sich über den halben Herzinfarkt den sie zu verantworten hatte ärgern.
„Leif… Äh… können wir einfach reden?“
Der Schmied hatte nicht vorgehabt, sie so einfach davon kommen zu lassen. Der Teil von ihm, der meinte er wäre
ohne sie sogar besser dran, riet ihm sogar dazu, sie einfach zu ignorieren. Bisher hatte ihm die Gejarn nichts als Ärger gebracht. Ärger war sogar noch untertrieben. Man hatte ihn fast getötet. Er konnte sich die nächsten Monate nicht mehr in seiner eigenem Heimat sehen lassen und….
Und eigentlich stimmte das alles. Aber es war auch so, dass er keine Ahnung hatte, was er tun sollte. Ohne Celani war er nur jemand, der durch die Gegend wanderte. Mit ihr hatte er wenigstens die Hoffnung, dass das alles nicht völlig umsonst war. Ob es ihm gefiel oder nicht, er brauchte sie.
Und ein unbestimmter, kleiner Teil
von ihm freute sich, sie zu sehen, ein Teil der gar keine Fragen stellen wollte….
„Natürlich.“ Er kletterte das letzte Stück des Hangs hinauf und blieb neben ihr stehen.
„Nur bitte, mach so was nie wieder. Ich habe gedacht mich fällt jeden Moment irgendwas an.“
„Ich hab die ganze Zeit überlegt, ob ich einfach rauskommen soll. Ich dachte nicht wirklich, das du mich bemerkst….“
„Vielleicht bist Du nicht so gut, wie Du gedacht hast.“ Er machte eine Geste zurück in die Richtung, in der sein Lager sein musste.
„Also dann, wenn Du nichts dagegen
hast, würde ich gerne erst mal nachsehen, ob sich was zum Abendessen findet. Und dann, kannst du mir erklären, was dich davon überzeugt hat, dass ich doch kein Prätorianer mehr bin.“
Celani nickte nur und ging schließlich voraus.
„Und pass auf. Ich hab hier einiges an Seilfallen verlegt. Nicht das es dir geht wie mir….“
Die Gejarn nickte. , “das habe ich gesehen.“
„Wie lange genau, bist Du schon wieder hier?“ Leif wunderte sich, dass er sie vorher nicht gehört hatte. Vielleicht war das eben wirklich nur ein kurzer
Moment der Unaufmerksamkeit gewesen, ohne den, er sie nie bemerkt hätte.
„Ich… war nie weg.“