Einleitung
Das Kaiserreich von Canton, versinkt im Krieg, zwischen den rivalisierenden Armeen des Zauberfürsten Simon Belfare und den Streitkräften der Herrschenden Ordeal-Dynastie.
Während beide Seiten das Land, ohne Rücksicht verbrennen, versuchen tausende von Flüchtlingen sich vor den, immer weiter um sich greifenden Kämpfen, nach Süden zu retten.
Inmitten all dieser Unruhen, möchte der wandernde Schmied Leif, eigentlich nur in Ruhe gelassen werden.
Schließlich, doch gezwungen, sich einem
der Flüchtlingstrecks anzuschließen, macht er sich auf den Weg, die Zerstörung, wie so viele, hinter sich zu lassen.
Unwissend, das der Schlüssel, zum Ausgang des Krieges, bald in seinen Händen liegen wird.
Und eine Welt, in der es keine richtige Seite mehr gibt, ist ein gefährliches Pflaster.
Bildquelle : Kurt Bouda / pixelio.de
Kapitel 8 Lichtbringer
Die ersten Sonnenstrahlen fanden grade ihren Weg über den Horizont, als zwei Gestalten durch die noch verlassenen Wege von Westfall liefen. Ihr Ziel stellte ein großer Hof am anderen Ende des Ortes dar, der inmitten der direkt angrenzenden Felder in die Höhe ragte.
Eine große Scheune begrenzte eine Seite des Baus, während die andere von einem Wohnhaus eingenommen wurde.
Durch eine Mauer waren beide Gebäude miteinander verbunden und bildeten so ein zu einer Seite offenes Rechteck.
Die roten Giebeldächer der Häuser Westfalls wurden grade erst vom Sonnenlicht berührt, als Leif in den Hof trat und, sich nach allen Seiten umdrehend, zur Tür lief. Celani folgte ihm in einigen Abstand. Es gefiel ihm nicht unbedingt, sie hierher zu bringen. Er wollte Kornelius nicht in Gefahr bringen aber auf der anderen Seite… hatte er kaum einen anderen Ort, wo er hinkonnte. Goldbrück war nicht mehr sicher. Trotzdem hielt er kurz an der Tür inne.
Die schwere Holzpforte war
mindestens so alt, wie Kornelius selbst, überlegte der Schmied.
Ein eiserner Türklopfer war in die dunklen Eichenbretter eingelassen. Leif hatte kaum zweimal geklopft, als er auch schon eine polternde Stimme von drinnen hörte, gefolgt von schweren Schritten.
„Verflucht, wer auch immer einen guten Mann um die Zeit aus den Federn…“ Kornelius beendete den Satz nicht, als er die Tür aufzog und sich Leif gegenüber vorfand. Mit ruhigem Blick musterte er den Schmied von Kopf bis Fuß.
„Du siehst schrecklich aus“ , bemerkte der Bauer schließlich trocken.
„Danke , alter Mann. Das weiß ich selbst.“
Kornelius schüttelte seine Überraschung offenbar schnell ab. Er lehnte den Kopf zur Seite um an dem Schmied vorbeisehen zu können und entdeckte Celani, die nach wie vor in gebührendem Abstand wartete.
„Leif… was machst Du um die Zeit hier?“ , wollte der Alte wissen.
„Und seit wann hast Du Dir den wandelnden Flohzirkus da angelacht?“
Kornelius drängte sich an ihm vorbei aus der Tür und rief dabei der Gejarn irgendwas zu. Nur definitiv nicht in seiner Sprache. Leif verstand kein Wort, Celani dafür offenbar umso mehr.
Die Gejarn sah ihn kurz aus weit aufgerissenen Augen an und reif etwas in der gleichen Sprache zurück.
Der Alte lachte , offenbar über die Antwort.
„Ja, das sieht ihm ähnlich.“
„Wem sieht was ähnlich?“ Leif war sich ziemlich sicher, dass der Witz der unverstandenen Unterhaltung aus irgendeinem Grund bei ihm lag.
