Gerinnungsmomente
Elli
hatte sich nie die Frage gestellt,
ob das,
was nach Leben aussah,
auch Leben ist.
Es schmeckte nach Einsamkeit
und Verbitterung.
Sie nahm es hin.
Eher wie den Gang zur Toilette.
Notwendigkeiten.
Es bedurfte grösserer Bemühungen,
das Leben zu vergessen.
Mit zwanzig war sie das,
was man ne gute Partie
nannte.
Die Männer drehten sich nach ihr um
und pfiffen ihr hinterher.
Sie war der Star der Trabantenstadt.
Dann irgendwann hatte sie alle
und alle hatten sie.
Man(n) erzählte sich Geschichten
Gestern hat sie wieder drei drin gehabt
und Elli fing an die Ringe
unter ihren Augen zu zählen,
wie die Jahresringe der alten gefällten Eichen,
hinten im Wald ihrer Erinnerungen.
Winter und Sommer.
Sommer und Winter.
Die Ereignisse blieben
überschaubar.
Jetzt war sie fünfundsechzig.
Keine Familie,
keine Kinder.
Keiner, der hinter ihrem Sarg herlaufen wird.
Keine Tränen,
keine Momente der Stille.
Wenn sie aus dem Fenster sah,
konnte sie in ein paar hundert Metern
die Traktoren über die Felder fahren sehen.
Sie mochte den Staub, den sie
an trockenen Sommertagen aufwirbelten.
Auf diesen längst abgeernteten
Feldern.
Felder wie sie.
Vertrocknete Seelenspiegel.
Aber irgendwann trugen alle Früchte.
Elli nie.