Wintertod
Er wartete an der Straßenecke auf sie. Sie kam dort eigentlich immer entlang und auch an diesem späten Winterabend würde er sie dort antreffen. Er wartete nun schon seit einiger Zeit und langsam begann er zu frieren. Der Schnee fiel in dicken Flocken vom Himmel und die Temperatur lag weit unter Null. Doch sie würde noch kommen, da war er sich sicher. In der Bar, die er vor kurzem verlassen hatte, sagte man ihm, sie sei noch nicht dagewesen und sie würde hier schon noch auftauchen. Er vertraute auf ihr Wort. Doch was konnte er auch schon anderes tun? Sie in der Stadt zu suchen
würde vermutlich so lange dauern, wie eine verlorene Nadel im Heuhaufen zu finden. Auch an diesem kalten Abend. Er musste sich einfach gedulden und warten. Da bog endlich eine Frau um die Ecke. Er konnte sie nicht richtig erkennen, doch an den Geräuschen, die die hohen Absätze ihrer Schuhe machten, wusste er, dass sie es nicht war. Solche Schuhe würde sie nicht tragen. „Wartest du immer noch?“ hörte er da die Stimme des Barbesitzers hinter sich. „Warum kommst du nicht mit in meine Bar und trinkst was? Sie ist die Mühe wahrscheinlich gar nicht wert.“ Doch er schüttelte nur den Kopf. Sie würde kommen. Er wusste es.
Er stand noch weitere zwei Stunden im Schnee bis er sich alleine auf den Weg nach Hause machte.
Am nächsten Abend erzählte der Barbesitzer von einer Toten, die erfroren zwischen den Mülltonnen gefunden wurde. „Es war aber nur eine Obdachlose“ endete der Barbesitzer. „Nur irgend so eine Pennerin!“ Er sah den Barbesitzer an und nickte. Er hatte geahnt, dass sie am vergangenen Abend nicht mehr auftauchen würde.