„Und seit wann bitte, beherrschst du die Clansprache ?“
„Junge, ich bin schon ein bisschen länger auf dieser Welt als Du.“ , erwiderte Kornelius und tippte ihm dabei mit dem Finger gegen die Stirn.
„Und ich hab auch nicht mein ganzes
Leben in Westfall verbracht. Merk Dir das.“ Seine dunklen Augen blitzten, als sein Blick von Leif wieder zu Celani wanderte.
„Allerdings… glaube ich nicht, dass du weißt, auf was Du Dich da einlässt. Los kommt rein, steht da nicht wie angewurzelt rum.“ Kornelius drehte sich mit einem Ruck um und verschwand wieder im Haus, wobei er seinen beiden Gästen erbeutete ihm zu folgen. Leif war schon ein paar Mal hier gewesen. Hinter der Tür lag ein kurzer Flur, mit Durchgängen auf allen Seiten und einer Treppe am Ende, die hinab in den Keller führte.
Der Alte verschwand durch den ersten
Gang in einen großen, hellen Raum. Morgenlicht fiel durch eine Reihe verglaster Fenster, die auf die Felder um Westfall hinausgingen.
Ein großer Tisch nahm einen Teil des Raums ein. Kornelius ließ sich einfach in einen Stuhl daran fallen und bedeutete sowohl Leif als auch Celani sich zu setzen.
„Also … was ist passiert? Du tauchst nicht aus einer bloßen Laune heraus früh morgens hier auf. Und wenn doch.“ , fügte Kornelius hinzu.
„Gewöhn Dir das schnell wieder ab.“
„Das zu erklären, wird einen Moment dauern.“, antwortete Leif, während er begann , alles zu erzählen, was passiert
war, seit er Westfall gestern Morgen verlassen hatte. Angefangen davon, wie er Celani im Wald gefunden hatte bis zu dem Moment, wo sie mit dem Silberreif im Wald verschwunden waren.
„Ich verstehe selbst noch nicht ganz, was hier vor sich geht, Kornelius.“, endete er schließlich.
„Aber ich hoffe, Celani wird das beantworten können.“
Kornelius sah von ihm zu der Gejarn. Einen Augenblick musterte der Alte sie schweigend.
„Ihr gehört zu keinem Clan dieser Gegend, richtig?“
„Nein… ich gehöre zu den Wildland-Clans. Normalerweise halten wir uns
fernab von den/ Menschen.“
„Dafür sprecht Ihr unsere Sprache aber ganz gut.“
Sie nahm das beiläufige Lob mit einem Nicken zur Kenntnis.
„Ich wurde ursprünglich als Botschafterin ausgebildet. Auch wir müssen manchmal mit den Menschen klar kommen.“
„Dann… erzählt uns doch einmal, was Euch ausgerechnet in diesen Teil Cantons führt. Soweit ich das Ermessen kann, scheint ihr euch ja einige Schwierigkeiten eingehandelt zu haben.“
„Was mich hierher bringt, ist das hier.“ Celani hatte den wiedererlangten Silberreif vom Arm gezogen und legte
ihn vorsichtig in die Mitte des Tischs. Das feine Silbergewebe schien mehr aus Stoff, denn aus Metall zu sein. Wer immer diesen Band gemacht hatte, musste ein wahrer Meister seines Fachs gewesen sein, dachte Leif nicht zum ersten Mal.
Der in das Silber eingelassene Opal schillerte in einer bunten Kaskade von Farben, je nachdem, aus welchem Winkel man ihn grade betrachtete. Nur wenn man direkt darauf sah, schien er völlig durchsichtig. Leif streckte respektvoll die Hand danach aus und betrachtete den Edelstein und das Armband einen Augenblick.
Kornelius betrachtete den Gegenstand
nur kurz, runzelte aber die Stirn. Ein düsterer Ausdruck hatte sich auf das Gesicht von Leifs altem Freund gelegt.
„Was genau ist das?“ , wollte der Schmied wissen.
„Das.“ Celani nahm den Armreif wieder an sich. „Ist was mein Volk Ale'nyo nennt. In eurer Sprache bedeute es so viel wie Lichtbringer. Das Gebiet meines Clans liegt mittlerweile tief in dem von Simon Belfare eroberten Teil des Reichs. Vor fast zwei Monden kam er zu uns und verlangte, dass man ihm das Ale’nyo aushändigt. Dieses Artefakt ist seit dem großen Bürgerkrieg unter den Marionettenkaisern im Besitz meines Clans. Simon sprach von der großen
Zukunft, von der er träumte und dem Platz, den er darin für unser Volk sähe…
Er war… überzeugend. Ihr beide hättet ihn sprechen hören sollen, er hätte einen Berg dazu überreden können, für ihn beiseitezutreten. Viele unserer Ältesten wollten sich ihm anschließen. Andere wiederum waren dagegen. Es war eine knappe Entscheidung, aber am Ende… weigerten wir uns das Band auszuliefern. Uns war aber auch klar, dass wir Belfare diesen Stein nicht vorenthalten konnten. Seine Armee ist endlos, Leif. Seine Macht kennt keine Grenzen und wir waren nur ein einziger Clan, mit ein paar hundert Kämpfern….“
„Also ?“ Der Schmied hatte bisher
nur der Erzählung der Gejarn gelauscht. Und da sie hier saß, dieses Silberband an ihrem Arm, glaubte er, die Antwort schon zu kennen.
„Also entschied man sich, das Ale’nyo zu verstecken. Deshalb wurde ich damit weggeschickt. Ich habe die Länder der Menschen öfter bereist, als die meisten anderen meines Clans. Man hoffte wohl, dass ich mich mit dem Stein so weit wie möglich nach Süden durchschlagen kann. Weit genug, um Belfares Einfluss zu entkommen.“
Kornelius sah auf. ,,Doch nicht etwa Alleine ?“
„Als ich aufbrach, hatte ich zwanzig unserer besten Krieger als Begleitschutz
dabei. Jetzt… bin nur noch ich übrig.“
„Aber warum sollte Simon Belfare hinter einem Edelstein her sein?“
„Weil es kein schlichter Stein ist.“, erwiderte Kornelius, bevor er an Celani gerichtet hinzufügte:
„Und Ihr wisst das auch, oder euer Clan wäre nicht so erpicht darauf, es in Sicherheit zu bringen, oder ? Das da, euer Lichtbringer, ist eine Träne Falamirs.“
„Falamirs Tränen…“ Celani sah unsicher zwischen Kornelius und Leif hin und her. Ihre Ohren zuckten nervös.
„Ich habe keine Ahnung, wovon Ihr redet.“
„Natürlich.“ Kornelius faltete die
Hände zusammen. Leif konnte ihm ansehen, dass er der Gejarn nicht glaubte.
„Falamir war ein Schwertmagier des alten Volkes.“, erklärte er ruhig...
„Ein Ritter könnte man sagen. Durch einen Fluch wurde er zu Stein, aber bevor der Fels ihn komplett umschloss, begann er zu weinen. Angeblich ist dieser Kristall dort, eine seiner versteinerten Tränen. Es sind Speicher für Magie, mächtiger als alles, was unsere heutigen Zauberer erschaffen können.“
„Ich dachte, die sind nur eine Legende.“, sagte Leif. „Ich meine… ich habe davon gehört, aber nie viel darauf gegeben.“
„Wirklich?“ , fragte Kornelius und zog die Augenbrauen hoch. „Nein sie sind viel mehr als das. Ich weiß es, weil ich einmal eine gesehen habe. So etwas vergisst man nicht. Ich habe erlebt, was ein einziger dieser Steine anrichten kann… einst befanden sie sich alle im Besitz der Ordeal-Kaiser, aber seit dem Bürgerkrieg haben sie nur noch vier. Soweit ich weiß.“
„Wie gesagt, ich habe davon gehört, aber ich dachte immer, das sei nichts als Geschmeide.“ Leif kratzte sich am Kopf. „Symbole eben. Wie eine Krone. Nicht mehr.“
„Simon hat ebenfalls mindestens drei davon.“, erklärte Celani.„Er hatte
zumindest drei Steine dabei, als er zu uns kam. Er hat nicht gedroht aber… dieser Mann hat eine Ausstrahlung, die schwer zu beschreiben ist.“
„Und wir haben einen davon hier.“, stellte Leif fest. Noch konnte er die Bedeutung dessen nicht ganz greifen. Wollte sie gar nicht fassen…„Das sind acht Steine. Was ist mit den Neunten?“
„Soweit ich weiß, ging der Neunte schon vor langer Zeit verloren. Irgendwo noch hinter den Außengrenzen von Canton. Vielleicht sogar in Laos. Es sind alte Geschichten, aber ich weiß, dass sie einen wahren Kern haben. Und, dass Simons Armee Celani jagt, sollte doch Beweis genug dafür sein.“
Der Schmied zwang sich durchzuatmen. Sie hatten eine Träne. Ein legendäres Artefakt. Genau hier. Bei ihnen….
Kornelius schien seine Gedanken auszusprechen.
„Der Krieg zwischen dem Kaiser und dem Adler dauert jetzt schon über ein Jahrzehnt an. Vor allem, weil keine Seite einen Vorteil über die andere gewinnen kann. Die Zahl ihrer Truppen ist auf beiden Seiten fast endlos. Beide verfügen über erstklassige Zauberer in ihren Reihen, davon abgesehen, das Simon Belfare selbst über eine Macht gebietet, die man selten sieht.“
Leif sah unruhig zu dem Alten.
„Das... weiß ich. Das ist die Situation, wie sie seit Jahren ist.“
„Aber es gibt einen dritten Faktor in diesen Krieg, der über bloße Zahlen hinaus geht.“ , meinte die Gejarn.
„Und wir… haben ihn hier vor uns liegen.“
Kornelius nickte anerkennend. „Genau richtig. Solange die Machtverhältnisse auf beiden Seiten gleich sind und sich die Truppen die Waage halten… bleiben die Dinge halbwegs stabil. Der Krieg tobt schon lange, aber die Grenzen verschieben sich nur langsam. Aber mit einem Artefakt des alten Volkes, wie den Tränen Falamirs… Leif dieser Stein kann das Gleichgewicht der Macht
massiv verschieben. Das bedeutete das blanke Chaos.“
„Sie darf keinem in die Hände fallen.“ , unterbrach Celani ihn.
„Das Ale’nyo wurde mir von unseren Ältesten anvertraut, um sie so weit wie möglich den Zugriff derer zu entziehen, die sie benutzen würden.“
„Und deshalb bist Du auf dem Weg nach Süden.“, schloss Leif. „Und als Du um Hilfe gerufen hast…“
„Zum letzten Mal, ich habe nicht um Hilfe gerufen.“
Der Schmied zuckte mit den Schultern. Vielleicht wollte sie das nur nicht zugeben, überlegte Leif. Das sähe ihr wohl ähnlich.
„Schön, Schön.“ Kornelius schien die ganzen Neuigkeiten bisher mit einer stoischen Gelassenheit hinzunehmen. Leif wünschte, er könnte von sich das Gleiche behaupten. Das ging alles zu schnell. Zusammen mit den bohrenden Kopfschmerzen und seiner Kopfwunde schien die Welt sich langsam im Kreis zu drehen. Artefakte, Magie, das alte Volk ,der Zaubererfürst….
Das war alles zu viel auf einmal.
„Wir haben also ein magisches Artefakt hier, Euren Lichtbringer, der den Ausgang dieses ewigen Krieges beeinflussen könnte. Die Frage ist jetzt nur… was machen wir drei damit? Benutzen ist schon mal ausgeschlossen.
Leif Du hast in etwa das magische Potential einer Eintagsfliege. Das Nächstbeste, das ich statt Magie zu bieten habe sind ein paar Kartentricks und Celani, Ihr scheidet als Gejarn direkt aus. Also, was tun wir jetzt?“
Es wurde plötzlich sehr still im Raum. Was sollte das heißen, was sie damit machten? Leif fürchtete sich vor der Antwort. Es hatte eigentlich schon seit dem kurzen Kampf mit dem Magier kein Zurück mehr gegeben. Er kam aus der Sache wohl nicht mehr so einfach raus.
Verflucht hätte er den je seinen
Frieden?